100. Mary J. Blige. „Ich kann z.B. eine Nummer mit Elton John aufnehmen oder ‚One‘ mit U2, ich kann mit Method Man oder aber Jay-Z arbeiten – und niemand fragt: ‚Warum macht sie das?‘“, sagt Mary J. Blige. „Und das kommt daher, dass ich genau weiß, wer ich bin und was ich will“, sagt sie ohne falsche Bescheidenheit.
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U2, ich kann mit Method Man oder aber Jay-Z arbeiten – und niemand fragt: ‚Warum macht sie das?‘“, sagt Mary J. Blige. „Und das kommt daher, dass ich genau weiß, wer ich bin und was ich will“, sagt sie ohne falsche Bescheidenheit. „What’s The 411“, Bliges Duett mit dem jungen Sean „Puffy“ Combs von 1992, läutete mit seiner Mischung aus New-Jack-Attitüde und Old-School-Emotionen und -Songhandwerk eine neue R&B-Ära ein. Sie ist die wahre Erbin von Aretha Franklin“, sagte Sting, ein weiterer euphorischer Duett-Partner.
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99. Steven Tyler. Steven Tyler hat seine eigene Theorie davon, wie das mit dem Singen irgendwann losging: „Es muss gewesen sein, als der erste Primat beim Sex stöhnte“, sagt er. „Ich bin überzeugt, dass die Leidenschaft der Stimme daher rührt.“ Tyler singt kaum eine Zeile ohne lüsternes Grinsen oder Augenzwinkern – manchmal überdeutlich („Love In An Elevator“), manchmal subtiler („Walk This Way“).
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Im Lauf seiner fast vier Jahrzehnte als Frontmann von Aerosmith hat er definiert, wie ein Hardrock-Leadsänger zu klingen hat. „Es ist schwer, den Sänger von der Person zu trennen“, sagt Aerosmith-Gitarrist Joe Perry. „Man braucht Persönlichkeit, um ein Frontmann zu sein.“ Die hat Tyler reichlich, und zudem – hinter allem Kreischen, Quietschen, Knurren und Stöhnen – ein unfehlbares Gefühl für Intonation.
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„Wie schon Tony Bennett sagte: ‚Ohne Herz wär’s keine Kunst‘“, sagt Tyler. „Ich trage mein Herz auf der Zunge.“ Geboren: 26. März 1948. Wichtigste Songs: „Sweet Emotion“, „Dream On“, „Walk This Way“. Inspiration für: David Lee Roth, Axl Rose.
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98. Stevie Nicks. Die nachgeborene Sheryl Crow nennt Stevie Nicks’ Stimme eine „Kombination aus schierer Verletzlichkeit und Power“, und Courtney Love schwärmt von „diesem unfassbar schönen Ton“. Nicks’ starke, auch verwirrend wandlungsfähige Stimme – mal heiser, mal warm, mal samten, mal kindlich – verlieh sanft-mysteriösen Fleetwood Mac-Songs von „Rhiannon“ bis „Dreams“ oder auch ihren Solo-Rockern wie „Stand Back“ Textur und Farbe.
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„Sie ist ja sehr klein, und dann kommt da diese große, tiefe Stimme raus, das finde ich sehr sexy“, sagte Debbie Harry von Blondie.
Stevie Nicks beeinflusste und förderte zahllose jüngere Sängerinnen aus ganz verschiedenen Genres – vom Country der Dixie Chicks bis zum lieblichen Pop von Vanessa Carlton.
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„Ihre Stimme beruhigt mich“, sagt Love, „gibt mir ein Ziel und macht mich mutig.“ Geboren: 26. Mai 1948. Wichtigste Songs: „Landslide“, „Dreams“ (Fleetwood Mac), „Stand Back“ (solo). Inspiration für: Natalie Maines, Sarah McLachlan, Courtney Love.
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97. Joe Cocker. „Er überführte den Einfluss von Ray Charles in den Rock’n’Roll“, sagt Steve Van Zandt. Cockers Stimme kombiniert auf unnachahmliche Weise die Liebe zum Soul mit einer packenden Gefühlstiefe: Der englische Northerner lud Charles’ raukehligen Gesang mit Rock’n’Roll-Attitüde auf.
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Und wenn er mit ihnen fertig war, dann waren sie es manchmal auch.
Geboren: 20. Mai 1944. Wichtigste Songs: „With A Little Help From My Friends“, „You Are So Beautiful“, „Feelin’ Alright“, „Cry Me A River“. Inspiration für: Bryan Adams, Brian Johnson.
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96. B.B. King. „Die Schönheit bei B.B. liegt darin, dass sein Gitarrenspiel letztlich eine Verlängerung seiner Stimme ist“, sagt Derek Trucks von der Allman Brothers Band, ein langjähriger King-Fan. „Er verkörpert: Durchhalten, Durchkommen, den Mut behalten. Ohne die geringste Bitterkeit. Wenn er singt, steigt die Stimmung. Es ist erhebend.“
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Die Töne, die King aus seiner Gitarre Lucille quetscht, sind so scharf und spitz, dass die aus seinem Mund leicht übersehen werden. Dabei brachte B. B. King einen ganz neuen Nuancenreichtum in den Blues-Gesang, vom geschmeidigen Ton früher Balladen wie „You Know I Love You“ bis zum gepeinigt heiseren „The Thrill Is Gone“ von 1969.
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Nicht zu vergessen auch das herzhafte Gebrüll seiner explosiven Version von „Every Day I Have The Blues“, live aufgenommen 1965 im Regal Theatre in Chicago. Geboren: 16. September 1925. Wichtigste Songs: „The Thrill Is Gone“, „Everyday I Have The Blues“, „Early In The Morning“, „Ain’t Nobody Home“. Inspiration für: Eric Clapton, Ben Harper
95. Patti La Belle. Wenn Patti LaBelle etwas singt, dann ist es automatisch over the top – von ihren Hits Anfang der 60er Jahre mit den Bluebells über die politisierenden 70er-Jahre-Aufnahmen mit ihrem Spacefunk-Trio LaBelle – wozu 1975 auch der French-Quarter-Funk von „Lady Marmalade“ gehörte – bis hin zu ihren Soloalben der letzten Jahrzehnte.
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Sie hat ganze Generationen von Soul-Sängern inspiriert (ein junger und noch unbekannter Luther Vandross war der erste Vorsitzende ihres Fanclubs), und sie liebt das Scheinwerferlicht über alles, aber sie hatte es immer auch verdient, mit ihrer immensen Energie, ihrer absoluten Kontrolle. Wenn Patti LaBelles Stimme im kirchenhaft tiefen Register köchelt, dann weiß man:
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Gleich schnellt sie nach oben und bläst alle um. „Sie lässt Songtexte lebendig werden“, sagt Produzent Kenny Gamble. „Und heute noch, nach all diesen Jahren, erreicht sie Noten, die selbst manchen Opernstars zu hoch sind.“ Geboren: 24. Mai 1944. Wichtigste Songs: „On My Own“, „If Only You Knew“ (solo), „Lady Marmalade“ (mit LaBelle). Inspiration für: Alicia Keys, Christina Aguilera
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94. Karen Carpenter. Karen Carpenters eher spießiges Image und ihr deprimierendes Schicksal (sie starb 1983 an Magersucht) ha-ben ihre schokoladig-sahnige Stimme überschattet. Aber ihre Kollegen wissen Bescheid: Elton John nannte sie „eine der größten Stimmen unserer Zeit“, und Madonna sagte, sie selbst sei „schwer beeinflusst von Karens harmonischen Gespür“.
Unglaublich facettenreich und fast schockierend intim, waren Carpenters Performances eine neue Art Balladengesang.
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Auf Understatement basierend und auf winzigen Nuancen, die einem noch bei der kitschigsten Ballade das Gefühl gaben, sie blicke einem direkt in die Augen. Und trotzdem hören sie viele eher heimlich. „Karen Carpenter klang toll“, gab John Fogerty dem Rolling Stone gegenüber einmal zu.
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„Aber wenn wir als Jungen zu dritt auf dem Sportplatz waren und einer summte einen Song der Carpenters, dann haben ihm die anderen die Hose runtergezogen.“ Geboren: 2. März 1950 (gestorben 4. Februar 1983). Wichtigste Songs: „Close To You“, „Goodbye To Love“, „We’ve Only Just Begun“. Inspiration für: Sheryl Crow, Kim Gordon
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93. Annie Lennox. „Jeder in meinem Alter, der MTV einschaltete und dort Annie Lennox ‚Sweet Dreams‘ singen sah, war schlag-
artig fasziniert“, sagt Rob Thomas. „Oder wie sie ‚Walking On Broken Glass‘ sang – das hatte irren Soul.‘“ Lennox verbindet eine langjährige Liebe zu Motown mit einer geradezu opernhaft mächtigen Stimme, kristallin im Ton und doch heißblütig.
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Mit den Eurythmics brachte sie R&B in den New Wave, und als Solistin kreierte sie eine Art New-Age-Soul mit schimmernden Synths, Bläserlicks und, vor allem, vielen Schichten ihrer Stimme. „Annie ist unglaublich vielseitig“, sagt Rob Thomas. „Sie kann wie ein schöner Engel klingen – oder als würde sie Glas gurgeln.
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Ein großer Sänger ist jemand, der dich dazu bringt, zu glauben, was er sagt. Und Annie glaubt man immer.“
Geboren: 25. Dezember 1954. Wichtigste Songs: „Sweet Dreams (Are Made Of This)“, „Here Comes The Rain Again“ (Eurythmics), „Why“ (solo). Inspiration für: Beth Gibbons, Sinéad O’Connor, Duffy.
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92. Morrissey. Als er Morrissey zum ersten Mal das spitzzüngige „Girl-friend In A Coma“ der Smiths singen hörte, sagt Bono von U2, „hätte ich fast einen Autounfall gebaut und selber im Koma gelegen. Dazu ist er imstande“. Und damit wurde er zur New-Wave-Ikone, mit den Smiths und als Solist. Morrissey singt manieriert, ironisch, bisweilen bewusst feminin, mit einer Phrasierung, die mehr an einen Smoking tragenden Jazz-Crooner denken lässt als an einen Rocksänger.
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Geboren: 22. Mai 1959. Wichtigste Songs: „How Soon Is Now“, „William, It Was Really Nothing“, „What Difference Does It Make?“ (The Smiths), „Irish Blood, English Heart“ (solo). Inspiration für: Thom Yorke, Brandon Flowers, Colin Meloy (The Decemberists).
91. Levon Helm. Text von Jim James: Die Stimme von Levon Helm hat etwas, was in all unseren Stimmen steckt. Es ist alterslos, zeitlos und ohne bestimmte Hautfarbe. Manchmal hat er eine unglaubliche Tiefe und Emotion – und dann singt zwischendurch irgendetwas schlicht Spaßiges. Nachdem Papa Garth Hudson ja nicht wirklich sang, empfand ich immer Levon als die gesangliche Vaterfigur in The Band. Er wirkt stark und selbstbewusst, eben wie ein Vater, der einen nach Hause ruft oder auch mal ausschimpft.
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Das Schöne am Gesang von Richard Manuel war oft dieses Gefühl von Schmerz und Dunkelheit, das bei ihm mitschwang. In Rick Dankos Stimme steckte auch viel Melancholie, aber er konnte auch albern sein. Aber Levons Stimme, die ist wie ein robustes altes Bauernhaus.
Das Beste an Levon Helm ist seine Vielseitigkeit – da ist der Klang, den seine Stimme den üppigen Harmonies der Band gab, aber er konnte es bei Songs wie „Yazoo Street Scandal“, „Don’t Tell Ya Henry“, „Up On Cripple Creek“ …
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… oder „Rag Mama Rag“ auch richtig krachen lassen. Dann wieder schuf er kurze zarte Momente wie in „Whispering Pines“. Und in „The Weight“ hat er eine der tollsten Gesangsperformances der Popmusik hingelegt. Geboren: 26. Mai 1940
Wichtigste Songs: „The Weight“, „The Night They Drove Old Dixie Down“
Inspiration für: Jeff Tweedy, Lucinda Williams.
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90. The Everly Brothers. Angefangen bei den Beatles und Simon & Garfunkel steht so ziemlich jede Band, für deren Sound der mehrstimmige Gesang wichtig ist, in der Schuld der Everly Brothers. Ihre Hits der 50er und 60er Jahre wirkten ruppig und rein zugleich: Als Art Garfunkel die Everlys zum ersten Mal hörte, „lernte ich, dass jede Silbe leuchten kann. Sie waren Burschen aus Kentucky mit wunderschönen, makellos intonierten Harmonies und großartiger Diktion.
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UNITED KINGDOM – SEPTEMBER 22: ROYAL ALBERT HALL Photo of Don EVERLY and Phil EVERLY and EVERLY BROTHERS, L-R: Phil Everly and Don Everly performing live onstage at reunion concert (Photo by Pete Cronin/Redferns)
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„Aber wenn dann Don in den Bridges dieser Songs seine Solos sang, mein Gott, das nahm einen mit. Es war brillant.“ Geboren: Don Everly, 1. Februar 1937; Phil Everly, 19. Januar 1939. Wichtigste Songs: „Bye Bye Love“, „When Will I Be Loved“, „Crying In The Rain“. Inspiration für: The Beatles, Simon & Garfunkel.
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89. Solomon Burke. Weil Solomon Burke nie ein Crossover-Hit gelang, wurde der „King Of Rock And Soul“ nie ganz so berühmt wie andere aus der goldenen Zeit des Soul. Aber er konnte mit seiner dramatischen, sonoren, von seiner Zeit als blutjunger Prediger geschulten Stimme zwischen R&B, Pop, Country und Gospel hin und her wechseln wie sonst niemand. „Meine Großmutter sorgte dafür, dass wir ganz unterschiedliche Musik kennenlernten, und das ist mir geblieben“, sagt Burke.
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Er erhielt einen Grammy und lang überfällige Anerkennung. Und Tracks wie „Everybody Needs Somebody To Love“ sind heute fester Bestandteil des Soul-Kanons. „Er ist Solomon, der Resonator“, hat Tom Waits gesagt, „die goldene Stimme des Herzens, der Weisheit, des Soul und der Erfahrung.“
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König Solomon selbst sagt: „Ich versuche einfach, mich so schnell wie möglich zu bewegen – in so viele Richtungen wie möglich und so lange ich kann.“ Geboren: 21. März 1940. Gestorben: 10. Oktober 2010. Wichtigste Songs: „Everybody Needs Somebody To Love“, „Cry To Me“, „Just Out Of Reach“. Inspiration für: Mick Jagger, Van Morrison.
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88. Willie Nelson. Sein gesangliches Geheimnis ist seine außergewöhnliche Phrasierung – Jazz-Trompeter Wynton Marsalis beschrieb sie als „völlig unvorhersehbar, aber sie wirkt poetisch und ganz und gar logisch“. Und Dwight Yoakam nennt Nelson den „avantgardistischsten Country-Sänger aller Zeiten“.
