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Die 500 besten Songs aller Zeiten: Platz 100 bis 1
Die 500 besten Songs aller Zeiten, mit Bob Dylan, The Temptations, Michael Jackson und Bruce Springsteen.
100. Gnarls Barkley – Crazy
„Crazy“ war eine Besonderheit in den 200ern: ein universeller Popsong, der auf jedem – wirklich jedem – Radiosender gespielt wurde. Er erreichte die Top10 sowohl in den Pop-, als auch in den modernen Rock-Charts und wurde von diversen Künstlern (Von Nelly Furtado bis Billy Idol) gecovert. Die Lyrics, die das Risiko preisen, entstanden durch eine Konversation zwischen Cee-Lo und Danger Mouse in einem Studio: Das Team stellte nämlich fest, dass ihre Genre-übergreifenden Ideen tatsächlich „crazy“ sind. Mit einer unheimlichen Melodie, die vom Film-Komponisten Ennio Morricone inspiriert wurde, fühlte sich „Crazy“ allerdings gar nicht wie ein Hit an. „Es war zu weit weg vom Urban Radio und zu Urban für das Rock Radio“, verriet Danger Mouse dem Rolling Stone.
Erschienen auf: St. Elsewhere (Downtown)
100. Gnarls Barkley – Crazy
„Crazy“ war eine Besonderheit in den 200ern: ein universeller Popsong, der auf jedem – wirklich jedem – Radiosender gespielt wurde. Er erreichte die Top10 sowohl in den Pop-, als auch in den modernen Rock-Charts und wurde von diversen Künstlern (Von Nelly Furtado bis Billy Idol) gecovert. Die Lyrics, die das Risiko preisen, entstanden durch eine Konversation zwischen Cee-Lo und Danger Mouse in einem Studio: Das Team stellte nämlich fest, dass ihre Genre-übergreifenden Ideen tatsächlich „crazy“ sind. Mit einer unheimlichen Melodie, die vom Film-Komponisten Ennio Morricone inspiriert wurde, fühlte sich „Crazy“ allerdings gar nicht wie ein Hit an. „Es war zu weit weg vom Urban Radio und zu Urban für das Rock Radio“, verriet Danger Mouse dem Rolling Stone.
Erschienen auf: St. Elsewhere (Downtown)
99. Creedence Clearwater Revival – Fortunate Son
„Fortunate Son“ ist John Fogertys Song für den Mann auf der Straße — eine Attacke auf die Reichen, die Kriege anzetteln und dann die Armen an die
Waffen schicken. Damals war es Vietnam.
Erschienen auf: Willy & The Poor Boys 1969
98. Al Green – Love And Happiness
Der Gitarrist Mabon Hodges schrieb das intensive und schwer romantische Stück früh am Tag — davor hatte er Sex mit seiner Freundin, danach schaute er Wrestling im Fernsehen, was die elegante Zweiteilung erklärt. Al Green betrachtete „Love And Happiness“ — neben dem Titeltrack — als Schlüsselsong auf „I’m Still In Love With You“, seinem bereits vierten Album für Hi Records.
Erschienen auf: The Belle Album 1977
97. Chuck Berry – Roll Over Beethoven
Berry schrieb diese Gitarrenhymne als liebevolle Spitze gegen seine Schwester Lucy, die so oft am heimischen Klavier gesessen und klassische
Musik gespielt hatte, dass der junge Chuck nie an das Instrument kam. Aber
dann wurde „Roll Over Beethoven“ der ultimative Rock’n’Roll-Ruf zu den Waffen.
Erschienen auf: Single 1956
96. Jerry Lee Lewis – Great Balls Of Fire
Wie Lewis hier in die Tasten donnert, wie er lüstern und überdreht singt — das ist voll baptistischem Höllenfeuer, gesteigert zu einer Ode an die schiere Lust. Blasphemie — erst recht in den Südstaaten. Jerry Lee Lewis
wollte den Song zunächst nicht singen. Er geriet in eine theologische Diskussion mit Producer Sam Phillips.
Erschienen auf: Single 1957
95. Carl Perkins – Blue Suede Shoes
Ein cooler Tänzer in Tennessee, nach Kräften bemüht zu vermeiden, dass seine Tanzpartnerin ihm die schönen Schuhe ruinierte, brachte Perkins auf die Idee. Als er nach New York unterwegs war, um dort in der „Perry Como Show“ aufzutreten, rauschte er mit seinem Wagen in einen Geflügeltransporter. Er musste zu Hause bleiben und zusehen, wie „Blue Suede Shoes“ in der „Milton Berle Show“ gesungen wurde — von Elvis Presley.
Erschienen auf: Single 1956
94. Little Richard – Good Golly, Miss Molly
Little Richard hörte die Wendung „Good Golly, Miss Molly“ das erste Mal von einem Südstaaten-DJ namens Jimmy Pennick. Er verwandelte die Worte in seine vielleicht wütendste Attacke gegen das, was im Amerika der 50er schicklich war: „Good Golly, Miss Molly/ You sure like to ball.“ Er klaute die Musik von Ike Turners Klavier-Intro zu „Rocket 88“. „Als wir ein Intro suchten, spielte ich das — und es passte.“
Erschienen auf: Single 1958
93. U2 – I Still Haven’t Found What I’m Looking For
„Eher eine Hymne des Zweifels als des Glaubens“, sagte Bono. Der Song war typisch für die anstrengenden Sessions zu „The Joshua Tree“: Er hieß zunächst „Under The Weather“ — „und hatte diesen unglaublichen Beat“, erzählte Produzent Daniel Lanois. „Ich summte Bono eine traditionelle Melodie ins Ohr. Er rief: ,Das ist es!‘ Dann ging er und schrieb die Melodie, wie wir sie heute kennen.“
Erschienen auf: The Joshua Tree 1987
92. Ramones – Blitzkrieg Pop
Keine drei Minuten lang — die Blaupause des Punkrock. Der erste Track vom Debüt hat schon alles: die sägenden Akkorde, die Johnny auf seiner billigen Mosrite-Gitarre spielte; die rotzigen Lyrics von Drummer Tommy; Joeys Gesang wie mit einem Haarknäuel im Hals und in pseudobritischem Akzent. Das alles natürlich für lachhaft wenig Geld aufgenommen. „Blitzkrieg Bop“ schaffte es nie in die Charts.
Erschienen auf: Ramones 1976
91. Elvis Presley – Suspicious Minds
Als Chips Moman diesen Song 1969 Presley vorspielte, war der King tatsächlich „caught in a trap“. Er war die Hitparadenkuh, die sein Label und seine „Freunde“ nach Kräften molken. Vielleicht glaubte Presley deshalb, dass er einen abgründigen, seelenvollen Hit aus „Suspicious Minds“ machen konnte. Aufgenommen wurde von vier bis sieben Uhr morgens bei der legendären Memphis-Session.
Erschienen auf: Single 1969
90. The Five Satins – In The Still Of The Nite
Fred Parris, der Frontmann der Five Satins, schrieb „In The Still Of The Nite“, während er bei der Army Wache schob – und die Gruppe nahm ihn dann im Keller einer Kirche auf. Man hört diesem Song die primitiven Umstände seiner Entstehung durchaus an: Schlagzeug und Klavier klingen oft dumpf, die Backing Vocals liegen stellenweise daneben, doch der Zauber geht nie verloren.
Erschienen auf: Single 1956
89. The Mamas and the Papas – California Dreamin’
John Phillips schrieb „California Dreamin’“ an einem frostigen Winterabend in Manhattan, als seine junge Frau Michelle Heimweh nach Südkalifornien hatte. Es wurde einer der sonnigsten Sehnsuchtssongs aller Zeiten. Zuerst nahm ihn Phillips‘ Folkband The New Journeymen auf, später bekam ihn Barry McGuire als Dankeschön: Der stand gerade mit „Eve Of Destruction“ hoch im Kurs und brachte die Mamas & Papas mit dem Produzenten Lou Adler zusammen. Und der wiederum überzeugte sie davon, den Song doch am besten selbst aufzunehmen. Eine weise Entscheidung, wie sich herausstellen sollte.
Erschienen auf: If You Can Believe Your Eyes And Ears 1965
88. The Temptations – My Girl
Die Temptations hatten ein längeres Engagement mit Smokey Robinson und den Miracles im Apollo Theater in Harlem. Robinson nahm sich frei, um den Rhythmustrack für einen Song aufzunehmen. Als die Temptations das Ergebnis hörten, bedrängten sie Robinson, er möge ihnen den Song überlassen.
Erschienen auf: Single 1965
87. Johnny Cash – Ring Of Fire
June Carter dachte sich diesen Song aus, als sie eines Nachts ziellos mit dem Auto durch die Gegend fuhr und sich Sorgen machte – weil Johnny Cash ein so wilder Kerl war und sie ihm trotzdem nicht widerstehen konnte. „There is no way to be in that hell, no way to extinguish a flame that burns, burns, burns“, schrieb sie.
Erschienen auf: Single 1963
86. Bruce Springsteen – Thunder Road
Ein Gespräch auf der Veranda, in dem die Worte zu Feuer werden. Das rollende Piano gibt der Szene etwas Feierliches, denn es geht um die Flucht aus der traumlosen, erstickenden Kleinstadt-Routine, um das bessere Leben am anderen Ende der großen Straße – vor allem darum, sich überhaupt in Bewegung zu setzen. Als Bruce Springsteen „Thunder Road“ für „Born To Run“ komponierte, sollte die Platte eigentlich ein Konzeptalbum werden und von zwei verschiedenen Versionen des Songs eingerahmt werden – am Ende wurde er immerhin die große Exposition. Den Titel hatte Springsteen sich von einem düsteren Hillbilly-Film mit Robert Mitchum geliehen, den er bekanntlich nie gesehen hatte. Für viele ist das sein größter Song – gerade wegen einer so charmanten Zeile wie „You ain’t a beauty, but, hey, you’re alright“.
Erschienen auf: Born To Run 1975
85. Patsy Cline – Crazy
Patsy Cline war nicht sonderlich beeindruckt vom Demo eines 28-jährigen Songwriter-Neulings in Nashville. Als sie hörte, das Stück heiße „Crazy“, meinte sie nur: „Das trifft’s.“ Aber Produzent Owen Bradley schneiderte den Song mit einem üppigen Arrangement und den sanften Gospel-Backingvocals der Jordanaires auf Cline zu. Sie sang ihn mit verhaltener erotischer Glut, und so läutete „Crazy“ eine anspruchsvolle neue Country-Phase ein.
Erschienen auf: Single 1961
84. The Police – Every Breath You Take
Für ihren größten Hit beschränkten sich The Police auf das Nötigste — auch ein ausgefeilter Synthesizer-Part flog wieder heraus, weil er von der hypnotischen Bassline ablenkte. Sting räumte später ein, dass der Text – der zärtlich klingt, aber in Wahrheit sehr bitter ist – aus dem Handbuch der Rock-Klischees stammt. „,Every Breath You Take‘ ist ein archetypischer Song.“ Und allemal Stings feinste Stunde als Songschreiber.
Erschienen auf: Synchronicity 1983
83. The Beatles – Norwegian Wood (This Bird Has Flown)
Nachdem die Beatles aufgehört hatten, in Stadien aufzutreten, war genug Zeit, um im Studio neue Sounds zu erkunden. Zu den ersten Experimenten gehörte diese wehmütig-ironische Ballade — dank der Sitar eine Pioniertat. Es ist die Geschichte eines nächtlichen Stelldicheins, aufgeladen mit sexuellen Versprechungen — allerdings muss der irritierte Held am Ende in der Badewanne schlafen. Lennon sagte später, der Text verhülle eine reale Affäre.
Erschienen auf: Rubber Soul 1965
82. Fats Domino – Blueberry Hill
Gene Autry sang „Blueberry Hill“ 1940 als erster. Fats Domino orientierte sich allerdings dann eher an Louis Armstrongs Version von anno ’49, als er den Song bei einer Session aufnahm, bei der ihm das Material ausgegangen war. Produzent Dave Bartholomew hielt überhaupt nichts davon, aber er konnte sich nicht durchsetzen. Zum Glück. „Blueberry Hill“ wurde dann Dominos größter Hit und eroberte ihm endgültig ein breites Publikum. Wie sich Carl Perkins später einmal erinnerte: „In den weißen Honky-Tonks, in denen ich auftrat, schrien die Leute ständig nach ,Blueberry Hill‘. Und weiße Kids tanzten zu Fats Domino.“
Erschienen auf: Single 1956
81. Marvin Gaye – I Heard It Through The Grapevine
Motown-Producer Norman Whitfield war bekannt dafür, dass er ein und denselben Song oft mehrmals mit verschiedenen Interpreten aufnahm, mit immer neuen Arrangements. Was einige der Sänger nervte, aber bisweilen kamen Whitfield dabei große Ideen, so wie bei Marvin Gayes Version von
„Grapevine“ (mit dem Gladys Knight im Jahr zuvor einen Hit gelandet hatte). Whitfield und Co-Autor Barrett Strong wählten ein langsameres, mysteriöseres Tempo, und so ging der Song – den Gaye zuerst gar nicht aufnehmen wollte – für sieben Wochen auf Platz eins der US-Charts. Die bestverkaufte Motown-Single der 60er Jahre.
