Die coole Kriegerin der Liebe
Die aufregendste Überraschung liefert das Musikjahr schon jetzt: Sade ist zurück! Nachdem von der Jazzpop-Queen fast zehn Jahre nichts zu hören war, erscheint nun ein neues Album, ihr sechstes: "Soldier Of Love" Das Ex- Model mit der unglaublichen Stimme pflegt zwar weiter das eigene Mysterium, aber die wichtigsten Neuigkeiten konnten wir erfahren: von Musikern, Weggefährten und - exklusiv - von Sade Adu selbst.
Das Besondere, vielleicht Entscheidende an Sade Adu ist nicht ihre Coolness. Obwohl das oft behauptet wird. Und sogar fast stimmt. Das wirklich Besondere an ihr ist, dass diese Coolness rein gar nichts mit der koketten Kühle zu tun hat, mit der halbinteressante Frauen so gern versuchen, sich ganz interessant zu machen. Vamps, Eisprinzessinnen, Blase-Lieschen, die Diven aus dieser Liga reichen Sade nicht mal bis zu den Fußknöcheln. Sie schert sich nicht um Fremdwahrnehmung, sie hat Wichtigeres zu tun. Auch wenn wir nicht andeutungsweise wissen, was das ist.
Demnach war der größte Sade-Moment der Geschichte in Wahrheit gar kein echter Sade-Moment. Leider. Datum: 13. Juli 1985. Zeit: circa 15 Uhr in London. Das „Live Aid“-Festival ging im Wembley-Stadion über die Bühne, und natürlich war die Band Sade dabei. Ihr Mitte 1984 erschienenes Album „Diamond Life“ hatte mit Saxofon-behauchtem Jazz-Pop und dem nachtblauesten Frauengesang seit
Nina Simone fast alles gewonnen, in UK und Amerika je vier Platinplatten, in Deutschland zehn Wochen den Nummer-eins-Platz. Während die Welt über Satellit zuschaute, streifte die gleißend schöne, 26-jährige Sade Adu mitten im Song „Your Love Is King“ ihr schwarzes Bolerojäckchen ab. Sagte das nächste Stück „Is It A Crime?“ an. Erst als sie sich umdrehte, erkannte das atemlose Publikum, dass ihr weißes Rollkragenoberteil am Rücken komplett ausgeschnitten war. Und dann sang sie: „This may come as some surprise, but I miss you.“
Warum man das nicht zu den typischen Momenten zählen darf? Weil die Sache mit dem makellosen braunen Rücken eigentlich nur kalte Berechnung gewesen sein konnte. Eine Regung, die Sade doch völlig fremd zu sein scheint. Trotzdem wusste in der Situation keiner, ob er hinschauen oder die Augen schließen sollte. Um diese unvorstellbar traurige Stimme besser hören zu können.
as Wiedersehen mit dem Rücken kommt 2010 eher unverhofft: Auf dem Cover ihres neuen, sechsten Studioalbums „Soldier Of Love“ zeigt sich Sade Adu -jetzt 51 und unverändert anbetungswürdig – von hinten, mit weißen Rosen im Haar und immer noch perfekten Schulterblättern. „Lovers Rock“, ihre letzte reguläre Platte, ist knapp zehn Jahre alt, 2001 tourte die Band noch einmal, 2004 steuerte sie ein Stück für eine Charity-DVD bei. Sonst keine Ereignisse, keine News.
Müsste auch gar nicht sein. Sade-Tonträger verkaufen sich weiterhin von alleine, mehr als gewaltige 50 Millionen Stück sollen es bis heute weltweit sein. Die Schönheit von Frau und Musik, die in den Achtzigern schon zeitlos wirkte, ist es heute umso mehr. Hand aufs Herz, niemand hat ernsthaft auf ein neues Album gewartet. Die Vorfreude auf „Soldier Of Love“ging im popkulturellen Universum dann eben von Null auf Hundert.
Zu Recht. Der als Single vorgeschossene Titelsong gehört zum Raffiniertesten, was die Band je produziert hat: ein aus Spaghetti-Western, Militärmarsch und modernem R’n’B gerollter Track, in dem Sade Adu bitter und unbeugsam singt: „I’m at the borderline of my faith, I’m at the hinterland of my devotion.“ Das Album, mit der seit 1984 unveränderten Band und dem ständigen Co-Produzenten Mike Pela aufgenommen, wurde vor Veröffentlichung unter Verschluss gehalten – was wir dennoch davon hören konnten, verspricht Großes: Neben den charakteristischen Jazz-Lounge-Schwofern haben einige Songs eine gravitätische Tiefe, die an das Spätwerk von Talk Talk erinnert.
Und noch immer hat Sade diese legendäre Gelassenheit, die sich niemandem aufdrängt und nirgendwo Applaus heischt. Was man auch daran merkt, dass sie selbst nach einer derart langen Pause keine regulären Presseinterviews gibt. Wer sie finden will, muss sie suchen.
Wie formulierte es das amerikanische „Time Magazine“ in seiner Cover-Story über Sade in den Achtzigern? Sie ist so cool, dass selbst ein Eiswürfel in ihrem Mund nicht schmelzen würde.