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Die 100 besten Soul-Alben (Teil 4)
Unsere aktuelle Ausgabe widmet sich ganz den schönen Soul-Momenten und versammelt die 100 besten Soul-Alben aller Zeiten. Heute gibt es den letzten Teil dieser Liste mit den Plätzen 25 - 1. Hier kann man sie sich ab sofort hier ansehen und anhören. Mit dabei sind u.a.: Curtis Mayfield, Ann Peebles, Leroy Hutson, Sam Cooke, Michael Jackson.
Hier können Sie im rdio-Player in die entsprechend gekennzeichneten Songs reinhören.
25. The Impressions - "The Young Mods’ Forgotten Story"
(Curtom, 1969)
Curtis Mayfield und seine Band auf der Höhe ihres Könnens:
25. The Impressions – „The Young Mods’ Forgotten Story“
(Curtom, 1969)
Curtis Mayfield und seine Band auf der Höhe ihres Könnens:
Zarteste Balladen („The Girl I Find“), dampfende Stomper („Seven Years“), politische Statements („Choice Of Colors“). Und mit „Mighty Mighty“ am Ende ein funky Ausblick auf das, was Mayfield ein Jahr später als herausragender Soul-Autor mit „Curtis“ leisten würde: Ein weit in die 70er ragendes Soul-Statement.
Das Album läuft im rdio-Player.
Copyright: Getty
24. Curtis Mayfield – „Super Fly“
(Curtom, 1972)
Bereits bei den Impressions entwarf Curtis Mayfield eine schwarze Sichtweise auf Urbanität. Für den Soundtrack von Gordon Parks’ umstrittenen Blaxploitation-Klassiker „Super Fly“ war er eine ebenso naheliegende wie inspirierte Wahl.
Was dem Film an Subtilität, Finesse und Reflexivität abgeht, liefert Mayfield spielerisch in Songs wie „Pusherman“, „Freddie’s Dead“ und „Give Me Your Love (Love Song)“.
Copyright: Richard Upper/Redferns
23.Ann Peebles – „I Can’t Stand The Rain“ (Hi, 1974)
1974 war Hi Records die erste Adresse für Memphis Soul. Vor allem durch den Erfolg von Al Green natürlich.
Doch Ann Peebles war in ihrer besten Zeit eine an Intensität und Sublimität mindestens ebenbürtige Stimme. Auf ihrem besten Album von Don Bryant mit Songs versorgt und von Willie Mitchell mit sparsamen Mitteln höchst effizient in Szene gesetzt. Ein vitaler Klassiker.
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Copyright: Gilles Pétard Collection
22. Leroy Hutson – „Hutson“
(Curtom, 1975)
Schwer unterschätzter Held des elegant-unterkühlten 70er-Soul: Leroy Hutson hatte zusammen mit Donny Hathaway „The Ghetto“ geschrieben und 1971 Curtis Mayfield als Lead-Singer der Impressions abgelöst, bevor er 1973 auf dessen Curtom-Label sein erstes Soloalbum einspielte.
Ein Modern-Soul-Meisterwerk voller sanfter Grooves und raffinierter Arrangements, das den Funk sublimiert und der Liebe huldigt.
Copyright: Gilles Pétard Collection
21. Marvin Gaye -„I Want You“
(Motown, 1976)
Die vielleicht sanfteste Discofizierung eines Soul-Künstlers ever.
Der Titelsong, den Produzent Leon Ware ursprünglich für sein eigenes Album geschrieben hatte, zählt zu den stärksten Marvin-Gaye-Singles und hält wie das gesamte Album locker die Klasse des Vorgängers, „Let’s Get It On“, ersetzt aber dessen Funkiness durch zartesten Schmelz. Großartig auch das smarte Artwork von Ernie Barnes.
Copyright: Gems/Redferns
20. Sam Cooke – „Night Beat“
(RCA, 1963)
Als Neunjähriger sagte Sam Cooke voraus, er werde als Sänger reich werden. Mit Gospels entlockte das Sexsymbol später den Mädchen in der Kirche Lustschreie. Ray Charles hielt den stolzen Schwarzen für „den einzig Wahren“.
Auf Album-Länge klang Cooke, längst Popstar, so wahr wie nie auf dem kultiviert bluesigen „Night Beat“, das er mit kleiner Barbegleitung in drei Sessions einspielte.
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Copyright: Michael Ochs Archives/Getty Images
19. Michael Jackson – „Off The Wall“
(Motown, 1979)
Der endgültige Durchbruch für die atemberaubende Solokarriere des einstigen Kinderstars.