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87. Don Henley. Seine legendär heisere Stimme holte sich Don Henley in seiner frühen Band The Speeds, in der er bei College-Konzerten in Texas einen R&B-Hit nach dem anderen bellen musste: „Die Jungs im Publikum wollten halt James Brown, Wilson Pickett, Otis Redding; das waren die Sachen, die ich lernen musste“, sagte Henley. „Aber jeden Abend vier Stunden lang solche Songs – da wurde ich heiser. Ich versuchte, kratzig zu klingen, bis meine Stimme weg war.“
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Jahre später gab dieses Kratzen seinem geschmeidigen Tenor die gewisse Spur Weltschmerz, die Eagles-Klassiker wie „Hotel California“ von 1976 ebenso prägte wie seine Solohits, etwa „The Boys Of Summer“ von 1984. „Er hat eine ganz besondere Stimme, die uns allen ein Rätsel ist“, sagte J.D. Souther, der viele Eagles-Hits schrieb oder mitschrieb.
„Für mich ist er einer der großen Bluessänger unserer Generation.“
Geboren: 22. Juli 1947.
Wichtigste Songs: „Hotel California“, „Desperado“ (Eagles), „The Boys Of Summer“ (solo)
Inspiration für: Bruce Hornsby, Sheryl Crow, Garth Brooks.
86. Art Garfunkel. „Er hat einen sehr reinen, wohlklingenden Tenor, und man kann ihn letztlich mit niemandem vergleichen“, sagt James Taylor über Art Garfunkel, der auf eine sehr lyrische Art singt und dabei immer ganz unan-gestrengt wirkt. Er brachte etwas Liebliches in seinen Harmoniegesang mit Paul Simon, ein Staunen, eine Zartheit, die Simons Songs prägte und die zu den Hoffnungen der späten 60er Jahre passte.
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„Ich suche eine kontrollierte Schönheit“, sagt Garfunkel – ein Ideal, das er als Kind bei Größen wie Enrico Caruso gehört hatte. „Diese Arien… Ich mag Songs mit einem extremen Höhepunkt.“ Die Beschreibung passt auch auf einige seiner Solohits, „All I Know“ (1973) oder „I Only Have Eyes For You“ (1975).
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„Ich singe gern ganz vom Herzen her“, sagt Garfunkel. „Man versucht, als Person authentisch zu sein, samt dem Zweifeln, Staunen und Geheimnis, das zum Leben gehört.“
Geboren: 5. November 1941. Wichtigste Songs: „Bridge Over Troubled Water“, „Scarborough Fair/Canticle“ (Simon And Garfunkel), „All I Know“ (solo)
Inspiration für: Cat Stevens, James Taylor
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85. Sam Moore. „Du musst etwas reinpacken, was sie zum Tanzen bringt“, sagte Sam Moore, eine Hälfte des Sixties-R&B-Duos Sam And Dave. Er hatte eine kratzige Stimme mit enormem Umfang – ganz honigsüßer Soul und derber Sex, Waschzuberbass-Blues und kantiger Rock. 1961 lernte er seinen damals genauso wenig erfolgreichen Kollegen Dave Prater in der R&B-Clubszene von Miami kennen.
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Gemeinsam schufen die beiden energetische Klassiker wie „Soul Man“ und „Hold On, I’m Comin‘“. Und selbst bei solchen Krachern, sagt Gitarrist Steve Cropper, habe sich Moore noch zurückgehalten: „Es gab einen Dynamik-Unterschied zwischen Sam und Dave, und ich glaube, Sam musste sich ein bisschen drosseln.“ Das Duo trennte sich 1981.
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Moore veröffentlichte vor zwei Jahren sein erstes Solo-Album seit über 35 Jahren, mit Gastauftritten von Sting und Bruce Springsteen.
Geboren: 12. Oktober 1935. Wichtigste Songs: „Soul Man“, „Hold On, I’m Comin‘“, „Part Time Love“. inspiration für: Al Green, Teddy Pendergrass, Bruce Springsteen.
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84. Darlene Love. Der Name von Darlene Love tauchte bei ihrem ersten Hit gar nicht auf („He’s A Rebel“ wurde 1962 den Crystals zugeschrieben statt Loves eigener Gruppe von Sessionsängerinnen, den Blossoms). Doch ihre Stimme war alles andere als anonym. Bei Phil-Spector-Produktionen wie „Wait ’Til My Bobby Gets Home“ glänzte ihr rauchiger, im Kirchenchor geschulter Alt mit einer ungewöhnlichen Mischung aus Stärke und demütigem Verlangen …
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Ein einzigartiges Instrument, robust genug, um über Spectors Wall Of Sound zu hechten. Bette Midler nannte Darlene Love „eine der großartigsten Popstimmen überhaupt“, und Love selbst sagt, vor allem zwei Songs zeigten ihre Bandbreite am besten: „,(Today I Met) The Boy I’m Gonna Marry‘ ist eine Ballade, bei der ich flehe …
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… da hört man das Weiche in meiner Stimme. Dagegen ist ‚Christmas (Baby Please Come Home)‘ schiere Kraft.“ Geboren: 26. Juli 1941. Wichtigste Songs: „He’s A Rebel“, „Christmas (Baby Please Come Home)“, „He’s Sure The Boy I Love“
inspiration für: Cher, Cyndi Lauper.
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83. Patti Smith. Für den Teenager Michael Stipe war Patti Smith von allen Sängerinnen die großartigste. Ihre Stimme, sagte er, „war kein bemühtes, perfektes Noten-Crescendo. Sondern ein heulendes, wildes Biest.“ In Songs wie „Gloria“ und „Land“ ließ Smith das Biest von der Leine, verband klassische R&B-Songs mit ihrem ureigenen, wild poetischen Knurren, Stöhnen, Lallen.
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„Sie klang einfach total guttural“, erinnerte sich Stipe. „Wie Körpergeräusche, die man von sich gibt.“ Den Weg für diese vokale Anarchie hatte Grace Slick geebnet, sagt Smith selbst: „Sie verschaffte uns die Erlaubnis, ein ganz neues Level von Stärke und Intelligenz mitzubringen. Sie schuf einen Raum, den andere dann ausloten konnten.“
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Patti Smith gab das weiter: „Ihr ganzer Habitus besagte, dass jeder das kann“, sagte Stipe. „Ich nahm das wörtlich. Ich dachte: ‚Wenn sie singen kann, dann kann ich es auch.‘“
Geboren: 30. Dezember 1946. Wichtigste Songs: „Gloria“, „Rock N Roll Nigger“, „Because The Night“. inspiration für: Chrissie Hynde, PJ Harvey, Cat Power.
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82. Tom Waits. Seine Stimme habe „die Sanftheit von Barry White, aber die Knurrigkeit eines Berglöwen“, sagt HipHop-Produzent RZA über Tom Waits. Sanftheit? Das leuchtet vielleicht nicht sofort ein, doch auf seinen frühen Solo-LPs wie „Closing Time“ (1973) und „The Heart Of Saturday Night“ (1974) war Waits wirklich mehr Hoagy Carmichael denn wildes Tier und sang mit einem jazzigen Schmelz, der nur leicht kiesbedeckt war.
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Auf „Rain Dogs“ (1985) und „Bone Machine“ (1992) wurden seine Songs dann düsterer und schräger, mehr Dada als Schubidu – genau wie seine Stimme. Heute gehört sie zu den dramatischsten Instrumenten des Pop, ein tiefes, narbiges Bellen, halb Karnevalsgauner, halb knackendes Feuer.
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Aber er kann auch die Balladen – man höre „House Where Nobody Lives“ auf „Mule Variations“ von 1999. „Er hat ein bisschen was von James Brown“, sagt Rickie Lee Jones, „und sehr viel von Louis Armstrong.“ Geboren: 7. Dezember 1949. Wichtigste Songs: „New Coat Of Paint“, „Downtown Train“, „Dirt In The Ground“. Inspiration für: Nick Cave, James Hetfield, Isaac Brock (Modest Mouse).
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81. John Lee Hooker. Text von Bonnie Raitt. Alles, wovon einen die Eltern als Teenager fernhalten wollten – all das konnte man in der Stimme von John Lee Hooker hören. Alles, was man an der Nacht liebt, an Liebe und Verlangen, Sex und Vergeltung, all diese Seiten von uns sollte der Blues wachrufen.
Seine Stimme umfasst so viele Emotionen – kein anderer Bluessänger hatte eine solche Farbpalette. Sie war so verführerisch wie unheilvoll. Schmerz, Trotz, Angriffslust, Zorn – all diese Emotionen waren bei John irre intensiv, und das ist es letztlich, was uns zum Blues zieht.
Am liebsten mochte ich seinen Schrei. Diesen tiefen, etwas finsteren Ton, der die andere Seite seines Gesangs umso eindringlicher wirken ließ.
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Sein Ton war gewichtig. Dazu die Brille, der Anzug… Aber er hatte auch so eine verschmitzte Qualität, und die konnte man hören, wenn er lachte. Er lachte ja viel auf der Bühne, weil er so gern spielte. Vor allem bei den Boogie-Stücken wechselte er schnell wie Quecksilber von finster zu fröhlich.
Wir waren schon seit 1969 befreundet, von daher traf mich völlig unerwartet, wie überwältigend es dann war, von Angesicht zu Angesicht mit ihm zu singen.
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Bei „In The Mood“ für sein Album „The Healer“. Ich hatte nie eine stärkere erotische Anziehung bei einem Gesangspartner erlebt. Die Macht seiner Stimme spülte mich einfach weg. Und ich war ja eine erwachsene Frau, aber am Ende zitterte ich buchstäblich und hatte Schweißausbrüche. Wäre ich Raucherin, ich hätte danach mehr als eine Zigarette gebraucht.
Am tollsten fand ich seinen Gesang, wenn er mich anrief und mir am Telefon vorsang, manchmal eine Stunde lang.
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John Lee Hooker, vocal, performs at the North Sea Jazz Festival in the Hague, the Netherlands on 15 July 1990. (Photo by Frans Schellekens/Redferns)
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80. Frankie Valli. 1962 krachte ein Song namens „Sherry“ aus den amerikanischen Kurzwellenradios, gesungen in einem so unwirklich präzisen, mühelosen Falsett, dass viele glaubten, so etwas müsse ein One-Hit-
Wonder bleiben.
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„Frankie Valli wurde zu einem stimmlichen Meilenstein unserer Generation“, sagte Barry Gibb von den Bee Gees. „Er schuf einen Stil, den wir alle nachempfinden wollten.“ Geboren: 3. Mai 1934. Wichtigste Songs: „Sherry“, „Walk Like A Man“, „Can’t Take My Eyes Off You“
inspiration für: Billy Joel, The Beach Boys, The Bee Gees.
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79. Mariah Carey. Wie sie Melismen beherrscht, die ganzen virtuosen Schnörkel, mit denen sie seit „Vision Of Love“ ihre Hits garniert, inspirierte die ganze Castingshow-Schule (was natürlich ein zweifelhafter Erfolg ist) und praktisch jede andere R&B-Sängerin seit den 90er Jahren. Aber Technik allein macht noch keine Hits, die verdankt sie wohl mehr noch ihrer Ausstrahlung.
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Ergebnis: mehr Nummer-eins-Hits in den USA als jede andere Solistin, nämlich bisher 18. Geboren: 27. März 1970. Wichtigste Songs: „One Sweet Day“, „Vision Of Love“, „Fantasy“
Inspiration für: Brandy, Christina Aguilera.
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78. Sly Stone. „Sly war definitiv cool“, sagt Gnarls Barkleys Sänger Cee-Lo. Von der Konzeption übers Songwriting bis zu den Arrangements wirkte Sly Stones Funk so revolutionär, dass man leicht übersieht, was für ein bemerkenswerter Sänger er war. Cee-Lo weiter: „Manchmal schien er sich überhaupt keine Mühe zu geben, und dieses Selbstvertrauen hat etwas sehr Attraktives.“ Stone erzeugte als Sänger radikal verschiedene Stimmungen:
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vom wilden Überschwang („Dance To The Music“) zur umnebelten Isolation von „There’s A Riot Goin’ On“, die aber nicht weniger mitreißend war. „Er begann als eine Art Cheerleader“, sagt Ahmir „?uestlove“ Thompson von den Roots, dann zog er den ‚Zauberer von Oz‘-Vorhang zurück und enthüllte eine einsame Muschel von Mensch.“
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Larry Graham, der Bassist der Family Stone, sagt, Stones Gesang habe sich ständig verändert: „Wir waren nie überrascht, wenn er mal wieder großartige Vocals aufnahm.“ Geboren: 15. März 1943.
Wichtigste Songs: „Everyday People“, „Thank You (Falletinme Be Mice Elf Agin)“, „Family Affair“). Inspiration für: Prince, George Clinton.
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77. Merle Haggard. Sein tougher und dabei doch sanfter Bariton war in den 60er und und 70er Jahren der Inbegriff von Country Music, vom stur attackierenden „Okie From Muskogee“ oder „The Fightin’ Side Of Me“ bis zum soften Schmelz von „Silver Wings“ und „If We Make It Through December“. „Seinem poetischen Genie kommen nur zwei Dinge gleich“, sagt Dwight Yoakam: „sein Gesangstalent und seine konkurrenzlose Stimme.“
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Haggard schuldet natürlich viel den Country-Altvätern Jimmie Rodgers und Lefty Frizzell; wenn er aber seine charkteristischen tiefen Töne singt, dann erinnert er an den Southern-Soul-Sänger Brook Benton. Etwa bei „Threw Away The Rose“: In diesem Stück kommt einer der tiefen Töne direkt aus dem Nichts und ergänzt die tiefe Verzweiflung der Lyrik.
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Besonders Haggards späte Alben sind von beschwingter Traurigkeit angesichts des Verrinnens der Zeit.
Geboren: 6. April 1937.
Wichtigste Songs: „The Fugitive“, „The Bottle Let Me Down“, „Mama Tried“
Inspiration für: Gram Parsons, Dwight Yoakam.
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76. Steve Perry. Abgesehen von Robert Plant gibt es keinen Rocksänger, der Steve Perry auch nur annähernd das Was-
ser reichen konnte“, sagt Randy Jackson, Juror bei „American Idol“ und früher als Bassist mit Perry bei Journey. „Die Power, die Höhe, der Ton – er hatte einen ganz eigenen Stil.
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Ein bisschen Motown, ein bisschen Everly Brothers, ein bisschen Zeppelin.“
Perry war zehn, als er Sam Cookes „Cupid“ im Auto seiner Mutter hörte und auf der Stelle beschloss, Sänger zu werden. Zuerst sang er im College-Chor, dann stieg er mit 28 bei Journey ein und bewies sich schnell als Melodramatiker mit viel Tremolo und viel Hall. Millionen Fans waren begeistert, die Kritiker allerdings rümpften die Nase. Doch seine Technik (die hohen Töne!), sein reiner Ton und seine leidenschaftliche Ernsthaftigkeit sind unbestreitbar.
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„Er liebt es und lebt dafür“, sagt Jackson. „Ich habe ihn erst kürzlich gehört, und die goldene Stimme ist immer noch da.“ Geboren: 22. Januar 1949. Wichtigste Songs: „Oh Sherrie“, „Don’t Stop Believin’“, „Open Arms“. Inspiration für: Chris Daughtry, Chad Kroeger.