Erschienen auf: In The Groove 1968
80. The Kinks – You Really Got Me
Überzeugt, dass ihre ersten beiden Singles wegen des allzu cleanen Sounds gefloppt waren, gingen die Kinks im Sommer ’64 ins Studio, um diesen bewußt ungeschliffenen Kracher einzuspielen. Ray Davies hatte ihn am Klavier sei- ner Eltern geschrieben. Die ursprüngliche Ver-sion war der Band immer noch zu gelackt, al-so borgten sie sich 200 Pfund für einen weiteren Anlauf. Gitarrist Dave Davies schlitzte den Lautsprecher seines Amps mit einer Rasier-klinge auf. Einen Monat später war die Single auf Platz eins der UK-Charts.
Erschienen auf: Kinks 1964
79. The Byrds – Mr. Tambourine Man
Der einzige Byrd, der beim ersten Erfolg der Band bereits mitspielte, war der ohnehin ego-manische Roger McGuinn, dessen klingelnde 12-saitige Rickenbacker-Gitarre zum klassischen Folk-Sound wurde. Alles andere übernahmen L.A.-Studioprofis, darunter Schlagzeuger Hal Blaine und Bassist Larry Knechtel aus Phils Spectors sogenannter „Wrecking Crew“. Aber der Rest der Byrds holte schnell auf. Und als ein neugierig gewordener Bob Dylan die Band im „Ciros“, einem Club in L.A., spielen sah, hörte er einige seiner eigenen Songs in den üppigen, twangenden Elektro-Versionen der Byrds-Mannschaft — und, so heißt es wenigstens der Legende nach: Er erkannte sie nicht. Aber sie gefielen ihm.
Erschienen auf: Mr. Tambourine Man 1965
78. James Brown – I Got You (I Feel Good)
Im selben Jahr, in dem er bereits mit „Papa’s Got A Brand New Bag“ abräumte, gelang James Brown auch sein größter Pop-Hit. Es war die beschleunigte, hochgekochte neue Version von „I Found You“, einem Song, den Brown ein paar Jahre zuvor für Yvonne Fair geschrieben hatte, Sängerin in der James Brown Re-vue. Es half, dass er in dem Jahr auch in dem Teenie-Film „Ski Party“ (mit Frankie Ava-lon) auftrat. Leider wird der Song mit dem Urschrei „Uh, I feel good!“ unvermeidlich bei Partys, Mode- und Auto-Präsentationen sowie bei Fernsehshows und allem, was irgendwie mit Sport und Sex zu tun hat, eingespielt — dann aber umgehend wieder ausgeblendet. Bei James Brown müsste dann aber jedesmal aufs Neue die Kasse klingeln.
Erschienen auf: Single 1966
77. Elvis Presley – Mystery Train
„Mystery Train“ gehört zu Presleys packendsten Nummern, ein skelettierter Blues, der uralt klingt, tatsächlich aber erst zwei Jahre zuvor von Memphis-Bluesmann Junior Parker veröffentlicht worden war. Elvis kombinierte den Song mit dem Groove von Parkers Single-B-Seite „Love My Baby“, und Sun-Produzent Sam Phillips ließ ein kurzes Echo jeden Gitarrenton von Scotty Moore doppeln. Presley fügte auch eine letzte Strophe hinzu: „Train… took my baby/ But it never will again.“ Diese Worte und sein jubilierender Falsettkiekser am Ende verwandeln ein dunkles Gedicht über den Tod in einen Song über die Macht, ihn zu überwinden. Es wurde Elvis’ erste Country-Nummer-eins, sein Sun-Vertrag daraufhin für eine Rekordsumme an RCA verkauft.
Erschienen auf: Single 1955
76. The Beatles – Strawberry Fields Forever
Wandergitarren-Klampfer konnten diesen Beatles-Song nie zerstören, denn die Akkordfolge ist viel zu kompliziert. John Lennon selbst bezeichnete „Strawberry Fields Forever“ als seine größte kompositorische Leistung der 60er, und Bootlegger haben die lange Entstehungsgeschichte dokumentiert, vom müde flötenden Mellotron-Intro bis zur angehängten Instrumental-Coda mit dem berühmten „Cranberrysauce“-Murmeln, das als „I buried Paul“ missgehört wurde. Obwohl der Song ein so komplexes Gebilde ist, läßt er einen sofort in sein kleines Universum herein, in den Garten der vergangenen Jugendzeit, die Lennon oft im Heilsarmee-Heim „Strawberry Fields“ vertrödelte, in die Lethargie der Gegenwart, die mit Tee und Marihuana am offenen Fenster dahintröpfelt. Der erste Track, den die Beatles fürs „Sgt. Pepper“-Album aufnahmen, wo er nie ankam. Für die andere Single-Seite schrieb McCartney sein eigenes Kindheits-Lied „Penny Lane“.
Erschienen auf: Single 1967
75. Led Zeppelin – Whola Lotta Love
Nachdem Jimmy Page seine neue Band Led Zeppelin beisammen hatte, fanden die vier ihren Sound in langen Jam-Sessions, bei denen sie ihre Lieblings-Bluesstandards spielten und zu psychedelischen Orgien auswalzten. „Whole Lotta Love“ war Zeps Tribut an Chicago-Blues-Songwriter Willie Dixon – im Kern Dixons „You Need Love“, das Muddy Waters 1962 aufgenommen hatte. Wobei Robert Plant auch ein paar Zitate aus „Shake For Me“ und „Back Door Man“ einwarf, beide von Willie Dixon für Howlin‘ Wolf verfasst. Um die Urheberrechte kümmerten sie sich bei aller Verehrung nicht, bis Dixon sie 1985 verklagte.
Erschienen auf: Led Zeppelin II 1969
74. Eddie Cochran – Summertime Blues
Cochran war ein virtuoser Gitarrist mit kantiger Stimme. Sein Label hätte gerne einen säuselnden Teeniestar aus ihm gemacht, stattdessen setzte er mit einer Reihe von Rockabilly-Hits Maßstäbe, alle mit Jerry Capeheart geschrieben. Der sagte über die Entstehung des unsterblichen „Summertime Blues“: „Es gab natürlich schon jede Menge Sommerlieder – aber keinen darüber, was hart ist am Sommer.“ Aus dieser Idee und einem Gitarrenlick von Cochran bastelten sie den Song innerhalb von einer Dreiviertelstunde. Zwei Jahre später, im April ’60, starb Cochran mit nur 21 Jahren bei einem Autounfall auf dem Weg zum Londoner Flughafen. Seine Hitsingle zu der Zeit: „Three Steps To Heaven“. Gene Vincent wurde nur verletzt.
Erschienen auf: Something Else 1958
73. Stevie Wonder – Superstition
Wonder stellte diesen Funk-Attacke im Sommer 1972 bei seinen Auftritten im Vorprogramm der Stones vor. Er wollte sein Publikum über die Motown-Fans hinaus erweiteren. Der 22-jährige vormalige Kinderstar hatte „Superstition“ am Schlagzeug geschrieben — er summte die anderen Parts vor sich hin. Eigentlich war der Song für Jeff Beck gedacht, aber als der das Album, an dem er gerade verzweifelt arbeitete, nicht fertig bekam, wurde die erste Single aus Wonders „Talking Book“, dem ersten einer Reihe von glänzenden Alben in den Siebzigern, daraus — und zugleich Stevie Wonders erster Nummer-eins-Hit in den Vereinigten Staaten nach fast zehn Jahren.
Erschienen auf: Talking Book 1972
72. The Beach Boys – California Girls
Als Wilson das erste Mal Acid genommen hatte, setzte er sich ans Klavier und spielte die düsteren, berückenden ersten Takte von „California Girls“. Es sei ein wegweisender Augenblick gewesen, sagte er später, der ihn zu einem komplexeren, emotionaleren Songwriting gebracht habe. Den Text schrieb Mike Love, allerdings angeregt von Wilson Aussage „everybody loves girls“. Und trotz der thematischen Teenager-Fantasie ist der Gesang markiger als bei früheren Beach Boys-Hits, mit aggressiven Lead-Vocals. „Ich brachte Mike bei, mit mehr attitude zu singen“, so Wilson.
Erschienen auf: Single 1965
71. James Brown – Papa’s Got A Brand New Bag
Mitte 1965 focht James Brown einen Vertragsstreit mit King Records aus, aber als er erfuhr, dass die Firma praktisch pleite war, warf er ihr einen Knochen hin: einen Song, den er ein paar Monate zuvor aufgenommen hatte („This is a hit!“ rief er, als das Band lief). „Papa’s Got A Brand New Bag“ war vielleicht die erste Funk-Platte, angetrieben mindestens so sehr von den Lücken zwischen den Beats wie von Browns bellender Stimme und Gitarrist Jimmy Nolans kratzigen Akkorden. In einem genialen Moment kappte Brown bei der Post-produktion das Intro und ließ das Band einfach ein wenig schneller laufen.
Erschienen auf: Single 1965
70. Dionne Warwick – Walk On By
Die trübsinnige R&B-Ballade mit Bossanova-Beat war eigentlich nur die
B-Seite von „Any Old Time Of The Day“. Aber der New Yorker Radio-DJ Murray The K hielt mehr von dem typisch eleganten Burt-Bacharach-Stück und ließ seine Hörer zwischen A- und B-Seite abstimmen. Die siegreiche Ballade erklomm die Charts inmitten ausgelassenster Beatlemania — ein stark kontrastierender Hintergrund zur stillen Beharrlichkeit von „Walk On By“. „Ich habe die Männer damals selten gekriegt“, sagte Dionne Warwick zum Wahrheitsgehalt.
Erschienen auf: Single 1964
69. Roy Orbison – Cryin’
Laut Orbison entstand „Cryin’“ nach einem Treffen mit einer Verflossenen – „und ob ich nur innerlich geweint habe oder tatsächlich, ist dasselbe“. Womit er natürlich recht hat: Ins Herz trifft das Lied auf jeden Fall. Seine fast opernhafte Performance steigert sich zu einem hohen Ton, den zu treffen er bis zuletzt immer imstande war. Da blieb auch die Bewunderung von großen Kollegen nicht aus. „Er klang so, als würde er von einem olympischen Berggipfel herab singen“, schrieb Bob Dylan kürzlich in seinen „Chronicles“. „Er sang seine Kompositionen jetzt über drei oder vier Oktaven, bei denen man über eine Klippe fahren wollte. Er sang wie ein Profiverbrecher.“ Freilich wie einer mit einem großen, wunden Herzen.
Erschienen auf: Single 1961
68. Bob Dylan – Tangled Up In Blue
Als Bob Dylan „Tangled Up In Blue“ 1978 bei einem Konzert spielte, sagte er vorher, der Song hätte „ten years to live and two years to write“ gebraucht. Er gehört bis heute zu denen, die Dylan am häufigsten spielt. „Tangled“ schrieb er, als seine erste Ehe zerbrach. Dylan adaptiert Einflüsse von klassischen Countrysängern wie Hank Williams und Lefty Frizzell, erzählt die Geschichte eines schlingernden Herzens, das durch die 60er und 70er hindurchreist. Aber er hat den Song im Lauf der Jahre immer wieder radikal geändert und umgebaut: Auf dem „Real Live“-Album von 1984 spielt er mit den Akkorden und dem Text und erzählt eine völlig neue Geschichte.
Erschienen auf: Blood On The Tracks 1975
67. Elvis Presley – Jailhouse Rock
Das Songwriting-Duo Leiber und Stoller hatte schon einige Hits für Presley geliefert, ihr Song für seinen dritten Film war allerdings reichlich albern, die Art ironischer Unsinn, wie sie ihn auch für die Coasters schrieben. Und was tat der King? Sang „Jailhouse Rock“ wie einen straighten Rock-&-Roll-Song und übersah die Gags im Text (Häftling Nr. 47 zu Nr. 3: „You’re the cutest jailbird I ever did see…“). Genial.