Unter der Regie von Quincy Jones entstand eine unwiderstehliche Mixtur aus Funk, Disco und typischem Jackson-Kitsch („She’s Out of My Life“). Auf dem Cover vor der Backsteinwand ist der gute Michael zum letzten Mal als „normaler“ schwarzer Künstler zu sehen. Danach begann seine tragische Reise in den Wahnsinn.
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Copyright: Michael Ochs Archives/Getty Images
18. Stevie Wonder – „Talking Book“
(Motown, 1972)
Anfang der Siebziger entdeckte Stevie Wonder den Synthesizer, ging mit dem Duo Tonto’s Expanding Head Band ins Studio und gab in einem Jahr eine viertel Million Dollar für die Aufnahmen von drei Dutzend Songs aus, …
… die er von 1972 bis 1974 auf vier Hit-Soloalben verteilte. Den Diskothekenknaller „Superstition“, US-Nr.-1-Single von „Talking Book“, bezeichnete Wonder später als seine Erkennungsmelodie.
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17. Shuggie Otis – „Inspiration Information“
(Columbia, 1974)
Der Sohn von Johnny Otis spielte schon als Sechsjähriger mit dem Vater zusammen und erhielt mit 15 einen Plattenvertrag, den er nach dem Flop von „Inspiration Information“ wieder los war.
Dass jenes eigensinnige Album, an dem Multi-Instrumentalist Shuggie über zwei Jahre gebastelt hatte, heute als Bindeglied zwischen Sly Stone und Prince gilt, dürfte ihn freuen: Shuggie verehrt beide.
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Copyright: jr
16. The Four Tops – „Reach Out“
(Motown, 1966)
Motowns Hitschreiber und Produzenten Holland–Dozier–Holland reservierten ihre liebsten Stücke, fünf davon auf diesem Album, für die Four Tops, denn keiner sang so eindringlich wie Levi Stubbs.
Doch Stubbs, der das Gesangsquartett, das über 40 Jahre in gleicher Besetzung zusammenblieb, bereits 1953 in Detroit gegründet hatte, blieb demütig – und nannte sich selbst „keinen besonders tollen Sänger“.
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Copyright: Michael Ochs Archives/Getty Images
15. Al Green – „Call Me“
(Hi, 1973)
Für viele ist Al Greens sechstes Album auch sein bestes. Es zeigt ihn auf der Höhe seiner Kunst – allein der Titelsong ist so reich an Emotion, Sehnsucht und Wärme, Greens Phrasierung schlicht atemberaubend.
Dass Country der Soul des weißen Mannes ist, wird hier noch einmal durch die Wahl der beiden einzigen Fremdkompositionen unterstrichen: Sie stammen von Hank Williams und Willie Nelson.
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Copyright: Michael Ochs Archives/Getty Images
14. Sam Dees – „The Show Must Go On“
(Atlantic, 1975)
Einer der großen Songschreiber des Soul, der in den 60ern furiose Singles aufnahm und später für Gladys Knight und Whitney Houston arbeitete.
„The Show Must Go On“ ist sein einziges Album, wenn man von Compilations und enttäuschendem Spätwerk absieht – aber es nährte seinen Ruhm. Heute zählt der seinerzeit nur Kennern vertraute Dees längst zum Soul-Kanon.
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Copyright: jr
13. Stevie Wonder – „Innervisions“
(Motown, 1973)
Spätestens mit „Music Of My Mind“ (1972) hatte Stevie Wonder die Sound-&-Song-Formel für seine nächsten vier Alben gefunden. Autoren-Soul hieß hier DIY auf allen Ebenen, und auf diesem Konzeptalbum gelang es am besten, weil beiläufigsten.
Die Platte entfaltete ihre Wirkung über Jahrzehnte. Davon zehrt socially conscious R&B bis heute, ohne Wonders Stilpluralismus und Song-Qualitäten je erreicht zu haben.
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Copyright: Charlie Gillett Collection/Redferns
12. Aretha Franklin – „I Never Loved A Man The Way I Love You“
(Atlantic, 1967)
Es braucht wenig, um zu begreifen, warum Franklin bis heute die unangefochtene Soul-Königin ist – und Vergleiche mit ihr etwas bizarr wirken.
Von „Respect“ bis „A Change Is Gonna Come“ singt sie hier in ihrer eigenen Klasse. Die Songs sind allesamt unzerstörbare Klassiker und dauerpräsent im Pop-Gedächtnis.
