Die 25 besten Alben 2011
Besonders spannend war es diesmal nicht: Wilco gewannen mit großem Vorsprung vor PJ Harvey, die Bronzemedaille ging an Bill Callahan. Aber dann: Ja, Panik und Niels Frevert in den Top Ten, Überraschungssiege für AA Bondy und Veronica Falls. 2011 war ein gutes Jahr.
1. Wilco – „The Whole Love“
Menschen, die doppelhalsige Gitarren verachten, weil sie der Inbegriff des musikalischen Posertums sind, werden ideologisch inkonsequent, wenn sich eine solche in den Händen von Nels Cline befindet. Denn der schmückt damit die Lieder von Songwriter Jeff Tweedy, und die können Leben retten. „I’ve been lost/ I’ve been found/ I’ve been taken/ By the sound/ Of my own voice/ The voices in my head“, singt er auf dem achten Wilco-Album, „The Whole Love“, und belebt mit seiner Band die goldene Ära des Pop, ja, treibt sie zur Vollendung – nicht mit Liedern, die klingen wie aus Paul McCartneys Spuckeimer gezogen, sondern durch die Verbindung von klassischem Songwriting, Experimentierlust und Technik. „The Whole Love“ ist das dritte Studioalbum des bisher versiertesten und inspiriertesten Wilco-Line-ups, das von Album zu Album souveräner und leichthändiger wird, ohne dabei abgehangen und routiniert zu klingen. Im Gegenteil, die Talente jedes Bandmitglieds haben noch nie so hell gestrahlt wie auf dieser Platte. Dieses kunstsinnige Kollektiv beherrscht die Krautrock-Soundcollage ebenso wie den schmissigen Attractions-Pop, die brüchige Countryballade und den Rock’n’Roll-Brecher, die große Erzählung und den Bewusstseinsstrom. Wilco sind zurzeit die einzigen, die die Sprache der Liebe fließend sprechen. (Maik Brüggemeyer)
Bester Song: „One Sunday Morning (Song For …)“
>>>> Zur Review
>>>> Video: „Born Alone“ und zwei Black Eyed Peas-Cover
>>>> Video: „Open Your Mind“
–
2. PJ Harvey – „Let England Shake“
Harvey hatte Harold Pinter und T. S. Eliot gelesen, sich mit der Geschichte des Krieges beschäftigt, die Aufzeichnungen britischer Soldaten durchstöbert und Velvet Underground gehört, als sie in einer Kirche in Dorset eine neue Welt entwarf, indem sie mit der alten ins Gericht ging. Mit Mick Harvey, John Parish und Flood gelang ihr dort Musik von großer räumlicher Tiefe, Wärme und Erdverbundenheit, die sich von der Innerlichkeit vorangegangener Werke verabschiedete. Denn dass diese hochintelligente Frau verstören, beeindrucken, einem regelrecht Angst einjagen kann, ist sowieso klar. Jetzt aber wollte sie, dass man ihr zuhört. Die Sängerin reflektiert das Jahrhundert der Kriege, an dessen Ende die Hoffnung auf eine bessere Zukunft im Getöse des 11. September zusammenbrach. Die englische Gesellschaft ist zersplittert und ächzt unter der Beteiligung an einer Reihe vom Volk nicht gewollter Kriege. Das Problem: Es gibt keine neue Idee von England, und die alte funktioniert nicht mehr. Auf die These folgte der Beleg: „Let England Shake“ erschien im April, im August brannten London und Manchester. Natürlich ist England nur Platzhalter für viele andere westliche Länder. Längst nicht jedes von ihnen hat so großartige Lieder, wie sie PJ Harvey hier gelungen sind. (Torsten Groß)
Bester Song: „Let England Shake“
>>>> Zur Review
>>>> PJ Harvey im Interview
