TV-Fußnoten

Die besten neuen Serien 2015 – Kategorie: Drama & Sex

In den vergangenen fünf Jahren ist die Serienproduktion explodiert, auch dank der neuen Streamingdienste. Längst sind die größten Regisseure und Schauspieler im TV zu sehen, und die Zuschauer haben die Qual der Wahl. ROLLING STONE hilft – und stellt die besten aktuellen Serien vor.

DOWNTON ABBEY

Nach sechs Staffeln geht Julian Fellowes’ grandiose Kostümserie zu Ende – ihre Stars verabschieden sich im ROLLING STONE

Am Ende mussten alle weinen. Im Sommer fiel nach sechs Jahren die letzte Klappe bei „Downton Abbey“, der erfolgreichsten aller britischen Fernsehserien. Da konnten auch die vornehmsten Herrschaften nicht an sich halten, ob Lady Mary (Michelle Dockery) oder ihre Mutter (Elizabeth McGovern). Hugh Bonneville, der den Earl of Grantham spielt, vergoss „einen Kübel Tränen nach all diesen irrwitzig glücklichen Jahren“. Bei den Bediensteten sah es nicht anders aus. Joanne Froggatt, als Hausmädchen Anna von diversen Katastrophen gebeutelt, schaffte gerade noch die letzte Szene, dann heulte auch sie. So viel darf man schon verraten: Am Ende singen alle, alle schauen sich an – und eine Ära geht zu Ende. Rob James-Collier, der den düsteren Diener Barrow spielt, erinnert sich an „viel Auf-die-Schulter-Klopfen, Umarmen und Männer, die versuchen, nicht die Contenance zu verlieren“.

Den Zuschauern wird es ähnlich gehen. Am ersten Weihnachtsfeiertag läuft in Großbritannien das traditionelle Christmas-Special, mit dem dann alles vorbei ist. (In Deutschland strahlt Sky Atlantic HD die finale sechste Staffel voraussichtlich im April 2016 aus.) Wie konnte einem diese fremde Welt: der britische Adel und sein Gesinde Anfang des 20. Jahrhunderts, so ans Herz wachsen? Die Serie schaffte einen ungewöhnlichen, unwiderstehlichen Spagat: Sie vereinte Gefühligkeit mit Anspruch, gewitzte Dialoge mit opulenten Ensembleszenen, die Eleganz einer perfekten Kostümserie mit dem Tempo eines modernen Dramas. Sie war, und das ist einzigartig, eine Seifenoper auf allerhöchstem Niveau. Für Schöpfer Julian Fellowes, der alle Drehbücher schrieb, war das Ende nun natürlich eine besondere Herausforderung. Wenn man den Schauspielern glauben darf, die kurz nach Drehschluss in London Auskunft gaben, hat er sie bravourös gemeistert. McGovern erzählt, sie sei „sehr glücklich mit dem bittersüßen Schluss“, und Bonneville verrät so viel: „Es wird ein paar Schocks und Überraschungen geben, großes Drama und großen Spaß – wie immer bei Julian. In einem Moment lacht man laut, und im nächsten hat man einen Kloß im Hals.“

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Manche der Akteure – die Köchin Mrs. Patmore (Lesley Nicol) oder die Hausdame Mrs. Hughes (Phyllis Logan) – sind ohne ihre Kostüme kaum zu identifizieren. Ein nicht zu überschätzender Vorteil, wenn man in einer der weltweit beliebtesten Serien mitspielt und trotzdem mal ungestört auf die Straße gehen möchte. Bei Mr. Carson (Jim Carter) ist das schwieriger, man erkennt ihn schon an der sonoren Stimme sofort. „Carson and Moseley, Jim and Kevin!“, stellt Carter sich und seinen Kollegen Kevin Doyle vor. Der rührend altmodische Butler Carson ist der heimliche Star der Serie, der in der sechsten Staffel endlich auch sein privates Glück finden darf. „Nach sechs Jahren wurde es langsam wirklich Zeit für Mrs. Hughes und mich!“, ruft Carter. „Ich persönlich mag ja die kleinen emotionalen Momente am liebsten – etwa wenn der steife Butler plötzlich Lady Mary trösten darf. Ich hätte allerdings auch gern mal gesehen, wie diese Leute eigentlich einen freien Nachmittag verbringen. Carson hat doch gar keine Freunde, Mrs. Hughes ist seine einzige Vertraute. Hatten sie Hobbys?“ Er mag seine Rolle sehr, muss aber laut lachen, als er gefragt wird, ob er sich zu Hause auch manchmal so herrisch benehme. „Hoffentlich nicht! Meine Frau würde sich bedanken, wenn ich mich wie Carson verhalten würde. Und sie würde sagen, dass mein Service mangelhaft sei. Nein, wenn man das Kostüm auszieht, lässt man auch die Figur im Studio zurück.“

