Die Eröffnung des Dschungelcamps: Knalltüten, Vollpfosten, Mamselln und Testosteronmonster
Neue Regeln: Zwei Camps treten bei "ich bin ein Star, holt mich hier raus!" gegeneinander an. Alle Rollen sind diesmal fabelhaft besetzt.
Die Änderung von Spielregeln bedeutet im Fernsehen in der Regel das Ende der Veranstaltung an sich. „Einer wird gewinnen“, „Dalli Dalli“, „Der große Preis“, „Was bin ich?“ – diese Shows durften nie geändert werden, allenfalls das Dekor wurde behutsam modernisiert (und der Moderator nie). Das Dschungelcamp hat zum zehnten Jubiläum ein Parallelel-Camp bekommen, genannt „Snake Rock“, in dem die Hälfte der Belegschaft abhängt und der zuätzlichen Gefahr durch, jawohl: Schlangen ausgeliefert ist. Doch ist diese Neuerung allenfalls insofern bedeutsam, als Sonja Zietlow und Daniel Hartwich jetzt weiter gehen müssen und sich die Kräfteverhältnisse verschieben: Zwei Kleingruppen wetteifern miteianander, aber es werden auch Teile der Belegschaft ausgetauscht, und sowieso kämpft jeder für sich allein.
Die Belegschaft ist die patentierte Premiumtruppe aus Knalltüten, Exhibitionisten, Verhaltensauffälligen, Gebrechlichen, Egozentrikern und Bekloppten, und alle Rollen sind fabelhaft besetzt. Rolf Zacher und Gunter Gabriel geben zuverlässig den nörgelnden respektive bramsigen Alten, gesundheitlich jenseits der Demarkationslinie, weshalb sie vom ersten Tag an mit ihrem Abschied drohen. Virtuos spielt Zacher seine Altersrolle, den verpeilten, narzisstischen, grantelnden Hallodri, der mit Nadelstreifen, Tüchlein und groteskem Kopfputz sogar seinen Vegetarismus für ein geiles Alleinstellungsmerkmal hält und immerzu Öl für die dünn geschnittenen Kartoffelscheiben fordert. Das unzerstörbare Urviech Gabriel pinkelt sofort ins Meer und markiert damit als Alphatier ein Revier, das er gar nicht hat. „Die letzte Fahrt ist immer im Kombi!“, ruft er grinsend aus dem Fenster des Autos.
Hallodri gegen Fleischmütze
Zacher hat bereits den muskulöser Meister-Proper-Darsteller Thorsten Legat gegen sich aufgebracht, einen ehemaligen Fußballprofi und Gesundheits-, Fitness und Disziplin-Freak, der mit stierem Blick aus stahlblauen Augen feststellt, dass die meisten Mitgereisten eindeutig zu weich sind und nur 50 Prozent auf dem Platz bringen. Legat selbst bringt natürlich alles, was aber nichts nützt, weil sein viriles Eisenfressertum keine Kombattanten finden wird. Zu Beginn fällt er noch auf Zachers theatralisches Hagerherumstaksen und die vorgebliche Hilflosigkeit herein: Der kapriziöse Malade ist ja Schauspieler. Schon bald geht Zacher der Fleischmütze auf die Nerven – er geht ALLEN auf die Nerven.
Der Trash-TV-Ansager Jürgen Milski ist wie immer Jürgen Milski: von keinem Zweifel angekränkelt, mit seinem Kontostand prahlend und habituell und seelisch Voll-Kölner. Daniel Ortega ist der Vollpfosten vom Dienst, eine Traumbesetzung der Planstelle des eingebildeten Dummschwätzers, der gar nicht anders kann, als unterhaltsamen Unfug zu reden: „Was ich hieran mag, ist, dass Australien eben Australien ist.“ Menderes Bagci, ein putziger DSDS-Exot, findet sich als Sonderling gut: „Geb ich auch zu – ich BIN crazy.“ Er ist aber nicht so crazy, eine Prüfung gegen die schwerfällige Busenmatrone Sophia Wollersheim zu verlieren, über die der Dschungelarzt Dr. Bob sagt, sie spreche über ihre Brüste, als wären es Freunde – was natürlich daran liegt, dass sie ihre Freunde SIND. Andere wird sie nicht finden: Gleich attestiert sie sich vollkommene Menschenkenntnis.
Gegen die lederne, abgebrühte Blondine Jenny Elvers wird sie keine Chance haben – aber Elversy wird gegen die Stahlblondine Brigitte Nielsen keine Chance haben: Nielsen war bereits Dschungelkönigin, ist schmerzfrei und macht immer alles richtig. Sie bemerkt die 19-jährige Natalie Volk nicht einmal – Dr. Bob bezeichnet das schlichte Mädchen als „Mischung aus Schneewittchen und einem Roboter“ und versteigt sich zu der Behauptung, Natalie „versteckt große Teile ihrer Persönlichkeit“. Das muss ein sicheres Versteck sein. Die vormalige RTL-Sozialmamsell Helena Fürst, bisher eine trutschige Verantwortlichkeitshuberin, gibt sich im Urwald als rastaverzopfte Kampfbereite. Ihr Pragmatismus hat die Zuschauer dazu verleitet, sie für die nächste Prüfung zu nominieren. Ricky Harris schließlich ist der knuffige Dampfplauderer und Grinsekater, der allenfalls als Katalysator von Bedeutung sein könnte.
Während Elvers und Nielsen sich in der Deckung halten, werden sich Zacher und Gabriel aufreiben, Milski und Ortega sich um Kopf und Kragen schwatzen und Wollersheim und Volk sich im Wohlgefallen an sich selbst auflösen. Das Testosteronmonster Legat wird am Lagerfeuer allein bleiben. Das Dark Horse aber ist Menderes Bagci, der Bertolt Brecht zitiert: „Wer kämpft, kann verlieren, und wer nicht kämpft, hat schon verloren.“
Da hat er einen Punkt.