Erschienen auf: Jailhouse Rock 1957
66. Bob Marley and the Wailers – Redemption Song
Marley hatte bereits eine Version dieser großen Freiheitshymne aufgenommen, da schlug Island-Records-Chef Chris Blackwell vor, er solle mal ausprobieren, den Song ganz einfach als akustisches Folkstück zu singen. In Marleys Text, inspiriert von den Schriften Marcus Garveys, ist Musik ein Gegengift zu mentaler und körperlicher Sklaverei. „Ich möchte unbedingt mehr in dieser Richtung machen“, sagte Bob Marley nur ein paar Monate vor seinem Tod am 11. Mai 1981. Vielleicht hätte das Lied eine ganz neue musikalische Richtung für ihn eingeleitet – stattdessen wurde es, das letzte Stück auf seinem letzten Album, zu seinem Epitaph und Vermächtnis: „Won’t you help to sing these songs of freedom?“
Erschienen auf: Uprising 1980
65. Cream – Sunshine Of Your Love
Bassist Jack Bruce und Textdichter Pete Brown heckten „Sunshine Of Your Love“ ganz am Ende einer sehr langen nächtlichen Session aus, daher die erste Zeile: „It’s getting near dawn/ When lights close their tired eyes.“ Das fantastische Riff basierte auf einem Bass-Ostinato von Bruce (der angeblich von einem Jimi-Hendrix-Konzert inspiriert worden war); Eric Clapton steuerte den Refrain-Hook bei. Bruce wusste gleich, dass der Song gut laufen würde: „Sowohl Booker T. Jones als auch Otis Redding hörten den Song bei Atlantic, und beide meinten, das würde ein Smash.“ Bei solchen Vorschusslorbeeren konnte nichts mehr schiefgehen.
Erschienen auf: Disraeli Gears 1968
64. The Beatles – She Loves You
Wie „Help!“ begannen sie auch diesen Song auf Anraten George Martins gleich mit dem Refrain. Die punktgenauen zweiten Stimmen sang George Harrison; Martin fand sie zwar kitschig, aber die Band überstimmte ihn glücklicherweise. Als McCartneys Vater „She Loves You“ zum ersten Mal hörte, musste er leider Kritik üben: „Junge, es wimmelt doch sowieso schon überall von Amerikanismen – könntest du nicht einfach mal ,Yes, yes, yes‘ singen?“ McCartney verteidigte seine Entscheidung: „Du verstehst das nicht, Dad. Das würde nicht funktionieren.“
Erschienen auf: Single 1963
63. Buffalo Springfield – For What It’s Worth
Als die Polizei brutal gegen protestierende Teenager auf L.A.s Sunset Strip vorging, läutete Neil Youngs Gitarre wie die Glocke einer Begräbniskapelle – der summer of love war vorbei, kaum dass er begonnen hatte. „Es war ein Zeichen für das, was noch kommen sollte“, sagte Stephen Stills rückblickend.
Erschienen auf: Buffalo Springfield 1967
62. Bo Diddley – Bo Diddley
Die erste Single von Bo Diddley ging auf Platz eins der R&B-Charts und machte gleichzeitig einen Rhythmus unsterblich, der immer wieder auftauchen sollte, in Buddy Hollys „Not Fade Away“ wie später in „How Soon Is Now“ von den Smiths. Diddley hatte als Kind Geige gelernt und sich seine eigenen Violinen und Gitarren gebaut. Seine Songs waren nur scheinbar schlicht – wie sich der Groove aus Bass, Drums und Tremolo-Gitarre zusammenfügt, ist meisterlich. Das Geheimnis: „I play the guitar as if I’m playing the drums. I play drum licks on the guitar.“ Aber man kann einen Rhythmus nun mal nicht patentieren. Leider: Diddley, der mit bürgerlichem Namen Ellas McDaniel hieß, verdiente nie an seiner größten Innovation. Zumindest kein Geld, nur Anerkennung.
Erschienen auf: Single 1955
61. Jerry Lee Lewis – Whole Lotta Shakin’ Goin On
Als Jerry Lee Lewis sich entschloß, diesen Song aufzunehmen, der ihm seinen großen Durchbruch bescheren würde, da war der Song schon viermal ohne jeden Erfolg veröffentlicht worden. Lewis füllte ihn mit wildgewordenem Klavier und anzüglichen Kommandos („All you got to do honey, is kinda stand in one spot/ Wiggle around just a little bit“). Aber was den Song erst richtig zünden ließ, war die Entscheidung von Produzent Cowboy Jack Clement, die Session auf die Bühne zu verlegen und einen von Lewis‘ manisch-energetischen Auftritten (bei Steve Allens TV-Show) mitzuschneiden: „Ich ließ einfach das Band laufen und mixte gleich während der Aufnahme.“ Die Single verkaufte sich mehr als sechs Millionen mal.
Erschienen auf: Great Balls Of Fire 1957
60. Al Green – Let’s Stay Together
Willie Mitchell gab Al Green den instrumentalen Roughmix eines Songs, den er zusammen mit Schlagzeuger Al Jackson geschrieben hatte. Green setzte sich hin und schrieb in fünf Minuten einen Text dazu. Bloß singen wollte er ihn nicht – Mitchell musste ihn zwei Tage lang bearbeiten, bis er sich dazu breitschlagen ließ. Die Aufnahme war an einem Freitagabend im Herbst 1971 fertig, am Montag ließ Mitchell die Single pressen. Und am Donnerstag erfuhr Green, daß er auf Platz acht in die Charts eingestiegen war. Zwei Wochen später war „Let’s Stay Together“ schon auf Platz eins der R&B-Charts, und im Februar 1972 hatte Green seine erste und einzige Pop-Nummer-eins. Das Umdenken hatte sich dann doch gelohnt.
Erschienen auf: Let’s Stay Together 1971
59. Bob Dylan – The Times They Are A-Changing
„Ich wollte einen großen Song schreiben, eine Art Themensong, mit kurzen, punktgenauen Strophen, die sich auf eine hypnotische Art aufbauen“, sagte Dylan. „Das war ein Song mit einer klaren Absicht.“ Inspiriert von schottischen und irischen Folkballaden und keine zwei Monate nach der Ermordung von John F. Kennedy veröffentlicht, wurde er sofort zur Hymne – und von allen möglichen Interpreten gecovert, von den Byrds bis Cher. Dylan: „Ich wußte genau, was ich sagen wollte, und zu wem.“
Erschienen auf: The Times They Are A-Changin‘ 1964
58. Michael Jackson – Billie Jean
Geschmeidig, paranoid, in aller Ohren: die Single, die Michael Jackson zum größten Star seit Elvis machte und sieben Wochen auf Platz eins der US-Charts blieb. Im Text wird eine Vaterschaft abgestritten. Jackson bastelte den süchtig machenden Groove zu Hause auf dem Drumcomputer und bekam den grandiosen Gesang tatsächlich in einem Take hin. „Ich wusste gleich, dass das ein großer Hit wird, schon als ich den Song schrieb“, sagte er. „Weil ich so total vertieft dabei war.“ Wie vertieft? Er dachte unterwegs in seinem Rolls Royce auf dem Ventura Boulevard in Kalifornien über „Billie Jean“ nach – und merkte gar nicht, dass sein Wagen brannte.
Erschienen auf: Thriller 1983
57. Procol Harum – Whiter Shade Of Pale
Eine dunkle Hymne, („We skipped the light fandango…“), getragen von der langgezogenen Melodie aus Johann Sebastians „Air“ aus der Orchestersuite Nr. 3 in D-Dur. Nichts im Radio klang 1967 vergleichbar. Es war auch der einzige Song, den Procol Harum in der Urbesetzung aufnahmen (die 1963 als R&B-Band The Paramounts angefangen hatte). „Whiter Shade Of Pale“ wurde ein Welthit, verkaufte sich mehr als sechs Millionen mal, fand schnell seinen Platz bei vielen Eheschließungen und trat einen kleinen Klassikrock-Boom los.
Erschienen auf: Procul Harum 1967
56. The Sex Pistols – Anarchy In The U.K.
So klingt der Beginn einer Revolution: eine Explosion von Punkgitarrenlärm und dazu Johnny Rottens fieses Gelächter. Die Sex Pistols wollten ein nationaler Skandal werden, und es gelang ihnen schon mit ihrer ersten Single. Jones ließ seine Gitarre klingen wie eine Kneipenklopperei; Rotten fauchte, spuckte, höhnte und beendete den Song, indem er die Fans aufwiegelte: „Get pissed! Destroy!“ Das Label der Pistols zog die Single zurück und feuerte die Band, aber das machte sie natürich nur noch berüchtigter – und berühmter.
Erschienen auf: Never Mind The Bollocks, Here’s The Sex Pistols 1977
55. Little Richard – Long Tall Sally
„Long Tall Sally“ war die Hälfte eines doppelseitigen Hits (der andere Song war „Slippin‘ And Slidin’ (Peepin‘ And Hidin‘)“) – und nahm gezielt Popsänger Pat Boone ins Visier: „Die weißen Radiosender wollten Richards Version von ,Tutti Frutti‘ nicht einsetzen und machten stattdessen Boones Coverversion zum Nummer-eins-Hit“, erinnerte sich Robert Blackwell. „Also dachten wir uns: ,Jetzt steigern wir das Tempo mal ein bisschen‘, und machten den Text so schnell, dass Boone sich sicher verhaspeln würde.“ „Long Tall Sally“ wurde Little Richards größter Hit. Allerdings ließ sich Boone nicht beirren. Er nahm den Song auch auf und kam damit bis auf Platz acht.
Erschienen auf: The Georgia Peach 1956
54. The Kingsman – Louie Louie
Diese Coverversion eines R&B-Songs von Richard Berry – unbarmherzige Gitarren, kaum verständliches Geschrei, Produktionskosten von 52 Dollar – brachte The Kingsmen 1963 auf Platz zwei der Charts. Was vor allem am angeblich pornographischen Text lag, der sogar das FBI auf den Plan rief, das die Platte in verschiedenen Geschwindigkeiten auf geheime Botschaften hin checkte. Dass der Text so schlecht zu verstehen war, war aber keine Absicht: Das Quintett aus Portland, Oregon drängelte sich bei den Studio-Aufnahmen um ein einziges Mikrophon. „Ich brüllte zu einem weit entfernten Mikro rüber“, erinnert sich Sänger Jack Ely. „Ich denke, der ganze Skandal war einfach nur ein großer Hype der Plattenfirma.“
Erschienen auf: Single 1963
53. Percy Sledge – When A Man Loves A Woman
Mitte der 60er Jahre tourte Percy Sledge noch mit einer R&B-Combo namens The Esquires durch die Südstaaten und arbeitete nebenbei als Krankenpfleger. Bei einem Auftritt in Alabama hörte ihn Produzent Quin Ivy im „Elks Club“ dann stimmgewaltig eine flehentliche Ballade singen. Ivy ließ den Text umschreiben, und Sledge verließ die Esquires, um seine erste Solosingle aufzunehmen: „When A Man Loves A Woman“. Als das Mastertape schließlich beim Atlantic-Label ankam, sagte Jerry Wexler zu seinem Partner Ahmet Ertegun: „Unsere Abrechnungen für den Sommer hätten wir schon mal im Sack.“ Er sollte Recht behalten, die Nummer wurde ein Hit, und Sledge musste fortan keinen Klinik-Dienst mehr schieben.
Erschienen auf: When A Man Loves… 1966
52. Prince – When Does Cry
Der Film „Purple Rain“ war fertig, der dazugehörige Soundtrack auch. Aber Prince konnte einfach nicht aufhören, Musik zu machen. Und packte in letzter Minute noch einen nagelneuen Song auf das Album. „When Doves Cry“ ist selbst nach Prince-Maßstäben exzentrisch: Nachdem er den Song im Studio aufgenommen hatte, beschloß er, im endgültigen Mix die Bassspur zu löschen. Laut dem Toningenieur sagte der Meister einfach: „Niemand sonst hätte die Eier, das zu machen. Warte nur – die werden ausrasten.“ Er behielt natürlich Recht. Prince zwängte den Song noch in seinen Film mit hinein, indem er den größten Teil von „Computer Blue“ strich. Und die avantgardistischste Single von 1984 wurde zum größten Hit des Jahres.
