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Die besten Alben aller Zeiten
Für das Sonderheft "Die 500 besten Alben aller Zeiten" hat eine von unseren US-Kollegen zusammengerufene Jury aus 400 Künstlern, Kritikern und Branchenikonen die 500 besten Alben aller Zeiten ermittelt.
100. The Zombies: Odyssey and Oracle. Man machte den größten Teil der Aufnahmen im Londoner Abbey-Road-Studio – und nutzte die gleichen Studer-Vierspur-Maschinen wie die Beatles. Mit seinem barock-psychedelischem Pop-Kolorit ist das Album tatsächlich eine Kreuzung aus „Sgt. Pepper“ und dem präzisen Drive der British-Invasion-Bands.
Foto:
Columbia, 1969.
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100. The Zombies: Odyssey and Oracle. Man machte den größten Teil der Aufnahmen im Londoner Abbey-Road-Studio – und nutzte die gleichen Studer-Vierspur-Maschinen wie die Beatles. Mit seinem barock-psychedelischem Pop-Kolorit ist das Album tatsächlich eine Kreuzung aus „Sgt. Pepper“ und dem präzisen Drive der British-Invasion-Bands.
Copyright: Columbia, 1969
Platz 99: Sly And The Family Stone – „There’s A Riot Goin’ On“
„Stand“ von 1969 vibrierte noch mit unerschütterlichem Optimismus. Den desillusionierenden Siebzigern begegnete Sly dann aber mit einem düster-deprimierenden, betäubenden Funk.
Copyright: Epic, 1971
Platz 98: Elvis Costello – „This Year’s Model“
Mit seinem zweiten Album näherte sich Costello dem Punk. Wobei Punk für ihn nicht Pöbel und physische Konfrontation bedeutet, sondern sich in emotional bissigen Texten, aber auch im präzisen Rhythmus seiner Band auszudrücken. „Radio, Radio“, eine Breitseite gegen Pop-Berieselung, bringt seine Wut auf den Punkt.
Copyright: Radar, 1978
Platz 97: Bob Dylan – „The Freewheelin’ Bob Dylan“
Die Poesie und brillant formulierte Wut seiner Texte, aber auch die simplen, unwiderstehlichen Melodien von „Masters Of War“ oder „Blowin’ In The Wind“ machen Dylans zweites Album zu einem Meilenstein des amerikanischen Songs.
Copyright: Columbia, 1963
Platz 96: The Who – „Tommy“
Townshends Aufarbeitung kindlicher Traumata, sexuellen Missbrauchs und gesellschaftlicher Repression wird oft unter dem Rubrum „Rock-Oper“ abgehakt. Anders ausgedrückt: „Tommy“ klingt so, als sei das Thema von „My Generation“ auf volle Länge ausgewalzt worden, vorwärtsgepeitscht von Keith Moons höllischen Drums.
Copyright: Decca, 1969
Platz 95: Miles Davis – „Bitches Brew“
Davis wollte seine Musik dem Hendrix- und Sly-Stone-Publikum zugänglich machen. Das Resultat war ein Doppelalbum mit Jazz-Rock-Fusion, das er mit einer „elektrischen“ Band um Gitarrist John McLaughlin und Saxofonist Wayne Shorter aufnahm. Die brodelnden Klangwolken tragen aber nach wie vor Davis’ Handschrift.
Copyright: Columbia, 1970
Platz 94: Hank Williams – „40 Greatest Hits“
Als er an Neujahr 1953 mit 29 Jahren auf dem Rücksitz eines Cadillacs starb, war Williams der größte Star der Country-Musik. Sein näselnder Gesang, die liebeskranken Balladen und poltrigen „Long Gone Daddy“-Goodbyes hinterließen ihre Spuren bei vielen – von Elvis bis hin zu Beck.
Copyright: Polydor, 1978
Platz 93: Prince – „Sign ‘O’ The Times“
Vom wichtigsten R&B-Album der Achtziger kennt man vor allem den apokalyptischen Titelsong, den Funk-Hammer „Housequake“ und das brillante „If I Was Your Girl-friend“. Doch gerade die schlichten Momente bleiben unvergesslich, etwa die flehende Gitarre in „The Cross“.
Copyright: Paisley Park, 1987
Platz 92: Buddy Holly – „20 Golden Greats“
Holly, im ländlichen Texas aufgewachsen, verband Rockabilly, Party-Kracher und orchestrale Balladen – ein eklektischer Mix, der eine gewaltige Wirkung auf die Beatles haben sollte. „Rave On“, „Peggy Sue“ und „Not Fade Away“ machten ihn zu einem der ersten Ausnahme-Songwriter.
Copyright: MCA, 1978
Platz 91: Elton John – „Goodbye Yellow Brick Road“
Elton John selbst verglich sein Doppelalbum mit dem „Weißen Album“ der Beatles – und hatte dafür durchaus Argumente: Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung war er der profilierteste Hit-Lieferant seit den Fab Four. Alles an „Goodbye Yellow Brick Road“ ist überdimensional – vom Wagnerianischen Pomp auf „Funeral For A Friend“ bis zum vorgetäuschten Live-Auftritt der fiktiven Band Bennie and the Jets oder dem donnernden Rock’n’Roll von „Saturday Night’s Alright For Fighting“. „Candle In The Wind“ ist eine Hommage an Marilyn Monroe und der Titelsong ist überbordende Fantasie mit einer Melodie, die auch von George Gershwin stammen könnte.
Copyright: DJM Records, 1973
Platz 90: Stevie Wonder – „Talking Book“
„Ich glaube nicht, dass Sie nachvollziehen können, woher ich komme“, warnte Wonder die Motown-Bosse 1971. „Ich glaube nicht, dass Sie es überhaupt verstehen.“ In der Tat: Die zwei Alben, die Wonder 1972 veröffentlichte – „Music Of My Mind“ und „Talking Book“ –, waren mit den ehernen Gesetzen von Motowns Hitfabrik nicht kompatibel. „Talking Book“ war geprägt von persönlicher Sinnsuche und gesellschaftlichen Kommentaren, zudem produzierte Wonder das Album nicht nur, sondern spielte praktisch alle Instrumente selbst. Und doch war es brillanter Pop. „Superstition“ und „You Are The Sunshine Of My Life“ waren Nummer-eins-Singles, während „Big Brother“ in eine politischere Richtung drängte.
Copyright: Tamla, 1972
Platz 89: Dusty Springfield – „Dusty In Memphis“
Die in London geborene Soulsängerin Dusty Springfield hatte lange den Ruf einer Pop-Queen. Sie hatte sich bisher mit motownähnlichem Pop-Futter wie „I Only Want To Be With You“ begnügt, als Atlantic-Produzent Jerry Wexler sie nach Memphis einlud, um ein Album zu machen. Von der Vorstellung, mit den gleichen Musikern zusammenzuarbeiten, die die von ihr geliebten Aretha-Franklin-Aufnahmen eingespielt hatten, war sie so verschreckt, dass sie keine einzige Note herausbrachte. Ihre Vocals wurden nachträglich in New York aufgenommen, doch das Resultat wurde dadurch nicht geschmälert: glühender Soul und eine sexuelle Unmissverständlichkeit in Songs wie „Breakfast In Bed“ oder „Son Of A Preacher Man“.
Copyright: Atlantic, 1969
Platz 88: Johnny Cash – „At Folsom Prison“
Ende der Sechziger wurde Cash vom amerikanischen Country-Radio komplett ignoriert. „At Folsom Prison“ war das mehrfach vergoldete Album, das seine Karriere wieder auf Vordermann bringen sollte. Bereits ein Jahr später schrieb er die Liner Notes für Dylans countryfiziertes Album „Nashville Skyline“ und belegte mit „At San Quentin“, seinem zweiten Gefängnis-Album, vier Wochen lang Platz eins der amerikanischen Charts. Doch bereits „At Folsom Prison“ war Johnny Cash in Höchstform. Begleitet von seiner Tour-Band witzelt sich Cash durch den „Cocaine Blues“, durch „25 Minutes To Go“ oder den „Folsom Prison Blues“ mit der berühmten Zeile „I shot a man in Reno just to watch him die“. Die 2.000 Insassen johlten vor Begeisterung.
Copyright: Columbia, 1968
Platz 87: Pink Floyd – „The Wall“
Pinks Floyds visuell ambitioniertestes Album wurde inspiriert von ihrem eigenen Erfolg: den alle Rekorde brechenden Tourneen nach Veröffentlichung von „The Dark Side Of The Moon“. Als die Band 1977 in riesigen Arenen spielte, stieß Roger Waters erstmals auf die Mauer als Metapher für Isolation und Ausbruch. Er schloss die Demo-Versionen im Juli 1978 ab, um danach mit der Band ein Jahr an den Aufnahmen des Doppelalbums zu feilen. „The Wall“ mag ein Dokument des Selbstmitleids sein, hat in seiner Unmäßigkeit aber auch fraglos hypnotische Momente: die totalitäre Wucht von „In The Flesh?“, das selbstmörderische Ambiente von „Comfortably Numb“ und die antiautoritäre Agitprop von „Another Brick In The Wall, Pt. 2“.
Copyright: EMI, 1979
Platz 86: Born In The U.S.A.
Bruce Springsteen
Springsteen schrieb viele dieser Songs in einer kreativen Eruption, die auch die Geburtsstunde von „Nebraska“ sein sollte. „Vor allem auf der ersten Seite trägt ,Born‘ die gleiche Handschrift wie ,Nebraska‘“, sagte er, „die Charaktere, die Geschichten – nur dass sie bei ,Born‘ in einem Rock-Kontext stehen.“ Dies war allerdings ein elementarer Unterschied: Die E Street Band pumpte so viel Druck in den eigentlich ironisch gemeinten Titelsong, dass ihn Millionen als hurrapatriotische Akklamation missverstanden. Die bleibende Kraft des Albums liegt aber gerade in seinem unerschütterlichen Optimismus wie dem Gefühl der Hilflosigkeit – oder wie Springsteen es formulierte: „being handcuffed to the bumper of a state trooper’s Ford“.
Copyright: Columbia, 1984
Platz 85: Aretha Franklin – „Lady Soul“
Franklins drittes Atlantic-Album in weniger als zwei Jahren entpuppte sich als ein weiterer Klassiker und glänzte mit Highlights wie „(You Make Me Feel) Like A Natural Woman“, „Ain’t No Way“ und einer smarten Version des Rascals-Hits „Groovin’“. Das Album erschien in einem Jahr, in dem Triumph und Tragik für sie nah beieinanderlagen: Sie erschien auf dem Cover von „Time“, doch gleichzeitig konnte man in der Zeitschrift nachlesen, dass ihre Ehe mit ihrem damaligen Manager Ted White vor dem Aus stand. Franklin verdichtete ihre Rage zu emotionalen Meisterwerken, vor allem Curtis Mayfields spirituellen Appell „People Get Ready“, das sehnsuchtsvolle „Since You’ve Been Gone (Sweet Sweet Baby)“ und „Chain Of Fools“.
Copyright: Atlantic, 1968
Platz 84: Aretha Franklin – „I Never Loved A Man The Way I Love You“
Ihr Debüt für Atlantic sollte die Platte werden, auf der Gospel, R&B und Rock’n’Roll aufeinanderprallten und das hervorbrachten, was wir heute Soul nennen. Die Tochter eines Predigers in Detroit stand bei ihrem Label Columbia mit 80.000 Dollar in der Kreide, als sie Atlantic-Produzent Jerry Wexler 1966 unter Vertrag nahm. „Ich brachte sie in die Kirche zurück“, sagte Wexler, „setzte sie ans Klavier und ließ sie einfach sie selbst sein.“ Sie nahm kurzerhand den Titelsong auf und ließ dabei ihre untergründige Sexualität aufglühen, während ihr Schrei nach „Respect“ – ein Song von Otis Redding und Arethas erste Nummer eins in den Pop-Charts – das Marschlied der Frauenbewegung werden sollte.
Copyright: Atlantic, 1967
Platz 83: The Jimi Hendrix Experience – „Axis: Bold as Love“
Sein erstes Album hatte den Rock’n’Roll mit einem Gitarren-Feuerwerk bereichert, von dem vorher niemand zu träumen gewagt hatte. Auf seinem zweiten Album ging Jimi Hendrix noch einen Schritt weiter und zog alle psychedelischen Register: Gedankenspiele über außerirdisches Leben, jazzige Schlagzeug-Passagen, Balladen, Heavy Metal und das bekiffte Glaubensbekenntnis von „If 6 Was 9“: „I’m the one who’s gonna have to die when it’s time for me to die, so let me live my life the way I want to.“ Überall lässt Hendrix seine Gitarre heulen, röhren, singen, sprechen, flattern und fliegen. Und mit dem zerbrechlichen „Little Wing“ lieferte er einen der kryptischsten, zauberhaftesten Love-Songs der Rock-Geschichte.