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75. Iggy Pop. Er bezog seine Inspiration von den fleischlichsten Momenten von Mick Jagger, Elvis Presley und Jim Morrison, wuchs zur vokalen Naturgewalt bei den Stooges und erfand den bissigen Gesangsstil des Punk. „Gesang als Reizstoff – darauf kam ich durch Mick Jagger“, sagte Iggy dem Rolling Stone. „Wenn er sang, das war das Gegenteil von nett.“
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Aber Iggy war nicht nur ein Provokateur: In seiner weniger exaltierten Arbeit nach den Stooges-Songs – vom Bowie-produzierten Album „The Passenger“ bis hin zu seinem 1990er Hit „Candy“ – entspannte sich nach und nach sein Bariton und wurde schließlich zu einem vollen, anrührenden Schmachten. „Iggy hat eine sehr männliche Stimme, sehr sexuell, sehr emotional, sehr heftig, sehr schräg – mit viel Humor“, sagt Chrissie Hynde.
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„Er begann als wildes Fohlen, und er entwickelte sich zu einem wilden Hengst.“
Geboren: 21. April 1947
Wichtigste Songs: „Search And Destroy“,
„I Wanna Be Your Dog“, „Lust For Life“. Inspiration für: Jack White, Johnny Rotten, Nick Cave.
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74. James Taylor. „Ja. ich möchte die Töne schon treffen“, sagte James Taylor dem Rolling Stone 2008. „Ich will schön singen.“ Dafür hat er aber auch die klassische amerikanische Stimme – klar, ohne Vibrato, kuschelig wie ein Kaminfeuer. „Man darf sich von James’ Understatement nicht täuschen lassen“, sagt David Crosby. „So schön seine Stimme ist – eine Performance wie ‚Fire And Rain‘ hat nichts Sanftes, da hört man einen Mann, der Höhen und Tiefen durchlebt hat.“
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LONDON, UNITED KINGDOM – APRIL 27: Portrait of American folk rock musician James Taylor, photographed at Kensington Garden Hotel in London while promoting his new album Before This World, on April 27, 2015. (Photo by Joby Sessions/Guitarist Magazine via Getty Images)
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Und dabei schadet es nicht, finde ich, dass er als Songwriter in der Liga von Lennon und McCartney, Dylan und Joni Mitchell spielt. Einer der ganz, ganz Großen.“ Geboren: 12. März 1948
Wichtigste Songs: „Fire And Rain“, „Sweet Baby James“, „You’ve Got A Friend“
Inspiration für: Jack Johnson, Garth Brooks.
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73. Dolly Parton. Sie beschreibt ihre Stimme mit typischer Selbstironie als „Kreuzung aus Tiny Tim und Ziege.“ Andere freilich empfinden ihr kindliches Trillern und ihre ganze beseelte Art als überschäumend, freudig, herzzerreißend – und manchmal alles in einem Lied.
hre Bandbreite umfasst Fingerpicking-Folk („Coat Of Many Colors“), bittersüße Balladen („I Will Always Love You“), klassischen Country („My Tennessee Mountain Home“) und Mainstream-Pop („9 To 5“). „Jeder Song hat seine eigene Aussage, seine eigene Dynamik und Tonlage“, sagt sie. „Alles, was ich tue, ist: auf den Text hören und ihn dann gesanglich umzusetzen. Wie ein Schauspieler, der eine Szene spielt.“ Parton hat so unterschiedliche Sängerinnen wie Whitney Houston und Jessica Simpson geprägt. Le Ann Rimes: „Durch Dolly wurde mir klar, dass es unendlich viele Möglichkeiten gibt, mit der Stimme zu kommunzieren.
Geboren: 19. Januar 1946
Schlüsselsongs: „Jolene“, „I Will Always Love You“, „9 To 5“
Beeinflusste: Shania Twain, Natalie Maines,
Copyright: sf/js
72. Toots Hibbard. Bonnie Raitt nennt Reggae-Pionier Toots Hibbert „einen der druckvollsten und originellsten Soulsänger überhaupt“ – und liebt seinen „ruppigen, klassischen Stil.“ Ende der 60-er Jahre nahm Hibbert mit seiner Band, den Maytals, klassische Singles wie „Sweet And Dandy“ und „Monkey Man“ auf, die gleich mehreren Ska-Revivals die Blaupause lieferten – und dem Jamaikaner wohlverdiente Vergleiche mit Otis Redding eintrugen.
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„In 100 Jahren“, sagt Hibbert, „wird man meine Songs immer noch spielen, weil es logische Texte sind, mit denen sich die Leute identifizieren können.“ In der Tat hielt er sich nicht mit allzu komplexem Material auf: In „Pressure Drop“ werden immer dieselben fünf Zeilen wiederholt.
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Aber seine stärkste Performance ist vielleicht „54-46 Was My Number“, Hibberts Erinnerung an einen kurzen Gefängnisaufenthalt. Der Beweis, dass erstklassiger Soul nicht vom amerikanischen Festland kommen muss.
Geboren: 8. Dezember 1942. Wichtigste Songs: „Funky Kingston“, „Monkey Man“, „Pressure Drop“. Inspiration für: Joe Strummer, Robert Palmer.
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71. John Fogerty. Das jecke Jaulen, das „Green River“ und „Proud Mary“ und andere Spät-Sechziger-Hits von Creedence Clearwater Revival zum Brennen brachte, war weder „born on the bayou“, noch besaß John Fogerty seinen ungehobelten Bariton von Natur aus. „1964 spielte ich regelmäßig in einem Club und hatte immer einen Kassettenrecorder dabei“, erinnert er sich.
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„Ich schnitt den ganzen Abend mit, und hinterher hörte ich es mir an und versuchte dem Klang, den ich im Kopf hatte, jeden Tag ein Stück näherzukommen.“ Fogerty versuchte Bluessänger wie Howlin’ Wolf und Bo Diddley zu imtieren, die er in seiner Heimatstadt El Cerrito, Kalifornien, im Radio gehört hatte. „Als Junge ging mir eben irgendwann auf, dass die Sachen, die mir gefielen, sehr viel gefährlicher waren als die, die meine Eltern mochten“, sagt er.
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„Es war dieser bedrohliche Sound.“ Den John Fogerty bis heute mit gutturalem, markigem Bellen auf seinen Solo-Platten fortführte. Geboren: 28. Mai 1945. Wichtigste Songs: „Bad Moon Rising“, „Fortunate Son“, „Proud Mary“
Inspiration für: Bob Seger, Ronnie Van Zandt, John Mellencamp
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70. Gregg Allman. Für Gregg Allman führen alle Wege zu Ray Charles: „Als ich ihn hörte, wusste ich sofort: Das ist das Ziel in meinem Leben“, so Allman, der als Junge die R&B-Platten nachsang, die er in seiner damals noch von Rassentrennung geprägten Heimat-stadt Daytona Beach in Florida hörte. „Ray lehrte mich, dass man sich einfach entspannen und alles rauslassen muss. Wenn du es in deiner Seele hast, dann kommt es auch heraus.“
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Sein klagender Gesang erblühte bei Allman-Brothers-Klassikern wie „It’s Not My Cross To Bear“ oder „Whipping Post“. Dwight Yoakam führt Allmans Tradition des weißen Blues bis auf Hank Williams zurück: „Es ist nicht nur der afroamerikanische Einfluss in seiner Stimme, sondern vor allem ihre Country-Seite“, sagt Yoakam.
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„Man könnte ‚Midnight Rider‘ nehmen und es zum ‚Lovesick Blues‘ spielen.‘“ Und schon auf seinen frühesten Aufnahmen, sagt Sheryl Crow, „klang er, als hätte er schon 1000 Leben gelebt“. Geboren: 8. Dezember 1947. Wichtigste Songs: „Midnight Rider“,
„Whipping Post“
Inspiration für: Ronnie Van Zandt.
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69. Ronnie Spector. Gestützt von der wildromantischen Produktion ihres zukünftigen Gatten Phil Spector, wurde Veronica „Ronnie“ Bennett durch ihren messerscharfen Gesang bei den Ronettes zu einer der Stimmen der frühen Sechziger. Ihr Stil prägte NachfolgerInnen von Patti Smith über Joan Jett bis zur E Street Band. Steve Van Zandt wuchs mit dem Sound von Hits wie „Be My Baby“ auf, aber die wahre Kraft von Ronnie Spector erreichte ihn erst später:
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„Das war, als Marty Scorsese mir und Bruce einen Film vorführte, den er gerade gedreht hatte, ‚Mean Streets‘“, erklärt Van Zandt. „Ich dachte nur: ‚Wow!‘“ So wie Scorsese „Be My Baby“ eingesetzt hatte, kamen die Unschuld und das erotische Versprechen in Ronnie Spectors Stimme voll zur Geltung.
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Später wurde Van Zandt ihr Produzent. „Da war ich ein bisschen zu ehrfürchtig“, sagt er rückblickend. „Ich wollte gar nichts zu ihrer Stimme dazutun. Ich wollte einfach nur sie hören.“ Geboren: 10. August 1943. Wichtigste Songs: „Be My Baby“, „Baby I Love You“, „Walking In The Rain“
Inspiration für: Joey Ramone, Patti Smith.
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68. Wilson Pickett. Wenn Wilson Pickett schrie, dann schrie er Noten“, sagte Produzent Jerry Wexler mal. „Seine Stimme hat-te die Kraft einer Motorsäge, aber sie geriet nie außer Kontrolle. Sie war immer melodisch.“ Pickett setzte seinen prägnanten Schrei bei seinen 38 Single-Hits oft als krönenden Höhepunkt ein. „Den spürst du kommen“, sagte er selbst, „aber du hältst ihn zurück, bis der Moment genau passt.“
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Man nannte ihn „The Wicked Pickett“ und den „Midnight Mover“ – Pickett war der harte Kerl des Soul. Seine Klassiker wie „In The Midnight Hour“ (1965) und „Mustang Sally“ (1966) brachten ungekannte Vehemenz in den ohnehin temperamentvollen R&B.
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Picketts guter Freund Solomon Burke vermerkt allerdings, dass Pickett noch eine andere Qualität hatte. „Wilson konnte einen Ton so lange halten, bis du ihn gespürt hast“, sagt Burke. „Er brachte dich zum Zuhören.“ Geboren: 18. März 1941 (gestorben 19. Januar 2006). Wichtigste Songs: „In The Midnight Hour“, Land Of 1.000 Dances“, „Mustang Sally“. Inspiration für: Bob Seger, Bruce Springsteen.
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67. Jerry Lee Lewis. Nur wenige Künstler gingen mit einer solchen Vehemenz auf den Gesang los wie Jerry Lee Lewis, einer der wesentlichen Zünder des Rock’n’Roll-Urknalls in den Fünfzigern. So perkussiv er in seine Tas-ten hämmerte, so konnte er auch sei-ne Stimme in ein reines Rhythmusinstrument verwandeln. Er zerfetzte die Texte in Wörter und Silben, in eine Art Nonsens-Staccato, bis er wie im religiösen Wahn in Zungen zu sprechen schien.
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„Evangelikal“, nennt es Steve Van Zandt. Lewis konnte zudem mühelos von Rockabilly-Shouter auf klassischen Countrysänger umschalten und hatte acht Nummer-eins-Hits in den amerikanischen Country-Charts. „Er bringt mich durcheinander, so gut ist er“, sagt Art Garfunkel.
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„Er hat einen Mordsspaß. Und er ist eine totale rhythmische Einheit mit dem Klavier, sein Groove ist göttlich. Da bleibt einem der Mund offen.“ Geboren: 29. September 1935.
Wichtigste Songs: „Great Balls Of Fire“, „Whole Lotta Shakin’ Goin’ On“, „Breathless“. Inspiration für: Elton John, Kid Rock, John Fogerty.
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66. Thom Yorke. Von allen Sängern der Neunziger gehört Thom Yorke mit seiner intensiven Stimme zu den einflussreichsten. Hoch, klagend, oft an der Grenze zum Falsett – man hörte das später auf den Alben von Coldplay, Travis, Muse, Elbow und vielen anderen. „Ich hab versucht, wie Thom Yorke zu singen“, sagte Chris Martin von Coldplay einmal dem ROLLING STONE.
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„Man konnte den Radiohead-Einfluss bei uns deutlich spüren.“ Nur Yorke selbst „konnte meinen Klang nicht mehr ertragen“ – und erfand seine Stimme ab „Kid A“ (2000) komplett neu. Mit elektronischen Tricks, und durch die Betonung „der Spannung zwischen dem, was menschlich ist, und dem, was von den Maschinen kommt“, verwandelte er seine Stimme in ein scheinbar körperloses Instrument.
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Songs wie „Everything In Its Right Place“ klingen wie zerhackte Funksprüche aus einer fernen Galaxie. Geboren: 7. Oktober 1968. Wichtigste Songs: „Fake Plastic Trees“, „Paranoid Android“, „Everything In Its Right Place“. Inspiration für: Chris Martin, Jim James My Morning Jacket), Fran Healy, Tom Chaplin (Keane).
65. David Ruffin. Laut Motown-Urvater Berry Gordy hatte jeder einzelne der fünf Temptations das Zeug zum Leadsänger. Aber David Ruffin ragte doch mit Abstand am meisten heraus. Ganz anders als sein Partner, Eddie Kendricks mit der En-gelsstimme, sang Ruffin jedes Wort wie ein Flehen – Schmerz und Verzweiflung durchdrangen seine Lead-Vocals bei „Ain’t Too Proud To Beg“, „(I Know) I’m Losing You“ oder „I Wish it Would Rain“.
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„Seine Stimme hatte so eine Art königlichen Zorn, das sprach die Leute auf ganz verschiedenen Ebenen an“, sagt Daryll Hall, der in den Achtzigern für kurze Zeit mit Ruffin aufnahm und auch auftrat. „In seiner Stimme hörte ich eine Stärke, die meiner eigenen Stimme fehlte“, sagte Marvin Gaye.
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Und: Ruffins Gesang habe ihn daran erinnert, „dass viele Frauen, wenn sie Musik hören, die Kraft von einem richtigen Mann spüren wollen.“ Geboren: 18. Januar 1941 (starb am 1. Juni 1991). Wichtigste Songs: „Ain’t Too Proud To Beg“, „My Girl“, „Walk Away From Love“.
Inspiration für: Hall And Oates, Michael Jackson, Rod Stewart
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64. Axl Rose. Axl singt wunderschöne Melodien extrem aggressiv – und dazu mit ei-nem irren Stimm-umfang“, sagt Se-bastian Bach. „So einen haben ungefähr fünf Leute auf der ganzen Welt.“ Slash beschrieb den Rose-Sound etwas anders: Er klinge wie „das Geräusch, das ein Kassettenrekorder macht, wenn die Kassette den Geist aufgibt und das Band rausgerissen wird“, sagte er einmal.
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„Nur in der richtigen Tonhöhe“. Man erkennt diese Stimme jedenfalls sofort, brachial und brutal, aber zugleich von einer Subtilität, die im Getöse von Guns N’ Roses leicht überhört wird. Balladen wie „Patience“ und „November Rain“ beweisen erstaunliche Intimität, Verletzlichkeit gar.
