Die besten Doppel-Alben aller Zeiten: Guns N’Roses – „Use Your Illusion I & II“
Aus unserer Reihe „Die besten Doppel-Alben aller Zeiten“. Guns N’ Roses – „Use Your Illusion I & II“
Es ist etwas geschummelt, hier einfach „Use Your Illusion I & II“ hinzuschreiben, denn es sind ja zwei Doppelalben. Aber wie sollte man sich für eins davon entscheiden? Sie erschienen zeitgleich im September 1991 (eine Woche vor „Nevermind“), und die Spannung hätte nicht größer sein können, denn mit „Appetite For Destruction“ hatten Guns N’ Roses 1987 eins der größten Rock-Debüts aller Zeiten hingelegt, und dann gab es lauter Chaos und Streit und Verzögerungen und Gerüchte und natürlich zu viele Drogen, zu viel Alkohol, zu viel von allem. Die Leute, denen Axl Rose, Slash, Izzy und Duff mit ihrem ungenierten Rock’n’Roll-Gebaren sowieso schon auf die Nerven gingen, hatten sie längst als gestrig abgeschrieben, doch die beiden Doppelalben waren ein Triumph – kommerziell, vor allem aber künstlerisch: Auf „Use Your Illusion“ gibt es fast nichts, was es nicht gibt. Außer Genügsamkeit.
Wie bei den meisten Doppelalben ist auch hier nicht jeder Song unverzichtbar, doch die 30 Stücke gehen in so viele verschiedene Richtungen, dass die Schwächen fast nötig sind, um das Gesamtwerk auszuhalten. Axl brachte die Klavier-Epen mit, Slash die Hardrock-Wucht, Izzy den trockenen Blues und Duff den rattigen Punk (oder was wir damals gerade dafür hielten). Zwischen der Wut von „Don’t Damn Me“ und dem Psychotrip von „The Garden“, der Gnadenlosigkeit von „Civil War“ und der Traurigkeit von „Don’t Cry“, der Resignation von „Dead Horse“ und dem Trotz von „Breakdown“ liegen Welten, und da sind die Großwerke „Estranged“, „November Rain“ und vor allem „Coma“ noch gar nicht dabei.
Wie Axl Rose in „Coma“ in zehn Minuten einen Drogensuizid durchspielt, eine Nahtoderfahrung greifbar macht und dann ins Leben zurückdrängt: Das sorgt auch nach 29 Jahren noch für Herzrhythmusstörungen. Natürlich kann man „Back Off Bitch“ als misogyn abtun, aber wie all die anderen Liebeshasslieder würde es andersrum genauso funktionieren – und manchmal ist der Gram der gebeutelten, halt doch gar nicht so harten Männer auch putzig, bei der Ihr-seid-alle-so-gemein-Journalistenschelte „Get In The Ring“ etwa oder beim patzigen Schunkler „You Ain’t The First“: „You was just a temporary lover, honey/ You ain’t the first/ Lots of others came before you/ But you’ve been the worst.“ Gut, der Schluss-Rap „My World“ wäre vielleicht nicht nötig gewesen, obwohl der Satz „You ain’t been mindfucked yet“ das komplette GN’R-Erlebnis eigentlich recht gut zusammenfasst.
Keine zwei Monate nachdem „Use Your Illusion I & II“ erschienen waren, verließ Izzy Stradlin die Band, dem verschlossenen Gitarristen war die Aufregung zu viel. Die Welttournee ging weiter, es gab noch mehr Chaos und noch mehr Streit, 2008 dann Axls Auferstehung mit „Chinese Democracy“ und 2016 die unwahrscheinliche Wiedervereinigung. Im Sommer touren Guns N’ Roses unter dem Motto „Not In This Lifetime“ noch einmal durch Deutschland. Es ist anrührend zu sehen, dass Axl, Slash und Duff überhaupt noch leben und relativ fit auf der Bühne stehen. Doch ohne Izzy war es nie mehr dasselbe.