Erschienen auf: Purple Rain 1984
51. Grandmaster Flash and the Furious Five – The Message
„The Message“ war der HipHop-Durchbruch – der Track holte das Genre aus der Party-Ecke auf die Straße, zum Ghettoblues. Am Anfang stand ein Gedicht des Schullehrers Duke Bootee. Sylvia Robinson, Labelchefin von Sugar Hill, beschloß, mit Melle Mel von den Furious Five eine Rapsingle daraus zu machen. Flash sagte ’97: „Ich fand es furchtbar, dass es als Grandmaster Flash And The Furious Five vermarktet wurde. Auf der Aufnahme sind nur Mel und Duke Bootee.“ Der Song war jedenfalls sofort eine Sensation bei New Yorks Hip-Hop-Sendern.
Erschienen auf: Single 1982
50. Smokey Robinson and the Miracles – The Tracks Of My Tears
Wenn Smokey Robinson und die Miracles „The Tracks Of My Tears“ sangen, heißt es, brachen Zuhörer oft tatsächlich in Tränen aus. „Etwas hatte der Song, was die Leute liebten“, sagte Pete Moore von den Miracles, „was wirklich ihre tiefsten Gefühle berührte.“ Zu den Aufgewühlten gehörte auch Pete Townshend, der davon fasziniert war, wie Robinson das Wort substitute sang („Although she may be cute/ She’s just a substitute“) – und „beschloß, dem Wort einen Song zu widmen“ – den Who-Hit „Substitute“. Selbst der ewig anspruchsvolle Motown-Chef Berry Gordy bezeichnete „Tracks“ als „Meisterstück“.
Erschienen auf: Going To A Go-Go 1965
49. The Eagles – Hotel California
„Hotel California“ handle von Heroinsucht, wurde gemunkelt. Oder von dem Haus in San Francisco, in dem der Teufel angebetet wurde. Aber Don Henley hatte Prosaischeres im Sinn: „Wir waren alle Mittelschicht-Kids aus dem Mittleren Westen“, sagte er. „,Hotel California‘ war unsere Interpretation vom High Life in Los Angeles.“ (Was Heroin oder Satan ja nicht unbedingt ausschließt.) Bei den Aufnahmen wurde es problematisch, als die Band in Miami Don Felders Twelve-String-Intro und das zweistimmige Gitarrensolo fürs Finale nicht mehr hinkriegte. Panisch rief Felder schließlich seine Haushälterin in Los Angeles an und ließ sie die Kassetten in seinem Heimstudio durchwühlen. Sie musste ihm das Demo dann übers Telefon vorspielen.
Erschienen auf: Hotel California 1970
48. Simon and Garfunkel – Bridge Over Troubled Water
Als Paul Simon 1970 diese Freundschaftshymne schrieb, war seine Partnerschaft mit Art Garfunkel schon reichlich strapaziert. Das Duo stritt sogar darüber, ob Garfunkel der geeignete Sänger war. „Er fand, ich hätte es singen sollen“, sagte Simon 1972. „Und ich denke oft, das wäre auch besser gewesen.“ Die dritte Strophe („Sail on silvergirl/ Sail on by/ Your time has come to shine/ All your dreams are on their way…“) war Garfunkels Idee. Simon schrieb sie zwar selbst, konnte sie aber nie leiden – und ließ das seinen Kollegen auch immer wieder gerne wissen. Englischstudenten fragten sich indes, ob die berühmte Zeile „Like a bridge over troubled water/ I will lay me down“ grammatikalisch tatsächlich korrekt ist.
Erschienen auf: Bridge Over Troubled Water 1970
47. Jimi Hendrix – All Along The Watchtower
„All Along The Watch-tower“ war gerade erst auf Bob Dylans Album „John Wesley Harding“ veröffentlicht worden, als Jimi Hendrix am 21. Ja-nuar 1968 im Electric Ladyland Studio in New York damit herumzuspielen begann. Er verwendete die Zeile „And the wind began to howl“ als Sprungbrett und kon- struierte ein tumultöses vierstimmiges Solo, das Dylans konzise Prophe-zeiung in einen elektrischen Hurrikan verwandelte. Dylan zog den Hut: Seine eigenen späteren „Watchtower“-Ver-sionen orientierten sich oft an Hendrix‘ Fassung.
Erschienen auf: Electric Ladyland 1968
46. David Bowie – Heroes
Nach einer heftigen Ko- kain-Phase in Los An-geles war Bowie auf Ent- zug in Berlin, wo er einmal ein Liebespaar beim Rendezvous an der Ber-liner Mauer beobachtete. Bowie: „Ich dachte: ,Warum treffen die sich ausgerechnet auf einer Bank unter einem Wach- turm an der Mauer?‘“ Er malte sich die Ge-schichte der beiden aus – und heraus kam ein Sechsminuten-Epos, getragen von Brian Enos Synthesizer und Robert Fripps Gitarre. Nicht zu vergessen Bowies stellen- weise fast hysterischer Klagegesang über ein unglückliches Paar, das die Erlösung zusammen erlebt – just for one day. Erschienen auf: Heroes 1977
45. Elvis Presley – Heartbreak Hotel
Als die RCA den jungen Wilden Elvis Presley unter Vertrag nahm, versprach sie sich Songs in der Machart der frühen Rockabilly-Hits für Sun Records. Aber stattdessen nahm Elvis für seine erste RCA-Single diesen düsteren Schleicher auf, dessen Text der Steel-Gitarrist Tommy Durden aus Nashville geschrieben hatte, nachdem er einen Zeitungsartikel über einen Selbstmörder gelesen hatte: „I walk a lonely street“, lautete dessen Abschiedsbrief. Die Musik kam von Mae Boran Axton, aber Manager Tom Parker konnte einen Songwriting-Credit für Presley aushandeln. Sun-Gründer Sam Phillips nannte das Lied „morbiden Mist“ – aber es wurde Presleys erster Nummer-eins-Hit und die erste Goldene Schallplatte für ihn. Nicht zuletzt dank Scotty Moores schneidender Gitarre sowie der pochenden Basslinie von Bill Black.
Erschienen auf: Single 1956
44. Ray Charles – Georgia On My Mind
Dem Chauffeur sei Dank: Sein Fahrer hatte Ray Charles „Georgia On My Mind“ im Auto singen hören und schlug ihm vor, den Song mit auf das Album zu nehmen, an dem er gerade arbeitete: lauter Lieder mit Ortsnamen im Titel. Nachdem die Aufnahme fertig war, fand Charles allerdings, sie hätte in vielerlei Hinsicht besser werden können. Er ging dann auf Tournee, als die Single gerade auf ihrem Weg in die Charts war, und sang „Georgia On My Mind“ in Chicago bei seinem ersten Auftritt in Hugh Hefners TV-Show „Playboy Pent-house“ – eine famose Version. David „Fathead“ Newman spielte die Geigenparts auf der Flöte.
Erschienen auf: Single 1960
43. Little Richard – Tutti-Frutti
„Ich hatte ,Tutti Frutti‘ schon jahrelang gesungen“, sagte Little Richard, „aber für mich war das irgendwie nie ein Song, den man aufnimmt.“ Eine junge Songschreiberin namens Dorothy LaBostrie hatte Produzent Robert Blackwell ewig um Arbeit angebettelt, also beauftragte er sie, Richards anstößige Lyrics zu säubern. „Und 15 Minuten vor Ende der Studiozeit legt sie mir diesen banalen kleinen Text vor“, erinnerte sich Blackwell. Little Richard selbst entfernte den Fluch aus „Awop-bop-a-loo-mop, a-good-god- damn“ und verpasste LaBostries holprigen Versen schließlich doch noch eine Ladung sexuelles Dynamit.
Erschienen auf: The Georgia Peach 1955
42. The Kinks – Waterloo Sunset
Einer der paradigmatischen London-Popsongs, der am Anfang seiner Entstehungsgeschichte lustigerweise von Liverpool handelte. Ray Davies, der sich dem Publikum kurz davor schon mit „Dedicated Follower Of Fashion“ und „Dead End Street“ als spitzer Gesellschaftskommentator vorgestellt hatte, wollte ursprünglich eine Satire über den Niedergang des Mersey-Beat schreiben, aber nach der Veröffentlichung der Beatles-Single „Penny Lane“ verwarf er den Plan und schuf stattdessen eines seiner romantischsten Lieder überhaupt.
„,Waterloo Sunset‘ handelt von den wundervollen Moment am Anfang einer Beziehung, wenn es sich anfühlt, als ob alle Möglichkeiten offenstehen“, hat Davies erklärt. „Die zwei denken noch nicht an die Probleme, die es geben könnte.“
Oft wurde vermutet, er habe mit Terry und Julie das damalige Schauspielerpärchen Terence Stamp und Julie Christie gemeint, doch Davies’ wahres Vorbild waren seine Frau Rasa und er, die oft an der South Bank spazierengingen, als sie sich kennenlernten. Also auch hier: eine Jugenderinnerung.
Erschienen auf: Something Else By The Kinks 1967
41. The Band – The Weight
Robbie Robertsons Truppe war vor allem als Dylans Tourband bekannt, als sie sich in ein rosa Haus in Woodstock zurückzog, um ihr Debüt „Music From Big Pink“ aufzunehmen. Kernstück wurde „The Weight“, eine schräge Fabel über Schuld und Bürde. Robertson sagte, Luis Buñuels Filme hätten ihn inspiriert, aber Figuren wie Crazy Chester könnten auch einem alten Folksong entsprungen sein. Die Zeile „pulled into Nazareth“ bezieht sich übrigens ganz unbiblisch auf den Ort in Pennsylvania, wo die Martin-Gitarrenfabrik steht.
Erschienen auf: Music From The Big Pink 1968
40. Martha and the Vandellas – Dancing In The Street
Mickey Stevenson, der Martha Reeves zunächst als seine Sekretärin eingestellt hatte, bot ihrer Band diesen Song an, nachdem ihn Motown-Sängerin (und zukünftige Mrs. Stevenson) Kim West abgelehnt hatte. Das Trio willigte ein – unter der Bedingung, dass die Autoren im Backgroundchor mitsangen. „Als Martha einstieg und den Song übernahm, waren alle Diskussionen beendet“, sagte Stevenson. Zu einem extrem knalligen Backbeat erfindet sie die Welt neu – als eine einzige große Straßenparty. Etliche Jahre später mußten auch David Bowie und Mick Jagger zu der Melodie in bunten Klamotten auf dem Asphalt herumhüpfen.
Erschienen auf: Single 1964
39. Buddy Holly and the Crickets – That’ll Be The Day
Aufgenommen im Februar 1957 in Clovis, New Mexico, bezog der Song seinen Titel von einer wiederkehrenden Dialogzeile im John-Wayne-Film „The Searchers“. „Wir nahmen ,That’ll Be The Day‘ nur als Demo auf – die in New York sollten sagen, ob ihnen der Sound der Band gefiel. Das war keine Masterversion“, erinnerte sich Crickets-Schlagzeuger Jerry Allison. „Also gingen wir rein, bauten auf und spielten den Song einmal kurz durch.“ Nachdem Decca den Song im Jahr zuvor abgelehnt hatte, griff das Label Coral/Brunswick sofort zu – und freute sich bald über eine Nummer eins. Worauf Decca die frühere Version doch noch veröffentlichte.
Erschienen auf: Single 1957
38. The Rolling Stones – Gimme Shelter
Keith Richards‘ Intro, auf einer halbakustischen Gitarre gespielt und nach einem alten Chuck-Berry-Hit modelliert, erzeugt eine Aura des Unheils, wie es sie im Stones-Kanon kein zweites Mal gibt. In den apokalyptischen Chorus fällt Sängerin Merry Clayton ein: „War, children, it’s just a shot away.“ Der Song wurde stets in engem Zusammenhang mit dem Mord in Altamont gesehen.
Erschienen auf: Let It Bleed 1969
37. Bob Marley and the Wailers – No Woman No Cry
Allen politisch engagierten Songs zum Trotz, die Marley gemacht hat, ist dieses melancholisch bekiffte Stück seine signature tune: Mit dem „government yard in Trenchtown“, von dem er singt, war der Sozialwohnblock gemeint, in dem er Ende der 50er in Kingston lebte. Der im Text erwähnte Georgie war tatsächlich immer der, der das Feuer machte (und später im Bob Marley Museum wohnen durfte). Angeblich war „No Woman No Cry“ als Versöhnungs-lied für Marleys Frau Rita gedacht, nachdem sie von einer Affäre ihres Mannes erfahren hatte – jedenfalls gab Marley seinen alten Freund Vincent Ford als Mitkomponisten an, damit der die Tantiemen in seine Suppenküche in Kingston investieren konnte. Doch erst die fantastische Live-Version aus dem Londoner Lyceum machte den Song bekannt und ließ die Suppe fließen.