Copyright: Reprise, 1968
Platz 82: Neil Young – „Harvest“
„Harvest“ warf mit „Heart Of Gold“ Youngs einzige Nummer-eins-Single ab und trug dazu bei, den Siegeszug des Softrock in den 70er Jahren vorzubereiten. Young hielt sich in Nashville auf, um – zusammen mit James Taylor und Linda Ronstadt – in der Fernsehshow von Johnny Cash aufzutreten. Gleich am nächsten Tag begab man sich in ein Studio, um dort mit schnell zusammengetrommelten Sessionmusikern Teile des Albums einzuspielen. Als Bassist sprang Tim Drummond ein, der zuvor mit James Brown gespielt hatte. Seine ehemaligen Kollegen Crosby, Stills und Nash lieferten später ihre Beiträge. In Songs wie „Old Man“ orientierte man sich klanglich an der typischen Americana-Besetzung (Steel-Gitarre, Slide-Gitarre und Banjo).
Copyright: Reprise, 1972
Platz 81: The Clash – „The Clash“
„Ich mache mir über nichts Illusionen“, sagte Joe Strummer, „versuche aber trotzdem, die Dinge positiv zu verändern.“ Der jugendliche Elan ist auf dem Clash-Debüt greifbar, in wütenden Songs über Arbeitslosigkeit („Career Opportunities“), Rassismus („White Riot“) oder die debile englische Musikindustrie („White Man In Hammersmith Palais“). Der größte Teil der Gitarrentracks wurde von Mick Jones eingespielt, da in Strummers Punk-Ästhetik kein Platz für Studio-Tüfteleien war. Die US-Version ließ zwei Jahre auf sich warten, wobei einige Originalsongs gegen neuere Singles ausgetauscht wurden – darunter auch „Complete Control“, in dem die Band genau solche Eigenmächtigkeiten der Plattenfirmen anprangert.
Copyright: Epic, 1979
Platz 80: John Lennon – „Imagine“
Nach der Urschrei-Therapie von „Plastic Ono Band“ lockerte sich Lennon auf seinem zweiten Soloalbum merklich auf. Er bewies zwar noch immer die alte Bissigkeit in „Gimme Some Truth“ und „How Do You Sleep?“, dem bitterbösen Frontalangriff auf McCartney, doch offenbarte er mit „Jealous Guy“ und „Oh Yoko!“ auch seine Eifersucht und Verletzbarkeit. „Imagine“, bewusst zugänglich und transparent gehalten, wirkt wie sich verflüchtigender Zynismus. Über den Titelsong sagte Lennon: „Er wendet sich gegen Religion, gegen Nationalismus, gegen Konventionen, gegen Kapitalismus, aber weil er eine Zuckerglasur hat, wird er problemlos geschluckt. Wenn man eine politische Meinung an den Mann bringen will, muss man etwas Honig draufstreichen.“
Copyright: Apple, 1971
Platz 79: Led Zeppelin – „Led Zeppelin II“
Das Album – auf die Schnelle zwischen Tourneen aufgenommen – eröffnet mit einem der imposantesten Momente der Rock-Geschichte: Jimmy Pages verschlepptem Riff zu „Whole Lotta Love“. „Auf unserem zweiten Album hört man, wie sich die Band-Identität langsam herauskristallisiert“, sagte Page dem ROLLING STONE. Gemeint war die geballte Power von John Bonhams göttlichem Schlagzeugspiel, Robert Plants Geheul, John Paul Jones’ strammem Bass und nicht zuletzt seiner eigenen Saiten-Hexerei. Weitere Highlights für glückliche Headbanger: „The Lemon Song“, „Heartbreaker“ und „Ramble On“, auf dem Plant einem Mädchen in Mordor begegnet – und die Verkaufszahlen von Tolkiens Büchern anschließend in die Höhe trieb.
Copyright: Atlantic, 1969
Platz 78: Otis Redding – „Otis Blue“
Für sein drittes Album nahm Redding drei Songs seines Idols Sam Cooke auf, der im Dezember des vorangegangenen Jahres umgekommen war. Ihre stilistischen Ansätze waren durchaus unterschiedlich: Cooke war einschmeichelnd und souverän, Redding roh und inbrünstig. Aber Reddings Versionen von „Shake“ und „A Change Is Gonna Come“ zeigen, wie Cookes Sound und Message Reddings Southern Soul geprägt haben – nachzuhören in seinen Eigenkompositionen „Respect“ und „I’ve Been Loving You Too Long“, aber auch in seiner Version des Stones-Hits „(I Can’t Get No)Satisfaction“. „Ich setze die Worte anders ein als im Original“, sagte Redding, „nicht zuletzt weil ich mir die Version selbst ausgedacht hatte“, erklärte Redding.
Copyright: Volt, 1965
Platz 77: AC/DC – „Back In Black“
Während man für die Aufnahmen probte, verabschiedete sich Sänger Bon Scott auf eine Sauftour und wurde kurze Zeit später tot auf dem Rücksitz eines Wagens gefunden. Er war an seinem Erbrochenen erstickt. Nachdem man zwei Tage wie gelähmt war, sagte Gitarrist Malcolm Young: „Scheiß drauf, ich werd nicht das ganze Jahr hier hocken und heulen.“ Er rief seinen Bruder Angus an und zusammen mit dem neuen Sänger Brian Johnson und dem bewährten Produzenten „Mutt“ Lange ging’s wieder an die Arbeit. Das Resultat war das musikalische Äquivalent zu einem Vorschlaghammer: „Back In Black“ ist Hardrock in seiner pursten Form. Und „Hells Bells“ und „You Shook Me All Night Long“ sind bluesbasierter Dampf-Gitarrenrock.
Copyright: Atlantic, 1980
Platz 76: Prince and the Revolution – „Purple Rain“
Der Soundtrack zu seinem halbbiografischen Film war anzüglich genug, um in den USA die Zensur-Organisation „Parents’ Music Resource Center“ ins Leben zu rufen. Nicht minder aufsehenerregend waren allerdings auch seine Talente als Gitarrist, namentlich auf „Let’s Go Crazy“. Doch letztlich lebt „Purple Rain“ von seinen brillanten Eingebungen: „When Doves Cry“ – der Hit, der Prince den Durchbruch bringen sollte. Und Keyboarder Dr. Fink erzählte, dass der Titelsong eigentlich von Bob Seger inspiriert sei: Als Prince mit seinem Album „1999“ auf Tour war, spielte Seger oft in den gleichen Städten. Prince entschloss sich daraufhin, einfach mal eine Ballade im Seger-Stil aufzunehmen.
Copyright: Warner Brothers, 1984
Platz 75: James Brown – „Star Time“
Sein Einfluss war so unermesslich, dass selbst die 4-CD-Box „Star Time“ nicht sein ganzes Schaffen abdecken kann – immerhin platzierte Brown zwischen 1956 und 1988 unfassbare 100 Singles in den Top 40 der amerikanischen R&B-Charts. Dennoch ist hier jede Phase seiner Karriere bestens dokumentiert: der beschwörende Soul von „Please, Please, Please“, seine spontane Neudefinition von R&B in „Papa Got A Brand New Bag“, seine Rolle in der Bürgerrechts-Bewegung mit „Say It Loud – I’m Black And I’m Proud (Pt. 1)“, sein Beitrag zum 70er-Funk („Get Up I Feel Like Sex Being A Sex Machine“) oder seine Vorlage für den HipHop in „Funky Drummer“. Bei den 71 Songs hat man nicht ansatzweise den Eindruck, die Soul-Power könne einmal versiegen.
Copyright: Polydor, 1991
Platz 74: Neil Young – „After The Gold Rush“
Für sein drittes Album feuerte er Crazy Horse, griff sich seine Akustische und ging in den Keller. Hier, im Souterrain seines Hauses im Topanga Canyon, hatte Young sich ein kleines Studio eingerichtet, das so beengt war, dass sich nur drei oder vier Personen dort aufhalten konnten. Doch es war groß genug, um herzerweichende Balladen wie „Tell Me Why“ oder „Don’t Let It Bring You Down“ aufzunehmen. Die Musik ist behutsam und in Songs wie „Southern Man“ durchaus provokativ. Nils Lofgren, damals ein 17-jähriges Gitarrenwunderkind, durfte sich in den Keller quetschen, aber Young wies ihm das Klavier zu – ein Instrument, das er noch nie gespielt hatte. Es war eine unorthodoxe Entscheidung, die für Young typisch war – und perfekt funktionierte.
Copyright: Reprise, 1970
Platz 73: Led Zeppelin – „Physical Graffiti“
„Ich besaß schon vor George Harrison eine Sitar“, beteuerte Jimmy Page, als er auf seine langjährige Liebe für indische Musik angesprochen wurde. Led Zeppelins Frontmann teilte sein Faible: 1972 fuhren Plant und Page sogar nach Bombay, machten mit indischen Studiomusikern experimentelle Aufnahmen und traten in einer Underground-Disco auf. Mit „Physical Graffiti“ trieben sie ihre Fusion von Ost und West weiter voran und integrierten arabische und indische Klänge in „Kashmir“ und „Into The Light“. Es sollte überhaupt ihr eklektischstes Album werden: Schmutziger Blues („Black Country Woman“) mischt sich mit Pop-Balladen („Down By The Seaside“) und dem elfminütigen „Time Of Dying“. Es war das exzessivste Album der Band.
Copyright: Swan Song, 1975
Platz 72: Curtis Mayfield – „Superfly“
Isaac Hayes’ „Shaft“ kam zuerst, hatte aber nur eine gute Single und viele instrumentale Füller. Curtis Mayfield gelang es, einen Blaxploitation-Soundtrack zu schreiben, der aufregender war als der zugrunde liegende Film. „Superfly“ kombinierte Streicherarrangements mit Bass-Grooves und Wah-Wah-Gitarren. Darüber sang Mayfield in seinem abgeklärten Falsett und erzählte die deprimierenden Ghetto-Geschichten vom „Pusherman“ und von „Freddie’s Dead“, von den Drogenkriegen und der schwarzen Realität in den Siebzigern. „Superfly“ klang, als habe man Marvin Gayes „What’s Going On“ auf den Boden der sozialen Realität geholt. „Mit meinen Texten artikuliere ich das, was die meisten Leute in meiner Umgebung empfinden“, sagte Mayfield.
Copyright: Curtom, 1972
Platz 71: Paul Simon – „Graceland“
Frustriert, dass seine Songs im Studio nie so richtig zu zünden schienen, entschloss sich Paul Simon, diesmal den umgekehrten Weg einzuschlagen. „Ich dachte mir: Ich bin im Songschreiben bewandert genug, um erst die Instrumental-Tracks aufzunehmen – und dann die eigentlichen Songs dazu zu schreiben.“ Simon musste sich Kritik gefallen lassen, dass er dafür nach Südafrika reiste (damals noch wegen der Apartheid geächtet) und mit den besten Musikern aus den Townships zusammenarbeitete. Unterstützt vom quirligen Gitarristen Ray Phiri und der Vokalgruppe Ladysmith Black Mambazo kreierte Simon ein Album, das Isolation und Befreiung thematisierte und musikalisch den Rahmen dessen sprengte, was damals als World Music galt.
Copyright: Warner Brothers, 1986
Platz 70: Billy Joel – „The Stranger“
Bereits seit Mitte der Siebziger zeigte seine Karriere nach oben, aber erst mit seinem fünften Album hatte er sein Rezept gefunden: a bottle of red, a bottle of white und ein scharfes Auge für das Kolorit des New Yorker Alltags. Ob er nun über den kleinen Gauner in Little Italy singt („Moving Out (Anthony’s Song)“), die Femme fatale in „She’s Always A Woman To Me“ oder die Underdogs Brenda und Eddie von Long Island („Scenes From An Italian Restaurant“) – seine wundervoll erzählten Geschichten würzt der Piano-Man stets mit Humor und Mitgefühl. Für „Just The Way You Are“ bekam er sogar einen Grammy – und durfte sich obendrein darüber freuen, dass so ziemlich jede Hochzeitsparty-Combo den Song in ihr Repertoire aufnahm.
Copyright: Columbia, 1977
Platz 69: Led Zeppelin – „Led Zeppelin IV“
„Ich stecke viel Arbeit in meine Texte“, sagte Robert Plant 1975 dem ROLLING STONE. „Natürlich sind nicht alle meine Sachen künstlerisch so wertvoll, dass man sie unters Mikroskop legen sollte.“ Auf dem vierten Zeppelin-Album kontrastiert Plant die Schlüpfrigkeit von „Black Dog“ mit den elegischen Lyrics der epischen Ballade „Stairway To Heaven“, während Gitarrist Jimmy Page von der Blues-Apokalypse „When The Levee Breaks“ zur glühenden Little-Richard-Hommage „Rock & Roll“ springt und von da aus weiter zur mandolinenseligen „Battle Of Evermore“. Darüber sagte Page später: „Es klang wie eine ,Tanz-um-den-Maibaum‘-Nummer.“ Maibaum oder nicht: „Led Zeppelin IV“ war das Beste, was der Hardrock in den Siebzigern zu bieten hatte.
