Die besten Doppel-Alben aller Zeiten: Fleetwood Mac – „Tusk“
Aus unserer Reihe „Die besten Doppel-Alben aller Zeiten“. Fleetwood Mac – „Tusk“
Man hat sich darauf geeinigt, dass „Tusk“ die komische Platte nach „Rumours“ ist, die zwar viele Leute kauften, weil es die Platte nach „Rumours“ war, die aber niemand richtig mochte. Zu viele Songs, keine Hits. Und das vernichtende Wort: „experimentell“. Auch hat sich eingebürgert, das Doppelalbum sei Lindsey Buckinghams monomanisches Projekt, obwohl Christine McVie sechs und Stevie Nicks vier Songs schrieb (ein Album also!), was aber heißt, dass Buckingham die Hälfte der Stücke beisteuerte. Als Produzenten der Platte sind „Fleetwood Mac“ (mit Richard Dashut und Ken Caillat) angegeben, aber in den Credits heißt es in Klammern: „Special thanks from the band to Lindsey Buckingham“ – insofern merkwürdig, als Buckingham ja noch zu Fleetwood Mac gehörte.
„Tusk“ gilt als Exempel für die Megalomanie der neurotisch und toxisch gewordenen Supergruppen der ausgehenden 70er-Jahre: Die Eagles machten „The Long Run“ und lösten sich auf, Led Zeppelin standen kurz vorm Ende, Roger Waters riss „The Wall“ von Pink Floyd an sich, die Rolling Stones wurschtelten stoisch weiter. Es war eine gute Zeit für Doppelalben: Wenn man sich nicht entscheiden kann, nimmt man einfach alles.
Während McVie und Nicks verlässlich Lieder schrieben, die sie beherrschten (gemütvoll-melancholisch die eine, ätherisch-sentimental die andere, manchmal auch umgekehrt), wollte Lindsey Buckingham ein bisschen Loudon Wainwright III sein, ein bisschen Richard Thompson und ein bisschen Warren Zevon, jedenfalls ein aggressiver Folk-Troubadour, ein Songschreiber. Klingt wie eine Humpta-Jahrmarktsband mit elektrischer Gitarre. Jedes Stück, muss man denken, richtet sich an Stevie Nicks, die Buckingham nicht verwunden hatte. „Rumours“ entstand in erotischem Tumult, „Tusk“ in brennendem Schmerz: „What Makes You Think You’re The One“, „Not That Funny“, „Save Me A Place“, „Walk A Thin Line“ – trotziges Insistieren, knurrendes Aufrechnen und saure Anklage. Buckinghams aufgekratzter Banjo- Aufgalopp „That’s Enough For Me“ und „I Know I’m Not Wrong“ sind Akte der grimmigen Selbstbehauptung.
In ihren Songs ergeht Stevie Nicks sich in Naturschönheit und Spiritualität: „Storms“, „Sisters Of The Moon“, „Beautiful Child“ – ein Ausweichen auf poetische Allgemeinplätze; manche Stücke klingen wie Skizzen zu noch zu schreibenden Songs, aber wie Songs von Fleetwood Mac. Don Henley warb damals galant um sie, indem er ihr Hotelzimmer mit Rosen vollstellen ließ und sie zu einem Hubschrauberflug einlud.
Am Ende blieb die Geschichte, dass Buckingham für das Stück „Tusk“ die Marschkapelle der University of Southern California verpflichtete und sie im Dodgers-Stadion trommeln und schmettern ließ. Sein letzter Schrei: „Why don’t you tell me who’s on the phone? Why don’t you ask him what’s going on? Why don’t you ask him who’s the latest on his throne? Don’t tell me that you love me! Just tell me that you want me! Tusk! Tusk! Tusk! Tusk!“
„Tusk“ ist der Stoßzahn. Der Hauer.