>>>> Clips aus „Let England Shake“
–
3. Bill Callahan – „Apocalypse“
Für Bill Callahan ist diese Zeit wie Nachhausekommen – schon mit Smog (sowieso niemals eine Band) hatte er stets die Ausnahmezustände, den Untergang und das Verschwinden besungen. Wobei seine Kunst eine der Privatheit ist, der Abgeschiedenheit und des Solipsismus. „Apocalypse“ darf er sein Album trotzdem nennen, denn jetzt entsprechen die äußeren Zustände endgültig seiner inneren Verfassung, ja übertreffen sie an Katastrophismus. „America! America! You are so grand and golden! Oh I wish I was deep in America tonight/ I watch David Letterman in Australia! Captain Kristofferson! Buck Sergeant Newbury! Leatherneck Jones! Sergeant Cash! What a Navy! What an Army! What an Air Force!“ Dass diese fast bewegungslosen, gebetsartigen, von elektrischen Gitarren, Fiedeln und Flöten durchschossenen Stücke in Texas aufgenommen wurden, ist die böse Pointe der wahrhaft nihilistischen Platte, deren subversives Potenzial in der Ermächtigung des vollkommen Machtlosen besteht: „Yeah, it’s all coming back to me now/ My apocalypse!“ Bill Callahans halb gesprochener, halb gesungener Bariton wird mit den Jahren immer noch tiefer und besser, seine Reise ins Innere des unheimlichen Amerika stets abenteuerlicher und zugleich sicherer. Wie bei jedem guten Landeskundler. (Arne Willander)
Bester Song: „America“
>>>> Zur Review
–
4. Ja, Panik – „DMD KIU LIDT“
Die Abkürzung heißt „Die Manifestation des Kapitalismus in unseren Leben ist die Traurigkeit“, aber was diese viel zu dünnen und cleveren Österreich-Berliner uns eigentlich sagen wollen: dass wir zu sehr damit beschäftigt sind, uns selbst leid zu tun, um Zeit zum Bankenstürmen zu haben. Dass auf nächtlichen Straßen mindestens so viel Wahrheit herumliegt wie in den geliebten Büchern. Dass wir das Gute nicht beschwören können, ohne das Böse reinzulassen, und dass wir uns trotzdem nicht fürchten müssen. Während die alten Recken des deutschen Indie-Rocks auf Heimatfesten und Dichterlesungen versackten, stürzten sich Ja, Panik rückhaltlos ins Getümmel, stopften dem Gitarrenpop mit Kunstlied und Bänkelsang das breite Maul. Und erfanden nebenbei eine neue Sprache, aus Deutsch und Englisch, Empathie und Arroganz, Blödsinn und Kalendersprüchen. Ein Meilenstein. (Joachim Hentschel)
Bester Song: „DMD KIU LIDT“
>>>> Zur Review
>>>> Interview und Clip zu „Never Mind“
–
5. Bright Eyes – „The People’s Key“
Einstein und Tesla, Fortschritt und Zukunft, Genesis und der Garten Eden: Die Spoken-Word-Elemente von New-Age-Biker Denny Brewer, die hier mehrfach den Songfluss unterbrechen, nervten bei wiederholtem Hören ein wenig, aber der Beginn beschreibt schon ziemlich genau, worum es bei Conor Oberst stets geht: Er sucht den Sinn, irgendeinen Sinn. Er findet jetzt kompaktere, niemals einfache Songs – und manchmal spuckt er immer noch die Silben aus, als wolle er sie nur loswerden, damit sein Kopf wieder frei ist. Mike Mogis und Nate Walcott unterstützen ihn bei der Katharsis wieder aufs Schönste. Ein Abschiedsalbum? Darauf wollte sich keiner festlegen. Auf jeden Fall zeigt „The People’s Key“, dass Oberst ein Abenteurer bleibt, der nie den leichten Weg wählt. Einer der größten Poeten unter den Songschreibern seiner Generation ist er ohnehin. (Birgit Fuß)