Copyright: Atlantic, 1971
Platz 68: Michael Jackson – „Off the Wall“
„Es waren die Balladen, die „Off The Wall‘ zu einem Michael-Jackson-Album machten“, sagte Jackson über sein fünftes Soloalbum, das vier Top-Ten-Singles abwarf und den Erfolg der Jackson 5 in den Schatten stellte. „Ich hatte schon mit meinen Brüdern Balladen aufgenommen, aber sie waren nie sonderlich begeistert davon und taten es wohl nur mir zuliebe.“ Auf „She’s Out Of My Life“ hört man sogar, wie er im Studio zusammenbricht und bittere Tränen vergießt. Aber es sind die unwiderstehlichen Dance-Tracks – von Jackson und Produzent Quincy Jones kunstvoll modelliert –, die Zeugnis davon ablegen, dass Disco seine Existenzberechtigung hat. „Don’t Stop ’til You Get Enough“ und „Rock With You“ bringen noch heute jede Party in Schwung.
Copyright: Epic, 1979
Platz 67: Radiohead – „Kid A“
„,Kid A‘ gab uns das Gefühl, als würde man einen dicken Radiergummi rausholen und von vorne anfangen“, sagte Thom Yorke im Oktober 2000 – genau in der Woche, in der ein Radiohead-Album erstmals Platz eins der US-Charts belegte. „Ich habe Probleme damit, den Weg, den wir eingeschlagen haben, noch als Rockmusik zu bezeichnen.“ Nichtsdestotrotz bleibt „Kid A“ das bahnbrechendste Rock-Album der Nullerjahre. Gerade als man glaubte, die Alternative-Helden der Neunziger würden die neuen U2 werden, schlugen sie einen Haken und lieferten ein gebrochenes, unkalkulierbares Anti-Opus ab. Electronica („Idioteque“) und Free-Jazz („The National Anthem“) zum Trotz: „Kid A“ verwandelt fremde Klänge in eine erstaunlich zugängliche Elegie.
Copyright: EMI, 2000
Platz 66: Van Morrison – „Moondance“
„Das war genau die Art von Band, die ich liebe“, sagte Van Morrison über die „Moondance“-Sessions: „zwei Bläser und eine Rhythmusgruppe.“ Morrison nahm diese Soul-Band-Besetzung und gab so großzügig Jazz, Blues, Poesie und irische Kindheitserinnerungen in den Mix. Songs wie „And It Stoned Me“, „Crazy Love“ oder „Caravan“ erinnern an lichtdurchflutete Träume. Im elegant swingenden Titelsong zerlegt Morrison die Worte geradezu – als suche er nach einer neuen Sprache für seine Gefühle. „Into The Mystic“, das Kernstück des Albums, liefert schon im Titel das passende Resümee: Es sind nächtliche Erleuchtungen und außerweltliche Visionen, die Van Morrison der Welt mit „Moondance“ zugänglich macht.
Copyright: Warner Brothers, 1970
Platz 65: Phil Spector – „Back To Mono (1958-1969)“
Als Bobby Hatfield von den Righteous Brothers erstmals „You’ve Lost That Lovin’ Feelin‘“ hörte, speziell den langen Solopart seines Partners Bill Medley, fragte er: „Aber was soll ich denn machen, wenn nur er die ganzen ersten Verse singt?“ Produzent Phil Spector antwortete: „Du kannst in der Zwischenzeit zur Bank gehen.“ Der Produzent als Künstler war Spectors Erfindung. Mit Streichern, Bergen von Percussion, Händeklatschen und jeder Menge Overdubs baute er seine „Wall of Sound“ und schuf einen monumentalen Teenage-Lust-Pop. In dieser Box befinden sich unter anderem „Be My Baby“ von den Ronettes, „A Fine, Fine Boy“ von Darlene Love und „Da Doo Ron Ron“ von den Crystals.
Copyright: ABKCO, 1991
Platz 64: The Rolling Stones – „Sticky Fingers“
Drummer Charlie Watts glaubt sich zu erinnern, dass „Sticky Fingers“ auf den Songs basierte, die Mick Jagger bei den Dreharbeiten zu „Ned Kelly“ in Australien schrieb. „Mick spielte plötzlich viel Gitarre, aber wenn er Rhythmus spielte, klang er wie die brasilianischen Gitarristen, die den Beat anders setzen – oder wie die Gitarre auf einem James-Brown-Track. Es machte Spaß, dazu Schlagzeug zu spielen.“ Auf „Sway“, „Can’t You Hear Me Knocking“ und „Moonlight Mile“ war es der neue Gitarrist Mick Taylor, der dem Stones-Sound neue Nuancen verlieh. „Brown Sugar“ wiederum ist ein klassischer Stones-Stampfer und zwei der besten Songs wurzeln im Country: „Wild Horses“ und „Dead Flowers“.
Copyright: Rolling Stones Records, 1971
Platz 63: U2 – „Achtung Baby“
Nachdem man jahrelang das Image der ernsten Rocker kultiviert hatte, nahmen U2 auf „Achtung Baby“ alles ein wenig lockerer. Mit den Produzenten Brian Eno und Daniel Lanois wurde in Berlin und Dublin ein Album aufgenommen, das windschlüpfrigen Rock mit pulsierenden Euro-Grooves verband. Sie klangen nicht mehr wie junge Männer, die auf alles eine Antwort wissen, sondern wie Erwachsene, die an ihren Zweifeln und Sehnsüchten schwer tragen. „Eigentlich ist es ein Etikettenschwindel“, sagte Bono 1992 dem ROLLING STONE. „Wir nannten es ,Achtung Baby‘ und kommen auf all den Fotos nicht mehr aus dem Grinsen raus. Dabei es war wahrscheinlich die heftigste Platte, die wir je gemacht haben.“ U2 klangen plötzlich menschlicher als je zuvor.
Copyright: Island, 1991
Platz 62: Guns N’ Roses – „Appetite For Destruction“
Das bestverkaufte Debütalbum aller Zeiten hatte mehr zu bieten als das Heulbojen-Organ von Axl Rose, dem einzigen bis heute verbliebenen Gründungsmitglied der Band. Gitarrist Slash steuerte Blues-Feeling und Punk-Energie bei, während die Rhythmussektion Titeln wie „Welcome To The Jungle“ und „Mr. Brownstone“ eine gehörige Portion Funk verpasste. Wenn all diese Elemente abgerufen wurden – wie in den letzten zwei Minuten von „Paradise City“ –, ließen Guns N’ Roses die anderen 80er-Metaller wie gefönte Pudel aussehen. Was auch Axl Rose nicht verborgen blieb: „Viele der Rockbands bestehen doch nur aus verdammten Warmduschern, die zu Gefühlen nicht fähig sind.“
Copyright: Geffen, 1987
Platz 61: Sly and the Family Stone – „Greatest Hits“
Sie kreierten ein musikalisches Utopia: Sly and the Family Stone waren eine Band aus schwarzen und weißen Musikern, die Funk und Rock mit lebensbejahenden Vibes kombinierten. Sly Stone, ihr Mastermind, scheute sich nicht, in „Thank You (Falettinme Be Mice Elf Agin)“ harten Funk mit Hippie-Psychedelia zu verschmelzen. Die „Greatest Hits“ umfassen gospelnahe Balladen („Everybody Is A Star“), Dance-Stücke („Everyday People“) und Ohrwürmer („Hot Fun In The Summertime“). Irgendwann entdeckte Stone, dass sein Utopia auch ein dunkles Ghetto besaß – und fand mit dem Album „There’s A Riot Going On“ eine brillante musikalische Form dafür.
Copyright: Epic, 1970
Platz 60: Captain Beefheart and His Magic Band – „Trout Mask Replica“
Beim ersten Hören klingt „Trout Mask Replica“ wie ein apokalyptischer Amoklauf durch den Blues. Don Van Vliet (alias Captain Beefheart) knurrt und grummelt und rezitiert Poesie zu chaotischen Gitarren-Splittern. Doch jede Note wurde im Vorfeld sorgfältig geplant: Um die Songs minutiös zu konstruieren, probte die Magic Band monatelang zwölf Stunden pro Tag – in einem Raum, dessen Fenster geschwärzt waren, um die kollektive Konzentration zu erhöhen. Das avantgardistische Geheul auf Stücken wie „Ella Guru“ und „My Human Gets Me Blues“ sollte moderne Primitive von Tom Waits bis PJ Harvey nachhaltig beeinflussen.
Copyright: Straight, 1969
Platz 59: Creedence Clearwater Revival – „Chronicle Vol. 1“
Zwischen 1968 und Anfang 1972 lieferten CCR 13 Top-40-Hits am Stück – noch immer das Nonplusultra für eine amerikanische Band. John Fogarty, Army-Reservist und Little-Richard-Fan, galt in der Ballroom-Scene von San Francisco als Populist, weil er Ohrwürmer wie „Down On The Corner“ und „Proud Mary“ schreiben konnte, die R&B und Boogie mit dem hippiesken Westcoast-Lifestyle vermählten. Textlich ging Fogarty dabei durchaus auch auf die sozialen Probleme der Zeit ein und attackierte den Vietnamkrieg in „Who’ll Stop The Rain“ oder die Klassengesellschaft in „Fortunate Son“. Diese Zusammenstellung beweist, wie man amerikanische Realität in zweiminütige Songs packen konnte.
Copyright: Fantasy, 1976
Platz 58: The Rolling Stones – „Beggars Banquet“
„Als wir zwischen 1964 und 1966 durch die USA tourten“, erinnerte sich Keith Richards, „hatte ich mir eine riesige Plattensammlung zugelegt, aber nie die Zeit gefunden, sie auch zu hören. Ende 1966, Anfang 1967 packte ich sie endlich aus und legte die Platten auf.“ Nach „Their Satanic Majesties Request“, ihrem psychedelischen Ausrutscher von 1967, war es Richards’ Plattensammlung, die die Stones wieder zu ihrer Version Amerikas zurückbrachte: Country auf „Dear Doctor“, Blues auf „Prodigal Son“ und der Sound der Protestmärsche auf „Street Fighting Man“. „Sympathy For The Devil“ war eine Hymne auf die Abgründe des menschlichen Herzens. Die Stones waren wieder zu ihren Wurzeln zurückgekehrt.
Copyright: Decca, 1968
Platz 57: Stevie Wonder – „Songs In The Key Of Life“
Bei den Aufnahmen zu diesem Album verbrachte Wonder oft 48 Stunden nonstop im Studio, aß nichts, schlief nicht, während alle Beteiligten damit kämpften, die Augen offenzuhalten. „Wenn ich einmal im Flow bin“, sagte er, „bleibe ich dran, bis der Höhepunkt erreicht ist.“ Der Flow war so ergiebig, dass er 21 Tracks ablieferte, die in ein Doppelalbum mit zusätzlicher EP verpackt wurden. Höhepunkte sind die aufgekratzten „Isn’t She Lovely“ und „Sir Duke“. Aber auch in Funk, Jazz und Afrobeat, ja selbst einem Menuett für ein Streich-Quartett demonstrierte Wonder sein außergewöhnliches Können. 19 Jahre später machte Coolio aus „Pastime Paradise“ die Nummer-eins-Single.
Copyright: Motown/Universal, 1976
Platz 56: Elvis Presley – „Elvis Presley“ Im November 1955 kaufte RCA Presleys Plattenvertrag mit Sun Records, inklusive der bisherigen Singles und unveröffentlichten Master. Sechs Monate später erschien sein erstes Album, das zum Teil noch auf Sun-Sessions zurückgriff, zum anderen auf Aufnahmen aus den RCA-Studios in Nashville und New York. Es war das erste Rock’n’Roll-Album, das Platz eins der amerikanischen Charts belegte. „Die Studios waren größer und technisch anders ausgestattet“, erinnerte sich Gitarrist Scotty Moore. „Wir gingen rein und machten das Gleiche, was wir schon vorher gemacht hatten.“ Im Falle von „Blues Suede Shoes“ und anderen Tracks war das aufgemotzte Countrymusik mit einer der aufregendsten Stimmen, die man bis dato gehört hatte.
Copyright: RCA, 1956
Platz 55: The Jimi Hendrix Experience – „Electric Ladyland“
Sein drittes Album war das erste, das Hendrix selbst produzierte – ein fiebriger Traum aus extraterrestrischem Elektro-Soul, den er im New Yorker Record Plant aufs Band zu bannen versuchte. Hendrix verließ das Studio oft, um im Scene, einem Club um die Ecke, noch mit anderen Musikern zu jammen. „Voodoo Chile“, eine 15-minütige Live-im-Studio-Blues-Expedition mit Stevie Winwood an der Orgel und Jack Casady (Jefferson Airplane) am Bass, spiegelt diese Vorgehensweise wider. Neben psychedelischem Delta-Blues lieferte Hendrix aber auch das präzise, punktgenaue „Crosstown Traffic“ und eine spacige Version von Dylans „All Along The Watchtower“.
