Die Fleet Foxes haben den „Helplessness Blues“
Der neue Song der Fleet Foxes schwelgt wie gewohnt und geliebt in Harmonie und Wohlklang. Das gleichnamige Album erscheint am 29. April.
Man muss wohl niemandem mehr erzählen, wie die Fleet Foxes für ihr Debüt und ihre „Sun Giant“-EP gefeiert wurden. Nach einer recht kurzen Vorglühzeit hatte sich die Kunde ihrer harmonietrunkenen Folksongs mit der samtenen Stimme Robin Pecknolds auch bis zum letzten Neon-Leser herumgesprochen. Konzerte waren ausverkauft, und am Ende standen und saßen sie zur sonnigsten Nachmittagszeit auf dem Glastonbury-Festival und spielten vor Rund 60.000 Leuten auf der Hauptbühne. Was dann so aussah:
Und an dieser Stelle muss ich mal persönlich werden: Denn bis zu diesem Zeitpunkt liebte ich sie genauso abgöttisch, wie es mein halber Freundeskreis tat. Schon seit meiner ersten Begegnung mit ihnen im Café Zapata in Berlin, wo sie einen furiosen und im wahrsten Wortsinn feurigen Gig spielten (im Zapata gibt es einen flammenspuckenden Drachen über der Theke, der an diesem Abend trotz 40 Grad Innentemperatur natürlich auch zum Einsatz kam), wollte ich sie wieder und wieder live sehen. Und dann das: Auf dem Glastonbury klangen „White Winter Hymnal“, der „Tiger Mountain Peasant Song“, „Oliver James“ und vor allem „Mykonos“ zwar nicht minder großartig und im besten Wortsinn Simon-and-Garfunkelig, aber Robin Pecknold moserte immer wieder über Sound-Unzulänglichkeiten, wirkte miesgelaunt und gab das Bild eines vergrämten Perfektionisten, dem auf dem Weg zur Klangperfektion die Leidenschaft abhanden gekommen war. Was ja mal passieren kann, gerade wenn man seinen Hype „on the road“ ausreiten will. Nur war schon der letzte Gig von ihnen, im Spiegelzelt in Haldern 2008, bisweilen ähnlich frustrierend gewesen. Auch hier passte dem Herren einiges nicht und man hangelte sich durch manch peinliche Pause, in der auf der Bühne gegrummelt und am Mischpult hektisch gewerkelt wurde. Genau diese Szenen kamen mir nun jedes Mal hoch, wenn ich ihr Album auflegte, und auf einmal wirkten all die Harmonie, die Leichtigkeit, die himmelstürmenden Hymnen glatt und streberhaft.
Ganz anders hingegen die erste Begegnung im Café Zapata Anfang Juni 2008. Zuerst saß man in einer mit Sand und Metalltonnen dekorierten Strandlandschaft in einem Hinterhof der Oranienburger Straße und ließ sich von Casey Wescot (Piano, Gesang) bescheiden erklären: „Wir glauben an unsere Musik und wollen unser Licht nicht unter den Scheffel stellen, aber diese unglaublich tollen Reaktionen hätten wir im Traum nicht erwartet. Wir wurden fast überall regelrecht gefeiert.“ Später dann, nach gemeinsamen zwei Bieren in der Sonne in bester Laune, reagierten sie sehr amüsant auf den Vorwurf, doch sehr, vielleicht zu sehr, in den 60ern verhaftet zu sein: „Wir lassen uns von Musik aus allen Jahrgängen inspirieren. Wir haben mit Sicherheit nicht nur die Platten unserer Eltern in der Sammlung“, lachte Wescot da und quäkte: „Mom, can I borrow your Emerson, Lake And Palmer record?“ Und Gitarist Skye Skye Skjelset flötete: „Not again, son!“
Das Konzert im Anschluss war dann schlichtweg unfassbar: Das Zapata vollgepackt, die Menge johlend, stampfend, klatschend. Die Fleet Foxes schweißgebadet, leidenschaftlich, sich in jeden Song werfend, als wäre es die letzte Hymne vor dem Exitus. Selbst Jens Balzer von der Berliner Zeitung nannte den Gig „überwältigend, messianisch“ – Worte, mit denen er meist nur obskure Doom-Bands beehrt. Es ist müßig, in Vergangenem zu schwelgen – aber so gut sah man sie danach nie wieder.
Ein langer Vorlauf, um nun auf den neuen Song zu kommen, der kürzlich von der Band als Free Download verschenkt wurde. Aber die Skepsis, ob die Fleet Foxes einen noch einmal zu solchen Jubelarien bringen können, ist eine große und sicher weit verbreitet. Das weiß wohl auch die Band. Man könnte einige Zeilen aus „Helplessness Blues“ gar als Sorge ebendieser Art interpretieren:
„And now after some thinkin‘
I’d say I’d rather be
a functioning cog in some great machinery
servin‘ some thing beyond me“
Aber – und das beweist ihr Song – sie haben sich nicht runterziehen lassen – indem sie sich schulterzuckend fragen: Was soll’s? Wobei Pecknold das natürlich poetischer klingen lässt:
„Yeah, I’m tongue tied and dizzy
and I can’t keep it to myself
what good is it to sing helplessness blues?“
Musikalisch hatte Pecknold angekündigt, man wolle weniger “ upbeat“ und “ poppy“ klingen und hätte sich an Roy Harpers „Stormcock“ und Van Morrisons „Astral Weeks“ inspieriert. Der „Helplessness Blues“ belegt diesen Richtungswechsel noch nicht. Er ist „upbeat“ und „poppy“ und wandert auch wieder barfuß auf Simon-and-Garfunkel-Pfaden. Dabei ist der Song aber vor allem eines – wundervoll. Und damit kann ich mich beruhigen und vom Refrain über meinen Unmut hinweg trösten:
But I don’t, I don’t know what that will be
I’ll get back to you someday soon you will see
Es scheint ihnen gelungen zu sein. Zumindest mit diesem Song sind sie auch zu mir zurückgekommen. Und wenn sie im Mai live zu sehen sein werden, werde ich da sein. Entweder am 25. Mai 2011 im Berliner Astra oder am 26. Mai 2011 in Dachau beim Summer of Music. Das Album erscheint bei uns am 29. April.