Bester Song: „Shell Games“
>>>> Zur Review
>>>> Bright Eyes im Interview
–
-6. Tom Waits – „Bad As Me“
Ja, wie immer spielt Tom Waits seinen Stiefel – aber was für ein Stiefel das ist: feinstes Handschmeichler-Leder, zielsichere Sohlen, blendend legierte Beschläge. Der alte Friedhofsnachtwächter hat einen Hauch von Wiedergeburt auf den Wangen, wo immer der auch herkommt. Und so erinnert er mit den 13 durchweg brillanten Songs mehr denn je an die nostalgischen Wurzeln seiner Kunst: das große Rock’n’Roll-Radio der Fünfziger. Sein „New Year’s Eve“ wird an diesem Silvester überall laufen. (Joachim Hentschel)
Bester Song: „Talking At The Same Time“
>>>> Zur Review
>>>> Interview: „In Zungen reden“ mit Tom Waits
–
7. TV On The Radio – „Nine Types Of Light“
Das vierte TV-On-The-Radio-Album knüpft nahtlos dort an, wo „Dear, Science“ aufhört: mit „Second Song“, einer an „Lover’s Day“ erinnernden Großtat. Nachdem Dave Sitek sein Studio nach L.A. verlegt hatte, war es die erste Platte, die die sprichwörtlichste aller Williamsburger Bands an der Westküste aufnahm. Erhabene, durchaus kalifornische Musik entstand so. Trotzdem kein gutes Jahr: Bassist Gerard Smith erkrankte an Lungenkrebs. Er starb neun Tage nach der Veröffentlichung dieses Albums. (Torsten Groß)
Bester Song: „Killer Crane“
>>>> Review und Stream
>>>> Galerie: TV On The Radio im Astra in Berlin
–
8. Adele – „21“
Man sagt ja zu Recht, dass alles immer mehr zerfasert und es das eigentlich gar nicht mehr gibt: universell funktionierende Popmusik, die länder-, genre- und altersübergreifend beinahe alle anspricht. Aber hier war jetzt eben doch die eine Platte, für die das 2011 mehr galt als für Lady Gaga und all die anderen Meta- und Megaphänomene. Adele Adkins, deren „Normalität“ nicht nur behauptet wirkt, wuchs mit „21“ über sich hinaus. Ein Album, das bleiben wird. (Torsten Groß)
Bester Song: „Someone Like You“
>>>> Zur Review
>>>> Zum Feature: Who the fuck is Adele Adkins?
>>>> Video: Adele singt Dylans „Make You Feel My Love“
–
9. Niels Frevert – „Zettel auf dem Boden“
Während Thees Uhlmann das Modell Singer/Songwriter verteidigte, sucht Niels Frevert die Blaue Blume der Romantik. In einer Lyrik, die fast nur noch aus Nebenschauplätzen und surrealen Petitessen besteht, beschwört der Sänger die undeutliche Sprache des Herzens. Die herrlichen Streicher-Arrangements und die Orgel harmonieren aufs Schönste mit Freverts immer etwas schläfrigem Gesang. Beglaubigt wird diese somnambule Poesie durch Chris Roberts, Gilbert Bécaud, die Tindersticks. (Arne Willander)
Bester Song: „Blinken am Horizont“
>>>> Zur Review
>>>> Feature: Hinter dem Horizont – ein Treffen mit Niels Frevert
>>>> Video zu „Schlangenlinien“
–
10. Radiohead – „The King Of Limbs“
Wer wissen wollte, wie Radioheads Soundabenteuer nach „Kid A“ und „Amnesiac“ weitergehen könnten, musste schon Thom Yorkes Soloalbum und Jonny Greenwoods fantastische Soundtrackarbeiten hören, denn die folgenden Bandalben waren alle eher ein Schritt zurück als nach vorn. „The King Of Limbs“, wieder erst über die Website vertrieben, ist nun endlich Radioheads nächste wagemutige Klangkonstruktion – hypnotisch, nervös, dubsteppig, ambientartig, skizzenhaft, minimalistisch. (Maik Brüggemeyer)