Copyright: Reprise, 1968
Platz 54: Ray Charles – „The Birth Of Soul: The Complete Atlantic Recordings“
Soul ist eine Kreuzung aus dem Himmelreich und der Latrine – Gospel und Blues zerren von beiden Seiten und streiten sich um die arme Seele. Ray Charles war so ziemlich der Erste, dem der Brückenschlag zwischen beiden Extremen gelang. Charles hielt sich mit Gigs in der Gegend von Seattle über Wasser, als Atlantic 1952 seinen Vertrag übernahm. In den nächsten sieben Jahren lieferte er eine geniale Single nach der anderen, von „What’d I Say“ bis „I Got A Woman“, die vom Gospel-Song „It Must Be Jesus“ abgekupfert war: Charles war der Erfinder der dreiminütigen Ekstase. Diese Box beinhaltet alle R&B-Aufnahmen, die er für Atlantic machte.
Copyright: Atlantic, 1991
Platz 53: The Beatles – „Meet the Beatles!“
Es war das erste Album, das amerikanische Beatlemaniacs kaufen konnten. Man bediente sich dafür an „With The Beatles“, dem zweiten Originalalbum, warf fünf Coverversionen über Bord und fügte drei neue Songs hinzu, unter anderem die Singles „I Want To Hold Your Hand“ und „I Saw Her Standing There“. Es war eine Vorgehensweise, die vielleicht den künstlerischen Intentionen der Beatles zuwiderlief, aber zweifellos in einem interessanten Album resultierte. Lennon und McCartney hatten als Songschreiber gerade einen Lauf. Und sie waren zu diesem Zeitpunkt noch ein echtes Team. „I Want To Hold Your Hand“ schrieben sie zusammen am Klavier im Haus von Jane Asher, McCartneys damaliger Freundin.
Copyright: EMI, 1964
Platz 52: Al Green – „Greatest Hits“
Die Musik, die Al Green und Produzent Willie Mitchell in Memphis aufnahmen, sollte zu der intuitivsten Soulmusic der 70er Jahre zählen. „In Memphis folgt man einfach seinem Gefühl“, sagte Green 1972 dem ROLLING STONE. „Es gibt hier kein modernes, mondänes Studio mit dickem roten Teppich. In Memphis geht man einfach irgendwo rein und haut einen inspirierten Soul-Jam raus.“ Mit Mitchell und kongenialen Mitstreitern wie Drummer Al Jackson Jr. im Rücken erwies sich Green als der geborene Album-Künstler, der Herz-&-Schmerz-Klassiker wie das 73er Album „Call Me“ aus dem Ärmel schüttelte. Doch auch diese Compilation klingt wie ein homogenes Album, mit Hits wie „Let’s Stay Together“, „I’m Still In Love With You“ und „Tired Of Being Alone“.
Copyright: Hi, 1975
Platz 51: Simon and Garfunkel – „Bridge Over Troubled Water“
Auf ihrem fünften und letzten Studioalbum gingen die Wege von Paul Simon und Art Garfunkel auseinander: Simon arbeitete an dem Album, während sich Garfunkel in Mexiko aufhielt, wo er mit einer Rolle in „Catch-22“ seine Leinwand-Karriere forcieren wollte; Garfunkel legte gegen Simons „Cuba Sí, Nixon No“ ein Veto ein, während Simon Garfunkels Vorschlag torpedierte, einen Bach-Choral aufzunehmen. Das Album aber zeigte noch einmal die Früchte ihrer Partnerschaft – in spröden, ironisch gebrochenen Songs wie „The Boxer“, deren engelsgleiche Harmonien wie akustischer Balsam klingen. Der Titelsong wurde allerdings von Garfunkel alleine gesungen.
Copyright: Columbia, 1970
Platz 50: Little Richard – „Here’s Little Richard“
„Ich kam aus einer Familie, in der man für Rhythm & Blues kein Verständnis hatte“, sagte Little Richard dem ROLLING STONE 1970. „Bing Crosby, ,Pennies From Heaven‘ oder Ella Fitzgerald war alles, was ich zu hören bekam. Aber ich wusste, dass es etwas geben musste, das lauter war. Ich wusste nur nicht, wo ich suchen sollte. Bis ich erkannte, dass ich selbst es war.“ Richards wüstes Debütalbum vereinte Singles wie „Rip It Up“ und „Long Tall Sally“, die mit ihrem Boogie-Woogie-Piano und den spitzen Falsett-Schreien dem Rock’n’Roll völlig neue Dimensionen erschlossen. „Tutti Frutti“ enthält obendrein die wohl inspiriertesten Textzeilen, die je aufgenommen wurden: „A wop bop alu bop, a wop bam boom.“
Copyright: Specialty, 1957
Platz 49: The Allman Brothers Band – „At Fillmore East“
Das wohl größte Live-Doppelalbum aller Zeiten dokumentiert nicht nur die improvisatorische Klasse der Band, sondern auch ihr einmaliges Talent, das Publikum in ihre Jams miteinzubeziehen. „Es schien irgendwie mitzuspielen“, sagte Sänger und Keyboarder Gregg Allman über die Konzerte vom März 1971. Das atemberaubende Gitarren-Tandem mit Duane Allman und Dicky Betts befand sich in Höchstform und verschmolz in Songs wie „Whipping Post“ und „In Memory Of Elizabeth Reed“ Blues und Jazz mit spielerischer Leichtigkeit. Doch ihre telepathische Kommunikation wurde abrupt unterbrochen: Drei Monate nach der Veröffentlichung kam Duane bei einem Motorradunfall ums Leben.
Copyright: Capricorn, 1971
Platz 48: Public Enemy – „It Takes A Nation Of Millions To Hold Us Back“
Laut, fies, funky, avantgardistisch, politisch, urkomisch – das brillante zweite Album der Band ist alles zusammen. Chuck D bellt seine verzwickten Reime heraus und orientiert sich dabei an dem abgehackten Duktus amerikanischer Sportreporter, während sein Sidekick Flavor Flav für die komischen Momente sorgt. Die Bomb Squad, das eigene Produktionsteam, liefert dazu vielschichtige, hypnotische Jams, die sie manchmal mit heulenden Sirenen würzen. „Bring The Noise“ macht seinem Titel alle Ehre. „Wenn man meine Musik noise nennt“, so Chuck D, „dann kann ich nur sagen: Na gut – I’m bringing more noise.“
Copyright: Def Jam, 1988
Platz 47: John Coltrane – „A Love Supreme“
Im Jahre 1957 traf der Saxofonist zwei wichtige Entscheidungen: Coltrane trennte sich von seinem Arbeitgeber Miles Davis, schloss sich Thelonious Monks Band an und erschloss sich mit seinen langen, ekstatischen Soli neue Horizonte. Zum Zweiten trennte er sich vom Heroin – was sich als elementarer Schritt zu einem spirituellen Neubeginn erweisen sollte, von dem der legendäre, hymnische Titelsong Zeugnis ablegt. Es war transzendentale Musik, die nicht zufällig mit dem Höhepunkt der Bürgerrechtsbewegung zusammenfiel. Coltranes majestätisches, oft mit physischer Intensität gespieltes Saxofon war aber nie Selbstzweck. Es waren tief empfundene Dankbarkeit und schiere Freude, die seinem Spiel Flügel verliehen.
Copyright: Impulse, 1964
Platz 46: Bob Marley And The Wailers – „Legend“
„Reggae ist zu simpel für amerikanische Musiker“, sagte Marley einmal. „Du musst in dieser Musik leben und wissen, warum du sie spielen willst. Man spielt sie nicht, weil man glaubt, damit eine Million verdienen zu können.“ Sinnigerweise war es gerade dieses Greatest Hits-Album, das sich auf der ganzen Welt millionenfach verkaufte. Es beinhaltet alles, was Marley auszeichnete: sein nuanciertes Songwriting, seine politische Botschaft und sein Talent, jamaikanischen Rhythmus und die Spiritualität der Rastas zu einer universellen Message zu formen. Die Pistolero-Ballade „I Shot The Sheriff“, das beruhigend wiegende „No Woman No Cry“ und der hehre Schwur des „Redemption Songs“ sind dafür eindrucksvolle Beispiele.
Copyright: Island, 1984
Platz 45: The Band – „The Band“
Zu vier Fünfteln stammte The Band aus Kanada (nur Drummer Levon Helm kam aus Arkansas), doch auf ihrem zweiten Album drehte sich alles um Amerika. Die Songs von Gitarrist Robbie Robertson ließen die Pionier-Tage wieder auferstehen („Across The Great Divide“), den Bürgerkrieg („The Night They Drove Old Dixie Down“), reflektierten aber auch den heiklen Zustand der Nation in den 60er Jahren. Die druckvollen Keyboards von Garth Hudson und Helms polterndes Schlagzeug zeugen von langen Jahren on the road, doch Robertsons Geschichten erwecken eigentlich erst richtig zum Leben durch Helms knorrige Stimme, Rick Dankos glockenhellen Tenor und Richard Manuels ätherischen Schmelz.
Copyright: Capitol, 1969
Platz 43: Pink Floyd – „The Dark Side Of The Moon“
„Ich denke, jedes Album war ein Schritt in Richtung ,Dark Side Of The Moon‘“, sagte Keyboarder Rick Wright. „Wir sogen alles in uns auf – wie man im Studio aufnahm und wie man bessere Songs schrieb.“ Bevor sie ins Studio gingen, waren sie monatelang mit dem Material durch England getourt. Es war der Höhepunkt ihrer spacigen Klang-Expeditionen, die sie Anfang der 70er Jahre forciert hatten. Im Studio aber setzten sie Roger Waters’ Visionen vom alltäglichen Wahnsinn punktgenau um, sei es mit melodischer Präzision („Breathe“, „Us And Them“) oder filmischer Grandeur (Clare Torrys Gast-Arie in „The Great Gig In The Sky“). „Dark Side“ ist jedenfalls eines der bestproduzierten Alben aller Zeiten.
Copyright: EMI, 1973
Platz 42: The Doors – „The Doors“
Nachdem sie als Hausband in L.A.’s Whisky a Go Go zunächst gefeiert, dann aber gefeuert worden waren, waren die Doors willens, ihren poetischen Rock, oft von Ray Manzareks Orgel dominiert, der ganzen Welt vorzustellen. Die dunkelvisionäre Pop-Art des Debüts fand bei kommerzieller orientierten Hörern zunächst allerdings wenig Anklang. Doch die Doors trafen auf eine Goldader, als sie einen längeren Jam von „Light My Fire“ auf Single-Länge komprimierten. Robbie Krieger hatte den Song geschrieben, nachdem Jim Morrison von seiner Band einen Song mit einem universellen Thema gefordert hatte.
Copyright: Elektra, 1967
Platz 41: The Sex Pistols – „Never Mind The Bollocks, Here’s The Sex Pistols“
„Wenn sich die Sessions so entwickelt hätten, wie ich mir das vorgestellt hatte, wäre das Album für die meisten Leute ungenießbar gewesen“, sagte Johnny Rotten. „Will man, dass die Leute zuhören, muss man schon Kompromisse machen.“ Aber dieses Gefühl teilten damals die wenigsten. Das einzige Studioalbum der Sex Pistols schien alles einstampfen zu wollen, was der Rock’n’Roll bisher auf die Beine gestellt hatte. „Never Mind …“ war die Bergpredigt des Punk – und ihr Echo hallt noch immer nach.
Copyright: Virgin, 1977
Platz 40: Love – „Forever Changes“
„Als ich das Album aufnahm“, so Sänger Arthur Lee, „stellte ich mir vor, dass ich in diesem Moment sterben würde – dass das also meine letzten Worte sein würden.“ Lee sollte das Album allerdings noch bis in die Nuller Jahre live spielen. Das dritte Album der Band aus L.A. war wüst und witzig und eine echte Pioniertat. Mit orchestralem Flair und Mariachi-Bläsern wurde das Folkrock-Fundament zu einem eleganten Armageddon umgestaltet. Ende der 90er Jahre verbrachte Lee eine Zeit hinter Gittern. Zurück in der Freiheit, gab er den Zeilen des Songs „Live And Let Live“ eine besondere Bedeutung: „Served my time, served it well.“
Copyright: Elektra, 1967
Platz 39: The Beatles – „Please Please Me“
Zehn der 14 Songs ihres Debütalbums nahmen die Beatles am 11. Februar 1963 in gut zwölf Stunden auf. Allein schon was Effizienz betrifft, ist es eins der größten Alben der Rock-Geschichte. Sie hatten zu diesem Zeitpunkt bereits einen brachialen Sound entwickelt, einen Frontalangriff aus vibrierender Energie und perfekten Gesangsharmonien: Ob es nun Coverversionen wie „Boys“ von den Shirelles waren oder aber Lennon-McCartney-Klopfer wie „There’s A Place“ und „I Saw Her Standing There“, spielte dabei keine Rolle. Es passte ins Bild, das sich Lennon am Ende der eintägigen Session John Lennon das Hemd vom Körper riss und mit einer letzten Energieleistung seinen geschundenen Stimmbändern zwei Takes von „Twist And Shout“ entlockte.
