Die biblische Vision des Buchhalters
Sieht man Jeffrey Katzenberg auf einem der seltenen Fotos, die das Dream Works-Dreamteam zeigen, wirkt der kleine Brillenträger neben dem Musikboß David Geffen und Hollywood-Wunderkind Steven Spielberg wie ein Buchhalter, der durch Zufall mal mit seinen Bossen zusammen vor die Kamera durfte.
Dabei trägt er als Chef der Dream-Works-Zeichentrickabteilung derzeit die Verantwortung für das wohl ambitionierteste Projekt, an das sich die drei Träumer während ihrer bisher vierjährigen Zusammenarbeit herangewagt haben: „Der Prinz von Ägypten“, eine Zeichentrickversion des biblischen Buchs Exodus, das Moses‘ Läuterung vom ägyptischen Prinzen zum Sklavenbefreier schildert. Ein Mammutwerk, an dem mehr als 350 Künstler, Zeichner und Techniker saßen, für das rund 700 Wissenschaftler konsultiert wurden und dessen Herstellung rund 70 Millionen Dollar verschlungen haben soll – plus 30 Millionen Dollar für das Marketing. Die werden nötig sein, denn als Weihnachtsfilm ist dieses von Künstlern wie Gaude Monet und Gustave Dore inspirierte Opus überdurchschnittlich schwere Kost.
Kein Wunder, daß selbst Multimillionär Katzenberg ein kleines bißchen nervös ist So überließ er ausnahmsweise mal nicht Regisseuren die Promotion. Er ging höchstpersönlich auf Pressereise durch Europa, wo der hyperaktive Macher selbst bei den konfusesten Fragen in radegebrochenem Klippschulenglisch seine Contenance bewahrte („Vieh innouations did you had in mind?“).
Schließlich repräsentiert „Der Prinz von Ägypten“ auch eine ganz persönliche Mission für Katzenberg, der vor Dream Works zehn Jahre lang die Walt-Disney-Studios geleitet und sie 1994 im Streit verlassen hatte: Er will den Zeichentrick in Dimensionen heben, für die seinem einstigen Arbeitgeber die Vision fehle. „Im Disney-Zeichentrickfilm geht’s immer um gut gegen böse, Hexen gegen Zauberfeen. Dadurch finden auch Kinder ihren Weg durch diese Geschichten. Beim J’rinz von Ägypten‘ dagegen läuft so gut wie alles im grauen Bereich. Es gibt keine schnurrbartzwirbelnden Bösewichter – alles ist voller Komplexität und Ambivalenz“, so der 47jährige, der FilmCartoons nicht mehr als Genre gesehen wissen möchte, das von vielen mit Disney-Märchen gleichgesetzt wird. „Ich begreife Zeichentrick als Technik, mit der man alle Arten von Geschichten erzählen kann- auch Action-Adventure-Stories, die teilweise so grandios animiert werden, daß sie auch verwöhnte Zuschauer verblüffen!“
Sollte „Der Prinz von Ägypten“ dem Publikum so gut gefallen wie den vielen Kritikern, dürfte dies für Katzenberg eine besondere Genugtuung sein. Es gäbe ihm nämlich die Chance zu zeigen, daß die Renaissance der zeitweise eher verschlafenen Disney-Studios zum großen Teil von ihm mitgeschaffen wurde – ein zentraler Punkt seiner 1996 gegen Disney eingereichten Klage, in der er eine ihm, seiner Meinung nach, vertraglich zugesicherte Profitbeteiligung von mindestens 250 Millionen Dollar gefordert hatte.