Bester Song: „Morning Mr Magpie“
>>>> Zur Review
>>>> Radiohead – „The King Of Limbs“. (K)eine Rezension
–
11. Noel Gallagher’s High Flying Birds – „Noel Gallagher’s High Flying Birds“
Man kann den Mann anzählen, aber niemals ausknocken. Noel Gallagher braucht seinen Bruder nicht, er kann auch auf eine illoyale Band verzichten. Als Solokünstler bewies er 2011, was in ihm steckt – der alte Noel eben, der mit seinen besten Songs seit Jahren zurückkam. Auch allein macht er einfach weiter, wo er aufgehört hat. Es gibt nicht mehr viele wie ihn in einer Welt, die zwanghaft Flexibilität predigt – und darum lieben wir diesen Sturkopf. Die Hymnen, die Romantik, der Stolz: Auf ihn können wir uns verlassen. (Birgit Fuß)
Bester Song: „If I Had A Gun …“
>>>> Zur Review
>>>> Interview mit Noel Gallagher: „Ich bin gar nichts Großartiges. Wirklich!“
>>>> So war Noel Gallaghers erstes Solokonzert in Dublin
–
12. Bonnie Prince Billy – „Wolfroy Goes To Town“
2011 war ein Fest für Fans des Erleuchteten unter den Schraten: vier exzellente Singles, eine verstörende EP. Und dann „Wolfroy Goes To Town“, das 21. Album von Will Oldham, der sich seit 1999 Bonnie Prince Billy nennt. Keines klingt gleich, auch wenn die Abweichungen oft subtil sind. Dieses Mal hat er sich von Merle Haggards Songs, der Gitarre von Bert Jansch und dem lieben Gott inspirieren lassen. Ein in jeder Hinsicht himmlisches Vergnügen also, das am ehesten an das Meisterwerk „Master & Everyone“ erinnert. (Maik Brüggemeyer)
Bester Song: „Time To Be Clear“
>>>> Zur Review
–
13. R.E.M. – „Collapse Into Now“
Es war ein Abschiedsalbum, wir wussten es damals nur noch nicht. Also hörten wir vergnügt, dass R.E.M. eine Platte aufgenommen hatten, die trotz des alarmistischen Titels einfach alles, was sie ausmacht, vereint: Rocksongs und Balladen, große Melodien und kleine Schrullen, Texte über Stürme und Alligatoren, die Herausforderungen des Alltags und die Chance, jeden Tag ein Held zu sein. Am 21. September gaben R.E.M. ihre Auflösung bekannt, nach 31 Jahren. Sie hatten uns alles gegeben. (Birgit Fuß)
Bester Song: „Every Day Is Yours To Win“
>>>> Zur Review
>>>> Themenseite zum Ende von R.E.M.
–
14. Wild Flag – „Wild Flag“
Nachdem sich die Jungs entweder ins Höschen gemacht hatten oder beim Posieren vor dem Spiegel eingeschlafen waren, blieb es an den Girls, den Rock zu retten. Eine geheime Seilschaft natürlich, aus Portland, darunter zwei Drittel der späten Riot-Sisters Sleater-Kinney. Wenig Milch, viel Kakao, kein Bass, zwei schlitternde, glimmernde, gerölltaugliche Gitarren, eine links, eine rechts. Feuer-Twist, Psycho-Pogo, Hecheln, Heulen, grandiose Refrains. Gefährlicher und blendender kann Garagenmusik nicht sein. (Joachim Hentschel)
Bester Song: „Romance“
>>>> Zur Review
>>>> Video: „Electric Band“
–
15. Laura Marling – „A Creature I Don’t Know“
Fast hat uns Laura Marling noch mehr Angst eingejagt als Adele: Weil die junge Sängerin nicht nur musikalisch so weit ist, sondern ihre Musik eine emotionale Tiefe hat, wie sie nur wenige Leute überhaupt erreichen. „Where I’ve been lately is no concern of yours“, singt sie in „Sophia“. Und doch erzählt dieses Album eine Menge über die blasse Blonde. Bei so viel aufwühlender Introspektion denkt man natürlich an Joni Mitchell, doch wird man Marling damit nicht gerecht: Sie hat sich ihre eigene Kategorie geschaffen. (Torsten Groß)
