Die Bibel kriegt ein neues Buch
Die Verklärung des Herrn (lat. Transfiguration) bezeichnet ein Offenbarungserlebnis der drei Apostel Petrus, Jakobus und Johannes. Sie stiegen mit Jesus auf den Berg Tabor, um zu beten und wurden Zeuge, wie ihr Herr von einem überirdischen Licht überstrahlt wurde. Eine Wolke kam herangeweht und daraus sprach Gott: „Dies ist mein geliebter Sohn.“ So weit, so gut, so Wikipedia. Was das allwissende Lexikon nicht weiß: Mit Transfiguration bezeichnet man nun auch die Verschmelzung eines Hells-Angels-Anführers mit einem Folksänger. Das behauptete zumindest Bob Dylan in seinem Interview mit Mikal Gilmore im ROLLING STONE. Die Seele des 1964 bei einem Unfall umgekommenen Bikers Bobby Zimmerman sei in ihn, der einst unter dem gleichen Namen auf die Welt kam, übergegangen und habe ihn „transfiguriert“. „Wenn Sie also Ihre Fragen stellen, dann fragen Sie eine Person, die schon lange tot ist“, so Dylan. „Transfiguration ist das, was es dir erlaubt, unter dem Chaos hervorzukriechen und dann drüber hinwegzufliegen. Das ist der Grund, warum ich noch immer mache, was ich mache.“ Von einem theologischen Standpunkt ist diese Interpretation allerdings nicht zu halten, wie Knut Wenzel, Professor für Fundamentaltheologie und Dogmatik an der Frankfurter Goethe-Universität und ausgewiesener Dylan-Kenner, erklärt: „Auf der Aussageebene ist das, was Dylan im Interview zur Transfiguration entwickelt, einigermaßen hanebüchen. Mein Grundverständnis hierzu: Auch wo Dylan ins Spekulieren gerät, wo er religiöse oder metaphysische Welt-Bilder entwirft oder beansprucht, macht er dasselbe wie in seinen Songs: Er ist nichts anderes als ein Storyteller – der erfindet, flunkert, ja, lügt‘, um verpackt in Erzählungen oder anderen fiktionalen Stoffen sagen zu können, was ihn zuinnerst betrifft – und es im selben Moment zu verstecken und zu schützen.“