Die Hofnarren der Republik

Proll-Humor hat Konjunktur, und MUNDSTUHL sind seine Könige. Das Frankfurter Comedy-Duo ist nun für den Echo-Preis nominiert.

Dragan is’n Arsch. Echt ganz krass. Blafft seinen Kumpel Alder an, nur weil der keine Witze erzählen kann oder ihm Verse vom Otannebaum deklamiert. „Ey Alder, Schaisedrägg!“ Darüber lacht zur Zeit sich halb Deutschland kringelig und kauft sich sogar die Konserve. 180 000 Exemplare ihrer ersten Platte „Nur vom Allerfeinsten“ hat das Frankfurter Comedy-Duo mit seinem leckeren Namen Mundstuhl im letzten Jahr unter die Leute gebracht Und rechtzeitig, bevor Lars und Ande nun im März als Nominierte zur Echo-Verleihung anreisen, steht die Folgetat „Deluxe“ im Regal. Egal, wie oft die sich verkaufen wird – einen Rekord haben die beiden schon gebrochen. Oder fallt jemandem eine CD mit mehr als 52 Tracks ein?

Auf denen treiben sie nicht nur als Dragan & Alder, übrigens nicht unbedingt Türken oder Balkan-Emigranten, „sondern, wie wir gerne sagen, Chinesen, weil wir ja niemanden diskriminieren wollen“, ihr Unwesen – sondern besetzen ein halbes Dutzend Rollen, darunter recht formidabel auch die gestandener Musikanten. Was jedoch alle Kostümwechsel übersteht, ist ihre Liebe zur, sagen wir’s mal soziologisch, Sprache der Straße. Und die hat ungeheuer Konjunktur. Was als holzgeschnitzte Verbalinjurie unter der Wollmütze Tom Gerhardts begann, treibt inzwischen vornehmlich an Ruhr und Main zahllose Blüten. Atze Schröder prollt im fast knopflosen Hemd an der Aral-Stammsäule die Schnitte popliger BMW-Piloten dumm von der Seite an, Erkan & Stefan radebrechen sich auf ihrer Platte „Planet Döner“ und demnächst auch im Kino mit Minimalwortschatz durch die klebrigen Phantasien zweier Immigranten, und Ingo Appelt gewöhnt auch „Aspekte“-Gucker daran, dass man durchaus gar im Kinderfunk übers Ficken sprechen kann.

Deshalb allerdings ist die Comedy-Gilde, die mittlerweile prominentere Sendeplätze einnimmt als die täglichen Nachrichten, noch lange kein Tummelplatz für Psychopathen, Sexisten und dumpfbackige Assis. Meinen zumindest Mundstuhl. „Comedy wird noch viel zu häufig am Kabarett gemessen“, klagt Lars, „dabei sind wir eine andere Liga, stehen dem Pop viel näher.“ Was jeder begreift, wer die beiden einmal im Aufnahme-Studio sehen könnte. „Wir sitzen bei Bier und Zigaretten mit Geschmack und versuchen uns gegenseitig zum Lachen zu bringen. Wenn das klappt, nehmen wir’s auf. Fertig. Ob das immer p.c. ist oder ja niemanden auch bloß ein bisschen verletzen könnte – völlig uninteressant.“

So läuft man Popstars den Rang ab. Ob Appelt, Schröder, Mundstuhl – die Kleinkunstbühnen und ihr verstaubtes Publikum auf der Suche nach klugen und gern ein wenig lustigen Kommentaren zum Repertoire der „Tagesschau“ können ihnen gestohlen bleiben. Comedians stehen auf anderen Brettern. „Wir hatten unsere schönsten Abende in Läden wie dem Hamburger Docks“, erinnert sich Ande. „Das war einfach irre geil, da zu stehen, wo schon Lemmy ins Mikro gerotzt und auf den Boden geschwitzt hat. Ja, das sind heilige Hallen!“ Und schließlich wolle man zwar auch das Auditorium, vor allem aber sich selbst amüsieren. Und das möglichst stilecht, „klar geht’s hinterher an den Tresen, manchmal fallt auch die Hotelrechnung einen Hauch höher aus als gedacht, weil die kaputte Fernbedienung dann irgendwann an der Wand gelandet ist.“

Schöne Geschichten aus dem Leben wahrer Rock’n‘-Roller des just angebrochenen Jahrhunderts. Hätten Rod Stewart und Keith Richards auch nicht besser erzählen können. Der Frage nach Gründen für die noch junge Leidenschaft der Fans für Pointen unter der Gürtellinie läss sich so jedoch nicht beantworten. „Wenn du wirklich eine ernsthafte Antwort willst“, sagt Ande, „dann sage ich: Das ist ein Ventil für die Leute, denn eigentlich wäre doch jeder gerne manchmal der Proll, der einfach völlig ausrastet und rumgrölt“ In einer reglementierten Gesellschaft aber traut sich keiner mehr, ist jeder niedere Instinkt domestiziert, zumindest verpönt und deshalb hält sie sich ihre Comedians als Hofnarren. „Ein herrliches Leben“, findet Lars, „wenn man uns bloß nicht ständig um eine Analyse unseres Tuns bitten würde. Ich frag‘ doch auch keinen Psychologen, weshalb ich Frauenärsche so geil finde. Womöglich müsste ich mir dann ’ne neue Vorliebe suchen.“

So wie Alder. Denn der liebt Handies, 345er Schlappen und Otannebäume. Voll krass, echt Und konkret kein Leben.

Schaisedrägg.

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