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Copyright: Michael Ochs Archives/Getty Images
11. Al Green – „Let’s Stay Together“
(Hi, 1972)
Bei den Aufnahmen zum ersten Album, für das Al Green fast alle Songs selbst schrieb, verlangte Produzent Willie Mitchell: „Du musst sanfter singen, flüstern!“
Green aber mochte „Let’s Stay Together“ anfangs nicht, denn der Frauen-verführerklang erschien dem selbst-ernannten „Hurer und Ehebrecher“ zu unmännlich. Doch als der Titelsong in Amerika Nr. 1 wurde, kriegte Al den Schmelz nicht mehr aus der Stimme.
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Copyright: Tony Russell/Redferns
10. Dusty Springfield – „Dusty In Memphis“
(Atlantic, 1969)
Auf Platz 10 das erste weiße Gesicht dieser Liste, und somit die beste Blue-Eyed-Soul-Platte aller Zeiten. Absolut zu Recht! Ich gehe da mit den Pet Shop Boys d’accord, die die späte Springfield noch einmal ins Rampenlicht brachten – als Ehrerbietung gegenüber einer großen Künstlerin. Ich muss immer noch weinen, wenn Dusty mit ihrem „I Don’t Want To Hear It“ die nächste tragische Affäre beendet. Eine ganze Armada von Top-Songwritern, darunter Carol King und Randy Newman, wurden für dieses Experiment aufgeboten, eine Engländerin im Südstaaten-Mekka auf Deepness zu trimmen.
Die Produzenten Arif Marden, Tom Dowd und Jerry Wexler haben genau wie die gigantische Mrs. Springfield ganze Arbeit geleistet. Ein tragisches, emanzipatorisches Meisterwerk.
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Copyright: Express/Getty Images
9. Prince – „Sign O’ The Times“
(Warner, 1987)
Junge liebt Mädchen! Mädchen liebt Jungen! Auch für den Soul sind das ja stets die beiden Basis-
geschichten gewesen. Auch für die Lieder von Prince Roger Nelson. Nur dass man in seinen Liedern häufig nicht weiß, wer gerade der Junge ist und wer das Mädchen. Zum Beispiel in „If I Was Your Girlfriend“, dem Schlüsselstück auf seinem transsexuell-androgyn-polymorph-perversen Meisterwerk „Sign O’ The Times“, auf dem die Erotik, das Begehren, die Ströme der Libido endgültig entkoppelt sind von jeder heterosexuellen oder sonstwie auf Eindeutigkeit zielenden Norm.
Noch toller sind nur die minimalistischen Schlagzeugcomputer-Patterns, über denen Prince und seine Gespielen und -innen ächzen und hecheln und kreischen und quieken und manchmal sogar singen.
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Copyright: David Corio/Michael Ochs Archives
8. Marvin Gaye – „Here, My Dear“
(Motown, 1978)
Ob sie es sich noch anhören kann? Anna Gordy Gaye, Marvin Gayes Ex-Frau, der das Album „Here, My Dear“ (statt der Alimente für den Sohn) 1975 gewidmet wurde, ist über 90 Jahre alt.
Ob sie in den corny lyrics, den Texten über „when two people have to part, sometimes it
makes you stronger“, dem halligen Saxophon, den Keyboardsongs, den kitschigen Background-Vocals noch Reminiszenzen an die schwierige Beziehung mit dem großen Soulsänger finden kann? Das erst 1978 veröffentlichte Doppelalbum ist ein persönliches Konzeptwerk, das seine Themen in Stein gemeißelt auf dem Cover trägt: „Love and marriage, pain and divorce“. Hits gibt es nicht, aber die durchgehend wehmütige Last-call-Discostimmung muss jeder lieben, dem das Herz schon mal brach.
Das Album läuft im rdio-Player.
Copyright: David Corio/Redferns
7. Isaac Hayes – „Hot Buttered Soul“ (Stax, 1969)
Nachdem er 1964 bei der Stax-Hausband Booker T. & The M.G.’s ausgeholfen hatte, etablierte sich Isaac Hayes als Songschreiber für Wilson Pickett und Sam & Dave.
1967 erschien sein Debüt-Album, doch nach dem Tod von Martin Luther King zog sich Hayes zurück: Angeblich war er an dessen Todestag mit ihm verabredet gewesen. 1969 erschien Hayes’ erstes Großwerk: Er adaptierte zwei populäre Easy-Listening-Songs, „Walk On By“ von Burt Bacharach und „By The Time I Get To
Phoenix“ von Jimmy Webb, arrangierte Streicher und Bläser zu langen Instrumentalpassagen und blähte die Schmachtfetzen damit auf 12 respektive 19 Minuten. Mit diesem monströsen orchestralen Album überführte Isaac den Soul in die Sphären der Avantgarde. Dann kam „Shaft“.