Bester Song: „The Muse“
>>>> Zur Review
>>>> Zum Interview
–
16. AA Bondy – „Believers“
Das Jahr neigte sich bereits dem Ende entgegen, als überraschend noch dieses Album den Weg in unsere Herzen fand. AA Bondy musiziert auf seiner dritten, von Rob Schnapf produzierten Platte raumgreifender als auf dem reduzierten Folk-Meisterwerk „When The Devil’s Loose“. Eine Entwicklung, von der „The Heart Is Willing“, „Highway/Fevers“ oder auch „Rte. 28/Believers“ profitieren. Songs, die wie festlich geschmückte Altare sind und mit jedem Durchlauf einen weiteren Zauber offenbaren. (Torsten Groß)
Bester Song: „The Twist“
>>>> Zur Review
–
17. Destroyer – „Kaputt“
Scheint so, als hätte der kanadische Songwriter Dan Bejar, der sich Destroyer nennt (obwohl Deconstructor der treffendere Name wäre), nicht länger auf eine Roxy-Music-Reunion warten können. Da hat er den Nachfolger von „Avalon“ gleich selbst aufgenommen. Synthesizer, Soft-Jazz-Echo auf Trompete und Saxofon – das Gel in den Haaren des Gitarristen kann man quasi hören. Etwas Glam, etwas New Romantic durch eine Blume namens Scritti Politti gesummt. Doch in Stimme und Texten erkennt man den Slacker noch. (Maik Brüggemeyer)
Bester Song: „Blue Eyes“
>>>> Zum Interview
–
18. Shabbaz Palaces – „Black Up“
Die Odd-Future-Gang fraß im Internet Kakerlaken, derweil machte Digable-Planets-MC Ishmael Butler die viel interessantere Rap-Platte – in einem dunk-len Loch voller verrauchter Echos und verirrter Jazzmusiker, schreiender Kinder und schmatzender Techno-Effekte. Wie auf einer springenden Festplatte zerhackt der Flow sich selbst, dahinter steckt ein altmodisch-konziser Black-Power-Aktivismus: „If you talk about it, it’s a show/ But if you move about it, then it’s a go.“ Erste HipHop-Platte beim Grunge-Label Sub Pop. (Joachim Hentschel)
Bester Song: „An Echo From The Hosts That Profess Infinitum“
–
19. The Decemberists – „The King Is Dead“
Das kommt da von, wenn man alle Hemmungen ablegt und keine Einschränkung, die der Begriff „Indie-Folk“ bedeuten könnte, mehr gelten lässt. Colin Meloy rief für „The King Is Dead“ R.E.M. als Vorbild aus und schrieb ein versponnenes Wunderwerk, seine Decemberists vertonten es mit unfassbarer Freude am Detail. Jangelnde Gitarren, hymnische Melodien, Amerika als angeknackstes Idyll – in Portland ist das alles noch möglich. Natürlich machten da auch Peter Buck und Gillian Welch gern mit. (Birgit Fuß)
Bester Song: „Don’t Carry It All“
>>>> Zum Interview
–
20. Nicolas Jaar – „Space Is Only Noise“
„Ein Paar auf einem aufblasbaren Bett in der Mitte des Dancefloors“: Die Kurzdefinition, die der Künstler einem seiner Tracks voranstellte, passt bestens zu dieser Platte, die aus dem Nichts kam – und genau dieses Nichts so schön und deutlich hörbar machte. Der 21-jährige Student aus Rhode Island, Remixer und Laptop-Musiker, touchierte in seiner Blase sanft alle Galaxien, Minimal House und Dub, Afro-Jazz und New Age, Erik Satie, Ray Charles und Radiohead. Die Konsens-Chill-out-Platte des Jahres, trotzdem far out. (Joachim Hentschel)