Erschienen auf: Natty Dread 1975
36. U2 – One
„Achtung Baby“ war die Platte auf der U2 nach einem Jahrzehnt gewichtiger Ernsthaftigkeit die Ironie entdeckten – aber der neue Ansatz brachte ihre bewegendste Single überhaupt. „One“ war der Ableger eines anderen Songs, „Mysterious Ways“, für den The Edge zwei verschiedene Mittelteile komponiert hatte. Einer davon gefiel Bono so gut, dass er einen neuen Text dazu schrieb. Was wie ein Liebeslied klingt, steckt bei genauerer Betrachtung voller Zwiespalt und Schmerz. „Mir haben schon oft Leute erzählt, sie hätten den Song bei ihrer Hochzeit gespielt“, sagt The Edge. „Da denke ich mir dann: Habt ihr mal auf den Text gehört? Der Song passt zu so was gar nicht.“ Legendär ist auch Johnny Cashs Cover.
Erschienen auf: Achtung Baby 1991
35. The Doors – Light My Fire
Robby Kriegers erster Songwriting-Versuch überhaupt, mit ein paar zusätzlichen Text-zeilen von Jim Morri-son und Arrangement-Ideen vom Rest der Band. „Es war, als hätte ich alles in meinem Kopf bis zu diesem Moment aufgespart und dann die Chance gekriegt, alles auf einmal rauszulassen“, sagte Krieger im ROLLING STONE. Der Song machte die Doors über Nacht berühmt – laut Krieger durchaus gemäß Morrisons Plan: „Jim stellte sich die Band immer als Rakete vor, die rasant aufsteigt und Riesenerfolg hat.“ „Light My Fire“ war in der Albumversion sieben Minuten lang; für die Single wurde sie um die Soli gekürzt.
Erschienen auf: The Doors 1967
34. The Righteous Brothers – You’ve Lost That Lovin’ Feeling
Spector dirigierte gerade die Musiker bei einer Ronettes-Show in San Francisco, als er beschloss, die Righteous Brothers, die auch bei dem Konzert aufgetreten waren, unter Vertrag zu nehmen. Er bat Barry Mann und Cynthia Weil um einen Hit für die zwei. Schon Bill Medleys unglaublich tief gesungenes Intro ließ aufhorchen. „Als Phil mir das am Telefon vorspielte“, erinnerte sich Mann, „sagte ich zu ihm: ,Phil, du hast die falsche Geschwindigkeit eingestellt.‘“ Auch Medleys Partner Bobby Hatfield war äußerst verdutzt, als er das Einstiegssolo hörte. „Was soll ich denn in der Zeit machen?“, fragte er seinen Produzenten irritiert. Spectors Antwort: „Du kannst direkt zur Bank gehen.“
Erschienen auf: You’ve Lost That Lovin’ Feeling 1964
33. Ike and Tina Turner .- River Depp by Mountain High
Phil Spector sah die „Ike & Tina Turner Revue“ in einem Club in Hollywood zu einer Zeit, als die große Plattenkarriere des Ehepaars nach ein paar R&B-Hits Anfang der 60er eingeschlafen war. „River Deep“ sollte das ändern, ein Song, von dem Spector sich Großes versprach – und von dem er wollte, dass Tina ihn sang. Ike stand mit auf dem Etikett, wirkte an der Aufnahme aber nicht mit und wurde nicht einmal zu Besuch ins Studio gelassen. „Ich glaube, ich hab das mindestens 500 000 mal gesungen“, sagte Tina später.. „Ich war völlig durchgeschwitzt. Ich musste meine Bluse ausziehen und sang im BH.“ In Amerika kam die Single trotzdem nur bis Platz 88.
Erschienen auf: River Deep – Mountain High 1966
32. The Rolling Stones – Sympathy For The Devil
Die Idee zu diesem Abstecher der Stones in die Hölle kam aus dem Roman „Der Meister und Margarita“ von Michail Bulgakov, in dem Satan das Moskau der 30er Jahre heimsucht. Sie schenkten dem Teufel einen ihrer besten Grooves, getragen von Rocky Dijons Congas und Bill Wymans Maracas. „Schon davor, als wir noch ganz unschuldige Kids waren, hieß es in den Medien: Die sind böse, die sind böse“, sagte Keith Richards. „Tja, und dann fängt man halt an, über das Böse nachzudenken. In jedem steckt ein Luzifer.“ Der Songs brachte den Stones mysteriöses Pech: Als Jean-Luc Godard die Sessions filmte, setzte ein Scheinwerfer das Studio in Brand. Und obwohl der Altamont-Mord nicht bei „Sympathy“ geschah, warf man ihnen vor, das Böse herausgefordert zu haben.
Erschienen auf: Beggars Banquet 1968
31. Led Zeppeloin – Stairway To Heaven
Der zentrale Song auf „Led Zeppelin IV“, Mutter und Maßstab aller Breitwandhymnen. Was geradezu elisabethanisch anhebt – Flöte: John Paul Jones, gedrechselte Lyrics: Robert Plant („If there’s a bustle in your hedgerow/ Don’t be alarmed now/ It’s just a spring clean for the May Queen“…) – morpht später in ein Solo von Jimmy Page, das wahrlich die Himmelsleiter erklimmt. Und dann die Pforte stürmt. Page befand dann auch, der Song „kristallisiert die Essenz der Band. Es war alles da, und man hört die Band in Hochform, eben als richtige Band, als Einheit. Es war schon ein Meilenstein für uns. Jeder Musiker möchte in seinem Leben doch etwas von bleibender Qualität schaffen, etwas, das Bestand hat. Ich schätze, mit ,Stairway To Heaven‘ ist uns das gelungen.“
Erschienen auf: Led Zeppelin IV 1971
30. Johnny Cash – I Walk The Line
Johnny Cash begann die Arbeit an „I Walk The Line“, während er bei der amerikanischen Air Force in Deutschland stationiert war – viele Jahre bevor er ein Studio betreten würde. Nach seinem großen Erfolg mit „Folsom Prison Blues“ erinnerte er sich dann an den alten Song, nur um festzustellen, dass das Band, das er aufgenommen hatte, unbrauchbar war. Aber Cash gefiel der ramponierte Klang und fügte einen klickernden Rhythmus hinzu, indem er ein Stück Wachspapier durch seine Gitarrensaiten flocht. „Es war anders als alles, was man kannte“, schwärmte Bob Dylan im ROLLING STONE. „Eine Stimme, die aus dem Mittelpunkt der Erde zu kommen schien.“
Erschienen auf: Johnny Cash With His Hot And Blue Guitar 1957
29. The Beatles – Help!
„Viele Leute denken, das sei einfach ein rasanter Rock’n’Roll-Song“, sagte Lennon über „Help!“. „Aber insgeheim rief ich da um Hilfe. Mir war das selber gar nicht klar – ich schrieb den Song nur, weil ich ihn für den Film liefern musste.“ Von der Beatlemania überwältigt, aß Lennon „wie ein Schwein“, trank zu viel Alkohol, „rauchte Marihuana zum Frühstück“ – er hat das auch seine „Fetter-Elvis-Phase“ genannt. Mit 24 schien er schon um die verlorene Jugend zu trauern, aber ob der Adressat des Liedes (das überraschend der Filmtitel wurde) ein Mensch oder ein Betäubungsmittel sein soll, ist unklar. „Ich mag die Aufnahme nicht besonders“, verriet er später. „Wir haben es zu schnell gespielt, weil es unbedingt kommerziell werden sollte.“
Erschienen auf: Help! 1965
28. The Beatles – A Day In the Life
„A Day In The Life“ ist eine der letzten echten Teamarbeiten von John Lennon und Paul Mc-Cartney: Lennon schrieb den Anfangs- und den Endteil, und McCartney steuerte die „Woke up/ fell out of bed“-Mittelsektion bei. Für den Höhepunkt engagierten sie 40 Orchestermusiker, steckten sie in Fräcke, setzten ihnen komische Hüte auf und gaben ihnen eine einfache Anweisung: Ihr habt 15 Takte Zeit, um auf eurem Instrument von der tiefsten zur höchsten Note hinaufzuspielen. „Hör dir die Trompeten an“, sagte Macca. „Die flippen völlig aus.“ Der donnernde letzte Klavierakkord, der eine Ewigkeit zu dauern scheint und den Schlusspunkt des „Sgt. Pepper“-Albums bildete, hinterließ das Gefühl: Die Möglichkeiten der Rockmusik sind unendlich.
Erschienen auf: Sgt. Pepper’s Lone-ly Hearts Club Band 1967
27. Derek and the Dominos – Layla
In eine Dreiecksbeziehung mit George und Patti Boyd Harrison verheddert, entnahm Clapton den Titel für seinen größten Song der persischen Liebesgeschichte „Layla & Majnoun“. Aufgenommen von Derek & The Dominos – einem recht kurzlebigen Ensemble aus Clapton und Mitgliedern von Delaney & Bonnies Band –, stürmt „Layla“ mit Überkreuz-Riffs von Clapton und Gast Duane Allman voran und löst sich dann in eine lange, liebliche, Klavier-betonte Coda auf. „Nichts war damals heavier“, so Clapton 1974 im ROLLING STONE.
Erschienen auf: Layla And Other Assorted Love Songs 1970
26. Otis Redding – (Sittin On) The Dock Of The Bay
Ein paar Tage nach seinem Auftritt beim Monterey Pop Festival im Juni 1967 wohnte Otis Redding auf einem Hausboot in Sausalito, Kalifornien, und spielte abends im Fillmore in San Francisco. Er schrieb die erste Strophe von „Dock Of The Bay“ auf diesem Boot, und nahm den Song dann mit Gitarrist Steve Cropper in Memphis auf – der ihm mit den Akkorden half, weil Redding ein notorisch ungeschickter Gitarrist war. Nur Tage später, wieder auf Tour, stürzte sein Flugzeug in einen See in Wisconsin. Während Taucher nach Reddings Leiche suchten, lenkte sich Cropper mit dem Mixen von „Dock Of The Bay“ ab. Am 11. Dezember 1967 zog man das Flugzeug aus dem See. Redding saß noch angeschnallt auf dem Kopilotensitz.
Erschienen auf: Dock Of the Bay 1968
25. The Beach Boys – God Only Knows
Very deep. Und sehr emotional – bei der Nummer krieg ich immer einen Kloß im Hals“, sagte Paul McCartney über „God Only Knows“. Er hörte es zum ersten Mal auf einer Londoner Party; am selben Abend schrieben Lennon und er noch „Here, There And Everywhere“. Carl Wilsons verhaltener Leadgesang etablierte den stillen Bruder als Geheimwaffe der Beach Boys, aber seinen himmlischen Kick bezieht der Song vor allem aus dem Arrangement – mit Bläsern, Schlittenglöckchen, Harfe, Streichern, Flöte, Bassklarinette und Akkordeon. Brian Wilson war von allem Spirituellen fasziniert – der Song entstand ganz offenbar beim Gebet im Studio. „Wir machten eine Art religiöse Zeremonie daraus“, sagte Brian über die Aufnahmen zu „Pet Sounds“. Dumm nur, dass das Wort God im Titel einige Radiosender davon abhielt, den Song zu spielen.
Erschienen auf: Pet Sounds 1966
24. The Impressions – People Get Ready
„Das war Musik für Krieger“, sagte Bürger-rechtler Gordon Sellers. „Musik, die man hörte, während man sich darauf vorbereitete, in den Krieg zu ziehen.“ May-field schrieb die gospelgetriebene R&B-Balla-de, wie er sagte, „in einer tiefgründigen Stimmung, einer sehr spirituellen Verfassung“ kurz vor Martin Luther Kings Marsch auf Chicago, der Heimatstadt der Band. Nachdem „People Get Ready“ schließlich veröffentlicht war, nahmen die Kirchen in Chicago bald eigene Versionen des Songs in ihre Ge-sangsbücher auf. May-fields Text endete mit den Zeilen „You don’t need no ticket/ You just thank the lord“. Die Kirchenversion fiel ironischerweise weniger religiös aus und dafür allgemeingültiger: „Every- body wants freedom/ This is now.“
Erschienen auf: People Get Ready 1965
23. The Beatles – In My Life
„,In My Life‘ war, glaube ich, mein erster echter, wesentlicher Song“, sagte Lennon. „Alles davor war eigentlich Spielerei und zum Wegwerfen.“ Seine Ballade spiegelte den Schwenk zum Ernsthaften, den die Beatles mit „Rubber Soul“ vollzogen, aber sie entsprang eigentlich der Frage eines Journalisten: Warum schreibt ihr nicht einmal ganz direkt über euer Leben? Die erste Textversion schrieb Lennon im Bus in Liverpool, „und das war ein unglaublich langweiliger Text Marke ,Mein schönstes Ferienerlebnis‘.“ Also ließ er’s sein, entspannte sich – und heraus kam diese Ode an sein Leben vor den Beatles. Das prägnante „Cembalo“ ist in Wirklichkeit ein E-Piano, gespielt von Produzent George Martin und dann auf die doppelte Geschwindigkeit beschleunigt.
