Die 100 größten Künstler aller Zeiten: Bob Dylan
Die Songs, die er heute schreibt, sind keinen Deut schlechter als die alten.
Platz 2: Bob Dylan
Als Sänger hat Bob Dylan große Kraft, und er ist ein hervorragender musikalischer Schauspieler, mit vielen Charakteren in seiner Stimme. Ich konnte das Politische in seinen frühen Songs hören. Das ist etwas ungemein Aufwühlendes, wenn jemand mit solcher Kraft singt und dabei wirklich was zu sagen hat. Aber besonders fiel mir auf, wie sehr ihn die Straße beeinflusst hatte: aus Minnesota aufzubrechen, zu touren und nach New York zu kommen. Da steckte so eine Härte, eine toughness in der Art, wie er seine Songs und seine Figuren anging. Das war eine Rebellion gegen die Reinheit der Folkmusik. In Songs wie „Like A Rolling Stone“ oder „Ballad Of A Thin Man“, da wird nicht um den heißen Brei herumgeredet. Da rebellierte der Rebell gegen die Rebellion.
Bobs Texte waren vor allem von literarischen Vorbildern beeinflusst, und so kam es, dass er Bilder verwendete, die es in der Tin-Pan-Alley-Tradition und auch im Rock’n’Roll nicht gab. Ich sah ihn bei diesen akustischen Auftritten 1965 und 1966 „Desolation Row“ und „Mr. Tambourine Man“ singen und konnte gar nicht fassen, wie viel dieser einzelne Mann nur mit einer Gitarre und einer Mundharmonika um den Hals rüberbringen konnte.
Als er und ich 1966 nach Nashville gingen, um an „Blonde On Blonde“ zu arbeiten, da sah ich das erste Mal einen Songwriter auf einer Schreibmaschine schreiben. Wir waren im Studio, er musste noch ein paar Texte zu den Songs, die wir aufnehmen wollten, überarbeiten, und ich hörte immer seine Schreibmaschine – klick, klick, klick, drrinngg – in einem Affentempo.
Das Wichtigste aber, was ich für mein eigenes Songwriting von Bob lernte, ist, dass man die traditionellen Regeln ruhig brechen kann: Wie lang ein Song sein darf, wie viel Fantasie beim Erzählen der Geschichte erlaubt ist. Es war toll, dass da jemand die Zäune eingerissen hatte, dass es unbegrenzte Möglichkeiten gab. Übrigens muss man, wenn man so schreibt wie er und so viele Ideen in so einprägsame Melodien packt, als Sänger sehr gut phrasieren. Seine Art der Gesangsphrasierung war wirklich speziell. Er konnte seine Figuren und Bilder auf eine Art rüberbringen, die überhaupt nicht bemüht oder gekünstelt wirkte, sodass es sich musikalisch gut anfühlte und man einfach mitgehen konnte, ohne das Ganze je infrage zu stellen. Und er hatte oft eine Attitüde in der Stimme, die für eine bestimmte Platte genau passte.
Ich glaube, Bob liebt die Herausforderung. Er sucht immer nach Ideen, nach etwas, was ihn weitermachen lässt. Die Songs, die er heute schreibt, sind keinen Deut schlechter als die alten. Es steckt so eine wunderbare Ehrlichkeit darin. Bob ist auf jeden Fall ein sehr guter Gradmesser für jeden jungen Sänger und Songwriter. Wer glaubt, er habe gerade was richtig Gutes geschrieben, der sollte sich einen von Bobs Songs anhören. An ihm wird man gute Sachen immer messen können. Viel mehr kann man nicht erreichen.