Bester Song: „Keep Me There“
–
21. Veronica Falls – „Veronica Falls“
Hach, es gibt ihn noch: den geschrammelten britischen Gitarren-Pop mit süßen Melodien, hier vorgeführt von zwei Jungs und zwei Mädchen auf ihrem berückenden Debüt-Album. Die Songs erinnern an die Pale Saints, die Sundays, Ride, nicht zuletzt an Belle & Sebastian, die solche schwärmerische Rotwangenmusik zuletzt populär machten. Und die herzigen Harmoniegesänge erinnern sogar an die Mamas & Papas, ein bisschen Britisch-Morbides inbegriffen: „Found Love In A Graveyard“. (Arne Willander)
Bester Song: „Bad Feeling“
>>>> Zur Review
>>>> Wolfgang Doebeling über die Debütsingle „Found Love In A Graveyard“
–
22. Iron & Wine – „Kiss Each Other Clean“
Sam Beam trug schon einen Vollbart, als Bon Iver noch Justin Vernon hieß, und im Gegensatz zu den meisten Mitbewerbern um den The-Band-Gedächtnispreis hat er seine Musik seit den frühen Tagen konsequent weiterentwickelt. „Kiss Each Other Clean“ ist nun der vorläufige Höhepunkt dieser Entwicklung: Gospel, Pop, A.O.R. und Jazz treffen auf klassische Beam-Songs. Keine zwei Lieder klingen gleich, und doch gehen sie alle fließend ineinander über. Ein eklektisches Großwerk. (Torsten Groß)
Bester Song: „Godless Brother In Love“
–
23. Nick Lowe – „The Old Magic“
Wie im Trinkerfilm „Letzte Runde“ versammelte Nick Lowe alte Kämpen zu diesem herzzerreißenden Schwof. Mit dem Understatement des geübten Schwerenöters verabschiedet er sich von seiner Liebe, seinem Haus, seinem Leben als Mann: In „Checkout Time“ oder „House For Sale“ macht jemand lakonisch Inventur, der dem Trubel entsagt hat. Die Freunde spielen dazu jene Mischung aus Rock’n’Roll der Gründerzeit und Late-Night-Schnulzen im Stil von Frank Sinatra, die längst zu Lowes Manierismus geworden ist. (Arne Willander)
Bester Song: „House For Sale“
>>>> Zur Review
24. The Jayhawks – „Mockingbird Time“
Nach vielen getrennten Jahren kamen die Songschreiber Gary Louris und Mark Olson wieder mit ihrer alten Band in Minneapolis zusammen – und sie hatten zwischenzeitlich nichts von ihrer melodieseligen Magie verloren. Die Jayhawks machen immer noch herrlichen Alternative-Country-Rock, der vom unwiderstehlichen Popverständnis des einen und dem widerborstigen Erzählvermögen des anderen lebt – und natürlich vom Harmoniegesang der beiden, der diese bittersüßen Lieder trägt. (Birgit Fuß)
Bester Song: „She Walks In So Many Ways“
>>>> Zur Review
>>>> Interview und Live-Session
–
25. David Lowery – „The Palace Guards“
Noch einmal durchstreift der Magier entlegener Melancholien den tiefen Süden des Gefühls. Wie zuletzt auf „The Golden Age“ von Cracker zaubert Lowery bittersüße Stimmungen in unwiderstehliche Melodien mit seufzender Steel-Gitarre, gedenkt der Londoner „Palace Guards“, verkauft den Arabern den Mond, besingt gemütlich „Marigold“, kräht mit heiserer Stimme „Baby, All Those Girls Meant Nothing To Me“ – deutlichster Verweis auf die geliebten Verschrobenheiten von Lowerys erster Band Camper Van Beethoven. (Arne Willander)
Bester Song: „Marigold“
>>>> Arne Willander stellt „The Palace Guards“ in seinem Videoblog vor
>>>> Votum: Die besten Songs von David Lowery