Copyright: Parlophone, 1963
Platz 38: Muddy Waters – „The Anthology“
McKinley Morganfield alias Muddy Waters spielte zunächst akustischen Delta-Blues in Mississippi. Als er 1943 nach Chicago zog, brauchte er eine elektrische Gitarre, um sich in den lärmenden Bars der South Side überhaupt noch Gehör verschaffen zu können. Der Sound, den er dabei entwickelte, sollte das Fundament des Chicago Blues – wie auch des Rock’n’Roll sein: Der fette, fließende Klang seiner Slide-Gitarre nahm vieles von der Verzerrung vorweg, den die Rock-Gitarristen 20 Jahre später für sich reklamieren sollten. Jimi Hendrix wählte Waters’ „Rollin’ Stone“ als Vorlage für „Voodoo Chile“, Bob Dylan fand hier Anregungen für „Like A Rolling Stone“ – und Mick Jagger und Keith Richards benannten ihre Band danach.
Copyright: Chess/MCA, 2001
Platz 37: The Eagles – „Hotel California“
Wie es sich für perfektionistische Hollywood-Cowboys gehört, verbrachten die Eagles acht Monate im Studio, um immer wie- der an ihren Aufnahmen zu polieren. „Wir haben uns sprichwörtlich eingeschlossen“, erinnerte sich Don Henley. „Wir hatten einen Kühlschrank, eine Tischtennisplatte, Rollerskates und ein paar Feldbetten. Wir gingen ins Studio und kamen zwei, drei Tage lang nicht wieder raus.“ Nachdem Gitarrist Joe Walsh Bernie Leadon ersetzt hatte, verabschiedete sich die Band vom klassischen Country-Rock und schlug härtere Töne wie in „Life In The Fast Lane“ an. Das bedrückende „New Kid In Town“ thematisiert die Vergänglichkeit des Ruhms, während das Titelstück von der damaligen Dekadenz der Rock-Aristokratie handelt.
Copyright: The Eagles Asylum, 1976
Platz 36: Carole King – „Tapestry“
Fast zehn Jahre lang schrieb Carole King zusammen mit ihrem damaligen Ehemann Gerry Goffin „Brill Building“-Pop: Little Evas „The Loco-Motion“ etwa oder „Pleasant Valley Monday“ für die Monkees. Es war ihr Freund James Taylor, der sie ermunterte, ihre Songs doch lieber selbst zu singen. Sie nahm eine langsamere, ätherische Version von „Will You Love Me Tomorrow“ auf (1960 ein Hit für die Shirelles), gab mit ihrer warmen, unprätentiösen Stimme „So Far Away“ und „It’s Too Late“ eine neue, tief empfundene Melancholie oder verzauberte „I Feel The Earth Move“ mit schierer, natürlicher Lebensfreude. „Tapestry“ war für King ein Neubeginn und lieferte zugleich das Strickmuster für die weiblichen Singer-Songwriter der 70er Jahre.
Copyright: Ode, 1971
Platz 35: David Bowie – „The Rise And Fall Of Ziggy Stardust And The Spiders From Mars“
Das Album dokumentiert eines der gewieftesten Selbst-Mythologisierungs-Manöver in der Geschichte der Rockmusik: David Bowie schlüpfte in die Rolle seines glitzernden, messianischen Alter Egos Ziggy Stardust. Der Glam-Rock, den Ziggy und Gitarrist Mick Ronson dann auf Tracks wie „Hang On To Yourself“ und „Suffragette City“ zelebrieren, ist eine geniale Mischung aus affektiert-tuntigem Pop und Blues- Drive, das hymnische „Ziggy Stardust“ eine der frühen Power-Balladen. „Ich vermute, dass ich für eine ganz neue Schule von Rollenspielen verantwortlich bin“, sagte Bowie damals.
Copyright: RCA, 1972
Platz 34: The Band – „Music From Big Pink“
„Big Pink“ war ein pinkfarbenes Haus in Woodstock, New York, wohin The Band – Dylans Tour-Begleitung in den Jahren 1965/66 – gezogen war, um sich nach dessen Motorradunfall in Dylans Nähe zu befinden. Während er wieder auf die Beine kam, spielten sie mit ihm die Demos ein, die später als „Basement Tapes“ bekannt wurden, aber auch ihr eigenes Debüt. Dylan bot sich an, auf dem Album mitzuwirken, aber die Band winkte dankend ab. „Wir wollten nicht nur sein Anhängsel sein“, sagte Drummer Levon Helm. Dylan gab ihnen allerdings den Song „I Shall Be Released“. Aber es war der rustikale Charme ihrer Musik, auch das Reflektieren über Familien und Verpflichtungen, die „Big Pink“ zum Klassiker machten.
Copyright: Capitol, 1968
Platz 33: Ramones – „Ramones“
„Unsere frühen Songs waren wirklich Aus- druck unserer eigenen Isolation und Frustration – das Gefühl, das jeder zwischen 17 und 75 einmal kennenlernt“, sagte Sänger Joey Ramone. Mit seinen gerade mal 28 Mi- nuten ist „Ramones“ ein Affront gegen die ornamentale Künstlichkeit, die im Rock der Siebziger immer weiter um sich gegriffen hatte. Die Songs sind kurz, schnell und pampig – genau wie die Ramones selbst: „Beat On The Brat“, „Blitzkrieg Bop“, „Now I Wanna Sniff Some Glue“. Gitarrist Johnny Ramone weigerte sich, Soli zu spielen – seine Dampfhammer-Akkorde wurden das Vokabular des Punks. Doch zwischen all der nihilistischen Rotzigkeit bewies Joeys „I Wanna Be Your Boyfriend“, dass selbst Punks nicht ganz ohne Liebe auskommen.
Copyright: Sire, 1976
Platz 32: The Rolling Stones – „Let It Bleed“
Das Torten-Album eröffnet mit dem beklemmenden „Gimme Shelter“, jenem Song, der nicht nur das Fiasko auf ihrem Konzert in Altamont symbolisierte, sondern auch das Ende der an Utopien so reichen Sixties. Durch das Album zieht sich die Spur der Apokalypse: in der sexbesessenen Verzweiflung von „Live With Me“, im mörderischen Blues „Midnight Rambler“, in Keith Richards’ giftiger Gitarre auf „Monkey Man“, aber auch im Moralismus von „You Can’t Always Get What You Want“, das Jagger in seinem Schlafzimmer schrieb und später mit Honky-Tonk-Piano und einem gewaltigen Chor aufblies. Jemand hatte empfohlen, den London Bach Choir dafür zu engagieren, und die Band machte sich einen Jux daraus.
Copyright: London, 1969
Platz 31: Bob Dylan – „Bringing It All
Back Home“
„Es ist kompliziert, mit Elektrizität zu spielen“, sagte Dylan im Sommer 1965. „Man hat es plötzlich mit anderen Leuten zu tun. Und die, die Rock’n’Roll nicht mögen, haben meistens keinen Draht zu diesen anderen Leuten.“ Auf der ersten Seite dieser musikalischen Pioniertat dreht Dylan den Verstärker voll auf, um seinen kryptischen, provokanten Texten einen größeren Nachdruck zu geben. „Subterranean Homesick Blues“ und „Maggie’s Farm“ sind laut, ätzend und unglaublich lustig. Auf der zweiten LP-Seite kehrt Dylan wieder zur Akustik-Gitarre zu- rück und präsentiert vier exzellente Songs, darunter das bitterböse „It’s Alright, Ma (I’m Only Bleeding)“ und die Ballade „It’s All Over Now, Baby Blue“.
Copyright: Columbia, 1965
Platz 30: Joni Mitchell – „Blue“
„Auf dem ,Blue‘-Album wird man nicht eine unehrliche Note finden“, sagte Mitchell dem ROLLING STONE 1979. „Zum damaligen Zeitpunkt waren alle meine Abwehrmechanismen außer Kraft. Ich fühlte mich wie die Zellophanverpackung einer Zigarettenschachtel. Ich hatte den Eindruck, als könne ich nichts vor der Welt verbergen, als könne ich mir beim besten Willen nicht einreden, stark oder glücklich zu sein.“ „Blue“ ist viel- leicht das ultimative Trennungsschmerz-Al- bum und Mitchells überzeugendste musikalische Leistung. Stephen Stills und James Taylor gehen ihr gelegentlich zur Hand, aber in „California“, „Carey“, „This Flight Tonight“ und im erschütternden Titelsong klingt Mitchell in ihrer Melancholie mutterseelenallein.
Copyright: Reprise, 1971
Platz 29: Led Zeppelin – „Led Zeppelin“
Auf ihrem ersten Album waren Led Zeppelin noch damit beschäftigt, ihren eigenen Sound zu finden und sich von den wüsten Rave-ups der Yardbirds, Jimmy Pages früherer Gruppe, zu verabschieden. Doch schon von Anfang an kreierte die Band eine erstaunlich runde Mischung aus Pages lyrischer Gitarre, Robert Plants markerschütterndem Heulen und der Gerölllawine, die John Paul Jones und John Bonham mit ihrem harten Boogie lostraten. Im Kern sind hier schon alle Qualitäten vorhanden, die Led Zeppelin in den Siebzigern ausspielen sollten: knüppelharter Rock („Communication Breakdown“), donnernde Power-Balladen („Your Time Is Gonna Come“) oder psychedelischer Folk-Blues („Babe I’m Gonna Leave You“).
Copyright: Atlantic, 1969
Platz 28: The Who – „Who’s Next“
Er habe einen Nervenzusammenbruch gehabt, verriet Pete Townshend, als nach der Rock-Oper „Tommy“ sein nächstes nicht minder ambitioniertes Projekt namens „Lifehouse“ nicht realisiert werden konnte. Doch immerhin hatte er einen Sack voll neuer Songs, an denen The Who solange feilten, bis daraus ihr bestes Studioalbum wurde. „Won’t Get Fooled Again“, „Bargain“ und „Baba O’Riley“ vermitteln eine majestätische Atmosphäre, die oft genug mit ein paar Synthie-Tupfern verfeinert wird. „Ich mag Synthesizer“, sagte Townshend, „weil sie mir Sachen in die Hand geben, zu denen ich normalerweise nicht befähigt bin: der Klang eines Orchesters, Waldhörner, Streicher… Man drückt einen Knopf, und schon läuft es wie von selbst.“
Copyright: Decca, 1971
Platz 27: U2 – „The Joshua Tree“
„Amerika ist für eine Menge Iren das gelobte Land“, sagte Bono dem ROLLING STONE. „Ich stehe in einer langen Tradition von Iren, die diesen Trip gemacht haben.“ Auf ihrem fünften Studioalbum tauchte die Band in die Mythologie Amerikas ein, während The Edge das digitale Delay für sich entdeckte und seine vertrauten Arpeggios in einen wabernden Hall verwandelte. Einer der bewegendsten Songs ist „Running To Stand Still“, eine reduzierte Slide-Gitarren-Ballade über die Heroinsucht, doch zum großen Teil gelingt es der Band, Sinnsuche und politische Positionen in mitsing- bare Stadionhymnen zu kleiden. Man höre zum Beweis „Where The Streets Have No Name“ oder „I Still Haven’t Found What I’m Looking For“.
Copyright: Island, 1987
Platz 26: Fleetwood Mac – „Rumours“
Mit „Rumours“ transformierten Fleetwood Mac ihre privaten Probleme in gefällige, unwiderstehliche Melodien: Die beiden Paare in der Band – Bassist John und Keyboarderin Christine McVie waren verheiratet, Gitarrist Lindsay Buckingham und Sängerin Stevie Nicks nicht – trennten sich im Laufe der langwierigen Aufnahmen gerade von- einander. Was wiederum der Hintergrund war für emotional aufgeladene Songs wie Buckinghams „Go Your Own Way“, Nicks’ „Dreams“, McVies „Don’t Stop“ und das gemeinsam geschriebene „The Chain“, das ebenfalls Verlust und Trennung thematisiert. Das stieß auf viele offene Ohren: „Rumours“ war in den 70er Jahren im Radio all- gegenwärtig und ist das siebterfolgreichste Studioalbum der Popgeschichte.
Copyright: Warner Brothers, 1977
Platz 25: James Brown – „Live At The Apollo“
Vielleicht das großartigste Live-Album, das je aufgenommen wurde. Ausgehend von einem gesprochenen Intro baut sich die Spannung langsam auf: Nach frühen, schweißtreibenden Hits wie „Try Me“ folgt der Bogen der elfminütige Ballade „Lost Someone“, um dann in einem Medley zu ex- plodieren und mit „Night Train“ abzuschlie- ßen: „Live At The Apollo“ ist purer, unver- dünnter Soul. Und doch wäre die Aufnahme fast nie veröffentlicht worden. Syd Nathan, Chef von King Records, sträubte sich gegen ein Live-Album, bis sich Brown entschloss, am 24. Oktober 1962 das letzte von mehre- ren Apollo-Konzerten selbst aufzunehmen. Sein Gefühl täuschte ihn nicht: „Live At The Apollo“ war 66 Wochen lang in den amerikanischen Charts.
