Die besten neuen Serien 2015 – Kategorie: Politik & Drama
In den vergangenen fünf Jahren ist die Serienproduktion explodiert, auch dank der neuen Streamingdienste. Längst sind die größten Regisseure und Schauspieler im TV zu sehen, und die Zuschauer haben die Qual der Wahl. ROLLING STONE hilft – und stellt die besten aktuellen Serien vor.
NARCOS
„Ich bin kein reicher Mann. Ich bin ein armer Mann mit Geld.“ Das ist vielleicht der Schlüsselsatz in dieser Geschichte. Einer Geschichte um sehr viel Geld, sehr viele Drogen, sehr viele Tote. „Narcos“ erzählt vom Leben des Pablo Escobar, des größten Drogenhändlers aller Zeiten. Regisseur José Padilha („Tropa de Elite“) hat sich an den Stoff gewagt – wohl wissend, wie kompliziert das werden würde. Auch Wagner Moura, der Escobar spielt, wurde das schnell klar. Der Brasilianer zog schon einige Monate vor dem Dreh nach Medellín, weil er erst mal Spanisch lernen musste. Das Erste, was er sah, war eine riesige Wandmalerei: Pablos Gesicht neben dem von Jesus. Er verriet dann vorsichtshalber zunächst keinem von der geplanten Serie.
https://www.youtube.com/watch?v=80v6wFdgJLo
Inzwischen ist „Narcos“ ein weiterer Erfolg für Netflix, die zweite Staffel wurde bereits in Auftrag gegeben. Dabei ging Padilha ein Risiko ein: Große Teile der Dialoge wurden nicht synchronisiert, sondern unter-titelt – für Wagner eine unbedingte Notwendigkeit: „Pablo hat nie englisch gesprochen, das wäre absurd gewesen – zumal Padilhas Ästhetik ja auch immer etwas Authentisches, Dokumentarisches suggeriert, zum Beispiel mit diesem Voice-over, das einem das Gesehene genauer erklärt.“ Hier erledigt das der raubauzige US-Drogenfahnder, der Escobar jahrelang jagte.
Im Prinzip ist „Narcos“ eine klassische Tragödie und deshalb so unwiderstehlich. Der unterprivilegierte Escobar strebt nach Höherem, der Kokainhandel ist für ihn bloß ein lukratives Geschäft. Eigentlich will er Präsident werden. Er hat das nötige Charisma und auch die nötige Kaltblütigkeit, aber dann doch zu viele Leichen im Keller. Wenn Moura von ihm spricht, nennt er ihn immer beim Vornamen – wie viele in Kolumbien. „Die Narben sind dort noch sichtbar. Jeder kennt einen, der in den 80er-Jahren durch Pablos Krieg starb. Ich wollte Pablo als Menschen zeigen, als einen grausamen Menschen, aber einen, der seine Familie und sein Volk liebte. Es sollte keine Serie über zwei nette Amerikaner werden, die nach Kolumbien gehen, um die Welt von einem bösen Südamerikaner zu befreien.“
Für Moura war es die schwierigste Rolle seines Lebens. Er las alles, was es über Escobar zu lesen gibt, er sah sich Filme und Dokumentationen an. In der Rückschau schaudert es den 39-Jährigen noch ein wenig: „Ich war ein sehr dünner brasilianischer Schauspieler, der kein Spanisch konnte und jetzt diesen kolumbianischen Mythos spielen sollte.“ Gedreht wurde an den Originalschauplätzen in Bogotá und Medellín – und dorthin werden sie nun auch für die zweite Staffel zurückkehren. Es gibt noch viel zu erzählen. Escobar ist zwar seit 22 Jahren tot, aber das bedeutet nicht, dass „Narcos“ keinen aktuellen Bezug hätte. „Vieles, was in den Achtzigern in Kolumbien passierte, ist ja immer noch virulent in Südamerika: die
Armut, die Ungerechtigkeit, die sozialen Konflikte“, sagt Moura – und: „Reiche gehen in Südamerika nicht ins Gefängnis. Das ist leider immer noch die Realität.“ Insofern war Pablo Escobar dann doch ein reicher Mann. Von Birgit Fuss.
Netflix, seit 2015, 1 Staffel
DEUTSCHLAND 83
Zwischen kaltem Krieg und Neuer Deutscher Welle, zwischen Kleinmachnow und Bonn irrt der Grenzsoldat Martin Rauch (Jonas Nay) als schusseliger DDR-James-Bond wider Willen umher. Während Rauch bald schon glückselig staunend seinen ersten Walkman auspackt, sind seine Kollegen in der HV-A-Zentrale ratlos, was man mit diesem aus dem Safe des Nato-Chefanalysten geklauten Ding, das sich Floppy Disk nennt, machen soll.
https://www.youtube.com/watch?v=_dAVi5G45n0
Das Spionagedrama „Deutschland 83“ ist das Beste, was dem deutschen Fernsehen 2015 passiert ist. Ein wunderbar nüchtern erzähltes, liebevoll ausgestattetes period piece, das einen knuffigen 80s-Soundtrack und tolle Schauspieler zu bieten hat. Maria Schrader etwa als biestige H-VA-Führungsoffizierin oder Ulrich Noethen als Generalmajor, der, wenn er mit US-Generälen über die Stationierung der Pershings diskutiert, schon mal von seiner resoluten Frau unterbrochen wird, weil sie wichtigere Aufgaben für ihn hat. Endlich wieder eine deutsche Serie von internationalem Format! Von Gunther Reinhardt.
RTL, seit 2015, 1 Staffel, ab 11.12. auch auf DVD
HOUSE OF CARDS
Die einst shakespeareschen Dimensionen der Netflix-Serie schrumpfen mit der Präsidentschaft des Francis Underwood zu einem bedeutungsschwangeren Kammerspiel um Eheknatsch, Wahlkampf und Ärger mit den Russen – die Serie wird also streng realistisch. Während Kevin Spacey immer vierschrötiger wirkt, ist Robin Wright als First Lady noch magerer und gestählter, erlaubt sich aber unvermutete Sentimentalitäten und merkt plötzlich, dass sie gar nicht Präsidentin ist. Michael Kelly als treuer Schmerzensmann fürs sehr Grobe hat seine eigene Serie in der Serie, Underwoods homoerotische Neigung wird abermals angedeutet, und Lars Mikkelsen gibt genüsslich den russischen Präsidenten. Der stoische schwarze Spare-Ribs-Grillmeister wird im Weißen Haus als Gärtner beschäftigt, und ein Eckermann, der Franks geklitterte Biografie schreiben soll, dient den Underwoods als Katalysator (und Zerstörer) ihrer Partnerschaft. Wohin soll das alles führen? Zur Wiederwahl in der vierten Staffel. Von Arne Willander.
https://www.youtube.com/watch?v=ULwUzF1q5w4
Netflix/Sky Atlantic HD, seit 2013, 3 Staffeln, auch auf DVD
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