Die 25 besten deutschen Filme seit 1990
ROLLING STONE hat die 25 besten deutschen Filme seit 1990 gewählt und festgestellt: Das deutsche Kino ist viel besser als sein Ruf.
„Unter dir die Stadt“ (Christoph Hochhäusler, 2010)
Obwohl die Finanzkrise der vergangenen Jahre das beunruhigende Paralleluniversum der Banken und Großkonzerne eigentlich ins Zentrum des künstlerischen Interesses rücken müsste, gab es bisher nur wenige Filme, die sich mit diesem Thema ernsthaft auseinandergesetzt haben. Neben Petzold („Yella“, 2007) gelang dies vor allem dem Film-Intellektuellen und „Revolver“-Gründer Christoph Hochhäusler: Seine modernisierte Bibelgeschichte (David und Batseba) zeigt uns Menschen, die viel zu sehr damit beschäftigt sind, ihre gesellschaftliche Rolle zu spielen, um auch nur einen Moment zu bemerken, dass ihnen längst jeder Bezug zur Realität abhandengekommen ist. (MV)
„Der Räuber“ (Benjamin Heisenberg, 2010)
Ein Bankräuber (erschreckend kühl von Andreas Lust gespielt), der zugleich auch Marathonläufer ist, sprintet monatelang den Behörden davon. Mit seiner messerscharfen Reflexion einer getriebenen Hochleistungsgesellschaft, die vor nichts zurückschreckt, beweist Heisenberg, dass deutsches Genre-Kino sehr wohl funktionieren kann, ohne allzu platt bekannten inszenatorischen Mustern nachzueifern. Die Verfolgungsjagd in den letzten 30 Minuten gehört zu den spannendsten Szenen, die das deutschsprachige Kino in den letzten Jahren hervorgebracht hat. (MV)
https://www.youtube.com/watch?v=oLeOeh_dtQ8
„Schlafkrankheit“ (Ulrich Köhler, 2011)
Die Schlafkrankheit des Titels ist ebenso die Mission des Arztes Ebbo Velten wie sein eigenes Schicksal: Während seine Familie nach Europa zurückgekehrt ist, erforscht er in Kamerun eine Epidemie, beobachtet von dem Afrikaner Alex, der für die Weltgesundheitsorganisation arbeitet. Somnambul verfallen die Männer einem vegetativen Fatalismus, gehen ein in die Schwüle, Gleichgültigkeit und Korruption des Landes und vergessen, weshalb sie gekommen sind. Ulrich Köhler wuchs im Kongo auf, und seine Studie über das Verschwinden ist eine lakonische Parabel über das unheilbare Herz der Finsternis im Menschen. (AW)
„Über uns das All“ (Jan Schomburg, 2011)
Sandra Hüller ist eine der vielseitigsten Schauspielerinnen ihrer Generation. Obwohl schon mit ihrer ergreifenden darstellerischen Leistung in Hans-Christian Schmids „Requiem“ (2006) ins öffentliche Interesse gerückt, ist „Über uns das All“ ihr Bravourstück: Der Film ist eine rätselhafte, bewegende Charakterstudie, in der Hüller eine junge Englischlehrerin spielt, die den (ungeklärten) Selbstmord ihres Mannes einfach nicht hinnehmen kann und ihn schließlich mit einer unheimlichen Methode „überwindet“. Die kühne, verwegene Schlusspointe hallt noch lange nach dem Abspann nach. (MV)
„Work Hard – Play Hard“ (Carmen Losmann, 2011)
Mit minutiöser Genauigkeit verfolgt der Dokumentarfilm, wie Großunternehmen mit modernem Marketing- und Management-Sprech die Grenzen zwischen Privat- und Arbeitsleben immer mehr auflösen, um in Zeiten permanenter Effizienzsteigerung ein Individuum zu formen, das die Firmenphilosophie als Weg zum persönlichen Glück begreift. Keine Orwellsche Dystopie, nur der ganz alltägliche Wahnsinn. (MG)