Die INDIGO GIRLS spielten endlich wieder in Europa – und brachten auch noch die begabte CARA DILLON mit
Die Indigo Girls in Deutschland, das hat es lange nicht gegeben. Bald eine Dekade ist es her, dass Emily Saliers und Amy Ray ihr damals noch recht kleines Repertoire in kleinen Clubs einem kleinen Publikum präsentierten, und seither beobachtete man von Ferne die scheinbar pausenlosen „Honor The Earth“-Tourneen und „Lilith Fair“-Gastspiele und las von all dem sozialpolitischen Engagement der beiden US-amerikanischen Liedschreiberinnen. Anlässlich des neuen Albums, dem nach einigen eher elektrischen Jahren erstmals schlicht akustischen „Become You“, gastierten die Indigos nun auch wieder in der Alten Welt. Überall in Europa, viermal in Deutschland. Vorhang auf.
Dienstag, 30. April, Hamburg. „Wäre es nicht lustig, wenn wir heute ganz unter uns blieben?“, fragt Emily während des ausgedehnten Soundchecks in dem noch leeren „Schlachthof“, doch die scherzhaft verpackte Sorge ist nicht wirklich begründet. Gestern, beim Tourauftakt in Köln, hatten sich die Indigo Girls über ein ausverkauftes Haus freuen können, und also hat die lange Abstinenz wohl keinen Schaden angerichtet. „Im Endeffekt ist es gar nicht schwierig herzukommen“, kürzt Amy später ab, „du musst dich bloß ins Flugzeug setzen und losfliegen.“ Wären da nicht all die Aktivitäten zu Hause! Die Indigos setzen sich für ökologische Belange ebenso ein wie für die Rechte der native americans und investieren viel Zeit in die Arbeit für „Gay Youth“ und andere Organisationen gleichgeschlechtlich Liebender. Eine Sisyphusarbeit, natürlich. „Du musst auf das sehen, was du verändern kannst“, denkt Amy lokal und erzählt von vorm Selbstmord bewahrten Teens und spürbaren Verbesserungen im Alltag. „Wenn du nur auf die großen Zusammenhänge siehst, bist du bald besiegt.“ Dass hier niemand besiegt ist, belegt dann das Konzert: Die Indigo Girls freuen sich über die Textfestigkeit des Publikums und bezaubern mit schön-schlichtem, unverstelltem Charme.
Mittwoch, 1. Mai, Osterholz-Scharmbeck. Auch Cara Dillon, die die Indigos begleitet, hat viel von diesem Charme. Die junge Sängerin aus dem nordirischen Dungiven hat just ihr Debüt vorgelegt, einen Reigen aus Traditionais, der mit zartem Gemüt um etwas Modernität ringt Während die Indigos heute einen Abstecher in die Niederlande machen, bestreitet Cara ihr einziges abendfüllendes Konzert der Tour.
Im Bremen nahen Osterholz-Scharmbeck lädt die örtliche Folk-Initiative zum Musikabend, und knapp 200 Leute sind gern gekommen. Die PA ist eine Gesangsanlage und außerdem kaputt, die Klimaanlage kühlt zu laut, aber alles in allem gelingt Cara ein schöner Auftritt. Der Spagat zwischen den Subkulturen bestimmte schon ihre bisherige Karriere: Mit 19 wurde Cara von den Folk-Superstars Equation verpflichtet, und nach deren Ende schien ein lukrativer Vertrag mit Warner die Zukunft als Popstar sicherzustellen. Was folgte, war aber eher ein Albtraum. Fünf Jahre lang wurden Cara und ihr musikalischer Partner Sam Lakeman um die Welt geschickt, lebten in London, San Francisco und sonstwo und sollten mit Dutzenden von Produzenten und Mietkomponisten einen Millionenseiler schreiben. Heraus kam nichts. „Wir haben etwa fünf Alben im Schrank“, lächelt Cara. „Eins ist Rock, eins Ambient-Pop, eins klingt wie von den Com. Bloß ich selbst bin da nicht drauf.“
Zwei Jahre nach dem Aus bei Warner hat Cara nun ihr eigenes Album am Start „In all den Jahren, in denen ich anderen gefallen sollte, habe ich zumindest herausgefunden, was mich glücklich macht – und was nicht.“ Glücklich macht Cara vor allem Irland. Mit schönem Akzent erzählt sie vom geliebten Zuhause und davon, wie Riverdance und The Corrs doch immerhin die Menschen nach Irland zögen. „Und wenn sie erst mal da sind, dann hören sie auch richtige irische Musik.“ Eben die will Cara in die Welt tragen, auch wenn in Zukunft mehr eigene Lieder dabei sein sollen.
Samstag, 4. Mai, Bremen. Nachdem gestern in Berlin sogar die ansonsten wenig interessierte Plattenfirma der Indigo Girls da war und sich wohl über die vielen Menschen wunderte, soll heute im Sendesaal von Radio Bremen gespielt werden. Während Amy auf einer ihrer Mandolinen zirpt, probiert Emily den neuen Song JDeconstruction“, eine abgeklärte Reflexion über die Grenzen glücklicher Zweisamkeit „Man lernt halt, mit gewissen Unerfülltheiten zu leben“, hatte Emily in Hamburg ihr Leid mit der Liebe beschrieben. Am Abend gibt’s ein Lied mit Cara Dillon und am Ende fast ein Wunschkonzert Zumindest in Bezug auf ihre Deutschlandreise müssen sich die Indigos über mangelnde Erfüllung nicht grämen.