Die Gleichung geht auf
Der Texaner Britt Daniel schafft es mit Spoon meistens, zwei Alben in einem aufzunehmen - das Resultat einer fast mathematischen Herangehensweise an seine Songs
Der Spion im Übungsraum von Spoon sah dies: Britt Daniel, wie er seinen Mitstreitern mal wieder ganz genau die einzelnen Teile seines neuen Song-Babies beschreibt. Bis plötzlich der Keyboarder ausruft: „Britt, Du hast wirklich ein mathematisches Gehirn!“ Was dieser prompt zu einem Lied mit eben diesem Titel verarbeitete.
Zu finden ist „My Mathematical Mind“ auf dem fünften Album von Spoon. Sonst geht es auf „Gimme Fiction“, betitelt nach „Friction“ vom Television-Klassiker „Moon“, eindeutig weniger eindeutig zu als bisher; „Songs sind generell offen für Mißverständnisse“, entgegnet Daniel, der jeden Satz kühl wägt, um zumindest im Gespräch wenig Raum für Interpretation zu lassen. „Und oft sind es eher die guten als die nicht so guten.“ Auf „Girls Can Teil“ seien seine Songs noch „direkter“ gewesen, „da ging’s halt um das Hemd meines Vaters, und um eine Zeit, da sowohl die Hemden als auch die Manieren besser waren.“ Jedenfalls könne er verstehen, daß die Leute und auch Journalisten fragen, was denn der und der Song genau bedeute.
Aber ist das nicht die Frage, die jeder Songschreiber haßt? „Yeah“. Ein Grinsen.“Ich hasse sie nur, wenn der Song wirklich ein Mysterium bleiben soll. Und die schlechteste Frage ist immer noch: Ihr kommt aus Austin, Texas, wie ist das so?“ Aus der nahen Football-/Cowboy-Hochburg Temple war Daniel als College-Kid in die Bundeshauptstadt gezogen, zu einer Zeit, als die sogenannte „New Sincerity“-Szene dort schon längst perdu war. Was später John Croslin, mit Zeitgeist bzw. den Reivers eine treibende Kraft derselben, nicht daran hinderte, der erste von vielen Spoon-Bassisten zu werden.
Denn Daniel spielt das Instrument am liebsten immer noch selbst, wähnt er sich doch mit vier Saiten den Formeln und Gleichungen besonders nahe. Im Single-Idealfall „I Turn My Camera On“ haben Spoon den Groove von Prince und die Hooks der Pixies. „Jeder Song muß etwas Spezielles haben. Manchmal muß ich ihn dafür vielleicht in die andere Richtung schicken. ‚Sister Jack‘ fing mit einer tollen Melodie an – und endete als Rhythmus-Nummer. ,They Never Got You‘ fing ganz einfach an, bis mir diese Bassline einfiel, die etwas ganz anderes aus dem Song macht Wenn sie mir nicht eingefallen wäre, wäre er wahrscheinlich rausgeflogen.“
Was bei Spoon unter „viel Wert auf Qualitätskontrolle“ läuft. Unbescheiden sagt Daniel: „Darin liegt vielleicht meine größte Qualität: Ich merke einfach, wenn etwas nicht funktioniert.“ Womit er natürlich auch ein idealer Produzent wäre. Ein bißchen hat er sich hier und da mal versucht, gefallen hat’s ihm auch. „Aber meine eigene Musik dauert so lange, da bleibt nicht viel Raum.“ Nervt ihn das? Daß alles mathematischer Beschreibung zum Trotz oder gerade deswegen – so lange dauert? Kein Zögern. „Yeah.“
Dann schwärmt er von der Lektüre der Prince-Biografie „Dance, Music, Sex, Romance“: „Wie er Jahr um Jahr direkt nach seinen Tourneen für 30 Tage am Stück ins Studio gegangen ist! Am Ende hatte er immer so an die 20 neue Songs, fertig aufgenommen. Das hat mich inspiriert, zuletzt öfter mal zu sagen: Okay, das und das ist jetzt einfach fertig. Und dann schauen wir später mal, wie gut es ist. Ich habe zuletzt viel damit experimentiert, sehr schnell aufzunehmen. Vielleicht gibt’s mehr davon.“ Und dann irgendwann auch die Spoon-Platte, die nicht mehr zwei in einer ist, sondern nur eine Stimmung oder eine Bewegung immer tiefer auslotet, wie eine Mission in bestimmte Untiefen der Algebra. „Reizen würde mich das schon“, sagt Daniel. „Aber bisher war ich nicht sehr gut darin, an einem großen Plan festzuhalten. Ich ließ eher die Songs dahin gehen, wo sie hinwollen. Ich bin nicht Profi genug…“ Er bricht ab. Nicht nur der Keyboarder hätte da geschmunzelt und entschieden widersprochen. Dann sagt er. „Na gut, ich könnte es, wenn ich wirklich wollte.“