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Doch vor allem sein furchterregendes Kreischen ist es, am besten auf den Punkt gebracht in „Welcome To The Jungle“, das einem durch Mark und Bein geht, auch heute noch, über 20 Jahre später.
Geboren: 6. Februar 1962. Wichtigste Songs: „Sweet Child O’ Mine“, „Paradise City“, „November Rain“
Inspiration für: Josh Todd (Buckcherry), Sebastian Bach.
63. Dion. Art Garfunkel beschreibt ihn als „kühn und extrovertiert“. Und Steve Van Zandt hört sogar „das höhnische Grinsen des Punk“ in seinen Songs der späten Fünfziger und frühen Sechziger wie „The Wanderer“. Dion kam in der Bronx zur Welt und wurde eine Schlüsselfigur im Übergang von Doo-Wop zu Rock’n’Roll: Er verkörperte die Rebellion der weißen Jungs – und sang seine Texte mit einem beiläufigen Swing, der sich selbst vor Sinatra nicht zu verstecken brauchte.
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Schwergewichte wie Presley, Dylan, Lennon oder Springsteen waren Fans seines draufgängerischen Stils. Aber Dions Lieblingskompliment kam aus noch berufenerem Mund: Bei einer Fernseh-Aufzeichnung nahm ihn die Mutter von Little Richard, Leva Mae, beiseite und sagte:
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„Bist du der Junge, der ‚Ruby Baby‘ singt? Mein Sohn, du hast Soul!‘“. Geboren: 18. Juli 1939
wichtigste songs: „A Teenager In Love“, „The Wanderer“, „Runaround Sue“, „Abraham, Martin And John“. Inspiration für: Lou Reed, Paul Simon, Bruce Springsteen.
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62. Lou Reed. „Lou Reed hab ich besser drauf als jeder andere“, prahlte Reed einst auf der Bühne. Wohl nur halb im Spaß – in der Tat kommt keine Stimme im Rock seiner gleich, dieser angriffslustigen Mischung aus trockener Intonation und tougher New Yorker attitude. Und sie passt perfekt zu den dunklen, freizügigen Songs über Sex, Drogen und verlorene Seelen, die er für The Velvet Underground und seine Soloalben schrieb.
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„Ich vermeide Blues-Wendungen, weil ich die nicht kann“, sagte Reed dem ROLLING STONE 1989. „Und ich bemühe mich nicht um einen aufgesetzten Akzent.“ Aber hinter Reeds ätzendem Talking-Blues steckt eine tiefe Liebe zum R&B und Doo-Wop der Fünfziger.
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Als Teenager hörte er Vocal-Bands wie die Paragons im Radio – Einflüsse, die man in seinen romantischeren Songs wie „Perfect Day“ deutlich erkennt. Geboren: 2. März 1942.
Wichtigste Songs: „Satellite Of Love“ (solo), „I’m Waiting For The Man“, „Venus In Furs“ (The Velvet Underground). Inspiration für: Julian Casablancas, David Bowie, Patti Smith.
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61. Roger Daltrey. Was für ein toller Sänger Roger Daltrey ist, begreift man erst so richtig, wenn man es selber mal versucht“, sagt Wayne Coyne von den Flaming Lips, der mit seiner Band 2008 bei den „Rock Honors“ für The Who ein „Tom-my“-Medley spielte. Vom angstvollen Stottern in „My Generation“ bis zum markerschütternden Schrei von „Won’t Get Fooled Again“ – die Who-Stimme zählt zu den gewaltigsten Instrumenten des Rock.
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„Es ist ein sehr seltsamer Prozess“, sagt Daltrey. „Deswegen schließe ich auch die Augen beim Singen – ich bin woanders, und die Charaktere leben in mir.“. Geboren: 1. März 1944. Wichtigste Songs: „My Generation“, „I Can See For Miles“, „Pinball Wizard“, „Won‘t Get Fooled Again“
Inspiration für: Ian Gillan (Deep Purple), Robin Zander (Cheap Trick), Eddie Vedder.
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60. Björk. Wenn man mit dem Flugzeug in Island landet, dann fühlt man sich wie an einem magischen Ort. Vielleicht sind es die aktiven Vulkane, vielleicht ist es der getrocknete Fisch, aber irgendwas geht da vor sich: Lauter schöne Menschen, und alle scheinen sie zu singen. Die isländischen Sänger sind allen anderen meilenweit voraus – insbesondere Björk. Ihre Stimme ist total spezifisch, sie brachte eine völlig neue Farbe ins Spiel.
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Björk könnte das Thema der „Sesamstraße“ singen, und es würde magisch klingen.Ich hab sie durch das Video zu „Big Time Sensuality“ kennen gelernt. Und „Homogenic“ packte mich dann richtig, vor allem weil der Gesang da so viel Raum hat. Auf dem Album gibt’s Beats und Streicher, aber es ist musikalisch nicht sehr „voll“ –also ist sie allein für die Dynamik zuständig. Es gibt doch von Dulux so einen Katalog mit allen Farben, die man kaufen kann: So ist Björks Stimme. Sie kann alles.
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In unserem Studio hängen an den Wänden Bilder unserer Lieblingskünstler: Mozart, Jay-Z, PJ Harvey – und Björk. Geboren: 21. November 1965
Wichtigste Songs: „Birthday“ (Sugarcubes), „Army Of Me“, „Human Behaviour“. Inspiration für: Thom Yorke, Jónsi (Sigur Rós).
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59. Rod Stewart. Der kieskehlige Crooner, der so viel Soul in den Rock & Roll der 70er brachte, verließ mit 15 die Schule und arbeitete in einer Druckerei. „Ich hatte dieses kleine Transistorradio, neben dem ich schlief“, erinnert sich Stewart. „Ich hörte die ganzen schwarzen Sänger aus Amerika – Sam Cooke, Otis Redding, Blueser wie Howlin‘ Wolf und Muddy Waters.
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Das war eine neue Welt für mich. So wollte ich auch singen können.“ Seine Bemühungen resultierten später in schmachtenden Balladen wie „Maggie Mae“ oder „Tonight’s The Night (Gonna Be Alright)“ ebenso wie in Stones-verwandten Rockern wie „Stay With Me“ (mit den Faces) und „Hot Legs“.
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Wenig später übertrugen Sänger wie Paul Westerberg und Chris Robinson von den Black Crowes das Rodsche Raspeln in den Punk der Achtziger und den Rock’n’Roll der Neunziger. Geboren: 10. Januar 1945. Wichtigste Songs: „Maggie Mae“, „Tonight’s The Night (Gonna Be Alright)“, „Downtown Train“
Inspiration für: Chris Robinson, Melissa Etheridge.
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58. „Ich wusste schon, dass sie wirklich was kann „, sagte Herbie Hancock über seine Zusammenarbeit mit der fähigsten Vokalistin des Teen-Pop im Jahr 2005. „Aber dass sie so gut singt, wusste ich nicht. Ich war platt.“ Christina Aguilera hatte schon als Kinderstar (mit elf trat sie in „Star Search“ auf) die Finesse und die Power einer Blues-Queen.
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Und schon zur Zeit ihres Debüthits „Genie In A Bottle“ orientierte sie sich bei ihrem dramatischen, melismenreichen Stil an Old-School-Soulheldinnen wie Etta James; das Ergebnis dieser Bemühungen brachte sie schließlich mit dem Song „Beautiful“ von 2002 zu voller Blüte.
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Ausgerechnet Patti Smith beschrieb Aguileras Liveversion von James Browns „It’s A Man’s Man‘s Man’s World“ bei den Grammys 2007 als „eine der besten Performances, die ich je gesehen habe. Ich saß da und sah mir das an, und am Ende sprang ich unwillkürlich von meinem Sitz auf. Es war umwerfend.“ Geboren: 18. Dezember 1980. Wichtigste Songs: „Genie In A Bottle“, „Beautiful“, „Ain’t No Other Man“
Inspiration für: Danity Kane, Kelly Clarkson.
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57. Eric Burdon. Von allen Sängern der British Invasion hatte Eric Burdon eindeutig die physisch imposanteste Stimme. „Groß und dunkel“, sagt Steve Van Zandt, sei sie ihm vorgekommen, als er sie 1964 zum ersten Mal hörte – „Eric erfand das Genre des tief singenden Weißen.“ Auch Steven Tyler von Aerosmith registrierte Burdons enormes Register, als er zum ersten Mal „The House Of The Rising Sun“ hörte: „Ich dachte: ‚Aha!
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Man fängt also den Song eine Oktave tiefer an, damit man den Schluss dann eine Oktave höher flambieren kann.‘“ Nach seinen Hits mit den Animals („It’s My Life“, „Don’t Let Me Be Misunderstood“) bewies Burdon in seiner Zeit mit der schwarzen Band War, dass er Seventies-Funk genauso drauf hatte, etwa beim glühenden „Spill The Wine“ oder ihrer schwer souligen Version von „Tobacco Road“.
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Geboren: 11. Mai 1941.
Wichtigste Songs: „The House Of The Rising Sun“, „We Gotta Get Out Of This Place“, „It’s My Life“ (The Animals), „Spill The Wine“ (War). Inspiration für: Jim Morrison, Iggy Pop, David Johansen.
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56. Mavis Staples. Als Anfang der Siebziger die R&B-Hitserie der Staple Singers losging, do-minierte Mavis Staples mit ihrem geschmeidigen Alt schon zwei Jahrzehnte lang den Sound ihrer Gospel-Familienband – und wurde auch zur Stimme der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung. Für ein weltliches Publikum zu singen war ihr zuerst unbehaglich. Jedoch, erklärte ihr ihr Vater Roebuck „Pops“ Staples:
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Die Leute in den Clubs kommen nicht in die Kirche. Also bringen wir die Kirche zu ihnen.“ Es funktionierte: Kein anderer Popstar sang je mit einer so reinen Gospeltechnik – man höre die himmlische Staples-Version von „The Weight“ im Film „The Last Waltz“. Bob Dylan beschrieb 2001 seine erste Begegnung mit ihrem Gesang:
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„Ich hatte einfach eine Gänsehaut, als ich das hörte. Ich meine, das war wie: ‚Genau, so ist die Welt.‘“ Geboren: 10. Juli 1939. Wichtigste Songs: mit den Staple Singers: „I’ll Take You There“, „Respect Yourself“, „Let’s Do It Again“
Inspiration für: Prince, Pointer Sisters, Amy Winehouse
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55. Paul Rodgers. „Seine Stimme ist so tough und maskulin“, sagt Alison Krauss, die schon als ein kleines Mädchen für Paul Rodgers schwärmte, „er könnte genauso gut mit einer Pistole in der Hand singen.“ Mit seiner kehligen, dabei makellos kontrollierten Röhre war Rogers dazu geboren, zu fetten Gitarren zu singen, und das tat er auch immer wieder – vor allem natürlich mit den Rock-Pionieren Free und dann mit der Siebziger-Hitmaschine Bad Company.
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Von „All Right Now“ bis „Can’t Get Enough“ ist seine Mischung aus Macho-Bluespower und melodischem Gespür ein bis heute gültiger Maßstab für Hardrock-Frontmänner. Freddie Mercury (den er jetzt bei Queen vertritt) und Ronnie Van Zandt von Lynyrd Skynyrd waren bekennende Rodgers-Fans.
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„Er steht mit seiner Stimme für eine ganz bestimmte Sorte Mann“, sagt Krauss. „Schwerarbeiter, extrem männlich, extrem sexy.“
Geboren: 17. Dezember 1949. Wichtigste Songs: „All Right Now“ (Free), „Bad Company“, „Can‘t Get Enough“ (Bad Company)
Inspiration für: Ronnie Van Zandt, Lou Gramm, Brian Johnson
54. Luther Vandross. Kein anderer Sänger ließ die Top 40 so schmerzhaft intim klingen wie Luther Vandross. „Singen erlaubt mir, alle in mir verborgenen Geheimnisse auszudrücken“, sagte Vandross einmal. Als Youngster kniete er vorm Altar von Aretha Franklin, Dionne Warwick und Diana Ross; dann ackerte er sich durch die Siebziger, indem er von Burger King-Reklame bis hin zu Sessions mit David Bowie (auf „Young Americans“) so ziemlich alles sang.
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Bis er schließlich zum dominierenden R&B-Sänger seiner Ära aufstieg. Sein warmer, satter Ton bei Hits wie „Never Too Much“ definierte den Soul in den Jahren zwischen Disco und HipHop und beeinflusste eine Generation von Vokalisten – nicht zuletzt Mariah Carey, die bei ihrem Duett mit Vandross (einem Cover von „Endless Love“) zunächst starr vor Angst war: „Das war einschüchternd, neben ihm zu stehen“, sagt sie.
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„Luther war unvergleichlich mit seinem samtig, sanften Ton.“ Geboren: 20. April 1951. Wichtigste Songs: „Never Too Much“, „Superstar“, „A House Is Not A Home“. Inspiration für: Alicia Keys, John Legend.
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53. Muddy Waters. Text von Ben Harper. Wenn Muddy Waters sang, dann legte er seinen Körper und seine ganze Energie in die Stimme. Es ist für einen bestimmten Sound wichtig, dass man seinen ganzen Körper reinpackt, sonst trifft man den Ton nicht. Man muss alles geben. Muddy war diesbezüglich absolut souverän – und absolut furchtlos. Ich hab ihn zum ersten Mal als Kind gehört, im Musikladen meiner Eltern.
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Sein Bariton stach immer heraus – nicht nur unter anderen Bluessängern, sondern überhaupt unter allen Stimmen und Stilen. Die eine LP, die ich buchstäblich kaputtspielte, war „Hard Again“. Diese Platte läuft schon mein ganzes Leben lang auf Repeat. Daneben noch „Electric Mud“ – das war meine Referenz, als ich mein Album mit den Blind Boys Of Alabama aufnahm.
Kürzlich spielte ich „Hoochie Coochie Man“. Ich geb’s gleich zu:
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Mein Ansatz bei diesem Song war, die bestmögliche Muddy-Waters-Imitation hinzukriegen. Es gibt keinen Grund, allzuweit von seiner Vorlage abzuweichen.
Ein Song wie „Mannish Boy“ ist für den Blues, was „Purple Haze“ für den Rock ist. Auf eine Art ist das HipHop, bevor es HipHop gab.
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Es packt einen an der Gurgel. Wenn dich das nicht bewegt, dann möchte ich wissen, was dich überhaupt bewegt.
Geboren: 4. April 1915 (gestorben am 30. April 1983). Wichtigste Songs: „Got My Mojo Working“, „Mannish Boy“, „I‘m Your Hoohie Coochie Man“. Inspiration für: Mick Jagger, Robert Plant.
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52. Brian Wilson. Mitte der Sechziger war Brian Wilson der ultimative Songwriter für Vokalisten – er übersetzte den kalifornischen Traum in Lieder für Mike Love und seinen Bruder Carl, die Leadsänger der Beach Boys. Aber oft genug sang Brian selbst mit seinem hellen Tenor die oberste Stimme ihrer glockenhellen Chöre.
