Die fröhliche Wissenschaft
Der kleine und der große John werden oft mißverstanden. Sie gelten als ewige Studenten, als Clowns, als Komiker, als Komödianten, als fahrende Spaßmusiker. Früher schnallte sich der kleine John ein Akkordeon vor den Bauch, und der große John schrummte dazu eine akustische Gitarre. So entstanden vier Meisterwerke des geistreichen Understatement, so wurden They Might Be Giants beinahe zu putzigen Witzfiguren.
„Wir sind nicht Monty Python“, sagt John Linnell. Wenn er die Brille abnimmt, sieht er plötzlich sehr alt aus – eher Professor als Student. Die fröhliche Wissenschaft haben They Might Be Giants schon immer betrieben: Polka, Country, Orientalismen, Rock‘ n’Roll, Spieldosenmelodien und Kirmesmusik verquirlte das Duo stets zu olympischen Pop-Songs, deren luftiger Charme scheinbar ohne Kraftanstrengung entstand. Die Kunst der beiden Johns: Bei aller eklektizistischen Verspieltheit bewahren sie das Authentische und Autochthone des Folkloristischen – und der angehäufte Bildungsballast, den man in ihren Songs ahnen kann, bleibt Subtext. „Es ist gut, wenn Leute denken, wir seien nicht mehr so lustig. Das wollten wir niemals sein. Es ist wie so oft: Erziehung und Wahrnehmung kontra Realität. Vielleicht ist das Handwerkliche besser geworden. Inhaltlich und kompositorisch gibt es kaum Unterschiede.“.
Allein, They Might Be Giants sind jetzt eine Band mit fünf Musikern. „John Henry“, das fünfte Album, ist bestimmt das eingängigste: 20 Songs, die in einem glücklicheren Parallel-Universum die Schlager des Alltags wären. Ihre wunderbaren Konzerte bezeichnet John Flansburgh richtig als „Shows“: Mit launigen Zwischenansagen, Bläserfanfaren und Überleitungen im Music-Hall-Stil ist der Flohirkus ganz schön groß geworden.
Ist ihr Humor in dieser Welt konsensfähig? „They’re like the people chained in the cave/ In the allegory of the people in the cave/ By the Greek guy“, witzeln John & John platonisch in „No One Knows My Plan“. „Das Gleichnis liest man doch in der High School“, glaubt Flansburgh. „Ich denke, wir haben an der Universität viel gelesen“, sagt Linnell mit der ihm eigenen anührenden Bescheidenheit. „Vermutlich wären wir Schriftsteller geworden, wenn wir uns nicht so sehr für Musik interessierten.“
Mit Recht fordern sie aus der Sicht eines Simpels gegen den Hang zur Vereinfachung: „I Should Be Allowed To Think“.
Manche Texte sind vitriolisch und listig wie bei Randy Newman, nur ein wenig menschenfreundlicher. Der Thermostat im Auto, das schmutzige Fahrrad, der Blick durchs Fenster – alle Petitessen haben hier die gleiche Wertigkeit. Flansburgh, der Forschere und Eloquentere, neigt zu Sophismen: „Newman hatte bestimmt großen Einfluß auf uns. Aber es gibt viele Methoden, Songs zu schreiben. In gewisser Weise ist der Unterschied zwischen Newman und Alice Cooper gar nicht so groß. Es ist eine Frage der Perspektive und der Technik.“
Methode hat auch ihre Tiefstapelei. „Wir haben uns lange geweigert, an die Öffentlichkeit zu treten, etwa mit Fotos auf dem Cover. Erst jetzt verstecken wir uns nicht mehr -Popstars werden wir sowieso nicht.“ Linnell spielte auf dem Debüt-Album des geistesverwandten Frank Black; Flansburgh produzierte zwei entsprechende Videos. Nach zehn Jahren Arbeit hat das Konzept der Johns gesiegt: Auch Black, einst Dekonstruktivist, fügt nun alle Pop-Partikel zu einem schillernden Referenz-System. John &John lächeln wissend. „Wir machen nicht Musik über Musik. Es ist einfach Musik.“