Erschienen auf: Rubber Soul 1965
22. The Ronettes – Be My Baby
Phil Spector probte diesen Song wochenlang mit Ronnie Bennett (der einzigen Ronette, die ihn singen sollte – Schwester Estelle Bennett oder Cousine Nedra Talley kamen überhaupt nicht in Frage), aber das hielt ihn nicht davon ab, dann immer noch 42 Takes aufzunehmen, bis er endlich vollkommen zufrieden war. Mit großem Orchester kreierte er einen üppigen, echobeladenen Sound – der bald der heilige Gral für die Beatles oder auch Brian Wilson („Be My Baby“ ist sein Lieblingslied) werden sollte. „Was Phil tat, war verrückt und ziemlich anstrengend“, sagte Larry Levine, der als Spectors Toningenieur so einiges mitgemacht hat. „Aber das ist kein Zeichen für einen Verrückten – sondern für ein Genie.“ Der Song ging prompt auf Platz zwei der US-Charts.
Erschienen auf: Single 1963
21. Bruce Springsteen – Born To Run
Die viereinhalb Minuten dieses großen Songs verschlangen knapp dreieinhalb Monate Aufnahmezeit. Springsteen wollte die Wucht von Phil Spectors „Wall Of Sound“, er baute Streicher, Glockenspiel und Keyboards ein – plus über ein Dutzend Gitarrenspuren. Der Song beschreibt die Situation eines jungen Paares auf den Highways von New Jersey, eine Hymne zum Ausbruch aus der Kleinstadt-Todesfalle, in der die blitzenden Wagen, chrome wheeled, fuel injected, zum kraftvollen Bild für soziale und sexuelle Befreiung werden. „Ich weiß nicht, ob der Ort überhaupt so wichtig ist“, sagte Springsteen im ROLLING STONE. „Es könnte New Jersey sein – aber genauso auch Kalifornien oder Alaska.“
Erschienen auf: Born To Run 1975
19. Elvis Presley – Hound Dog
„Hound Dog“ war die B-Seite von Elvis Presleys dritter RCA-Single. Es war außerdem der Song, mit dem er die Welt wissen ließ: Ob’s euch paßt oder nicht -– rock’n’roll is here to stay. Sein bissiger Gesang, ein präziser Rockabilly-Jump und Scotty Moores schneidende Leadgitarre verwandelten die Bluesakkorde und den hämischen Text des Songs in die Unabhängigkeitserklärung einer Generation an ihre kalten, rigiden Eltern. Den Song hatten vier Jahre zuvor die weißen Teenager Leiber und Stoller für Big Mama Thornton geschrieben. Was er bedeutet? „You ain’t nothin’ but a motherfucker“.
Erschienen auf: Single 1956
18. Chuck Berry – Maybellene
Die Rock’n’Roll-Gitarre beginnt hier. Wie sich in Berrys Twang Hillbilly-Country, urbaner Blues und Jazz treffen, das ist die Ursprache der Pop-Gitarre, perfektioniert schon auf Berrys erster Single. Er ging noch zur Highschool, als er „Maybellene“ zu schreiben begann. Der ursprüngliche Titel: „Ida Red“. Laut Berrys Pianist Johnnie Johnson bestand Produzent Leonard Chess auf der Namensänderung – Chess hatte bei der Aufnahmesession in Chicago am 21. Mai 1955 eine Dose Wimperntusche der Marke Maybelline auf dem Boden liegen sehen. Radio-DJ Alan Freed hat übrigens nicht an „Maybellene“ mitgewirkt, auch wenn Berry ihn als Co-Autor nannte und Freed jahrelang die entsprechenden Tantiemen zuflossen. Das war nur der Dank dafür, dass Freeds die Single so oft im Radio gespielt hatte.
Erschienen auf: Single 1955
17. Jimi Hendrix – Purple Haze
Eines der unvergesslichen Eröffnungsriffs im Rock, ein wilder, verzerrter Gitarrenmarsch. Es markierte nicht nur eine Revolution, sondern zwei: Spätsechziger-Psychedelia und das Genie von Jimi Hendrix. Diese drei flammenden Minuten voll hexerischer, übereinandergeschichteter Gitarren kamen gerade rechtzeitig zum „Summer Of Love“. Und der Song, den Hendrix am 26. September 1966 in der Garderobe eines Londoner Clubs geschrieben hatte, demonstrierte schillernd alle seine gewaltigen, oft widersprüchlichen Gaben. „Purple Haze“ ist rhythmische Wucht und intime Metaphorik zugleich: „Actin‘ funny, but I don’t know why/ ‚Scuse me while I kiss the sky!“ Auf die schrille Stratocaster im Schlusssolo packte Hendrix noch eine weitere Gitarre, die er durch ein neues Effektgerät namens Octavia schickte und mit doppelter Geschwindigkeit abspielte. Er habe, sagte er, „Purple Haze“ geschrieben, nachdem er von einem Spaziergang unter Wasser geträumt hatte.
Erschienen auf: Are You Experienced? 1967
16. The Beatles – I Want to Hold Your Hand
1963 stellten die Beatles ihrem Manager Epstein ein Ultimatum. Paul Mc-Cartney: „Wir sagten: Nach Amerika gehen wir erst, wenn wir dort eine Nummer-eins-Single haben.“ Also trafen Lennon und er sich im Haus der Eltern von McCartneys Freundin Jane Asher und komponierten „I Want To Hold Your Hand“. Die Energie ihrer Zusammenarbeit strömte auch durch die Band-Performance, die am 17. Oktober 1963 aufgenommen wurde. Am 7. Februar 1964 landeten die Beatles dann genau so in New York, wie sie sich’s gewünscht hatten: top of the pops.
Erschienen auf: Single 1963
15. The Clash – London Calling
„Hello, this is London calling“ – so begannnen die Radiosendungen des BBC World Service. Für The Clash aber war der markante Songtitel ein SOS aus der Finsternis. Großbritanniens politischste Punk-Band hatte kein Management, war bis über die Ohren verschuldet, und um sie herum erstickte das Land in der Krise: hohe Arbeitslosigkeit, Rassenkonflikte, Drogen. „Wir hatten zu kämpfen“, sagte Joe Strummer später. „Das war, als würden wir einen steilen Hang herunterrutschen, als hielten wir uns mit den Fingernägeln fest. Und keiner da, der uns helfen konnte.“
Mit Gitarrist Mick Jones packte Strummer alle Sorgen und Mühen in einen Song, den Guy Stevens dann radikal produzierte: Es klang, als würde die Band in den Krieg ziehen. Über den peitschenden Beat bellte Strummer einen Katalog von Katastrophen, reale wie ausgedachte. Der „nuclear error“ bezog sich auf den Reaktorunfall in Three Mile Island in Pennsylvania von 1979. Die Zeile „London is drowning and I live by the river“ (im Video spielten sie den Song im strömenden Regen auf einem Themse-Schiff) beruhte auf einer lokalen Legende: „Man sagt, wenn die Themse je über die Ufer träte, dann würden wir alle zusammen untergehen“, erklärte Jones. Allerdings lebte Strummer damals oben in einem Wohnblock, „der bliebe trocken.“
Erschienen auf: London Calling 1979
14. Bob Dylan – Blowin’ In The Wind
Im April ’62 stellte Bob Dylan im New Yorker Greenwich Village mit einer kleinen Rede einen neuen Song vor: „Das hier ist kein Protestsong oder sowas. Ich schreib nämlich keine Protestsongs.“ Dann sang er die erste und dritte Strophe des noch unvollendeten „Blowin‘ In The Wind“. Einen Monat später im Folk-Journal „Broadside“ komplett veröffentlicht und am 9. Juli für sein zweites Album „The Freewheelin‘ Bob Dy-lan“ aufgenommen, war „Blowin‘ In The Wind“ seine erste wichtige Komposition. Als Texter war Dylan erst noch dabei, sich von seiner Woody-Guthrie-Fixierung zu lösen, aber hier brach er bewusst mit den rhetorischen Konventionen des Folk. Er packte die Krisen seiner Zeit in eine Reihe von bohrenden, poetischen Fragen, die ansprachen, was Dylan für die größte Unmenschlichkeit der Menschen hielt: Gleichgültigkeit. „Zu den größten Kriminellen gehören die, die wegschauen, wenn sie etwas sehen, was falsch ist – obwohl sie wissen, dass es falsch ist“, erklärte er später in den Liner Notes zu „Freewheelin’“. Erst letztes Jahr hat er noch mehr verraten: „Ich schrieb ,Blowin‘ In The Wind‘ in zehn Minuten, einen Text zu einem alten Spiritual – irgendwas, was ich wahrscheinlich von der Carter Family gelernt hatte.“
Erschienen auf: The Freewheelin’ Bob Dylan 1963
13. The Beatles – Yesterday
Paul McCartneys berühmteste Ballade steht im Guinness-Buch der Rekorde als der am häufigsten gecoverte Song aller Zeiten. Schon 1972 gab es 1186 Versionen – von so unterschiedlichen Interpreten wie Frank Sinatra, Otis Redding oder Willie Nelson. Aber McCartneys Original –aufgenommen am 14. Juni 1965 in den Abbey Road Studios in London – bleibt die schönste und mutigste: ein ganz unverstelltes Gedicht von nostalgischer Wehmut, gesungen und umgesetzt mit berückender Eleganz. Kein anderer Beatle wirkte mit. Es brauchte keinen.
George Martins melancholisches Streicherarrangement deckt die unteren Register ab, und Pauls fast geflüsterte Vocals hallen sehnsuchtsvoll durch die großen, dunklen Räume, wo sonst Schlagzeug und E-Gitarren gewesen wären. Die Melodie, erzählte McCartney, sei ihm im Traum gekommen: „Mein Dad kannte viele alte Jazz-Songs, und ich dachte zuerst, ich hätte mich da einfach an etwas Vergangenes erinnert.“ Er spielte den Song Anfang 1964 in einem Pariser Hotelzimmer Martin vor (Arbeitstitel: „Scrambled Eggs“), aber es vergingen noch anderthalb Jahre, bis er ihn aufnahm. „Irgendwie war es uns peinlich. Wir waren doch eine Rock’n’Roll-Band.“ Und doch ist „Yesterday“ laut McCartney „mein vollendetster Song überhaupt“.
Erschienen auf: Help! 1965
12. Sam Cooke – A Change Is Gonna Come
Im Jahr 1963 hörte Sam Cooke – Amerikas erster großer Soulsänger und einer der erfolgreichsten Pop-Acts mit 18 Top-30-Hits seit 1957 – einen Song, der ihn verstörte und inspirierte: Dylans „Blowin’ In The Wind“. „Jeez“, dachte Cooke, „ein weißer Junge schreibt solche Texte?“ Seine Antwort, „A Change Is Gonna Come“, aufgenommen am 30. Januar 1964 mit einem üppigen Orchesterarrangement von René Hall, fiel persönlicher aus: in der ersten Person geschrieben und mit Vorgeschichte. Cooke und Mitglieder seiner Truppe waren am 8. Oktober 1963 während einer Südstaaten-Tournee in Shreveport, Louisiana, verhaftet worden. Wegen Störung des öffentlichen Friedens: Sie hatten versucht, in einem Motel für Weiße einzuchecken. Cookes Trauer um seinen 18monatigen Sohn Vincent, der im Juni desselben Jahres ertrunken war, klingt in der Schlußstrophe klar an: „There have been times that I thought/ I couldn’t last for long.“
Erschienen auf: Ain’t That Good News 1964
11. The Who – My Generation
Der Legende nach schrieb Who-Gitarrist Pete Townshend „My Generation“, dieses unsterbliche „Fuck off!“ an alle Älteren, die ihm im Weg standen, an seinem 20. Geburtstag. Das war der 19. Mai 1965, und Townshend saß im Zug von London nach Southampton auf dem Weg zu einem Fernsehauftritt. Der Song war allerdings keine juvenil aggressive Hymne – nicht sofort jedenfalls –, sondern ein Blues im Stil von Jimmy Reed, der von Townshends Ängsten vor den drohenden Restriktionen des Erwachsenendaseins handelte. Daher das legendäre „Hope I die before I get old“. „In ,My Ge-neration‘ geht’s vor allem um die Suche nach meinem Platz in der Gesellschaft“, sagte Townshend. „Ich fühlte mich sehr, sehr verloren. Die Band war noch jung, und man ging davon aus, dass ihre Karriere extrem kurz sein würde.“ Ganz im Gegenteil. „My Generation“ wurde ihr Ticket nach ganz oben und etablierte Townshend als eloquenten und furchtlosen Songwriter. Vier Jahrzehnte spielen er und Daltrey den Song immer noch bei jedem Auftritt – mit dem Feuer und der Weisheit des Alters.