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Copyright: Michael Ochs Archives/Getty Images
6. Sly & The Family Stone – „There’s A Riot Going On“
(Epic, 1971)
Im Mai 1971 stellte Marvin Gaye mit seinem Meisterwerk die Frage: „What’s Going On?“ Die Antwort kam ein halbes Jahr später von einem, der schon verloren schien: „There’s A Riot Going On.“
Auf die Attentate, die King und Kennedy auslöschten, das Ende der Bürgerrechtsbewegung und die Radikalisierung durch die Black Panthers hatte Sly Stone zunächst mit dem Sarkasmus von „Thank You (Falettinme Be Mice Elf Agin)“ reagiert. Dann schwieg er, lief desillusioniert mit einem Geigenkoffer voller Drogen durch Los Angeles, bis er sich ohne seine Family im Studio einschloss und mit dieser Totenmesse für die Sechziger wieder herauskam. „Peace, love and happiness“ waren aus seinen Songs verschwunden, die bunte Psychedelia einem dumpfen Sound und dunklen
Funk-Groove gewichen. Das Album läuft im rdio-Player.
Copyright: Michael Ochs Archives/Getty Images
5. Stevie Wonder – „Songs In The Key Of Life“
(Motown, 1976)
1976 war die Zeit endlich reif für ein Opus mag-num von Stevie Wonder. Die Jahre als Kinderstar lagen einige Zeit zurück, er hatte sich als außergewöhnlicher Songschreiber profiliert, mit „You Are The Sunshine Of My Life“ und „Superstition“ echte Megahits geschrieben und seit Anfang der Siebziger mehrere experimentierfreudige, aber etwas erratische Alben veröffentlicht. Nun hatte der Zeitgeist seine Ideen eingeholt, und man lief synchron.
Musikalisch bedeutete das: Fusion und Funk, West-Coast-Songwriting und Brasil-Harmonien, textlich ein wenig Black Consciousness, etwas Peace & Love plus jede Menge Esoterik. Das Ganze mit überbordendem Selbstbewusstsein: Du hörst dem Album vom ersten Ton an an, dass es sich seiner Ausnahmequalität bewusst ist.
Das Album läuft im rdio-Player.
Copyright: Richard E. Aaron/Redferns
4. Al Green – „I’m Still In Love With You“
(Hi, 1972)
Später wurde Al Green ein Mann Gottes. 1974 drang eine Ex-Freundin in des Sängers Wohnung ein, übergoss ihn mit kochender Maisgrütze und nahm sich anschließend das Leben. Green deutete
den Vorfall als Aufforderung des Herrn, sich aufs Wesentliche zu besinnen. Auf seinem 1972er Meisterstück „I’m Still In Love With
You“ aber huldigte Greens Gospel noch ganz den irdischen Freuden und definierte auf formvollendete Weise letztlich den Begriff ‚’Soul‘: als spirituelle Musik über weltliche Belange.
Das Album lebt aber auch vom Genie des Producers Willie Mitchell: Das geniale Pappkarton-Schlagzeug, die schmorenden Orgeln, die samtenen Streicher und punktgenauen Bläser bilden einen wattigen Sound, der allein schon für ein großes Album gesorgt hätte. Simply beautiful.
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3. Otis Redding – „Otis Blue“
(Volt, 1965)
Eine LP mit Untertitel. „Otis Redding Sings Soul“: Nicht bloß Versprechen, sondern Definition mit nahegelegtem Umkehr-schluss – Soul ist, was Otis singt. Darin liegt die Wahrheit dieser Platte. Der Sänger als Souverän bemäch-tigt sich Songmaterials unterschiedlichster Provenienz und unterwirft es mit interpretativer Wucht den ehernen Gesetzen von Stax-Sessions.
Binnen 24 Stunden werden zehn der elf Tracks aufgenommen, nicht in unziemlicher Hast, aber doch einen Zacken zügiger, als es die Cracks gewohnt sind. „Respect“ ist in 20 Minuten arrangiert und mit einem Take im Kasten, Songs von William Bell und Sam Cooke werden höchst expressiv einverleibt, „Satisfaction“ wird annektiert, Keiths Fuzz-Riff autorativ in Bläser-Punch verwandelt, der Stilist zieht sämtliche Register.