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Und diese Magie war bei Brians Solokonzerten und auf seinem jüngsten Album „That Lucky Old Sun“ immer noch intakt.
Geboren: 20. Juni 1942
Wichtigste Songs: „In My Room“, „Don‘t Worry Baby“, „Caroline, No“.
Inspiration für: Elton John, David Crosby, Ben Folds.
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51. Gladys Knights Rat für angehende Sangesgrößen: „Just sing the song and say the words.“ Sie selbst kombiniert, beispielsweise bei „Midnight Train To Georgia“ oder auch „Neither Of Us (Wants To Say Goodbye)“, elegan-te Pop-Präzision mit purer Soulpower und geht jeden Song beeindruckend ernsthaft an – nur improvisieren mag sie nicht:
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Als „Midnight Train“ am Schluss noch ein paar rockige vokale Steigerungen brauchte („I got to go…“), da sang ihr Bruder Poppa, Mitglied ihrer berühmten Begleitband The Pips, die Variationen live auf ihren Kopfhörer, und sie selbst setzte sie auf ihre unnachahmliche Art um. Mariah Carey schwärmte in ihrer Laudatio bei Knights Aufnahme in die Rock’n’Roll Hall Of Fame:
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„Man kann von ihr lernen wie aus einem Lehrbuch. Man hört sie singen und wünscht sich, man könnte auch mit so viel Ehrlichkeit und Gefühl kommunizieren.“ Geboren: 28. Mai 1944.
Wichtigste Songs: „I Heard It Through The Grapevine“, „Neither Of Us“, „Midnight Train To Georgia“. Inspiration für: Mariah Carey, Jill Scott.
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Nicht zu vergessen: Scott Walker
Er ist kein George Jones, kein Genie der Phrasierung und der stimmdehnenden Eloquenz. Das Auswringen von Silben bis zum letzten Tropfen Emotion hätte in seiner Musik auch nie Entsprechung gefunden. Nein, das gefühlige Intonieren ist Scott Walker fremd. War es schon, als er noch Scott Engel hieß und Teenpop sang, Rockabilly, Surf und Beat.
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Unpopuläre gesangliche Maßnahmen. Der hochnotgepeinigte, traumatisierte Ausdruck, den Walker für den schieren Horror von „The Drift“ fand, ein nicht-lineares Werk über schwärende Wunden der Weltgeschichte, überstrapazierte noch mehr Hörer, ließ Fans fassungslos und Kritiker hilflos zurück. Der Preis unbedingter Aufrichtigkeit: Scott Walker hat ihn oft bezahlt.
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Nicht zu vergessen: Phil Lynott. Die Stimme hat ihm Gott geschenkt. Aber was Philip Parris Lynott, dieser große irische Romantiker und Hasardeur, mit dieser Stimme machte, wie er mit ihr spielerisch die Akkorde umgarnte, mal zurückfallend, dann wieder vorauseilend, mit natürlicher Dominanz – das erinnerte an die große Kunst der Verführung. Songs waren bei Lynott immer Geschichten:
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In den besten von ihnen deklinierte er als eine Art Ein-Mann-Ensemble die Charaktere durch. So gibt er in „Mexican Blood“ zunächst mit festem Timbre der aufrecht stolzen Mexikanerin eine Stimme, wird dann mit flehentlichem Barmen zum liebeskranken Verehrer, um schließlich die virile Roheit und unerbittliche Härte des Gesetzeshüters zu mimen.
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Am Ende liegt das Mädchen tot im Staub, ein Happy End gab es bei diesem Mann weder im Leben noch in der Kunst. Lynott war kein Schauspieler, wie Bowie einer ist. Wenn er von Glücksrittern, Trinkern und Verzweifelten sang, sang er immer vor allem über: Phil Lynott. Und der trug sein Herz auf der Zunge.
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50. Bonnie Raitt. „Viele Jahre konnte ich meine Stimme einfach nicht ausstehen“, gesteht Bonnie Raitt. „Da war für mein Empfinden nicht genug Substanz oder Erfahrung, um die tiefen Gefühle zu transportieren, die ich eigentlich ausdrücken wollte.“ Doch mit Songs wie dem wütenden „Love Me Like A Man“ (1972), in denen sie verschiedenste Einflüsse – von Ray Charles und Joan Baez bis Muddy Waters (und Musicalstar John Raitt, ihr Vater) – verarbeitete …
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wurde Bonnie Raitt bald selbst zu einer Blues-Größe. Als 1989 „Nick Of Time“ und 1991 „Luck Of the Draw“ erschienen, hatten sich ihre stimmlichen Ambitionen endlich erfüllt, was man vor allem in herzzerreißenden Balladen wie „I Can’t Make You Love Me“ hören konnte.
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„Ich denke nicht groß darüber nach, wie ich etwas singen soll“, sagt sie heute. „Ich drücke einfach aufs Gas und sause los.“ Geburtstag: 8. November 1949.
Wichtigste Songs: „Nick of Time“, „I Can’t Make You Love Me“, „Angel From Montgomery”, „Love Me Like a Man“
inspiration für: Norah Jones, Sheryl Crow, Dixie Chicks.
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49. Donny Hathaway. Donny Hathaway ist bereits seit 1979 tot, doch sein warmer, geschmeidiger Soul war noch nie so lebendig wie heute. Sein Name fällt in Songs von aktuellen Künstlern wie Amy Winehouse, Nas, Com-mon und Fall Out Boy („What A Catch, Donnie“), und Justin Timberlake nennt „(Another Song) All Over Again“ auf seinem Album „FutureSex/LoveSounds“ „meine Hommage an Donny Hathaway”.
Warum der Gesang dieses Mannes modernen Pop- und Soulsängern immer noch gefällt, ist nicht schwer zu hören. Hathaway fühlte sich mit ruhigen Balladen („The Closer I Get To You“) ebenso wohl wie mit rollendem Funk („The Ghetto“). Er war ein Meister der Koloratur (übertrieb es aber nie damit) und wickelte seine rauchige Stimme virtuos um weibliche Duettpartner wie Roberta Flack.
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Kein Wunder also, dass Justin Timberlake ihn zum „besten Sänger aller Zeiten“ kürte. Geburtstag: 1. Oktober 1945 (gestorben: 13. Januar 1979). Wichtigste Songs: „The Ghetto, Pt. 1“, „Where Is The Love“
Inspiration für: Alicia Keys, R. Kelly, John Legend, Justin Timberlake
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48. Buddy Holly. „Er hatte diese einmalige, absolut perfekte Mischung aus altem Hillbilly und neuem Rock ’n’ Roll“, findet Singer/Songwriter Joe Ely. „Und dazu kam genau die richtige Portion Country, um dem Ganzen eine Heimat zu geben.“ Ely ist in Hollys Geburtsstadt Lubbock in Texas aufgewachsen, was ihn besonders empfänglich für Hollys charakteristische Hickser und andere Zeichen von Bodenständigkeit machte.
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„Jeder in der Stadt schien damals eine Garagenband zu haben, die ‚That’ll Be the Day’ und ‚Peggy Sue’ spielte“, so Ely. Auch jenseits des Atlantik in Großbritannien versuchten die späteren Beatles und Rolling Stones einen Gesangsstil zu emulieren, wie er amerikanischer (und deutlicher von Holly inspiriert!) nicht sein konnte.
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„Ich sah Buddy Holly zwei oder drei Tage vor seinem Tod“, erzählte Bob Dylan dem US-Rolling Stone. „Er war fantastisch. Einfach unglaublich.“ Geburtstag: 7. September 1936 (gestorben: 3. Februar 1959). Wichtigste Songs: „That’ll Be the Day“, „Rave On“, „Not Fade Away“. inspiration für: John Lennon, Paul McCartney, Mick Jagger
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47. Jim Morrison. Der Unterschied zwischen Jim Morrison und Elvis Presley, meint Patti Smith, „liegt darin, dass Elvis sich nicht immer so wichtig nahm. Ich glaube nicht, dass man das von Jim sagen kann.“ Dennoch war Morrison, der sich an Frank Sinatra mindestens ebenso orientierte wie an Presley, zu unerwarteter Behutsamkeit imstande: Auf „People Are Strange“ und „Light My Fire“ lässt er seinen Bariton schweben und erhebt die Stimme zu kaum mehr als einem zarten Flüstern. Ausnahmen bestätigen die Regel, denn normalerweise ging es bei Morrison mehr um Sex und große Posen.
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Am häufigsten und wohl auch liebsten spielte er die Rolle des ruppigen Roadhouse-Bluesers, wirkte aber ebenso überzeugend, wenn er durch mythische Traumwelten reiste („Riders On The Storm“) oder im Suff eine Frau aufriss („L.A. Woman“). Er konnte den waidwunden Crooner ebenso überzeugend mimen wie den wild animalischen Eroberer. Beinahe jede Zeile, die er sang, wirkte wie ein hingebungsvoller Tanz auf des Messers Schneide.
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Und auf dem härtesten Song der Doors, „Break On Through (To The Other Side)“, nahm seine unkontrollierte Aggression beinahe die Wutausbrüche des Punk vorweg. „Aufregend, sinnlich, kraftvoll und experimentell“ findet denn auch Perry Farrell den Mann, dessen Einfluss bis heute spürbar ist. Geburtstag: 8. Dezember 1943 (gestorben: 3. Juli 1971).
Wichtigste Songs: „Light My Fire“, „Break On Through (To The Other Side)“, „L.A. Woman”
inspiration für: Iggy Pop, Ian Astbury, Eddie Vedder.
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46. Patsy Cline. Patsy Clines heiserer Alt verhalf ihr Anfang der 60er Jahre zu Hits wie „Crazy“, „I Fall To Pieces“ und „Sweet Dreams (Of You)“ und machte sie zum ersten Country-Star, der ernsthaft in Pop-Gefilden wilderte – was ihr später, von Dolly Parton bis Faith Hill, viele nachmachten. Für Lucinda Williams ragte Clines Stimme ohnehin weit über alle Genregrenzen hinaus:
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„Ihr Stil mag vordergründig Country sein, aber wie sie ihre Songs präsentierte, das ist eher klassischer Pop. Das unterschied sie auch von Leuten wie Loretta Lynn oder Tammy Wynette. Man könnte fast glauben, sie hätte eine klassische Ausbildung genossen.“ LeAnn Rimes hat Clines Technik ihr ganzes Leben studiert:
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„Ich weiß noch, dass mein Vater mal sagte, ich solle darauf achten, wie sie eine Geschichte erzählt. Wenn sie sang, kamen bei mir mehr Gefühle hoch als bei jeder anderen Sängerin.“
Geburtstag: 8. September 1932 (gestorben: 5. März 1963) Wichtigste Songs: „I Fall To Pieces“, „Walkin’ After Midnight“, „Crazy“. Inspiration für: Loretta Lynn, Linda Ronstadt, k.d. lang.
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45. Kurt Cobain. Kurt Cobains Raspelstimme schwappte im Jahre 1991 aus dem Rock-Untergrund direkt in die Charts – und übertrug die Wut und Frustration des Punk in gefällige-re Popgesang mit höchst memorablen Melodien. Der Mann konnte wimmern, flehen oder sich heiser schreien – und blieb dabei trotzdem stets in der richtigen Tonart. (Man höre zum Beispiel das elektrisierende Geheul in Nirvanas „Stay Away“ aus dem Album „Nevermind“.)
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Jonathan Poneman von Nirvanas Plattenfirma Sub Pop fiel an Cobains Stimme als erstes auf, dass sie „emotional so vielseitig war“. Hinter der schieren Kraft lag indes eine subtilere Rauheit, die sich nicht zuletzt aus Blues und Folk speiste.
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Patti Smith hielt seine Interpretation des Leadbelly-Songs „Where Did You Sleep Last Night“ für „einfach überwältigend – wenn er singt ‚I will shiver‘, spürst du, wie er zittert, bis ins Mark hinein.“
Geburtstag: 20. Februar 1967 (gestorben: 5. April 1994). Wichtigste Songs: „Smells Like Teen Spirit“, „Lithium“, „All Apologies“, „Something In The Way“. Inspiration Für: Dave Grohl, Gavin Rossdale, Rivers Cuomo.
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44. Bobby Bland. Bobby Bland selbst nannte ihn „squall“ – diesen erstickten, gospelbefeuerten Fast-Schrei, der später zu seinem Markenzeichen werden sollte. „Die Idee kam eigentlich von Rev. C.L. Franklin, Arethas Vater“, gestand Bobby Bland einst dem Rolling Stone. „Ich muss-te lange daran feilen, bis es perfekt klang.“ Doch Bland, dessen Fangemeinde von Van Morrison bis Jay-Z reicht, war mehr als nur ein Blues-Shouter.
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In den ruhigeren Momenten typischer Bland-Songs wie „I Pity The Fool“ und „Turn On Your Love Light“ gab er ebenso mühelos den weltläufigen Crooner à la Nat „King“ Cole, der das Publikum mit geschmeidigem Vibrato betört. „Wenn ich wie Bobby Bland singen könnte“, meinte B.B. King, der viele Jahre mit ihm zusammenarbeitete, „wäre ich ein glücklicher Mann.“ Gregg Allman sah das ähnlich:
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„Seine Stimme ist einmalig – ich frage mich, wie viele Sänger sich bei dem Versuch, diesen Schrei nachzumachen, die Stimmbänder ruiniert haben.“ Geburtstag: 27. Januar 1930. Wichtigste Songs: „I Pity The Fool“, „Farther Up the Road”, „Turn On Your Love Light“ Inspiration für: Van Morrison, B.B. King
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43. George Jones. Text von James Taylor: George Jones scheint sich keine Sänger zum Vorbild genommen zu haben – er klingt wie eine Steel-Gitarre. Das liegt daran, wie er Töne ineinander übergehen lässt, wie er sich ihnen nähert und sie wieder loslässt, wie er lauter und leiser wird. Das alles geschieht sehr konzentriert und kontrolliert, wie mit der Stimme ausgeführte Schnitzarbeit.
Sein Einfluss auf den Country ist enorm, die Linie läuft von ihm über Buck Owens und Randy Travis bis zu George Strait.
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Die Beatles hörten Buck Owens und seine Buckaroos und auf diesem Wege hat George Jones wohl auch McCartneys Stil beeinflusst – jedenfalls hatte McCartney eine Zeitlang diesen „George-Jones-Schnapper“, wie ich ihn nenne.
Als ich George Jones das erste Mal hörte, auf einem Greatest-Hits-Album, kannte ich schon Hank Williams und Porter Wagoner, aber nicht dieses West-Texas-Ding. Es war faszinierend, was er mit seiner Stimme alles anstellte. Seitdem habe ich zwei meiner Lieblingsstücke gecovert
„Why Baby Why“ und „She Thinks I Still Care“ – und einen Song namens „Bartender’s Blues“ geschrieben, bei dem ich so sehr nach George Jones klingen wollte wie möglich. Und dann hat er ihn selbst aufgenommen! Da hat sich für mich ein Kreis geschlossen. Geburtstag: 12. September 1931. Wichtigste Songs: „He Stopped Loving Her Today“, „She Thinks I Still Care“, „(We’re Not) The Jet Set“. Inspiration für: Garth Brooks, Elvis Costello, Alan Jackson.
