Die gälischen Hymnen von Runrig rühren vor allem die deutsche Seele
Hätte ja auch gepaßt: Kriegsbemalte Highlandet zertrümmern laut brüllend britische Okkupanten-Schädel in slow motion, und wenn die bluttriefende Kamera langsam vom gerechten Gemetzel hoch in den grau verhangenen Himmel schwenkt, verliert sich das martialische Getöse in elegischen Synthesizer-Akkorden, dumpf patschenden Trommeln und einem gälischen Gesang, der wie Nebelhauch über allen Dingen schwebt. Ja doch, das hätten sie sich schon vorstellen können: Musik für Mel Gibsons „Braveheart“ aufzunehmen. Oder für „Rob Roy“. Jetzt ist es halt nur ein Titel zum Soundtrack von „Loch Ness“ geworden, aber bitte, sagt Donnie Munro: auch das ein Mythos, und ein erz-schottischer erst recht. Also singt Runrig-Sänger Rod Stewarts ,,Rhythm Of My Heart , während Nessie gesehen, gekrault und anschließend zum Wohle der schottischen Fremdenverkehrswerbung dann doch im Loch belassen wird. Schön! Und noch schöner: Vorher läuft die Werbung für Carlsberg, was zwar kein schottisches, aber immerhin doch ein gutes Bier ist und da singen Runrig ebenfalls, auch wenn sie nicht so recht wissen, ob sie sich darüber freuen sollen: Vielleicht wäre ihnen ein guter „Single Malt“ lieber gewesen. Runrig im Kino: Darauf wird man in Deutschland noch ein paar Monate warten müssen. Dafür ist aber jetzt „Mara“ im Handel, elftes Album des Sextetts und spätestens in drei Wochen die Lieblings-CD aller deutschen Barbourjacken-Träger. Zumindest in Südwestdeutschland, wo Runrig fast 70 Prozent ihres kontinentalen Umsatzes machen – was sie in erster Linie SWF 3 zu verdanken haben, dessen Hörer die hymnisch-pathetischen Titel der schottischen Westcoast-Children auch schon mal 40 Wochen hintereinander in die hauseigenen Charts wählen. Und Gälisch würden die lernen, schwärmt Donnie, das müsse man sich mal vorstellen: Die Band bekomme sackweise auf gälisch geschriebene Leserbriefe! Und in Freiburg oder Mainz oder Tübingen, ja selbst noch in Bonn könnten mehr Leute Refrains wie „Na H-Uain A’s T-Earrach“ mitsingen als zu Hause in Schottland! Um die Lernkapazitäten dieser Treuesten aller Treuen nicht zu überfordern, sind auf „Mara“ nur zwei Titel in ihrer Muttersprache – ansonsten wird Englisch gesungen und an der erfolgreichen Symbiose von Phil-Collins-Sounds und Folk-Elementen festgehalten. Daß diese wohlfeile Mixtur aus cinemaskopischem Keyboard-Schwulst und uhrwerkartigen Schlagzeug-Patterns bei vielen als Kitsch abgehakt wird, stört Donnie nicht: Musik, sagt er, sei eine Sache der Seele und der Herkunft, man könne da eben mitfühlen oder nicht. Und daß „The Mighty Atlantic“ verteufelt nach Runrigs beliebter Mitsing-Hymne „Loch Lomond“ klingt, die wiederum nichts anderes als die schottische Neu-Betextung des irischen „Red Is The Rose“ war, auch das sieht Donnie so nicht. Bestimmte Melodien seien schon seit Menschengedenken da, und die Iren würden immer behaupten, sie hätten es erfunden. Ihre Hörer, vor allem die in Schwaben, werden ihnen zustimmen und demnächst dann lieber doch nicht mehr zum Guiness nach Dublin fahren – schließlich geht es um die schottische Sache. Stefan Nink