Die Firma Media Control von Karlheinz Kögel und das Ein-Mann- Unternehmen Taurus streiten um die Rechte an den Verkaufslisten
Am 22. Mai hat die deutsche Musikbranche endlich mal wieder Grund zum Feiern. Künstler und Manager sind ins badische Ländle eingeladen, um im Europapark Rust aufs 25-jährige Jubiläum der Charts-Erhebung durch Media Control anzustoßen. Die ARD überträgt die Gala am Pfingstmontag. Einer steht indes nicht auf der Gästeliste: Günther Ehnert, Inhaber des Buchverlags Taurus Press. Denn der ist bei Media Control in Ungnade gefallen. Man hat sich heftig vor Gericht gestritten.
Dabei kennen sich Ehnert und Karlheinz Kögel, Gründer und Chef von Media Control, schon seit Jahrzehnten, und zumindest früher ging ihnen das „Du“ stets leicht von den Lippen. Kögel gehörte Anfang der Siebziger wie auch Frank Laufenberg – zum Gründungsteam des legendären,,Pop-Shop“ im Südwestfunk; Ehnert stand seinerzeit bei der Plattenfirma Metronome in Lohn und Brot, wo er sich vor allem um die Förderung deutscher Acts verdient machte. Dann suchten beide ihr Heil in der Selbstständigkeit und gründeten eigene Firmen – und hatten irgendwie immer wieder miteinander zu tun. Das lag freilich in der Natur der Sache: Denn beide beschäftigten sich intensiv mit der Hitparade. Ehnert hatte schon 1972 – da profilierte sich Kögel noch als Radiomann – angefangen, die deutschen Charts statistisch auszuwerten. Da sich kein anderer darum kümmerte, begann er, die Positionen der Künstler in den Longplay- und Singles-Charts aufzulisten und die Anzahl der Wochen zu ermitteln, die sich die Platten in den Charts hielten. Derlei grundlegende Statistiken veröffentlichte er unter dem Titel „Hitbilanz“ regelmäßig in Buchform (und seit einigen Jahren auch auf CD-ROM). Dass für solche Forschungsarbeit ein dankbares und treues Publikum existiert, ist Tatsache – seit jeher übt das wöchentliche Auf und Ab der Songs und Platten auf die Hitparadenfraktion unter den Musikfreaks eine unwiderstehliche Faszination aus.
Das hatte 1976 auch Karlheinz Kögel erkannt, als er mit dem Konzept seiner Firma Media Control in der Branche die Runde machte – mit dem erklärten Ziel, die wöchentliche Erhebung der Charts auf ein solides statistisches Fundament zu stellen. Bis dahin hatte die Redaktion des Fachmagazins „Der Musikmarkt“ die Verkäufe bei den Plattenhändlern abgefragt und daraus die Hitliste zusammengestellt; ein den tatsächlichen Verkäufen entsprechendes Bild ließ sich so nur bedingt gewinnen, zumal Schummelei und unbeabsichtigte Irrtümer sozusagen zur Systemsoftware gehörten. Kögel erhielt also für Media Control den Zuschlag, die offiziellen deutschen Charts im Auftrag des Phono-Bundesverbands zu erheben. Media Control wurde zur rasanten Erfolgsstory – heute umfasst die Firmengruppe von Multimillionär Kögel 15 Firmen, darunter den Reiseveranstalter L’tour, und macht 350 Millionen Euro Umsatz im Jahr. Kögel selbst zählt inzwischen Zelebritäten wie Bill Clinton zu seinen Freunden.
Im Vergleich zu Kögel backt Ehnert ziemlich kleine Brötchen. Der Verlag ernährt seinen Mann, mehr ist nicht drin. Ehnert erinnert sich: „Damals hat Kögel sein Konzept auch mir vorgestellt, und ich habe immer gern Werbung dafür gemacht. Wir kannten uns schließlich noch gut aus seiner Radio-Zeit.“ Und Kögel kannte natürlich auch Ehnerts „Hitbilanz“. Alles schien in bester Ordnung: Media Control erhob die Charts, Taurus besorgte die Statistik. Ehnert schickte, stets korrekt, Belegexemplare an Kögel: „Lieber Karlheinz, danke Dir noch herzlich für Deine Unterstützung.“ Ulrike Altig, Geschäftsführerin von Media Control, sandte regelmäßig Weihnachtsgrüße.
Vor diesem Hintergrund kann Ehnert nicht recht fassen, weshalb Media Control ihn plötzlich vor den Kadi zerrte: „Nach 25 Jahren fällt denen ein, dass ich das, was ich mache, gar nicht darf.“ Media Control klagte auf Unterlassung. Ehnert bemächtige sich einer fremden Leistung, da er die Charts auswerte. Hätte Goliath Kögel Recht bekommen, hätte David Ehnert seinen Laden dicht machen müssen. Es kam zum Prozess.
Das Oberlandesgericht München mochte indes im Februar 2003 nicht einsehen, dass die Charts, wie sie Media Control liefert, eine eigene kreative Leistung darstellen; in seinem Urteil wies es das Ansinnen von Media Control zurück und ließ auch keine Revision zu. Tenor: Media Control sammelt Daten und erstellt daraus eine Liste. Diese Liste an sich ist geschützt. Die Daten, die sie enthält, bieten aber genug Stoff zur Interpretation, und hier setzt Taurus mit einer eigenen Leistung an, die Media Control nicht untersagen kann.
Hat also David tatsächlich gegen Goliath gesiegt? Nur fürs Erste. Denn leider ist noch kein Happy End in Sicht. Zwar gab Karlheinz Kögel zu Protokoll, dass es ihm lediglich ums Prinzip gehe und nicht darum, seinen alten Bekannten Ehnert wirtschaftlich zu ruinieren. Aber nun zieht Media Control erst einmal vor den Bundesgerichtshof, um gegen die Nichtzulassung der Revision zu klagen. Sollte das Oberste Gericht im Sinne der Baden-Badener entscheiden, geht der Zirkus weiter. Nur sagt Ehnert: „Mit einem solchen Prozess sind Kosten verbunden, die ich mir nicht lebten kann.“ Deshalb überlege er sich, „ob ich nicht gleich aufhöre, wenn das Verfahren in die nächste Runde geht“. Er mag nicht begreifen, weshalb Kögel nach all den Jahren solch schweres Geschütz auffährt.
Aber vermutlich geben die ökonomischen Hintergründe sachdienliche Hinweise. Media Control lässt sich seine Dienste seit jeher teuer bezahlen. So werden Plattenfirmen, etwa für die Airplay-Überwachung ihrer Titel, kräftig zur Kasse gebeten. Doch der darbenden Musikindustrie fehlt das Geld. Diesen Kostendruck dürfte auch Media Control verschärft zu spüren bekommen.
Aber wahrscheinlich ist der Arger mit Ehnert dem Gentleman Kögel schon lange peinlich; vermutlich ist er einfach nur schlecht beraten. In diesem Sinne: Happy Birthday, Media Control!