Copyright: King, 1963
Platz 24: Stevie Wonder – „Innervisions“
Seine ambitionierten musikalischen Experimente und tief empfundenen Einblicke in die menschliche Natur machten „Innervisions“ zu einer komplexen, aber nie selbst- verliebten Suche nach dem eigenen Ich. Gesellschaftlicher Realismus und individueller Idealismus sind die Fundamente, die Wonder mit unwiderstehlichem Funk und expressiven Klangfarben zum Leben erweckt. „Too High“ ist eine Warnung vor den Folgen des Drogen-Konsums, „Higher Ground“ reflektiert die Visionen eines Martin Luther King. Doch das Herzstück des Albums ist „Living For The City“, das soziale Ausbeutung und Ungerechtigkeit mit großer Intensität geradezu plastisch vor Augen führt. „Innervisions“ ist Wonders innovationsfreudigstes Album.
Copyright: Tamala Motown, 1973
Platz 23: John Lennon – „Plastic Ono Band“
Man nannte es auch das „Primal Scream“- Album, da sich Lennon zu dieser Zeit einer quälenden Psychotherapie unterzog, die sich unmittelbar in den Songs niederschlug. „Plastic Ono Band“ war Lennons erstes eigentliches Soloalbum und die wohl radikalste Nabelschau, die im Rahmen der Rockmusik je veröffentlicht worden ist. Lennon beschimpfte alle nur erdenklichen Idole und Ikonen, darunter auch seine einstige Band („I don’t believe in Beatles“), und nahm mit der Garagen-Rock-Ästhetik einiger Stücke den Punk um Jahre vorweg. In „Mother“ verarbeitete er die Entbehrungen seiner Kindheit und verkniff sich in „Working Class Hero“ mit Mühe und Not noch wüstere Beleidigungen: „You’re still fucking peasants as far as I can see.“
Copyright: EMI, 1970
Platz 22: Robert Johnson – „The Complete Recordings“
„Du willst wissen, wie gut der Blues sein kann?“, fragte Keith Richards. „Nun, hier ist die Antwort.“ Der fragliche Blues-Meister war Robert Johnson, der von 1911 bis 1938 im Mississippi-Delta lebte und seiner Gitarre so Erstaunliches entlockte, dass unweigerlich die Legenden sprossen, er habe an den Crossroads seine Seele dem Teufel verkauft. Johnson nahm in zwei Aufnahmesessions nur insgesamt 29 Songs auf, aber ihr inzwischen verblassendes Feuer strahlte über Jahrzehnte in die Zukunft und inspirierte so ziemlich jeden – von Chicago Blues- Initiator Elmore James bis zu britischen Blues-Adepten wie den Rolling Stones oder Eric Clapton. Alle Aufnahmen sind auf diesem Album vereint.
Copyright: Columbia, 1990
Platz 21: Chuck Berry – „The Great Twenty-Eight“
In der zweiten Hälfte der Fünfziger veröffentlichte Chuck Berry eine Reihe von Singles, die den Sound und den Geist des Rock’n’Roll definieren sollten. „Maybellene“, ein schneller Countryrocker über das Rennen zwischen einem Ford und einem Cadillac, machte den Anfang – und ein Hammer folgte auf den anderen, vorangetrieben von Berrys Country-Blues-Stakkato auf der Gitarre: „Roll Over Beethoven“, „School Days“, „Rock And Roll Music“, „Sweet Little Sixteen“, „Johnny B. Goode“, „Back In The USA“. Was war sein Geheimnis? „Das Rückgrat meines Beat ist Boogie“, erläuterte der Meister, „und die Muskeln meiner Musik sind Melodien, die alle ganz simpel sind.“
Copyright: Chess, 1982
Platz 20: Michael Jackson – „Thriller“
Michael Jackson dominierte die Achtziger so, wie Elvis die Fünfziger geprägt hatte. Das R&B-Wunderkind war zum Technicolor-Soulman gereift, der als Sänger, Tänzer und Songschreiber ein unvergleichliches Gespür fürs Crossover besaß. Zusammen mit Produzent Quincy Jones hatte er 1979 mit „Off The Wall“ das Modell einer Wundertüte entwickelt, in der Pop-Hooks und Dance-Beats zu einer explosiven Mischung verschmolzen. Mit „Thriller“ gaben die beiden ihrem Mix noch mehr Glamour („The Girl Is Mine“), noch mehr Drama („Thriller“), noch mehr Funk. Doch am eindrucksvollsten waren das wütende Dementi von „Billy Jean“ und die Kampfansage gegen die mediale Gerüchteküche in „Wanna Be Startin’ Somethin’“.
Copyright: Epic, 1982
Platz 19: Van Morrison – „Astral Weeks“
Van Morrison klang nie wärmer, nie ekstatischer, nie sinnlicher und sensibler als auf seinem rätselhaft ätherischen Solo-Debüt. Beflügelt vom Erfolg von „Brown Eyed Girl“ und einem neuen Vertrag mit dem künstlerfreundlichen Warner-Label, erforschte er hier das ganze Spektrum sein- er Stimme, versuchte sich an lyrischen Scat-Improvisationen oder vertonte traumähnliche Erinnerungen an seine Heimat Belfast mit mäandernden Melodien, die sich gleichermaßen bei R&B und keltischer Musik bedienten. Die Magie wurde komplettiert durch das begnadete Jazz-Quintett, das Produzent Lewis Merenstein zusammengestellt hatte, um Morrisons ahnungsvollen Andeutungen die adäquate Grundierung zu geben.
Copyright: Warner Brothers, 1968
Platz 18: Born To Run Bruce Springsteen
Springsteen setzte alles ein, was er hatte – Geduld, Energie, Studiozeit und die Gesundheit seiner E Street Band, um sein Meisterwerk doch noch zu vollenden. Allein im Titeltrack finden sich Dutzende von Overdubs. „Das Album wurde zum Monster“, erinnerte sich Springsteen. Aber bei der zähen Produktion seines dritten Albums sah er sich selbst mit dem zentralen Thema seiner Musik konfrontiert: dem ständigen Ringen, die großen Träume mit der Realität in Einklang zu bringen. Bei dem Versuch, die Dynamik seiner Bar-Gigs in New Jersey, die Grandeur von Phil Spector und das Melodrama von Roy Orbison im Studio zu reproduzieren, biss er sich lange die Zähne aus, doch seiner verbissenen Detailliebe verdanken wir ein zeitloses Album.
Copyright: Columbia, 1975
Platz 17: Nirvana – „Nevermind“
Es war die Erfolgsgeschichte der 90er Jahre: Nirvanas zweites Album, angetrieben von der Single „Smells Like Teen Spirit“, kroch aus den Kellern von Seattles aufkeimender Grunge-Szene und fegte Michael Jackson mühelos von der Spitze der Charts. Der „Hair-Metal“, in den Jahren zuvor das große Kommerz-Thema, wurde gleich mit in den Orkus gestürzt. Kein Album der letzten 20 Jahre hatte eine derartige Wirkung auf eine Generation, was schließlich zur Selbstzerstörung von Nirvanas kreativem Kopf beitragen sollte: Die Last des Ruhms lag so schwer auf Kurt Cobains Schultern, dass er sich 1994 das Leben nahm. Doch seine peitschenden Riffs, sein giftiger Gesang und seine kryptischen Texte, gekoppelt mit der Zeppelin-trifft-Pixies-Dampfwalze von Bassist Krist Novoselic und Drummer Dave Grohl, brachten die ehrliche Wut zurück in den Rock’n’Roll. Textlich versteckte Cobain sein auf- gewühltes Inneres hinter mehrdeutigen Chiffren; sein eigentliches Genie bestand darin, eine Spannung zwischen laut und leise, Vers und Refrain, Zurückhaltung und Aggression zu generieren, die Songs wie „Lithium“, „Breed“ oder „Teen Spirit“ so mitreißend machte. Im Grunde seines Herzens aber liebte Cobain Pop, nicht zuletzt auch die Beatles. „Nevermind“-Produzent Butch Vig erinnert sich daran, dass Cobain während der Aufnahmen immer wieder Lennons „Julia“ gehört habe. Seine Glaubwürdigkeit als Underground-Musiker lag ihm allerdings nicht minder am Herzen. Auch wenn er damit letztlich auf verlorenem Posten stand.
Copyright: Geffen, 1991
Platz 16: Bob Dylan – „Blood On The Tracks“
Als er „Tangled Up In Blue“, den Eröffnungssong des Albums, einmal auf der Bühne vorstellte, sagte Dylan, es habe ihn zehn Jahre gekostet, den Song zu leben – und zwei Jahre, ihn zu schreiben. Es war ein offenkundiger Hinweis auf seine privaten Probleme – die Scheidung von Sara Lowndes –, die zumindest teilweise das beste Dylan-Album der 70er Jahre inspirierten. Genau genommen schrieb er den gesamten Zyklus dieser scharfzüngigen Songs in zwei Monaten Mitte 1974. Er war so stolz auf das Material, dass er es Freunden und Kollegen vorab vorstellte – von Mike Bloomfield über David Crosby bis zu Graham Nash. Im September nahm er es innerhalb einer Woche mit der Bluegrass-Band Deliverance auf – doch als er es im Dezember seinem Bruder David in Minneapolis vorspielte, regte der an, einige Songs mit lokalen Musikern neu einzuspielen. Das endgültige Album war dann eine Mischung aus den gemächlichen, nachdenklichen New Yorker Sessions und den schnelleren, ungestümeren Minneapolis-Aufnahmen. Zusammen lieferten sie einige von Dylans leidenschaftlichsten, intimsten Songs – von der Trennungs-Ballade „If You See Her, Say Hello“ bis zur bissigen Beschimpfung in „Idiot Wind“. „Es fällt mir schwer zu verstehen, warum die Leute diese Art von Tortur so lieben“, sagte Dylan, nachdem sich das Album umgehend als großer Erfolg erwies. Aber er hatte Pein in musikalisches Gold verwandelt.
Copyright: Columbia, 1975
Platz 15: The Jimi Hendrix Experience – „Are You Experienced?“
Genau so klang London zu Beginn des Jahres 1967: psychedelischer Blues, aufeinandergetürmtes Gitarren-Feed- back und die kosmische Vision eines amerikanischen Exilanten namens Jimi Hendrix. Es war der ehemalige Animals-Bassist Chas Chandler, der ihn nach London lotste, nachdem Hendrix mit seinen New Yorker Auftritten als Backing-Gitarrist in eine Sackgasse geraten war. Er kam im September 1966 an, stellte seine Begleitband mit Bassist Noel Redding und Bas-ist Mitch Mitchell zusammen – und nahm in nur wenigen Wochen sein epochales Debüt auf, das auch 45 Jahre später noch immer das innovativste und ausdrucksstärkste Gitarren-Al- bum der Rock-Geschichte ist. Hendrix’ explosives Spiel – geprägt auf langen Tourneen mit Little Richard und den Isley Brothers Anfang der 60er Jahre, aber auch von seiner Vorliebe, Feedback melodisch in einen Song zu inte- grieren Ω war ein Novum. Doch es waren ruhige Songs wie „Manic Depression“ und „The Wind Cries Mary“, die der Psychedelia den Weg wiesen. Hendrix selbst sagte, es sei „ein Album mit grenzenlosem Gefühl und Fantasie. Auf die Freiheit der Fantasie kommt es an.“ „Purple Haze“, das angeblich einen LSD-Trip wieder- gab, „hatte mit Drogen überhaupt nichts zu tun“, betonte er. „Es ging um einen Traum, in dem ich unter Wasser einen Spaziergang machte.“
Copyright: Track, 1967
Platz 14: The Beatles – „Abbey Road“
Es war eine sehr gelöste Platte“, berichtete Produzent George Martin, „weil alle davon ausgingen, dass es ihre letzte sein würde.“ „Abbey Road“, weitgehend in nur zwei Monaten des Sommers 1969 aufgenommen, wäre sogar fast gar nicht zu- stande gekommen. Im Januar standen die Beatles knapp vor dem Ende: Nach den desaströsen Sessions für „Let It Be“ war die Stimmung auf dem Nullpunkt angekommen. Doch wild entschlossen, sich mit einem Highlight zu verabschieden, traf man sich einmal mehr in den Abbey-Road-Studios, um das wohl ausgereifteste Album ihrer Karriere anzugehen. Sie hatten hervorragendes Material, das mit Liebe zum Detail aufgenommen wurde und vor allem auf der zweiten LP-Seite aus vielen Fragmenten zusammengesetzt wurde, ohne inhaltliche Brüche, autorisiert durch das Genie dieser Band. John Lennon changierte zwischen metallischer Härte („I Want You (She’s So Heavy)“) und gefühlvollem Gesang („Because“), Paul McCartney zeigte sich kess („Oh! Darling“), albern („Maxwell’s Silver Hammer“) und giftig („You Never Give Me Your Money“), und George Harrison bewies seinen lang unterschätzten Wert als Songschreiber mit „Something“ und dem folkigen Pop-Juwel „Here Comes The Sun“, das er in Eric Claptons Garten geschrieben hatte. Es heißt, Lennon, McCartney und Harrison hätten auf diesem Album mehr dreistimmige Harmonien gesungen als je zuvor. „Let It Be“ sollte die letzte Veröffentlichung werden, aber dies war das eigentliche Goodbye.