Auf: My Generation 1965
10. Ray Charles – What I’d Say
Die Leute spielten völlig verrückt, die liebten dieses kleine ,uuunnh, uuunnh‘“, erinnerte sich Ray Charles 1978, als er die spontane Entstehung von „What’d I Say“ beschrieb, seiner ersten Top-Ten-Pop-Single und dem besten Feel-Good-Hit des Rock’n’Roll. „Später hieß es dann, der Song sei vulgär.“ Auch wieder wegen des „uuunnh, uuunnh“. „Aber, zum Teufel, mal ehrlich – jeder kennt das ,uunnnh, uuunnh‘. So sind wir alle entstanden.“ Charles schrieb „What’d I Say“ buchstäblich vor Publikum. Das war Ende 1958 oder Anfang ’59, er spielte mit seinem grandiosen R&B-Orchester bei einer Marathon-Tanzveranstaltung in einer Kleinstadt bei Pittsburgh. Als ihnen gegen Ende des zweiten Sets das Repertoire ausging, hämmerte Charles ein aufsteigendes Bass-Arpeggio in die Tasten, wies die Band an einzusteigen und sagte den Raelettes, seinen Chordamen: „Singt mir einfach immer genau nach.“ Hinterher, sagte er, seien die Tänzer zur Bühne gerannt gekommen und hätten gefragt: „Wo kann ich die Platte kaufen?“ „What’d I Say“ gab als Song nicht wirklich viel her – ein paar kurze, unzusammenhängende Strophen, der Refrain und eben die Bridge –, als Charles ihn am 18. Februar 1959 im New Yorker Studio von Atlantic Records aufnahm. Charles hatte sich einfach auf seine Gospelerfahrungen besonnen: „Kirche war leicht“, steht in seiner Autobiographie „Brother Ray“. „Der Pfarrer sang, und die Gemeinde sang ihm nach.“
Erschienen auf: What’d I Say 1959
9. Nirvana – Smells Like Teen Spirit
Produzent Butch Vig hörte „Smells Like Teen Spirit“ zum ersten Mal Anfang 1991, aufgenommen von Kurt Cobain, Dave Grohl und Krist Novoselic in einer Probenscheune in Tacoma, Washington. Auf Kassette, über Ghettoblaster. Es klang grauenhaft. Vig, der Nirvanas Major-Label-Debüt „Nevermind“ betreuen sollte, hörte dem Song nicht an, dass er bald den Underground-Punk zum neuen Mainstream machen würde. Und Cobain, einen problembeladenen jungen Mann mit strikter Indie-Ethik, zum Megastar. „Ich hörte schon irgendwie den ,Hello, hello‘-Teil und die Akkorde“, sagte Vig später. „Aber es war alles so undeutlich, dass ich überhaupt nicht wusste, was ich davon zu erwarten hatte.“
„Teen Spirit“ pustete die verbliebenen Reste der 80er über Nacht von der Pop-Landkarte. „Der Song war ein Ruf zur Besinnung aufs eigene Gewissen“, sagte Novoselic 2000 – eine Handgranate von Rächer Cobain gegen das Verschwinden der Jugendkultur im Rachen der Großkonzerne, geladen mit der boshaften Refrainzeile: „Here we are now, entertain us.“ Mit dem Satz kam Cobain oft auf Parties an, „um das Eis zu brechen“, wie er sagte. Die Zeile beleuchtete zudem, meinte Novoselic, „wie Kurt die Welt sah. Das könnte auch er sein, wie er vorm Fernseher sitzt und ihm vor der Popkultur graut“.
Cobains benutzte die Laut-Leise-Dynamik seiner Lieblingsband, den Pixies. Die listigen Hooks spiegelten auch seine Bewunderung für John Lennon. In Cobains Kopf gab es, so Butch Vig, „diesen Widerspruch von Punk-Zorn und Entfremdung einerseits und einer verletzlichen Pop-Sensibilität andererseits. Bei ,Teen Spirit‘ steckt diese Verletzlichkeit vor allem in seiner Stimme“. Schade, dass Cobain schon bei Nirvanas letzter US-Tour Ende ’93 genug davon hatte, „Teen Spirit“ jeden Abend spielen zu müssen. „Es gibt viele andere Songs von mir, die genauso gut sind, wenn nicht besser“, sagte er.
Erschienen auf: Nevermind 1991
8. The Beatles – Hey Jude
Die erfolgreichste Single der Beatles in Amerika – neun Wochen Platz eins – war auch ihre längste: sieben Minuten und elf Sekunden. Bei den Aufnahmesessions hatte Produzent George Martin gegen die Länge noch Einwände erhoben – kein Radio- DJ würde einen so langen Song spielen. John Lennon erwiderte: „Wenn wir es sind, spielen sie ihn.“ McCartney schrieb „Hey Jude“ im Juni 1968. Er war unterwegs zu Lennons künftiger Ex-Frau Cynthia und ihrem Sohn Julian und sang im Auto vor sich hin. Die ersten Zeilen, erklärt McCartney, waren „eine Hoffnungsbotschaft an Julian: Komm schon, Mann, deine Eltern lassen sich scheiden, ich weiß, daß du nicht glücklich darüber bist, aber bald geht’s dir wieder gut.“ McCartney änderte den Namen Jules in Jude – inspiriert von Jud aus dem Musical „Oklahoma“ – und spielte Lennon eine Demoaufnahme vor. Lennon war begeistert – nicht zuletzt, weil er dachte, der Song handle von seiner Beziehung zu Yoko Ono. Die selbstbezogene Lesart unterstreicht nur den universellen Trost in McCartneys Text und den Charme des Songs, verstärkt vom mächtigen Fade-out-Finale mit 36-köpfigem Orchester, dessen Mitglieder (bis auf einen, der das unter seiner Würde fand) auch mitsangen und mitklatschten – fürs doppelte Salär.
Erschienen auf: Single 1968
7. Chuck Berry – Johnny B. Goode
Der erste Rock’n’Roll-Hit, der vom Rock’n’Roll-Startum handelte – und bis heute das größte Manifest popmusikalischer Gleichberechtigung: Jeder kann zu Ruhm kommen.
Die Titelfigur ist Chuck Berry selbst. „Mehr oder weniger jedenfalls“, erzählte er dem ROLLING STONE 1972. „Zuerst stand im Text natürlich ,the little colored boy could play‘. Ich hab dann ,country boy‘ daraus gemacht, sonst wär’s nicht im Radio gelaufen.“ Er nahm sich noch andere erzählerische Freiheiten: Johnny kommt aus „deep down in Louisiana, close to New Orleans“, während Berry aus St. Louis stammt. Und Johnny „never ever learned to read or write so well“, wohingegen Berry die Kosmetikschule als gelernter Friseur und Kosmetiker abhgeschlossen hatte.
Die Essenz der Geschichte – ein Gitarrist, der nichts mitbringt außer flinken Fingern, geht in die große Stadt und wird berühmt – ist trotzdem autobiographisch. Berry arbeitete 1955 als Kosmetiker in St. Louis und spielte in lokalen Combos, als er Muddy Waters traf, den damals größten Star von Chess Records. Drei Jahre später war Berry der verläßlichste Rock’n’Roll-Hitlieferant nach Elvis. Wobei er seine Klassiker selbst schrieb – anders als Presley, der gestand: „Ich wünschte, ich könnte meine Gefühle so ausdrücken, wie Chuck Berry das tut.“
„Johnny B. Goode“ ist das Musterbeispiel für Berrys rasante Poesie. Pianist Lafayette Leake, Bassist Willie Dixon und Drummer Fred Below brausen wie ein Güterzug, während Berrys bestechendes Single-Note-Lick im Refrain klingt wie – naja, eben „like a-ringin a bell“.
Die perfekte Beschreibung der wilden Lebensfreude, die einem eine Rock’n’Roll-Gitarre verpassen kann.
Erschienen auf: Single 1958
6. The Beach Boys – Good Vibrations
Es machte mir Angst, dieses Wort vibrations“, sagte Brian Wilson einmal. Die Mutter hatte Klein-Brian erklärt, wieso Hunde manche Leute anbellen und andere nicht. „Hunde spüren die Schwingungen, die man nicht sehen oder hören kann. Und zwischen Menschen passiert das genauso.“ „Good Vibrations“, Wilsons krönendes Werk als Songwriter und Produzent, machte sich diese Energie zunutze – und verwandelte sie in ewigen Sonnenschein. „Es ist ein spiritueller Song“, sagte er nach der Veröffentlichung, „und er soll good vibrations aussenden.“ Allerdings hatte der damals 24-Jährige auch egoistischere Motive: „Ich sagte mir: ,Der Song wird besser werden als ,You’ve Lost That Lovin‘ Feeling‘.“
Wilson war noch mitten in seinem Opus Magnum „Pet Sounds“, als er am späten Abend des 17. Februar 1966 im Gold Star-Studio in Los Angeles mit „Good Vibrations“ begann. Sieben Monate lang baute er den Song dann in vier Studios Stück für Stück zusammen und verbrauchte dabei über 50 000 Dollar, damals die höchste Summe, die je für eine Single ausgegeben wurde. „Wir hatten zuerst gar nicht vor, den Song so sektionsweise zu produzieren“, sagt er heute, „aber nach den ersten paar Takten der ersten Strophe war klar, dass diese Platte etwas ganz anderes werden würde.“ Die anderen Beach Boys waren auf Tour, und er durfte experimentieren, in aller Ruhe.
Am Ende wurde „Good Vibrations“ ihre dritte Nummer-eins-Single, aber auf den Höhenflug folgte jäh der Absturz – ein kommerzieller für die Band, ein kreativer und emotionaler für Wilson. „Good Vibrations“ war für das Album „Smile“ geplant, aber im Mai 1967 begrub Brian Wilson das Projekt wegen seiner Depressionen und des musikalischen Richtungsstreits mit den anderen Beach Boys. Der Rest der Geschichte ist nur zu bekannt.
Erst im vergangenen Jahr stellte Wilson das Album in einer aktualisierten Fassung fertig, und „Good Vibrations“ war zuletzt der Höhepunkt bei den Konzerten der „SMiLE“-Tour. „Dem Song geht es so gut wie noch nie“, sagt der Meister. „1966 ging er auf Platz eins, und wenn wir ihn heute live spielen, kriegen wir jedes Mal stehende Ovationen. Ich finde das unglaublich.“
Erschienen auf: Smiley Smile 1967
5. Aretha Franklin – Respect
Otis Redding schrieb „Respect“ und nahm den Song auch als erster auf – 1965, für das Label Volt. Aber Aretha Franklin drückte dem Song mit ihrer Coverversion – aufgenommen am Valentinstag 1967 in den New Yorker Studios von Atlantic Records – ein für alle mal ihren Stempel auf. „Respect“ war ihr erster Nummer-eins-Hit und etablierte sie als „Queen of Soul“. In Reddings Version, einem muskulösen Marsch mit Booker T. & The MG’s und den Memphis Horns, verlangte der Sänger den Respekt aus voller Kehle und mit aller Vehemenz. Aretha Franklin dagegen verlangte gar nichts, sie stand schon drüber: Da sang eine Frau, die mit weiblicher Autorität den Schlußstrich unter Ungleichheit und Opfermentalität zog. Kurz gesagt: Wenn du was von mir willst, mußt du dir’s verdienen!