Katzenbergs Erfolgsbilanz liest sich in der Tat beeindruckend: Unter seiner Regentschaft stieg Disney in der Produktivitäts- und Ertrags-Rangliste von Platz neun auf den ersten Platz, die Einnahmen wuchsen in zehn Jahren von 1,4 auf 8,5 Milliarden Dollar. Da Disney kein Interesse hatte, bei einem Gerichtsverfahren möglicherweise der Öffentlichkeit Einblicke in Geschäftsinterna gewähren zu müssen, beendete man das „Katz & Mouse“-Spiel im November 1997 und verglich sich hinter verschlossenen Türen. Bei Fragen nach der Höhe der Abfindung hüllt sich Katzenberg ausnahmsweise mal in Schweigen. Aus Insiderkreisen verlautet jedoch, er habe mindestens 100 Millionen Dollar kassiert Ab Mitglied des Dream Works-Triumvirats sorgt Katzenberg weiterhin für Muffensausen in Entenhausen. So kam der um sechs Monate früher fertiggstellte, computeranimierte Dream-Works-Überraschungserfolg „Antz“ den Disney-Insekten in „Das große Krabbeln“ an den amerikanischen Kinokassen gehörig ins Gehege, weswegen die Disney-Studios gegen „Der Prinz von Ägypten“ (DreamWorks interner Spitzname: „Zion King“) den Familienstreifen „Mightyjoe bung“ vorzieht In Florida verboten Disneyworld-Manager gar einem auf ihrem Gelände angesiedelten Virgin-Megastore, mit einem Banner für die Filmmusik des jüngsten Katzenberg-Knüllers Reklame zu machen. Neben dem Score von Hans Zimmer, dessen Musik für Disneys Welterfblg „König der Löwen“ mit dem Oscar ausgezeichnet wurde, und der deutsprachige Version werden noch zwei Compilations mit Country-Music (!) und Musikern wie Boyz II Men oder Jars Of Clay feilgeboten, die mehr vom Cross-Marketing-Gedanken inspiriert sind als von dem Zeichentrick-Epos. Diese Soundtracks sollen das Segment aufrollen – wie Moses einstmal das Rote Meer teilte. Der aus der exklusiven Park Avenue in New brk stammende Wahlkaliförnier nimmt das gelassen. „Die Dollars und Cents, die .Der Prinz von Ägypten‘ einspielt, sind für die Zukunft von Dream Works nicht entscheidend“, erklärt Jeffrey Katzenberg. „Mir liegt sein Erfolg vor allem deshalb am Herzen, weil er dem Unternehmen in kreativer Hinsicht neue Türen aufstoßen würde.“
Panik ist nicht angesagt, weil es mit DreamWorks nach anfanglichen Flops wie Mimi Leders «The Peacemaker“ mit George Gooney und Nicole Kidman endlich bergauf geht. Hinweise darauf, daß es in den letzten Jahrzehnten keine rentablen Studio-Neugründungen, sondern nur ein permanentes Sterben der Studios gab (und daß von dem Dream Works-Einlagekapital bereits die Hälfte verbraucht worden sein soll), kann Katzenberg entgegenhalten: „1998 war ein starkes Jahr für diese Firma. Eigentlich reicht pro Jahr nur ein großer Erfolg, um den Rest eines solchen Ladens am Laufen zu halten – wir aber hatten mit ,Saving Private Ryan‘, ,Deep Impact‘ und ,Antz‘ gleich drei! Außerdem konnten wir noch unsere TV-Serie ,Spin City‘ mit Michael J. Fox in die Syndikation verkaufen – auch hierin liegt eine Menge Geld.“ Bei den Umsatzbilanzen amerikanischer Studios liegt DreamWorks ’98 auf einem stolzen siebten Platz noch vor alteingesesseneren und weitaus größeren Produktionsstätten wie etwa Universal und der Traditionsfirma Metro-Goldwyn-Mayer.
Die sieht Mini-Mogul Katzenberg ohnehin nicht als direkte Konkurrenz an. „Dream Works ist kleiner und persönlicher. Uns geht es nicht um Großhandel mit kommerziellen Inhaltenwir kümmern uns um jene Produkte, das wir lieben: Bei Steven Spielberg ist es das Kino, meines der Animationsfilm, und bei David Geffen die Musik“, sagt Katzenberg – und verneint abschließend die Frage, ob der sich abzeichnende Erfolg seiner Firma eventuell in Hollywood eine Trendwende hin zu kompakteren Studios herbeiführen könnte: „Ich denke nicht, daß die Zeit der Megakonzerne vorbei ist. Sie können ruhig noch riesiger werden, während wir unsere Größe beibehalten. Das macht uns schließlich besonders! Deswegen wollen manche Talente speziell mit uns arbeiten – weil wir halt kleiner, intimer sind.“