Copyright: EMI, 1969
Platz 13: The Velvet Underground – „The Velvet Underground And Nico“
Mit so wenig Instrumenten wie möglich versuchten wir unser Phil-Spector-Ding durchzuziehen“, sagte John Cale, der klassisch geschulte Pianist und Cellist, über dieses Album. Es war kein leerer Spruch. Vieles, was in der Rockmusik heute selbstverständlich ist, wäre ohne Velvet Underground und dieses wegweisende Album nicht denkbar: die androgyne Sexualität des Glitter- Rocks, die rohe Energie des Punks, das Scheppern von Grunge und Noise-Rock, das Endzeit- Fanal der Doom-Jünger. Das Album, für eine Handvoll Dollar in einem abbruchreifen Studio aufgenommen, schockiert mit einem atem- beraubenden Klangspektrum und tiefgehenden Texten. Singer-Songwriter Lou Reed thematisiert fleischliche Lust und Suchtprobleme, Dekadenz und Erlösung. Cale brachte minimalistische Frequenzen und Tonschwingungen ein, während Gitarrist Sterling Morrison und Drummerin Maureen Tucker mit Naturgewalt nach vorne preschten. Nico, die Manager Andy Warhol der Band zugeführt hatte, interpretierte Reeds brodelnden Überdruss als eisige Femme fatale. Von der Love-&-Peace-Generation wurde das Album 1967 abgestraft, doch das „Banana-Album“ (Warhol designte das Cover) erwies sich als revolutionär.
Copyright: Verve, 1967
Platz 12: Miles Davis – „Kind Of Blue“
Das Sublime Meisterwerk sollte eines der einflussreichsten Alben der Jazz-Geschichte werden, war aber zur Zeit seiner Veröffentlichung ein radikaler Bruch mit der Vergangenheit: Miles Davis verabschiedete sich von den gängigen Akkord-Strukturen, nutzte stattdessen modale Tonleitern als Ausgangspunkt für Komposition und Improvisation – und lieferte so einen warmen und subtilen Gegenentwurf zum schneidigen Hard-Bop. Davis und seine unvergleichliche Band – Bassist Paul Chambers, Drummer Jimmy Cobb, Pianist Bill Evans und die Saxofonisten John Coltrane und Cannonball Adderley – zelebrierten ihre Soli in einem offenen Raum, der eher „durch melodische als durch harmonische Variationen“ gekennzeichnet war, wie Davis es ausdrückte. Zwei Nummern – „All Blues“ und „Freddie Freeloader“ – griffen noch auf ein 12-Takt-Schema zurück, doch selbst hier ermutigte Davis seine Mitspieler zu einer bislang ungekannten Freiheit. Evans schrieb in den Liner Notes: „Nur wenige Stunden vor Aufnahmebeginn gab uns Miles die Koordinaten. Es waren grobe Skizzen, was in etwa die Band spielen sollte. Folglich hört man auf dem Album musikalische Äußerungen, die purer Spontanität sehr nahe kommen.“ Oder, wie es der Kritiker Robert Palmer ausdrückte: „,Kind Of Blue‘ ist in gewisser Weise nichts als Melodie und Atmosphäre.“ Die Bass- Figur in „So What“ gehört zu den berühmtesten der Jazz-Geschichte und nichts kann die nächtliche Magie des Jazz besser evozieren als die gestopfte Trompete in „All Blues“.
Copyright: Columbia, 1959
Platz 11: Elvis Presley – „Sunrise“
Viele glauben, dass der Rock’n’Roll am 5. Juli 1954 im Sun Studio in Memphis zur Welt kam. Elvis, Gitarrist Scotty Moore und Bassist Bill Black spielten zum Spaß gerade „That’s All Right, Mama“, einen Song des Bluesmannes Arthur „Big Boy“ Crudup, als sie Produzent Sam Phillips unterbrach und fragte: „Was spielt ihr denn da?“ „Wissen wir auch nicht so recht“, lautete die Antwort. Phillips forderte sie auf, „das Gleiche nochmal zu spielen“. Als A-Seite von Presleys erster Single wurde „That’s All Right“ am 19. Juli auf Sun veröffentlicht. Der Mann, der wenig später der „King“ werden sollte, war erstmals auf Vinyl verewigt.
Indem er schwarze und weiße Musik, Country und Blues, miteinander mischte, generierte er einen ebenso verspielten wie revolutionären Sound, dessen grenzenlose Spontanität die ganze Welt verändern sollte. „Letztlich ist es Blues“, schrieb Greil Marcus in seinem Standardwerk „Mystery Train“, „aber ohne all das Leiden, ohne die Sünde. Es ist die schiere Lebensfreude ohne Gewissensbisse.“ Presley veröffentlichte vier weitere Singles auf Sun – dar- unter die radikal überarbeiteten Versionen von Wynonie Harris’ „Good Rockin’ Tonight“ und Junior Parkers „Mystery Train“ Ω, bevor Phillips den Vertrag für 35.000 Dollar an RCA verkaufte. Erstaunlicherweise dauerte es mehr als 20 Jahre, bis Presleys Sun-Aufnahmen 1976 auf einem Album zusammengestellt wurden – das 1999 dann von einer Doppel-CD abgelöst wurde, die Presleys Anfänge bei Sun komplett dokumentiert.
Copyright: RCA, 1999
Platz 10: The Beatles – „The White Album“
Sie schrieben die Songs für dieses Doppelalbum, als sie im indischen Ashram des Maharishi Mahesh Yogi weilten und ihr hektisches Leben für eine Weile vergaßen – oder, wie Lennon es später formulierte: „Wir saßen irgendwo in den Bergen, aßen einen lausigen Fraß und schrieben all diese Lieder.“ Als sie nach England zurückkehrten, brachten sie so viele Songs mit, dass eine Einzel-LP nicht ausgereicht hätte – und so kämpften sie verbissen für die Veröffentlichung des kompletten Materials. „Wir arbeiteten zeitweise in drei verschiedenen Studios“, erinnerte sich George Harrison. „In einem nahm Paul Overdubs auf, John war in einem anderen – und ich nahm in einem dritten gerade die Bläser auf.“ Die Spannungen waren so extrem, dass Ringo frustriert für zwei Wochen aus der Band austrat. Und doch resultierte die Spannung in einem der risikofreudigsten Alben, die je gemacht wurden. Lennon ließ seinen scharfzüngigen Witz in „Sexy Sadie“ und „Happiness Is A Warm Gun“ aufblitzen, offenbarte aber auch seine empfind- same Seite in „Julia“ und „Dear Prudence“. McCartneys verspielte Pop-Energie schlug sich in „Back In The USSR“ nieder, der Persiflage von Chuck Berrys uramerikanischen Werten, doch er dokumentierte mit „Helter Skelter“ auch eine ungewohnt brachiale Seite. Harrisons spirituelle Suche führte ihn zu „Long, Long, Long“ und „While My Guitar Gently Weeps“, auf dem Eric Clapton mit einem Solo glänzen durfte.
Copyright: EMI, 1968
Platz 9: Bob Dylan – „Blonde On Blonde“
Am 16. Mai 1966 veröffentlicht, war „Blonde On Blonde“ das erste Doppelalbum eines bereits etablierten Künstlers. „Es kam dem Sound, den ich in meinem Kopf hörte, diesem fließenden, quecksilbrigen Sound, so nah wie nichts zuvor“, sagte Dylan 1978. Die manische Brillanz von „Blonde On Blonde“ lässt sich kaum besser beschreiben. Den größten Teil der 14 Songs nahm Dylan im Schnelldurchgang auf – bei einer vier- und einer dreitägigen Session in Columbias Nashville-Studios im Februar und März 1966. Das Tempo der Aufnahmen reflektierte die Amphetamin-Quirligkeit, mit der Dylan selbst zwischen ständigen Tourneen neue Songs ausspuckte. Zusammen mit vertrauten Weggefährten wie Organist Al Kooper und Hawks-Gitarrist Robbie Robertson sowie örtlichen Session-Cracks gelang ihm der große Wurf, indem er eigentlich Gegensätzliches zu einer neuen Einheit verschmolz: Das eng gewobene, straffe Korsett der Backing-Band erwies sich als perfektes Gegengewicht zu Dylans assoziativer Sprache und dem rasiermesserscharfen Gesang – etwa in der surrealistischen Barrel-house-Atmosphäre von „Rainy Day Women # 12 & 35“ und „Stuck Inside Of Mobile With The Memphis Blues Again“, im wahn- witzigen Chicago-Blues „Leopard-Skin Pill-Box Hat“ oder dem abschätzigen „Lust Like A Woman“. Inmitten des Wahnsinns lieferte Dylan aber auch einige seiner beseeltesten, unverfälschtesten Lieder über Glück und Verlangen: die pure Schönheit von „Sad Eyed Lady Of The Lowlands“, morgens um Vier nach einer achtstündigen Session in einem Take aufgenommen, oder auch „I Want You“, das beinahe dem Album den Namen gegeben hätte.
Copyright: Columbia, 1966
Platz 8: The Clash – „London Calling“
In London standen Arbeitslosigkeit und eine explodierende Drogenszene auf der Tagesordnung, als 1979 das Album entstand. Die 19 Songs von „London Calling“ sind Ausdruck dieser apokalyptischen Stimmung – und doch geprägt von dem unerschütterlichen Glauben, dass Rock’n’Roll die dunklen Mächte schon in ihre Schranken weisen wird. Vom legendären 70s-Studio-Madman Guy Stevens produziert, schlingert und schleudert das dritte Clash-Album durch desillusionierten Punk („London Calling“), randalierenden Ska („Wrong ’em Boyo“) und resignierten Konsumüberdruss („Lost In The Supermarket“). Die ökonomische Ausnahmesituation prägte auch die Produktion des Albums selbst: Die Band war hoch verschuldet und lieferte sich mit ihrer Plattenfirma einen öffentlichen Schlagabtausch. Joe Strummer und Mick Jones schrieben die Songs in der Wohnung von Jones’ Großmutter. „Nachdem er erst einmal gelernt hatte, auf der Schreibmaschine zu tippen, flossen die Texte aus Joe nur so heraus“, so Jones. „Auf dieser Basis konnte ich dann ein paar Takte Musik raushauen.“ Anschließend verbrachten Strummer, Jones, Bassist Paul Simonon und Drummer Topper Headon fast drei Monate damit, das Material in einer Garage im Londoner Stadtteil Pimlico einzustudieren und erste Demos aufzunehmen – „mit einer einzigen Lampe und einem versifften Teppich an der Wand als Schalldämmung“, wie Strummer sich 1989 erinnerte. „Wir fühlten, dass wir einen Ab- hang hinunterglitten und krallten uns mit den Fingern fest.“ Wenn sich die Inspiration nicht einstellen wollte, war Guy Stevens zur Stelle und warf mit Stühlen um sich, weil er das Gefühl hatte, dass der Track noch besser sein konnte.
Copyright: Epic, 1980
Platz 7: The Rolling Stones – „Exile On Main Street „
Das Doppelalbum aus dem Jahre 1972, ein räudiger Bastard aus Blues und Boogie, war de facto „die erste Grunge-Platte“ – wie Keith Richards einmal in einem Interview stolz verkündete. Doch hinter den rohen Riffs von Richards und Mick Taylor, dem lustvollen Schub der Wyman-Watts-Rhythmusmaschine und Jaggers gequältem Bellen und verzehren- dem Schmeicheln verbirgt sich nicht nur das größte Stones-Album, sondern auch das definitive Statement der Songwriter Jagger und Richards, die sich stolz zur Rolle des sozialen Außenseiters bekennen. Im rudimentären Shuffle „Tumbling Dice“, dem resignierenden Country-Lamento „Torn And Frayed“ und dem whiskeygetränkten Hoffnungsschimmer von „Shine A Light“ glaubt man die Stones tatsächlich bei der Arbeit im Exil belauschen zu können. Vor der medialen Hatz, vor den britischen Drogenschnüff- lern, nicht zuletzt auch vor dem Spitzensteuersatz in England war man kurzerhand nach Südfrankreich geflüchtet, wo Richards’ Villa als Aufnahmestudio diente. Auf dem Cover von „Exile On Main Street“ sieht man eine Freakshow amerikanischer Underdogs, und „Sweet Black Angel“ widmete man der inhaftierten Polit-Aktivistin Angela Davis – Außenseiter unter sich. Die Musik klappert und rumpelt, kommt aber – in Songs wie „Rocks Off“ und „All Down The Line“ – zielstrebig auf den Punkt. „Die Stones mögen kein Zuhause mehr haben“, sagte Richards, „aber wir kriegen unser Ding trotzdem geregelt. Was immer man uns an den Kopf schmeißt – wir ducken uns, wir improvisieren und machen das Beste daraus.“ „Exile On Main Street“ zeigt die Stones angriffslustig, mit einem Panzer aus Blues und dem eisernen Willen, am Ende als Sieger den Ring zu verlassen.