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Copyright: Gilles Petard/Redferns
2. Curtis Mayfield – „Curtis“
(Curtom, 1970)
Curtis Mayfield begründete den Autoren-Soul, weil er für sich und seine Band, The Impressions, schon früh die Songs selbst schrieb und ab 1968 bei der eigenen Plattenfirma Curtom veröffentlichte. Als der Vorsänger der Bürgerrechtsbewegung einmal auf seine Verdienste zurückblickte, rührte ihn „der Gedanke an die Sechziger fast zu Tränen. Weil wir Soulmusiker die Welt veränderten und Grenzen überwanden. Dabei gewesen zu sein ist mehr, als man verlangen kann.“ Erfahrungen und Bewußtsein der Unterpriviligierten bündelte sein Solodebüt „Curtis“.
Nie groovte Systemkritik sinnlicher und stolzer. Damit bezauberte er auch Radikale wie den Agit-Rapper Chuck D von Public Enemy: „Er war eine Stimme der Vernunft und des Protestes.“
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1. Marvin Gaye – „What’s Going On“
(Motown, 1971)
Im Gegensatz zum Listenwesen der Pop- und Rockhistorie singt der Soul-Kanon seit Jahrzehnten ein und dieselbe Platte an die Spitze. Zu Recht. Aber woran liegt das? Sicherlich nicht bloß am bis Ende der 60er-Jahre im Soul eher nebensächlichen Album-Format, das Marvin Gaye hier so meisterhaft erfüllt. Atmosphärisch düster, schlaff, heavy und spirituell entrückt, ist „What’s Going On“ vom upliftenden, hitfixierten Motown-Sound der 60er-Jahre Lichtjahre entfernt. Spätestens 1970 hatte sich Gaye von seiner Rolle als Hit-Lieferant („I Heard It Through The Grapevine“) und Motown’s most charming man distanziert, um sich zurückzuziehen und die soziale Realität eines Amerika im Umbruch künstlerisch zu reflektieren.
Dafür musste auch ein neuer Sound her, den Gaye am besten selbst produzierte und Motown-Chef Berry Gordy erst gar nicht veröffentlichen wollte. Und das, obwohl es für Gayes Progressive Soul bereits mächtige Vorläufer gab. Schon 1969 hatte Isaac Hayes auf „Hot Buttered Soul“ Hit-Material und orchestral-funkige Jams zu psychedelischen Exkursionen ausgedehnt. Und mit seinem Solo-Debütalbum von 1970 war Curtis Mayfield ein Meilenstein des Seventies Soul gelungen, der kaum zu toppen war: Orchester-Arrangements und sozialer Realismus, tiefer Soul und leichte Lieder, die losen Enden ausufernder Percussion und das Gerüst kompositorischer Disziplin kamen hier zusammen. Im Zweifelsfall hat „Curtis“ sogar mehr gute Songs als „What’s Going On“ aufzubieten. Aber weder „Curtis“ noch Stevie Wonders „Innervisions“ besitzen die konzeptuelle und ästhetische Kohärenz von „What’s Going On“. Die Platte ist tatsächlich ein waschechtes Konzeptalbum, weil sie das alteuropäische Ideal der organischen Totalität verwirklicht.
Das Album läuft im rdio-Player.
Copyright: Gilles Petard/Redferns
Wie in den großen Werken der klassischen Musik ist das „große Ganze“ noch im kleinsten Teil enthalten. Man hört das bei Gayes Meisterwerk ganz deutlich, das im Grunde nur aus drei bis vier Songs besteht, die soundtrackartig variiert und neu arrangiert, ausgedehnt oder komprimiert werden. Das wäre auch die Quintessenz von Prog, wie sie von den Beatles auf „Sgt. Pepper“ durchexerziert wurde und dank deren Popmusik zur „ernsthaften Kunstform“ avancieren konnte. In diese Entwicklung reiht sich nun ein Soul-Album ein, das fortan und für immer die Seriosität afroamerikanischer Popmusik belegen kann. Der Clou ist, dass die anspruchsvolle Progressivität der Musik flankiert wird von einem bis dato bei Motown unbekannten Klartext – oft aufbereitet in dialogischer Kommunikation. What’s going on? Nichts Schönes, sogar die Apokalypse steht vor der Tür. Darauf können große Teile der Welt bis heute einsteigen. Die Nr. 1 im Soul wird sich nie ändern.
Copyright: jmh
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