„Für Otis hatte respect die traditionelle Konnotation, er meinte eine abstraktere Wertschätzung“, schrieb Franklins Produzent Jerry Wexler in seiner Autobiographie. „Die Glut in Arethas Stimme forderte diesen Respekt ein, und mehr Respekt bedeutete auch: aufmerksame sexuelle Zuwendung. Was sonst sollte ,Sock it to me‘ bedeuten?“
Da zitierte er den umwerfenden Sound von Arethas Backup-Sängerinnen, ihren Schwestern Carolyn und Emma. Auch die Idee für den Break, bei dem Aretha den Songtitel buchstabiert, schrieb Toningenieur Tom Dowd Carolyn zu: „Ich fiel fast vom Stuhl, als ich das hörte.“ Arethas Gesang ist virtuos und diszipliniert, aber die Leidenschaft in ihrer Interpretation ist unüberhörbar – wahrscheinlich inspiriert von den Tumulten ihrer damaligen Ehe. „Aretha hätte niemals die Rolle der verachteten Frau gespielt“, schrieb Wexler. „Ihr zweiter Vorname war Respect.“
Erschienen auf: I Never Loved A Man (The Way I Love You) 1967
4. Marvin Gaye – What’s Going On
What’s Going On“ ist eine formvollendete Bitte um Frieden auf der Welt, gesungen von einem Mann, der in der Krise steckte. Marvin Gaye war zwar der Star von Motown, abver die Fließbandhits, die er einsingen mußte, frustrierten ihn. Er trauerte um die Duettpartnerin Tammi Terrell, die im März 1970 gestorben war – und steckte in einer turbulenten Ehe mit Anna Gordy, der Schwester von Motown-Boss Berry Gordy. Zudem schlug er sich mit seinem puritanischen Vater herum. „Wenn ich Frieden wollte“, erklärte Gaye seinem Biographen David Ritz, „musste ich ihn in meinem eigenen Herzen finden.“
Kurz nach Terrells Tod zeigte Renaldo Benson von den Four Tops Gaye einen Song, den er mit Motown-Stammautor Al Cleveland geschrieben hatte. Gaye kümmerte sich um das Arrangement von David DePitte und gab den Textbezügen zu Krieg und Rassismus eine sehr persönliche Intensität. Die Funk Brothers, Motowns Session-Band, spielten den umwerfenden, leicht jazzigen Rhythmustrack ein, der völlig anders war als sämtliche Motown-Hits der 60er (Gaye spielte noch Percussion auf einem Pappkarton). Und dann sang Gaye auch für seinen jüngeren Bruder Frankie, einem Vietnam-Veteranen und bat um familiären Frieden zu Hause: „Father, father, father/ We don’t need to escalate!“
Zuerst als unkommerziell abgelehnt, wurde „What’s Going On“ Gayes größte Errungenschaft, ein zeitloses, heilendes Geschenk.
Erschienen auf: What’s Going On 1971
3. John Lennon – Imagine
John Lennon schrieb „Imagine“ an einem Vormittag Anfang 1971 in seinem Zimmer im Landsitz Tittenhurst. Yoko Ono sah zu. Lennon saß an dem weißen Flügel, der aus Filmen und von Fotos inzwischen weltbekannt ist, und komponierte „Imagine“ von Anfang bis Ende, in einem Rutsch. Die wehmütige Melodie, das federweiche Akkordmuster, die einprägsame Vier-Noten-Folge und fast den kompletten Text – 22 anmutige, schlichte Songzeilen über den Glauben daran, dass man die Welt verändern und heilen kann, wenn die Menschen feststellen, dass sie dieselben Träume haben.
„Er hat sicher nicht gedacht: ,Hey, das wird eine Hymne!‘“, sagte Yoko 30 Jahre später. „,Imagine‘ war einfach das, woran John glaubte – dass wir alle ein Land, eine Welt, ein Volk sind. Den Gedanken wollte er mitteilen.“
Und er war nicht allein damit: Yoko Ono selbst hatte schon vor ihrer Begegnung mit Lennon 1966 in ihrer eigenen Kunst die transformative Kraft von Träumen gefeiert. Die erste Zeile von „Imagine“ – „Imagine there’s no heaven“ – entstammt einer der interaktiven Passagen aus Onos Buch „Grapefruit“ von 1964 („Imagine letting a goldfish swim across the sky“). Lennons Sprache aber war Pop, und die beherrschte ein Ex-Beatle freilich perfekt.
Er meinte später, „Imagine“ mit seiner Idee der Gleichheit aller Menschen durch Auflösung von Regierungen, Grenzen und Religionen sei „buchstäblich das Kommunistische Manifest“. Aber die elementare Schönheit seiner Melodie, die warme Zurückhaltung in der Stimme und der transparente Sound von Produzent Phil Spector – der Lennons Performance in zarte Streicher hüllte und Echos fliegen ließ wie eine Sommerbrise –, all das unterstrich die Idee fundamentaler Menschlichkeit, von der der Song erzählte.
Lennon wußte, dass er etwas besonderes geschrieben hatte. In einem seiner letzten Interviews erklärte er, „Imagine“ sei den besten Liedern, die er für die Beatles gemacht hatte, ebenbürtig. Aber der Song ist noch mehr, hat eine Bedeutung bekommen, die weit über das Werk Lennons hinausweist – eine zeitlose Hymne voller Trost und Hoffnung, die ihre Hörer durch tiefe Trauer getragen hat, von Lennons eigenem Tod 1980 bis hin zum Grauen des 11. September. Man kann sich heute eine Welt ohne „Imagine“ kaum mehr vorstellen. Wir brauchen diesen Song – mehr, als Lennon sich das je erträumte.
Erschienen auf: Imagine 1971
2. The Rolling Stones – Satisfaction
Das ist das Riff, das die ganze Welt kennt“, sagte Steve Van Zandt von der E Street Band einmal. „Und ein frühes Beispiel für Dylans Einfluß auf die Stones und die Beatles. Es war ihre Interaktion in diesem Jahr 1965, die den Gang der Geschichte veränderte. Der Zynismus, den Dylan einführte, und die Idee, dass persönlichere Texte aus der Folk- und Bluestradition auch in der Popmusik Platz hatten — das brachte die Stones von ,The Last Time‘, ihrem ersten bemerkenswerten Song, innerhalb weniger Monate zu ,Satisfaction‘.“
Das legendäre Riff flog Keith Richards im Traum zu, eines Nachts im Mai 1965 in seinem Motelzimmer in Clearwater, Florida, damals der fünfte Stop ihrer dritten US-Tour. Er wachte auf, griff zur Gitarre und spielte die Musik, die durch seinen Kopf schoss, auf einen Kassettenrecorder. Nur einmal, dann schlief er wieder ein. „Auf der Kassette hört man noch, wie ich das Plektrum fallen lasse“, sagte er später. „Der Rest ist Schnarchen.“
Dieser nächtliche Funke, das Riff, mit dem „Satisfaction“ losgeht und sofort zur Sache kommt, war die Wegscheide – der Punkt, an dem aus dem frühen Rock’n’Roll, diesem jungen, hüpfenden Ding, etwas anderes wurde: Rock. Das jähe Temperament von Richards‘ Riff durch einen Verzerrer gespielt. Der höhnische Frust in Jaggers Text und sein Heulen im Refrain. Der gnadenlose Vorwärtsmarsch von Rhythmusgitarrist Brian Jones, Bassist Bill Wyman und Drummer Charlie Watts – das war der Sound einer Generation, die die Welt übernehmen wollte.
Später räumte Mick Jagger ein, „Satisfaction“ sei sein „Weltbild“ gewesen, „meine Frustration über alles“. Vom Riff und der Titelzeile inspiriert (auch sie stammt von Richards), schrieb Jagger den Text, diese Litanei der „Abscheu vor Amerika, und seinem Reklame-Syndrom, der permanenten Überflutung“ in zehn Minuten am Pool, am Tag nach Richards‘ Traum.
Wenngleich Keith Richards in jener Nacht auch von Chuck Berry geträumt haben könnte: Jagger deutete 1995 an, Richards könnte den Refrain unbewusst von einer Zeile aus Berrys „30 Days“ übernommen haben: „I don’t get no satisfaction from the judge.“ „Ein Engländer würde das nie so formulieren“, sagte Jagger. „Ich sage nicht, dass er absichtlich geklaut hat, aber wir haben diese Platten damals viel gehört.“
Erschienen auf: Single 1965
1. Bob Dylan – Like A Rolling Stone
„I wrote it. I didn’t fail. It was straight“, sagte Bob Dylan über sein Meisterwerk kurz nach der Entstehung im Juni 1965. Besser kann man diesen Song – seine bahnbrechende Konzeption und Umsetzung – und seinen erst 24-jährigen Schöpfer nicht in Worte fassen. Al Kooper, der bei der Aufnahmesession Orgel spielte, erinnert sich: „Es gab keine Noten, es lief komplett nach Gehör. Und völlig unorganisiert – das war der reine Punk. Es passierte einfach.“
Dabei imponiert bis heute, welch ein Präzendenzfall „Like A Rolling Stone“ ist – in jeder Hinsicht: Dylans impressionistisch aufgeladene Sprache, die sehr persönliche Anklage in seiner Stimme („How does it fe-e-eel?“), Koopers gradezu apokalyptisch vehemente Garagengospel-Orgel, Mike Bloomfields stachlige Gitarrenspiralen, die kompromisslose sechsminütige Länge des Mastertakes vom 16. Juni ’65 – kaum ein anderer Popsong hat je die geltenden kommerziellen und künstlerischen Regeln seiner Zeit so massiv torpediert und für immer über den Haufen geworfen.
Dylan begann während seiner Englandtour im Mai 1965 (in D.A. Pennebakers Doku „Don’t Look Back“ für die Nachwelt verewigt) an einem langen Song-Gedicht zu schreiben – 20 Seiten lang, heisst es in manchen Berichten, andere sprechen von sechs Seiten –, über die er sagte, es sei „einfach ein rhythmisches Ding auf Papier, das von meinem massiven Hass handelte und so ehrlich wie möglich sein wollte“. Zuhause in Woodstock, New York, kanalisierte er den ausufernden Silbenfluß an drei Junitagen in den angriffslustigen Refrain und vier straffe Strophen voll wilder Metaphern und bezwingender Wahrheiten. „Die beiden ersten Zeilen, in denen sich ,kiddin you‘ mit ,didn’t you‘ reimt, die hauten mich wirklich um“, sagte er dem ROLLING STONE 1988, „und als ich dann später zu den jugglers und dem chrome horse und der princess on a steeple kam, wurde es schon fast zu viel.“
Die Anfänge von „Like A Rolling Stone“ – und wie der Song in Dylans frühesten musikalischen Leidenschaften wurzelt – finden sich auch in zwei Szenen aus „Don’t Look Back“. In der ersten bringt sein Freund und Tourmanager Bob Neuwirth Dylan dazu, eine Strophe von Hank Williams‘ „Lost Highway“ zu singen. Die beginnt mit den Zeilen: „I’m a rolling stone, I’m alone and lost/ For a life of sin I’ve paid the cost.“ Später sitzt Dylan am Klavier und spielt eine Akkordfolge, die zur Basis von „Like A Rolling Stone“ werden sollte und den Song in der klassischen Rock’n’Roll-Architektur verankerte: Dylan identifizierte sie später als die Akkorde aus „La Bamba“ von Richie Valens.
Gleichzeitig beschäftigte er sich obsessiv mit dem Drive des Arrangements. Vor den Sessions im New Yorker Studio von Columbia Records bestellte er Mike Bloomfield, den Gitarristen der Paul Butterfield Blues Band, zu sich, damit der den Song lernte. „Er sagte: ,Ich will, dass du nichts von dem B.B.King-Scheiß spielst, none of that fucking blues“, erzählte Bloomfield später (er starb 1981). „Ich will, dass du was anderes spielst.“ Das gleiche befahl Dylan später dem Rest der Studioband, zu der Pianist Paul Griffin, Bassist Russ Savakus und Schlagzeuger Bobb Gregg gehörten. „Ich sagte ihnen, wie sie spielen sollten, und wenn sie so nicht spielen wollten, naja, dann konnten sie mit mir nicht spielen.“
So wie Bob Dylan schon die Wurzeln und Formen des Folk nach seinem Willen zerdehnt hatte, so transformierte er auch den Popsong durch den thematischen Gehalt und die formale Ambition von „Like A Rolling Stone“. Und die mitreißende Gesangsperformance – auf Platte seine beste überhaupt – demonstrierte endgültig, dass alles, was er tat, zuerst und vor allem anderen Rock’n’Roll war.
„,Rolling Stone‘ ist mein bester Song“, sagte Dylan Ende 1965 trocken. Eine Aussage für die Ewigkeit sollte das nicht sein, aber es stimmt. Auch heute noch.
Erschienen auf: Highway 61 Revisited 1965
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