Copyright: Rolling Stones Records, 1972
Platz 6: Marvin Gaye – „What’s Going On“
Irgendwann um 1969 oder 1970 herum begann ich damit, mein musikalisches Selbstverständnis zu hinterfragen“, sagte Marvin Gaye später. „Ich war beeindruckt von den Briefen, die mir mein Bruder aus Vietnam schickte, aber auch von der sozialen Situation hier in den USA. Mir wurde klar, dass ich meine kleinen privaten Fantasien abhaken musste, wenn ich die Seele der Leute erreichen wollte.“ Das Meisterwerk, das aus diesem Weckruf resultierte, sollte die gesamte schwarze Musik revolutionieren. Mit seinen eleganten, streicherdurchfluteten Grooves und dem Gefühl unbegrenzter Möglichkeiten war „What’s Going On?“ das „Sgt. Pepper“ der Soulmusik. Gaye war wild entschlossen, Motowns eherne Pop-Fesseln abzuschütteln und künftig auch soziale Probleme zu thematisieren. Motown-Gründer Berry Gordy war natürlich wenig begeistert. Er ließ Gaye wissen, dass „What’s Going On?“ der übelste Song sei, den er jemals in seinem Leben gehört habe. Gaye wiederum beschied Gordy, dass er nicht mehr für Motown arbeiten würde, sollte „What’s Going On?“ nicht als Single veröffentlicht werden. Nachdem ein Motown-Kontrollgremium die Veröffentlichung zunächst abgelehnt hatte, arrangierte man sich schließlich doch. Als die Single prompt in die amerikanischen Top fünf schoss, wurde das Album eilends nachgeschoben. Stets umhüllt von dichten Marihuana- Schwaden, schien Gaye im Studio einfach nichts falsch machen zu können: Er ließ das Band einfach laufen, als sich einige Freunde zu einer spontanen Party einfanden, und benutzte die Aufnahme von Saxofonist Eli Fontaine, der sich gerade für die eigentliche Aufnahme hatte warm blasen wollen.
Copyright: Motown, 1971
Platz 5: The Beatles – „Rubber Soul“
In der Tat: Die einstigen Moptops entwickelten sich in einem außergewöhnlichen Tempo. „Drive My Car“ ist eine überzeichnete Charakterstudie, wie man sie im bisherigen Repertoire nicht finden konnte. Wichtiger aber ist der Dylan-Ein- fluss, der sich durch das ganze Album zieht und für den sarkastischen Tonfall von Songs wie „Norwegian Wood“, „I’m Looking Through You“, „You Won’t See Me“ und „If I Needed Someone“ verantwortlich war. Dylan bedankte sich im folgen- den Jahr für das Kompliment, als er seine Version von „Norwegian Wood“ – „4th Time Around“ betitelt – auf „Blonde On Blonde“ veröffentlichte und damit offen- sichtlich paranoide Zustände bei Lennon auslöste. Lennons „Nowhere Man“, das er später selbst als depressives Selbstporträt bezeichnete, und das wunderbar nos- talgische „In My Life“ spiegeln beide das ernsthaftere, erwachsenere Songwriting wider, das Dylan plötzlich möglich gemacht hatte. George Harrisons Sitar auf „Norwegian Wood“ – das erste Mal, das eine Sitar in einem Popsong eingesetzt wurde – und McCartneys Fuzz-Bass auf „Think For Yourself“ dokumentieren die neu gewonnene Erkenntnis, dass ein Studio mehr sein kann als nur der Zwischenstopp auf endlosen Tourneen. Harrison nannte „Rubber Soul“ später „das beste Album, das wir bis dahin gemacht hatten, weil wir plötzlich Klänge hörten, die wir früher nicht hören konnten“. Warum die Band plötzlich in der Lage war, diese neuen Klänge wahrzunehmen – nun, auch das war ein Zeichen der Zeit. „Auf ,Rubber Soul“ wurde viel experimentiert“, sagte Ringo Starr, „nicht zuletzt unter dem Einfluss gewisser Substanzen.“
Copyright: EMI, 1965
Platz 4: Bob Dylan – „Highway 61 Revisited“
Bruce Springsteen beschrieb einmal den einstieg zu „Like A Rolling Stone“, dem Eröffnungsstück des Albums, wie einen „harten Schlag auf die Snare-Drum. Es klang, als habe jemand die Tür zu deinem Hirn eingetreten.“ Folksänger Phil Ochs fand gar noch überschwänglichere Worte für das Album: „Es ist unfassbar gut. Wie kann ein Normalsterblicher dazu nur fähig sein?“ „Highway 61 Revisited“ – benannt nach dem Highway, der von Dylans Heimat Minnesota südwärts zum Mississippi-Delta führt – wurde in gerade einmal sechs Tagen eingespielt und ist eines der Alben, die die Welt veränderten. Allein schon „Like A Rolling Stone“, angeblich der Warhol-Muse Edie Sedgwick gewidmet, verschob die Parameter der populären Musik: Sein „sich erbrechender“ Duktus (Dylan), der literarische Anspruch und seine schiere Länge (6:13) pulverisierten alle herkömmlichen Konventionen. „Ballad Of A Thin Man“ lieferte den zeitgenössischen Kommentar zu der Gretchenfrage „Hippie oder Spießer?“: „Something is happening here, but you don’t know what ist is/ Do you, Mister Jones?“ Und falls noch irgendje- mand bezweifelte, ob der einstige Folkie nun wirklich „elektrifiziert“ sei, so belehrte ihn Dylan mit dem röhrenden Rock’n’Roll von „From A Buick 6“ und „Tombstone Blues“ (mit Mike Bloomfield an der Gitarre) eines Besseren.
Das Album schließt mit „Desolation Row“ ab, einem surrealistischen Trip, der in elf Minuten mit seinen Hieronymus-Bosch-Bildern die anstehenden Umwälzungen der Sixties vorwegzunehmen scheint. „The Titanic sails at dawn“, singt Dylan resigniert. „Everybody is shouting: ,Which side are you on?‘“ Dass er sich in letzter Minute entschied, „Desolation Row“ rein akustisch einzuspielen, erwies sich als geni- aler Schachzug: Die Vision einer neuen Folkmusik stand so am Ende eines Albums, das – für absehbare Zeit zumindest – die Folkmusik zur Bedeutungslosigkeit verdammt hatte.
Copyright: Columbia, 1965
Platz 3: The Beatles – „Revolver“
Ich sehe keine allzu großen Unterschiede zwischen ,Revolver‘ und ,Rubber Soul‘“, sagte George Harrison einmal. „Für mich könnten sie Vol. 1 und 2 der gleichen Platte sein.“ Dennoch: „Revolver“ forcierte die experimentelleren Ansätze des Vorgänger-Albums – die ersten Psychedelia-Ansätze, die Faszination für die Studio-Technologie – und formte daraus ein dramatisches Versprechen: Das Album, im August 1966 veröffentlicht, machte unmissverständlich klar, dass das, was wir heute „die Sixties“ nennen, nicht mehr aufzuhalten war. Der innovativste Song ist mit Sicherheit Lennons „Tomorrow Never Knows“: Bei seinem Versuch, einen LSD-Trip zu einem dreiminütigen Song zu komprimie- ren, griff Lennon auf Lyrics aus Timothy Learys Version des „Tibetanischen Totenbuches“ zurück und ließ seinen Gesang so verfremden, dass er wie der Dalai Lama klang, der „singend auf dem höchsten Berggipfel sitzt“. Tonband-Loops, eine rückwärts eingespielte Gitarre, McCartneys explosives Solo in „Taxman“ und der Klang einer brummelnden Tambura vervollständigten das Experiment, das eine wahre Flut von Nachahmern auslösen sollte. McCartney betrat ebenfalls Neuland, indem er mit „Eleanor Rigby“ und „For No One“ zwei wundervoll ausgereifte Kunstlieder kreierte. Und Harrison – mit „Taxman“, „I Want To Tell You“ und „Love You To“ gleich dreimal vertreten – stellte erstmals die Dominanz des Songschreiber-Teams Lennon-McCartney in Frage.
Copyright: EMI, 1966
Platz 2: The Beach Boys – „Pet Sounds“
Wer will sich diesen Scheiß denn anhören?“, fragte Sänger Mike Love, als ihm Brian Wilson, das Wunderkind der Band, seine neuen Kreationen vorspielte. „Hundeohren vielleicht?“ Loves Invektive erwies sich indes als durchaus hilfreich: „Wie der Zufall es wollte“, erinnerte sich Wilson später, „lieferte uns Mikes Wutanfall den Titel des Albums.“ Bellende Hunde – unter anderem Wilsons Hund Banana – sind denn auch auf dem Album prominent vertreten. Und die Beatles ließen es sich nicht nehmen, die Hunde auch auf „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band“ bellen zu lassen – ein kleiner Hin- weis darauf, wie wichtig „Pet Sounds“ für die Entstehung des Beatles-Albums war. Mit der Verneigung schloss sich der Kreis: Brian Wilson hatte sich das Ziel gesetzt, mit „Pet Sounds“ das Beatles-Album „Rubber Soul“ zu übertreffen. Mit seiner opulenten Orchestrierung, den ambitionierten Texten, dem harmonischen Ablauf und der inhaltlichen Verzahnung initiierte „Pet Sounds“ die epochale Idee, dass ein Album mehr sein könnte als nur die Summe seiner Teile. Wenn Wil- son gleich zu Anfang singt: „Wouldn’t it be nice if we were older?“, dann thematisiert er nicht nur eine Beziehung, die über eine Highschool-Romanze hinausgeht, sondern spricht auch von einer neuen, erwachsenen Identität des Rock’n’Roll.
Wilson nahm „Pet Sounds“ praktisch ohne Unterstützung der Band auf und setzte diese nur für die Gesangsarrangements ein. Er überlegte kurzzeitig sogar, das Album unter seinem Namen zu veröffentlichen. „Caroline, No“, die erste Single, erschien tatsächlich als sein Solo-Projekt. Dessen luxuriöse Klangkulisse vermittelt elegische Wehmut – und Wilson verabschiedete sich mit den sehr persönlichen Stücken, die er überwiegend mit dem Songtexter Tony Asher schrieb, von den unschuldigen „Fun-in-the-sun“-Hits, für die die Beach Boys bislang gestanden hatten. Unglücklicherweise war das Label Capitol Records von dem Resultat ebenso wenig angetan wie zuvor Mike Love; man trug sich sogar mit dem Gedanken, das Album gar nicht zu veröffentlichen. Mit dem Resultat, dass sich Wilson immer weiter in seine Traumwelt zurückzog. „Bei dem letzten ,Pet Sounds‘-Meeting, an dem ich teil- nahm“, schrieb Wilson, „brachte ich ein Tonbandgerät mit, auf dem ich acht präparierte Antworten als Loop aufgenommen hatte. Darunter waren ,Kein Kommentar‘, ,Könnten Sie das wiederholen?‘, ,Nein‘ und ,Ja‘. Ich lehnte es ab, selbst noch ein Wort zu sprechen, sondern spielte nur die Antworten vom Band ab.“
Copyright: Capitol, 1966
Das beste Album aller Zeiten: The Beatles – „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band“
Es ist das wichtigste Rock’n’Roll-Album, das je eingespielt wurde, ein einmaliges Experiment in puncto Konzept, Sound, Songwriting, Cover-Art und Studio-Technologie – aufgenommen von der größten Rock’n’Roll-Band aller Zeiten. Vom Titelsong mit seinen majestätischen Bläsern und Fuzz-Gitarren bis zum orchestralen Inferno und dem endlos verklingenden Klavier-Akkord auf „A Day In The Life“: Die 13 Tracks sind der Höhepunkt der acht- jährigen Studiotätigkeit der Beatles. John Lennon, Paul McCartney, George Harrison und Ringo Starr waren nie couragierter, nie kohärenter in ihrem Versuch, musikalische Magie und Transzendenz zu kreieren. Am 1. Juni 1967 veröffentlicht, war „Sgt. Pepper“ auch das Signal zu tief greifenden Veränderungen. Die Beatles nahmen endgültig Abschied von ihren schnieken Anzügen, den Welttourneen und der Fließbandarbeit im Studio. „Wir hatten die Nase voll von den Beatles“, sagte McCartney Jahrzehnte später in „Many Years From Now“, der McCartney-Biografie von Barry Miles. „Wir waren keine Jungs mehr, sondern Männer, wir wollten Künstler sein und nicht mehr nur Performer.“
Copyright: EMI, 1967
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