Am schwersten, sagt Froggatt, waren oft die Drehminuten, in denen die Bediensteten gar nicht viel zu tun hatten – nur mit einem Tablett rumstehen oder eine einzige Zeile sagen kann ganz schön kompliziert sein. Sophie McShera (Daisy) brauchte dabei manchmal Hilfe: „Wir wurden sehr gut instruiert, bei jedem Detail. Ich hatte einmal eine Szene, in der ich nur Toast bringen sollte, und sogar das habe ich falsch gemacht, weil ich nicht zuerst Mr. Carson servieren ließ. Da sind die historischen Berater, die immer vor Ort waren, sehr streng, zum Glück.“ Sie nennt Lesley Nicol, die ihre Chefin spielt, „telly mummy“. Natürlich ist das Ensemble im Laufe der Jahre zusammengewachsen, deshalb fällt der Abschied besonders schwer. Vor allem aber weiß jeder, dass sie wohl nie mehr bei einer so bahnbrechenden Serie dabei sein werden. Michelle Dockery erinnert sich noch genau daran, wie sie eines schönen Morgens, ein paar Tage nachdem die erste Folge lief, zum Kiosk ging. „Da sah ich auf drei Zeitungen unsere Gesichter. Das war ein erster Aha-Moment, und dann wurde ich plötzlich sogar in New York auf der Straße erkannt. Ich wusste, dass sich jetzt alles verändern würde.“

Die meisten beenden die Serie mit gemischten Gefühlen. Ein bisschen Nostalgie und Traurigkeit, weil sie die Kollegen und die Anerkennung vermissen werden. Aber auch Vorfreude auf die wiedergewonnene Freiheit und die Möglichkeit, andere Figuren darzustellen. Carter, der schon auf eine Jahrzehnte währende Karriere zurückblickt, weiß, dass „Downton Abbey“ nicht ersetzbar ist. „Wir haben so viel Wertschätzung und Zuneigung erfahren. Natürlich ist es eine Art Seifenoper, unrealistisch und mit einem romantischen Blick auf die damaligen Zeiten. Aber die Serie ist so liebevoll gemacht und hat sich so erstaunlich entwickelt – ich hoffe, das wird im Gedächtnis bleiben.“ James-Collier geht es ähnlich: „ ,Downton‘ ist ein easy watch. Die Serie fing während einer Rezession an, und natürlich spielt da Eskapismus eine Rolle. ,Downton‘ bringt einen an einem Sonntagabend zurück in eine einfachere Zeit – nicht besser, aber einfacher. Dazu der Glamour der Kostüme, die Kulissen, die Leidenschaft!“

Einige der Schauspielerinnen erhoffen sich bei aller Einmaligkeit allerdings auch, dass die Serie ein gewisses Umdenken befördert hat. McGovern glaubt, „dass man jetzt ruhig auch mal ältere Darsteller beschäftigen darf und starke Frauen“, während Nicol schätzt, dass hier nie die üblichen „Upstairs, Downstairs“-Klischees bedient wurden: „ ‚Downton‘ hat gezeigt, dass nicht alle Leute oben bornierte Monster waren und all die unten arme Herzchen. Es gab immer Grauzonen – das hat die Leute berührt, sie zum Lachen gebracht, sie auch manches gelehrt.“ Was alle, die an der Serie beteiligt waren, eint: die Begeisterung für Julian Fellowes – und für Maggie Smith. Die zweifache Oscargewinnerin hat auch in der sechsten Staffel als Dowager Countess of Grantham einige unvergessliche Szenen, in denen sie leichtfüßig von Tragödie zu Komödie wechselt, ohne je die Glaubwürdigkeit ihrer Figur zu kompromittieren. Sie verkörpert mit grandioser Halsstarrigkeit das alte England. Ihre hochherrschaftlichen One-Liner sind berüchtigt („What is a weekend?“), ihre Haltung ist klar: Wenn sie sich zwischen Prinzipien und Logik entscheiden müsse, sagt sie einmal aufgebracht, würde sie immer die Prinzipien wählen. Penelope Wilton, die Smiths Gegenspielerin Isobel Crawley verkörpert, hat eine eigene Theorie, warum gerade die Countess so viele geniale Szenen hat: „Ich glaube, dass Julian denkt, er wäre Lady Violet, und deshalb all die cleveren Sätze für sie schreibt! Wir nennen ihn Julian Shakespeare. Deshalb würden wir ihm auch nie dreinreden, was den Wortlaut oder die Regieanweisungen angeht. Warum sollten wir? Er hält die Zuschauer bei Laune – und das auf so hohem Niveau. Es gibt doch kaum eine andere Serie mit 18 Hauptfiguren! Die meisten konzentrieren sich auf zwei, drei.“

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