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42. Joni Mitchell begann als typische Folk-Singer-Songwriterin in der von Joan Baez begründeten Tradi-tion. Doch sie entwickelte sich rasch weiter und übernahm Stilelemente aus Jazz und Blues. „Joni Mitchell hörte Billie Holiday ‚Solitude‘ singen, als sie neun Jahre alt war – und danach war sie nicht mehr dieselbe“, beschreibt es Herbie Hancock.
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Diese Lektionen in emotionaler Verletzlichkeit zeigen sich in ihrem zarten, vibrierenden Sopran ebenso wie in der unverhüllten Brüchigkeit ihrer rauchigen Stimme auf späten Alben und wird unterstrichen durch ihre jazzige Synkopierung. „Joni hat ein merkwürdiges, sehr eigenes Rhythmusgefühl“, sagte Bob Dylan dem Rolling Stone.
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Vor allem aber passt sie in keine Schublade. „Sie phrasiert immer so, dass es perfekt zum Text passt, und trotzdem kann ihre Phrasierung jedes Mal eine andere sein“, so Hancock. „Sie ist eben eine Freiheitskämpferin.“
Geburtstag: 7. November 1943. Wichtigste Songs: „Both Sides Now“, „Help Me“, „Raised On Robbery“.
Inspiration für: Robert Plant, Jewel, Fiona Apple
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41. Chuck Berry. „Du bist schon toll, du singst Country und Rock’n’Roll“, bekam Jerry Lee Lewis von seiner Mutter zu hören. „Aber Chuck ist der König.“ Im Gegensatz zu El-vis Presley näher-te sich Chuck Berry der großen Wasser-schei-de des Rock ’n’ Roll von der anderen Seite und verschmolz die Gesangsstile des Blues und des Country miteinander. „Wenn ich Hillbilly-Songs spielte, betonte ich die Worte stärker, damit es härter und ‚weißer‘ klang“, erklärte er.
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Das Ergebnis: In den Sechzigern versuchte jeder Rocksänger – ob aus Liverpool, London, L.A. oder Long Island – mit Midwest-Akzent zu singen, um so zu klingen wie der in St Louis geborene Chuck Berry, der mit schelmischem Blick und federnder Stimme durch seine Silbenlabyrinthe kurvte und dabei die Grenzen zwischen Weiß und Schwarz auslöschte. Was übrig blieb, war einfach Rock.
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„Wenn man eine andere Bezeichnung für Rock’n’Roll finden müsste“, so John Lennon, „könnte man ihn Chuck Berry nennen.“ Geburtstag: Oktober 1926. Wichtigste Songs: „Johnny B. Goode“, „Promised Land“, „No Particular Place To Go”.
Inspiration für: Beatles, Rolling Stones, Springsteen
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Nicht zu vergessen: Adele. Text von Arne Willander: Auf ihrem Debüt-Album „19“ akzentuierte Adele ihren Gesang noch stark, doch auf der zweiten Platte entfaltete ihre warme, komplette Stimme einen unwiderstehlichen Sog. „Rolling In The Deep“ trifft auch Adeles Stimmlage, die ohne Koloraturen und übertriebene Höhen auskommt.
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Während früher die Register ausgeschöpft wurden, gilt seit Adeles Triumph eher die glasklare, geschmeidige Intonation als Ideal – die bei der Engländerin allerdings eine Naturgabe ist.
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40. Curtis Mayfield war stolz auf seine Fähigkeit, Zuhörer zum Schweigen zu bringen: „Das Publikum konnte vorher noch so kreischen und schreien, wenn die Impressions rauskamen, herrschte sofort respektvolle Stille.“ Mayfield, der seine Stimme selbst als „klein und leise“ beschrieb, brachte eine neue Qualität von Intimität und Intensität in den Soul, die von inniger Zartheit („I’m So Proud“) bis rechtschaffener Empörung („(Don’t Worry) If There’s A Hell Below We’re All Going to Go“) reichte.
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Die Spiritualität der Northern Jubilee Gospel Singers, bei denen er als Teenager in Chicago sang, ging ihm nie verloren und zeigte sich in Songs wie dem hymnischen „Keep On Pushing“. „Seine Stimme war sanft und federleicht, aber doch kraftvoll“, meint Mavis Staples.
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„Bei seinen Liebesliedern verliebte man sich, und wenn er eine Botschaft verkündete, wollte man sofort losziehen und die Welt retten.“ Geburtstag: 3. Juni 1942 (gestorben: 26. Dezember 1999).
Wichtigste Songs: „People Get Ready“, „Superfly“, „I’m So Proud”. Inspiration für: Bob Marley, Tracy Chapman, Jimi Hendrix.
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39. Jeff Buckley. Jeffs EP „Live at Sin-é” zu hören, war einer dieser überirdischen Momente, die einem als Musikfan nur ein paar Mal im Leben passieren – der Junge hatte so viel Talent, das man Angst kriegen konnte. Ich weiß nicht, womit man seine Stimme vergleichen soll, die Liste seiner Einflüsse reicht von Sonic Youth bis Edith Piaf. Als Jeff und ich
Freunde wurden und zusammen Musik machten, beobachtete ich ihn und versuchte, hinter seine Geheimnisse zu kommen: „Wie ist es möglich, dass er diesen Ton so lange halten kann?“
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Aber man kann den ganzen Tag über Technik reden und doch nicht schlauer werden. Jeff schaffte es, in einem vollgepackten Club fast flüsternd a cappella zu singen, und man hätte eine Stecknadel fallen hören können. Das hat nichts mit technischen Raffinessen zu tun, das ist etwas anderes.
Wie er einen zwang, sich mit der femininen Seite seiner Stimme zu beschäftigen, das hatte eine fast punkige Sturheit. Ich habe Konzerte gesehen, bei denen lauter Typen in Holzfällerhemden rumstanden und er einen Song derart reduzierte, dass er schließlich nur noch unbegleitete Melodiestimme sang. Und damit machte er so lange weiter, bis diese Typen, die alle versuchten, ungeheuer tough zu wirken, ihr Unbehagen vergaßen.
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BIDDINGHUIZEN, NETHERLANDS – AUGUST 26: Jeff Buckley, guitar-vocal, performs at Lowlands in Biddinghuizen, Netherlands on 26th August 1994. (Photo by Frans Schellekens/Redferns)
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38. Als er das erste Mal Elton Johns „Your Song“ hörte, verriet John Lennon dem Rolling Stone: „Toll, endlich gibt’s mal et-was Neues, das anders klingt als wir damals.“ Wenige Jahre vor dieser Ballade, die erstmals zeigte, welch
innige Verbindung Rock’n’Roll-Grandiosität und tiefes Soul-Feeling in Elton Johns Stimme eingingen, hatte der Engländer noch behauptet:
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„Ich kann gar nicht singen.“ Davon konnte bald nicht mehr die Rede sein – John entwickelte eine verblüffende stilistische Vielfalt, von Singsang-Falsett bis Hardrock-Gebell. „In den Siebzigern kombinierte er Falsett und Bruststimme und erzielte damit eine fantastische Wirkung“, erklärt Ben Folds.
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„In ‚Goodbye Yellow Brick Road‘ gibt es diese Stelle, an der er singt ‚on the groooound‘ und seine Stimme Purzelbäume schlägt. Wenn er sowas macht, fühlt man sich wie beim Sprung vom Fünfmeterbrett.“ Geburtstag: 25. Mai 1947. Wichtige Songs: „Your Song“, „Goodbye Yellow Brick Road“, „Tiny Dancer“. inspiration für: Rivers Cuomo, George Michael, Axl Rose.
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37. Bei einer seiner ersten Studio-Sessions sagte der Tontechniker: „Junge, du kannst prima Gitarre spielen, aber als Sänger wirst du es nie zu etwas bringen.“ Doch Neil Young bewies schon bald, dass er seine Gefühle mit einem Sound transportieren konnte, den man so noch nicht gehört hatte:
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ein zittriger, melancholischer Tenor, der inmitten der exzessiven Feedbackorgien von Crazy Horse ebenso seinen Platz fand wie über den Harmonien seiner akustischen Balladen. „Für Andere ist es sehr schwer, seine Sachen zu singen“, erklärt Youngs ebenfalls genialischer zeitweiliger Gesangspartner David Crosby. „Wenn Neil singt, nimmt er einen irgendwie mit – jedenfalls bleibt man nicht auf seinem Stuhl sitzen.“
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Das findet auch Lucinda Williams: „Seine Stimme beschwört etwas. Sie ist ätherisch, unheimlich, seelenvoll und gehört ganz und gar ihm selbst.“ Geburtstag: 12. November 1945. Wichtigste Songs: „After The Goldrush“, „Powderfinger“, „Cortez The Killer”. Inspiration für: Jeff Tweedy, Wayne Coyne, Conor Oberst.
36. Bruce Springsteen. „Wenn Bruce Springsteen dieses wortlose Wolfsgeheul anstimmt, wie am Ende von ‚Jungleland‘, ist das für mich die Inkarnation von Rock’n’Roll“, sagt Melissa Etheridge, die einmal zugab, in ihrem Leben und ihrer Musik nach dem Motto „What would Bruce do?“ zu verfahren. Sie liebt seinen hundertprozentigen Einsatz: „Er benutzt den ganzen Körper beim Singen und erzeugt damit ungeheuer viel Kraft, Emotion und Leidenschaft.“
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Springsteen hat in vier Jahrzehnten viele Stimmen ausprobiert: Soul-Shouting, Heldentenor à la Roy Orbison, balzender Elvis Presley, knarzender Country-Folk, Garagenrocker. „Er enthüllt die emotionalen Abgründe der Figuren, die seine Songs bevölkern“, so Etheridge. „Wenn er ‚The River‘ singt, bricht es einem das Herz.“
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Als Bono die Laudatio für ihn hielt, als Bruce 1999 in die „Rock’n’Roll Hall Of Fame“ aufgenommen wurde, beschrieb er seine Stimme so: „Als könnte Van Morrison eine Harley-Davidson fahren.“. Geburtstag: 23. September 1949. Wichtigste Songs: „Thunder Road“, „Born In The U.S.A.“, „Reason To Believe“. Inspiration für: Eddie Vedder, Jon Bon Jovi, Brandon Flowers, Win Butler.
35. Dusty Springfield. „Große Sänger stellen sich in einem Song vollkommen- bloß“, so Shel-by Lynne, die vor kur-zem ein Album mit Coverversio-nen von Dusty-Springfield-Hits aufgenommen hat. „Dusty war bereit, sich auch mal schwach zu zeigen, die Deckung völlig aufzumachen.“ Springfield sang als konservativ erzogenes englisches Mädchen braven Folk, bis sie eines Tages in New York „Tell Him“ von den Exciters hörte und dem R&B verfiel.
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Songs wie „I Only Want To Be With You“ verbanden Intelligenz und Energie. In Balladen blieb sie gern einen Tick hinter dem Beat, was ihren souligen Gesang wunderbar verträumt wirken ließ, aber wenn sie richtig loslegte, klirrten die Fensterscheiben.
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„Ihre Stimme war weder schwarz noch weiß“, meint Darlene Love, die Springfield bewunderte. „Sie war etwas ganz Eigenes. Wenn sie im Radio kam, wusste man sofort, das ist Dusty Springfield.“ Geburtstag: 16. April 1939 (gestorben: 2. März 1999). Wichtigste Songs: „I Only Want To Be With You“, „Son Of A Preacher Man”. Inspiration für: Duffy, Amy Winehouse, Joss Stone.
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Nicht zu vergessen: Elvis Costello. Unbestreitbar ist Elvis Costello natürlich zunächst ein Songwriter, nein: ein Komponist. Das Singen kommt danach und war für lange Zeit vor allem das Medium für dieses Ausnahme-Repertoire, an dem alles elaboriert ist, selbst der schlichteste Rock’n’Roll. Doch Elvis Costello ist über die Jahre auch ein fabelhafter Sänger geworden, einer der besten gar. Wie das kommt? Es hat mit einer einmaligen Balance aus patziger Direktheit, Crooner-Glissando und erbarmungsloser Melodietreue zu tun.
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Costellos Gesangslinien sind die eines harmonischen Meisters, und entsprechend musste die Stimme im Laufe der Karriere an ihren Aufgaben wachsen. Diese seltsame Stimme, deren nasaler Ton und übertriebenes Vibrato manchen den Sänger unterschätzen ließen. Bis dann Burt Bacharach kam und Costello mit einem gemeinsamen Album „Painted From Memory“ adelte.
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Es ist bemerkenswert, dass Costello seiner gesanglichen Brillanz nicht sukzessive die unwirsche Schroffheit und vitriolische Schärfe opferte, die ja noch immer einen Teil seines umfangreichen Oeuvres prägt. Es gibt sonst keinen, der beides kann.
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34. Whitney Houston wuchs als Tochter der RnB- und Gospelsängerin Cissy Houston in einem Haushalt auf, in dem Sangesgrößen- wie Aretha Franklin, Gladys Knight und ihre Cousine Dionne Warwick ein- und ausgingen. „Als ich anfing zu singen“, erzählte sie mal, „kam es mir vor, als lernte ich sprechen.“ Mit 22 war Whitney bereits zur mächtigsten Frauen-
stimme ihrer Generation aufgestiegen.
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Allein ihr 1985 erschienenes Debütalbum enthielt Monsterhits wie „Saving All My Love For You“, „How Will I Know“ und „The Greatest Love Of All“. Ihre Stimme ist monumental, strahlend – wenige Sängerinnen könnten es sich leisten, einen Song mit 45 Sekunden unbegleitetem Gesang zu eröffnen, doch Whitneys Powerversion von Dolly Partons „I Will Always Love You“ aus dem „Bodyguard“-Soundtrack ist eine brillante Tour de Force.
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Geburtstag: 9. August 1963 (gestorben: 11. Februar 2012). Wichtigste Songs: „The Greatest Love Of All“, „I Wanna Dance With Somebody”, „Saving All My Love For You“, „I Will Always Love You”
Inspiration FÜR: Beyoncé, Mariah Carey, Faith Evans, Mary J. Blidge
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33. Steve Winwood. Als Teenager eroberte Steve Winwood die Londoner Musikszene mit seinem kräftigen, souligen Tenor und Hits wie „Gimme Some Lovin’“ und „I’m A Man“ (damals bei der Spencer Davis Group) im Sturm. „Seine Stimme hat mich einfach umgehauen“, lobte Billy Joel. „Dieser dürre kleine Engländer sang wie Ray Charles.“
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Nach dem Jazz-
inspirierten Pop von Traffic und dem Jam-Rock von Blind Faith (wo er immerhin als Frontmann neben Eric Clapton wirkte) tauchte Winwood Mitte der Achtziger mit einem hochglanzpolierten Soloalbum wieder auf und restaurierte später seinen Starstatus dank Megasellern wie „Back In The High Life Again“ und „Higher Love“. „Steve konnte Jimmy Reed so gut kopieren, dass man nicht wusste, wo diese Stimme auf einmal herkam“, so Spencer Davis.
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„Er war damals doch noch ein Grünschnabel, wie schaffte er das bloß? Aber Steve hatte es eben drauf.“ Geburtstag: 12. Mai 1948. Wichtigste Songs: „Gimme Some Lovin’“ (mit der Spencer Davis Group), „Mr. Fantasy“ (mit Traffic), „When You See A Chance” (solo). Inspiration für: Dave Matthews, John Mayer.
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32. Bono. Text von Billie Joe Armstrong: Ich würde Bonos Gesang beschreiben als 50 Prozent Guinness, zehn Prozent Zigaretten – und der Rest ist Religion. Er ist ein körperbetonter Sänger, wie der Anführer eines Gospel-Chors, der sich in der Musik des Augenblicks verliert. Bono geht dann an einen Ort, der außerhalb seiner selbst liegt, besonders vor Publikum und wenn er diese hohen Töne singt. Da kommt seine Kraft her, das ist der reine, unverfälschte Bono. Natürlich glaubt er an die Dinge, über die er spricht, Weltwirtschaft oder AIDS-Hilfe in Afrika, aber diese Stimme steht immer an erster Stelle, dort liegen seine wahrsten Überzeugungen.
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Er hat so viele Vorbilder. Man hört Joe Strummer, Bob Marley, Otis Redding, Elvis Presley, sogar John Lennon. Und er hat denselben Stimmumfang wie Robert Plant. Die ersten Töne von „Sunday Bloody Sunday“ sind der schiere Wahnsinn. Aber der irische Sängerknabe hat alles im Griff. „The Joshua Tree“ zeigt, wie meisterhaft Bono seine Stimme beherrscht und was er von Punk, New Wave und amerikanischen Musikern wie Bob Dylan gelernt hat. In den leisen Momenten von „With Or Without You“ kann man sich vorstellen, wie er unter dem Sternenzelt sitzt. Und wenn er dann den Refrain anstimmt, bricht ein Hagelsturm los.
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Viel von Bonos unkonventionellem Gesang hat mit den Rhythmen der Band und dem Kirchenglocken-Feeling von Edges Gitarre zu tun. Bono surft da sehr elegant durch, auch wenn es ganz natürlich wirkt. Und er hat keine Angst davor, an seine Grenzen zu gehen, so wie der Falsettgesang in „Lemon“ oder „Kite“.
Man hat bei ihm nie das Gefühl, dass er seine Stimme manipuliert, um auf den Putz zu hauen.
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Man hat bei ihm nie das Gefühl, dass er seine Stimme manipuliert, um auf den Putz zu hauen. Bono sucht immer nach Möglichkeiten, etwas neu und anders zu machen. Das ist etwas, das ich von ihm gelernt habe: Ruh dich nie auf deinen Lorbeeren aus. Hör zu, lerne weiter. Das ist es, was einen Sänger ausmacht – und Bono hat es im Übermaß.“ Geburtstag: 10. Mai 1960. Wichtigste Songs: „One“, „With Or Without You“, „Where The Streets Have No Name“. Inspiration für: Eddie Vedder, Chris Martin.
31. Howlin‘ Wolf. John Fogerty war neun, als er Howlin’ Wolfs Reibeisenstimme das erste Mal im Radio hörte: „Es hatte so viel Power, war so geheimnisvoll und unheimlich.“ Wolfs fast überir-di-sches Krächzen auf „Smoke Stack Lightning“ (1956) und „Back Door Man“ (1961) faszinierte englische Bands wie die Yardbirds und die Rolling Stones ebenso wie Fogertys eigene Band Creedence Clearwater Revival:
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„Wir verfolgten seine Karriere so aufmerksam wie später die von Elvis und Buddy Holly.“ Wolfs wichtigstes Erbe ist eindeutig der Mix aus Gefühl und Gefährlichkeit, an den Sänger wie Fogerty heranzukommen versuchten. „Als ich Howlin’ Wolf hörte“, meinte der legendäre Sun-Produzent Sam Phillips, „wusste ich: ‚Das ist meine Musik. Das ist der Ort, an dem die menschliche Seele niemals stirbt.“
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Geburtstag: 10. Juni 1910 (gestorben: 10. Januar 1976). Wichtigste Songs: „Smoke Stack Lightning“, „Back Door Man“, „I Asked For Water (She Gave Me Gasoline)“
Inspiration für: Robert Plant, Captain Beefheart, Tom Waits.
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NICHT ZU VERGESSEN: Jackson Browne. Text von Arne Willander: Nicht zu vergessen: Jackson Browne
In den Siebzigern war Browne ein Star und ein größerer Verführer als Leonard Cohen – doch während der Kanadier brutale Lieder über die Liebe schrieb, blieb der Kalifornier scheinbar ein freundliches Träumerle. Schon 1968 spielte Browne für Nico Gitarre, und während sie den älteren Cohen verschmähte, verliebte sie sich in den Jüngling. Niemand kann „These Days“, „Take It Easy“ und „Doctor My Eyes“ widerstehen; Browne singt sie ohne Anstrengung, so wie sein Leben ohne Anstrengung zu sein schien.
1976 aber brachte sich seine Frau um, und er veröffentlichte eine gespenstisch schön und melancholisch klingende Platte, „Late For The Sky“, auf der seine Stimme mit dem Piano und der Slide-Gitarre verschmolz: „Fountain Of Sorrow“, „Before The Deluge“, „The Road And The Sky“. Man hört diese Musik sogar in dem Film „Taxi Driver“.
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Browne sang später „Your Bright Baby Blues“ und „The Pretender“, „The Load-Out“ und „Stay“ und „For America“. Und noch im letzten Jahr, auf „Time The Conqueror“, war die-se magische Stimme von keinem Zweifel angekränkelt. Für Browne wird es immer die Blaue Blume geben.
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30. Prince. Für Roots-Drummer Ahmir „?uestlove“ Thompson ist Prince „ganz sicher der mutigste schwarze Musiker der Postmoderne. In seiner Stimme stecken viele Persönlichkeiten, er hat einfach vor gar nichts Angst – und wenn er so richtig aufdreht, klingt es, als hätte er nicht alle Tassen im Schrank.“ Der Mann hat recht:
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Der stimmbänderzerfetzende Höhepunkt von „The Beautiful Ones“ lässt tatsächlich schwere Paranoia vermuten und überzeugt ebenso wie das vor Leidenschaft triefende, flaumleichte Falsett von „Adore“, das Rockergegröhle von „Let’s Go Crazy“ oder die roboterhafte Starre in „When Doves Cry“. „Gesanglich kennt er keine Grenzen“, lobt Lenny Kravitz.
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„Es gibt den androgynen, sehr femininen Prince, den James-Brown-Prince, den Gospel-Prince, den Rock’n’Roll-Prince. Seine Stimme hat so viele verschiedene Farben und Dimensionen – und alle sind funky.“ Geburtstag: 7. Juni 1958. Wichtigste Songs: „Little Red Corvette“, „When Doves Cry“, „Kiss“. Inspiration FÜR: OutKast, D’Angelo, Gwen Stefani, Kevin Barnes.
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29. Nina Simone. Weiße hatten Judy Garland – wir hatten Nina“, konstatierte der Komiker Richard Pryor. Nina Simones honigsüße, leicht näselnde Stimme ist aus der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung nicht wegzudenken – „I Wish I Knew How It Would Feel to Be Free“ zerreißt einem heute noch das Herz, „To Be Young, Gifted and Black“ ist immer noch ein Manifest der Lebensfreude.
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Wilden Bar-Blues hatte sie ebenso drauf wie Varieté-Gesäusel und Jazz-Experimente – mitunter brachte sie all das und noch mehr auf einer einzigen Platte. „Einmal hörte ich sie ein Lied auf Französisch singen. Ich verstand kein Wort, aber es rührte mich trotzdem zu Tränen“, sagt Mary J. Blige, die Simone demnächst in einem Film spielen wird.
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„Dann machte sie mit ‚Mississippi Goddam‘ weiter, und es klang wie ein Gospel, obwohl sie darin das System verdammt. Nina konnte einfach alles singen, basta.“ Geburtstag: 21. Februar 1933 (gestorben: 21. April 2003) Goldene Momente: „Mississippi Goddam“, „Four Women“, „I Wish I Knew How It Would Feel To Be Free“.
Inspiration für: Jeff Buckley, Rufus Wainwright.
„Manchmal klang sie wie eine alte schwarze Frau – und genau so wollte sie auch klingen.“ Geburtstag: 10. Januar 1943 (gestorben: 4.10.1970). Wichtigste Songs: „Piece Of My Heart”, „Cry Baby“, „Me And Bobby McGee”
Inspiration FÜR: Bonnie Raitt, Sheryl Crow,
Lucinda Williams.
27. Hank Williams. „Wenn man ihn das
allererste Mal hört, klingt Hank vielleicht nicht wie ein richtig guter Sänger“, meint Merle Haggard, „aber ein besonders aufrichtiger war er in je-
dem Fall. Ich habe ihn nie etwas singen hören, das man nicht voll und ganz glauben konnte.“
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Hank Williams’ warmes, nasales Quengeln, untermischt mit fröhlichem Glucksen und melancholischen Seufzern, hat den Country geprägt. Seine berühmtesten Songs – von „Hey, Good Lookin’“ bis „I’m So Lonesome I Could Cry“ – setzten Maßstäbe für alle, die nach ihm kamen, und das nicht nur im Country, sondern auch in Rock und Soul. „Er klingt, als würde gleich sein Herz brechen“, meint Rhett Miller von den Old 97’s.
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„Perfekt, völlig ungefiltert und in einem Hillbilly-Akzent, den er nie unterdrückt hat. Solche regionalen Eigenheiten hört man heute nicht mehr, das ist verloren gegangen.“ Geboren: 17. September 1923 (gestorben: 1. Januar 1953). Wichtigste Songs: „Lovesick Blues“, „Cold, Cold Heart“, „I’m So Lonesome I Could Cry“. Inspiration Für: George Jones, Buddy Holly, Dwight Yoakam, Willie Nelson.
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26. Jackie Wilson bleibt einsamer Spitzenreiter in der Klasse der energiegeladenen R&B-Charmebolzen. Die geradezu opernhafte Dramatik seiner Stimme, seine beatgenaue Phrasierung und die kristallklaren, hohen Töne auf Endfünfziger-Hits wie „Reet Petite“ und „Lonely Teardrops“ beeinflussten von Al Green bis Elvis Presley praktisch alle Zeitgenossen.
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„Oh Gott, er war so toll“, schwärmt Sam Moore von den Soul-Dynamikern Sam and Dave. „Einmal beobachtete ich aus den Kulissen des Apollo, wie er sang: ‚You better stop … yeaaah!‘ – und dann zuckte, hochsprang, in einen Spagat fiel, wieder hoch rutschte und die ganze Zeit diesen Ton hielt – ‚your doggin’ around!‘ James Brown konnte sowas auch, aber er war ein Shouter. Jackie Leroy Wilson hatte eine Stimme wie Gold.
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Er war der perfekte Sänger, ohne groß aus sich herausgehen zu müssen.“ Geburtstag: 9. Juni 1934 († 21. Januar 1984). Wichtigste Songs: „Lonely Teardrops“, „That’s Why (I Love You So)“, „(Your Love Keeps Lifting Me) Higher And Higher“
inspiration FÜR: Al Green, Ben E. King, Bobby Darin.
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25. Michael Jackson. Text von Von Patrick Stump/Fall Out Boy. Michael Jackson ist die perfekte Mischung aus Talent und Training. Schon als Kind konnte er singen wie ein Großer: „I Want You Back“ kriegte er auf Anhieb hin, im ganzen Song gibt es vielleicht eine missratene Note, was unglaublich ist, wenn man bedenkt, dass er damals erst elf Jahre alt war.
Ein wichtiges Stilmittel bei ihm ist, dass er seine Stimme wie ein Instrument benutzt. Diese typischen Grunzer und Kiekser sind rhythmische Phrasierungen wie man sie von Gitarristen oder Schlagzeugern kennt. Er ist einer der rhythmischsten Sänger, die ich kenne.
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Prince hat sich zwar sehr viel bewusster an James Brown orientiert, aber Michael Jackson klang schon wie Brown, ohne etwas dafür zu tun. Und er hat einen wahnsinnigen Stimmumfang. Ich kann schon ziemlich hoch singen, aber „Beat It“ musste ich trotzdem ein bisschen runterschrauben. Er singt eine unglaublich hohe Note – ich glaube, es ist ein hohes C oder sogar ein Cis – in „Beat It“ und „Billie Jean“ und „Thriller“. Den meisten ist aber nicht klar, dass er auch ziemlich tief singen kann. Man hört das zum Beispiel in „Burn This Disco Out“ auf „Off The Wall“ – da steigt er ganz ganz tief runter in den Keller, was mich jedes Mal umhaut.
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Amys Meisterwerk ist „Back To Black“, eine ebenso erfolgreiche wie einflussreiche Platte, die bald nach ihrem Erscheinen 2007 zum Klassiker avancierte. Die Songs schrieb sie großenteils selbst. 2011 starb die tragische Künstlerin an einer Alkoholvergiftung.
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24. Van Morrison. John Lee Hooker nannte Morrison „meinen liebsten weißen Bluessänger“. Morrison hat seine Spuren in 40 Jahren Rock, Blues, Folk, Jazz und Soul hinterlassen und dazu noch in einigen Genres, die eigentlich nur auf seinen Platten existieren. Er ist der Maler unter den Vokalisten, ein Meister der unerwarteten Phrasierung, dessen Stimme Texte in etwas Abstraktes und Mystisches verwandeln kann.
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Berühmtestes Beispiel: die Wiederholung von „…and the love that loves the love…“ in „Madame George“ auf „Astral Weeks“. Morrisons Brummen und Heulen inspirierte Sänger von Bob Seger bis Bruce Springsteen und Dave Matthews. Auf manche wirkte sein Einfluss fast zu stark.
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Bono erzählte, er habe aufhören müssen, Morrisons Platten zu hören, bevor er „The Unforgettable Fire“ aufnahm, weil er nicht wollte, dass „seine unverwechselbare Soulstimme meine eigene in den Hintergrund drängt“. Geburtstag: 31. August 1945. Wichtigste Songs: „Brown Eyed Girl“, „Moondance“, „Tupelo Honey“. Inspiration für: Elvis Costello, Bono, Bruce Springsteen, Ray LaMontagne.
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23. David Bowie. Sicher, es gibt Sänger, die eine schönere Stimme mitbringen als David Bowies brüchigen britischen Bariton, aber als singender Schauspieler ist er eine Klasse für sich. Bevor er Popstar wurde, besuchte Bowie eine Schauspielschule, was sich für ihn bezahlt machte: Hinter jedem großen Bowie-Song steht eine sorgfältig ausgearbeitete Rolle. Und seine chamäleon-artigen Verwandlungen beschränken sich nicht auf Äußerlichkeiten, sondern machen sich auch stimmlich bemerkbar –
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Von den androgynen Schnörkeln als Ziggy Stardust über die Philly-Soul-Manierismen auf „Young Americans“ bis zum hartgesottenen Publikumshengst seiner Arenarock-Phase in den Achtzigern. Auf emotionale Ausbrüche wartet man bei ihm vergebens, doch wie jeder weiß, der sich beim Karaoke schon mal vergeblich an „Ashes To Ashes“ versucht hat, ist Bowie ein phänomenal beweglicher Sänger.
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22. Etta James. „In Etta James’ Stimme ist eine Menge los“, erklärt Bonnie Raitt. „So viel Schmerz, so viel Lebenserfahrung und vor allem viel Kraft.“ James, von vielen als ultimative blues mama ge-priesen, war mit einer Stimme geseg-net, die einen wie eine Dampfwalze überrollen kann.
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Aber das üppige, jubilierende „At Last“, ein R&B-Tophit von 1961 und seither auf unzähligen amerikanischen Hochzeiten als erster Tanz gespielt, beweist, dass James – die bald ihr 60-jähriges Bühnenjubiläum feiert – nicht nur die Blue Notes beherrscht. Sie klingt ebenso kraftvoll und unverwechselbar, wenn sie Pop, Jazz-Standards, Balladen oder Rock singt.
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„Sie kann es in einem Song so richtig krachen lassen und dir im nächsten mit ihrer Zartheit und Finesse das Herz brechen“, so Raitt. „Etta mag ein Raubein sein, aber in ihrem Gesang liegt eine große Intelligenz und Weisheit.“. Geburtstag: 25. Januar 1938. Wichtigste Songs: „At Last“, „A Sunday Kind Of Love“, „Tell Mama“
Inspiration für: Janis Joplin, Bonnie Raitt, Christina Aguilera.
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21. Johnny Cash. Bob Dylan schrieb in seinen „Chronicles“, Johnny Cash klänge, „als würde er jeden Moment in Flammen aufgehen. Johnnys Stimme war so gewaltig, dass die Welt daneben zusammenschrumpfte.“ Der rollende Bariton des Man in Black gehört zu den charakteristischsten Stimmen in der Musik Amerikas, von den frühen Singles für Sun Records über den Megastar-Status in den Sechzigern …
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… und Siebzigern bis zu seinem Comeback in den Neunzigern.
Novelty-Songs wie „A Boy Named Sue“ oder „One Piece At A Time“ behandelte er ebenso ernsthaft wie Gospel. „Ich kannte ‚Bridge Over Troubled Water‘ schon mein ganzes Leben, aber als ich Johnnys Version hörte, begann ich zu ahnen, was damit gemeint war“, sagt sein Produzent Rick Rubin.
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„Es erhielt eine ganz neue Tiefe und Bedeutung. Er sprach die Worte so, dass man sie wirklich glauben konnte“
Geburtstag: 26. Februar 1932 (gestorben: 12. September 2003).
Wichtigste Songs: „Ring Of Fire“, „I Walk The Line“, „Folsom Prison Blues“. Inspiration fÜR: Bob Dylan, Merle Haggard, Steve Earle.
Nicht zu vergessen: Robert Wyatt. Das Unangenehmste am Journalistenjob ist, die geführten Interviews anschließend abhören zu müssen. Aber es gibt ein Tape, das ich immer wieder aus dem alten Schuhkarton mit all den aus irgendeinem Aberglauben heraus gehorteten Kassetten herauskrame, um es noch einmal anzuhören. Nicht der dummen Fragen oder der klugen Antworten wegen (obwohl die Antworten in diesem Fall tatsächlich sehr geistreich sind), sondern weil die Stimme des Interviewten einfach so betörend ist.
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Selbst wenn Robert Wyatt spricht, scheint nämlich die ganze Schönheit der Welt darin zu liegen – und zugleich die Trauer über die herrschenden Verhältnisse (nachzuhören etwa auch auf dem Stück „Pigs… (In There)“ von der „EPs“-Box). Und wenn sein (an)-klagendes Organ zum Gesang anhebt,wird diese Dialektik noch wesentlich offensichtlicher.
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Egal, ob er surreal-dadaistische Wort- und Lautkollagen vorträgt oder die kubanische Hymne „Caimanera“, Elvis Costellos Lied über den Falkland-Krieg „Shipbuilding“ oder einen komischen Song über Schlafstörungen wie „Heaps Of Sheeps“ – wenn Wyatt seine Stimme erhebt, geht es niemals um weniger als alles.
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20 Smokey Robinson. singt und auftritt, könnte man sich sofort in ihn verlieben“, meint Motown-Kollegin Martha Reeves. Als Teenager wollte Robinson Doo-Wop à la Platters singen, doch dann erfand er seinen eigenen Stil und, zusammen mit Berry Gordy Jr., den Motown-Sound: Seine hohe, zarte Stimme …
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… eher ein männlicher Sopran als ein Tenor – konnte sich zu einem herzzerreißenden Falsett emporschwingen, der immer noch zu den markantesten Sounds der Popmusik gehört. Auf Miracles-Hits wie „The Tracks Of My Tears“, „You’ve Really Got A Hold On Me“ und besonders „Ooo Baby Baby“ (mit einem beinahe wortlosen, aber zutiefst berührenden Refrain) ließ diese Stimme die Sonnen- und Schattenseiten der Liebe gleichermaßen verführerisch erscheinen.
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Nicht nur für Paul McCartney war Robinson „so etwas Ähnliches wie Gott“. Geburtstag: 19. Februar 1940. Wichtigste Songs: „The Tracks Of My Tears“, „You’ve Really Got A Hold On Me“ (mit den Miracles), „Cruisin’“ (solo). Inspiration für: Al Green, Linda Ronstadt, Mick Jagger.
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19. Bob Marley. Wer nur von Bob Marleys Gesang spricht, negiert das, was ihn zu einer der wichtigsten Stimmen unserer Zeit macht – eine Stimme, die selbst Geschichte gemacht hat. Marley sang über ernste Themen, aber er tat das auf eine ganz zarte und anmutige Weise, mit allem, was ihm an Groove, Gefühl und Stimme zur Verfügung stand. Er sang sicher nicht schulmäßig korrekt und war kein ausgebildeter Sänger, aber er hatte eine sehr schöne Stimme…
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… ähnlich wie ein Anderer der ganz Großen, Marvin Gaye. Dass man die Gemeinsamkeiten der beiden nicht hört, liegt nur an ihrem unterschiedlichen Akzent und dem unterschiedlichen Stil ihrer Musik.
Bei Marley ist es schwer, Stimme und Inhalt zu trennen. Bob Marley sang mit so viel Power, dass er die Regierung seines Landes in ihren Grundfesten erschüttern konnte.
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Große Sänger werden auch daran gemessen, ob sie eine Botschaft haben, etwas sagen, das sonst nicht gehört werden würde. Und in einer Welt, die Menschen, die von Frieden und Liebe sprechen, gerne mundtot macht, gelang es Bob Marley, diese Botschaft zu verkünden und andere für sie zu begeistern.
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Es geschieht selten, dass etwas so Ernsthaftes und Schönes wie seine Musik so viel Erfolg hat. Und er hat diese schöne Stimme den Unterdrückten dieser Welt geliehen. Geburtstag: 6. Februar 1945 (gestorben: 11.5.1981). Wichtigste Songs: „No Woman, No Cry“, „Redemption Song“, „I Shot The Sheriff”.
Inspiration für: Bono, Lauryn Hill, Buju Banton.
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18. Freddie Mercury. Wenn es nach Gerard Way von My Chemical Romance geht, hat er mehr Sänger inspiriert als jeder andere Frontmann: Freddie Mercury, der Hardrock-Haudegen, Disco-Pfau und Rockabilly-Loverboy, dessen Vier-Oktaven-Stimme auf Songs wie „Bohemian Rhapsody“ und „Killer Queen“ zu einer flirrenden wall of sound vervielfältigt wurde. Noch im Angesicht des Todes warf Mercury sich in typisch opernhafte Sangespose.
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Brian May erzählt, dass sein Queen-Kollege kaum mehr laufen konnte, als die Band 1990 „The Show Must Go On“ aufnahm: „Ich sagte, ‚Fred, ich weiß nicht, ob du das singen kannst’. Er erwiderte, ‚Ich krieg das schon hin, Schätzchen’, kippte einen Wodka, ging rein und erledigte die Sache. Er zerfleischte den Song förmlich.“
GEBURTSTAG: 5. September 1946 († 24.11.1991)
GOLDENE MOMENTE: „We Are The Champions“, „Bohemian Rhapsody“, „You’re My Best Friend“
GURU FÜR: Axl Rose, Joe Elliott, George Michael
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Nicht zu vergessen: Michael Stipe
Er ist kaum noch zu erkennen und doch ganz unverwechselbar. Michael Stipe singt seit 29 Jahren bei R.E.M., und um zu hören, welch weiten Weg er gegangen ist, muss man nur die Stimme vom Debüt „Murmur“ mit dem Gesang der jüngeren Alben vergleichen, bei Stücken wie „Walk Unafraid“ oder „Supernatural, Superserious“. Zu Beginn war gerade das Genuschel, das kaum durch den Bandsound hindurch drang, so faszinierend: Stipe verstand selbst oft nicht, was er da eigentlich murmelte.
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Die Lieder bekamen dadurch eine unergründliche, mythische Anmutung – faszinierend durch die Ausdruckskraft des Interpreten, nicht wegen der Worte an sich. Später, als R.E.M. bekannter wurden und Stipe sich seiner exponierten Rolle nicht mehr entziehen konnte, stellte er das Unvermeidliche fest: dass er auch ein Telefonbuch vorsingen könnte – und die Leute wären zu Tränen gerührt.
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Zunächst verblüfft, dann geniert, schließlich selbstsicher angesichts dieses Talents begann Stipe, deutlicher zu formulieren, mehr Register zu ziehen – und so zu dem zu werden, der er heute ist: ein niemals routinierter, aber immer angstfreier Sänger.
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Tina Turner
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„Sie war so direkt, so ungeschliffen“, rühmt John Fogerty, aus dessen Feder der Song stammt. Und ihre kraftvollen Schreie und Seufzer sind im Laufe einer langen Solokarriere nur noch schmerzvoller und rauer geworden. Tina Turners Stimme lässt sich einfach nirgendwo einordnen, meint Melissa Etheridge:
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Janis Joplin mit Tina Turner.
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16. Mick Jagger. Text von Lenny Kravitz: Ich kenne Leute, die technisch perfekt singen und mit Mick Jagger nichts anfangen können. Weil das, was er macht, so komplex ist. Er hat ein sehr feines Gespür für Tonhöhe und Melodie. Sein Gesang ist atemberaubend, perfekt nach seinen ganz eigenen Maßstäben. In manchen Songs wird er zu einem anderen Menschen. Zum Beispiel „Angie“: Diese Stimme habe ich bei ihm danach nie wieder gehört. Vorher auch nicht.
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Einmal, als die Stones ein paar Tage Tourpause hatten, machten Mick und ich Urlaub auf den Bahamas. Tagsüber gingen wir an den Strand, kauften auf dem Markt ein, kochten, tranken Wein. Am Abend ging er in den Keller und schob ein Soundcheck-Band ein, nur die Band, ohne Gesang, und tanzte und sang dazu, um in Form zu bleiben. Die Stimme ist wie ein Muskel. Wenn man auf Tournee ist und zwei Wochen nichts tut, ist man nach dem nächsten Gig heiser.
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Deshalb ging er jeden Abend in den Keller – und ist mit 65 Jahren stärker denn je.
Das Schöne an diesem Urlaub war, im Wohnzimmer zu sitzen und „Brown Sugar“ und „Satisfaction“ live durch den Fußboden dröhnen zu hören. Das war mein abendliches Unterhaltungsprogramm. Ziemlich surreal, was?
GEBURTSTAG: 26. Juli 1943
GOLDENE MOMENTE: „Gimme Shelter“, „Sympathy for the Devil”, „Satisfaction“
GURU FÜR: Jack White, Steven Tyler, Iggy Pop.
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15. Robert Plant. esten Form, davon war Robert Plant als Teenager im englischen Kohlegürtel besessen. „Als ich Sleepy John Estes sah und diese Stimme hörte, halb Schmerz, halb Jenseits, wollte ich auch so singen können“, erzählte er 2006 dem Rolling Stone.
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Und das tat er, mehr noch: Das überirdische Geheul, das er bei Led Zeppelin entfesselte, klang wie eine Kreuzung aus Bluesmann und nordischem Gott. Noch nie war es so männlich gewesen, wie eine Frau zu klingen, und unzählige Hardrock-Sänger zerfetzten sich die Stimmbänder, um die Höhen zu erreichen, die Plant in die Wiege gelegt worden waren.
„Seine Stimme ist wie ein Bild“, sagt Sangeskollegin Alison Krauss.
„Gleichzeitig jung und alt und mit dieser merkwürdigen, geheimnisvollen Tiefe.“ Geburtstag: 20. August 1948. Wichtigste Songs: „Dazed And Confused“, „Immigrant Song“, „Sea Of Love“. Inspiration für: David Lee Roth, Freddie Mercury, Axl Rose.
14. Al Greens Stimme liegt genau in der perfekten Mitte zwischen Romantik und Sex: „Die meisten schwarzen Sänger gehen von null auf hundert, wollen sofort zum Höhepunkt“, sagt Ahmir „?uestlove“ Thompson von den Roots. „Al Green dagegen ist wie ein Soufflé, das 45 Minuten braucht, um aufzugehen.“ Green war der letzte große Sänger der Soul-Ära und klang doch ganz anders als seine Vorgänger.
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Sein makelloses Falsett konnte in „Let’s Stay Together“ in purer Freude explodieren oder in „Simply Beautiful“ fast unerträgliche Spannung erzeugen.
Greens Verletzlichkeit und eleganter Sex wurden Anfang der 70er Jahre mit 13 Top-Ten-Hits belohnt und haben durch seine Rückkehr zum Gospel nichts von ihrer Wirkung verloren.
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Er ist ein Virtuose der Stille“, so Thompson, der Greens jüngstes Album „Lay It Down“ produzierte. „Die leisen Töne sind seine Stärke.“ Geburtstag: 13. April 1946. Wichtigste Songs: „Let’s Stay Together“, „Love And Happiness“, „Tired of Being Alone“
inspiration FÜR: Prince, Alicia Keys, Justin
Timberlake.
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13. Roy Orbison. Tom Petty nannte ihn den „vermutlich besten Sänger der Welt“. Für Bob Dylan, auch er ein Traveling Wilburys-Kollege, besaß er „die Stimme eines Profikillers“. Roy Orbison startete wie Johnny Cash und Elvis mit Rockabilly – 1956 nahm er für Sun das boppige „Ooby Dooby“ auf…
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„Ich stand ja nur einen Meter weg, und wenn er diese hohen Töne sang, tat er das ganz leise und innig. Aber das Gefühl dahinter traf dich wie ein Vorschlaghammer.“ Geburtstag: 23. April 1936 (gestorben: 6.12.1988). Wichtigste Songs: „Oh Pretty Woman“, „You Got It“, „Only The Lonely”.
Inspiration für: Bruce Springsteen, Chris Isaak, k.d. lang.
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12. Little Richard. Als ich zum ersten Mal ‚Long Tall Sally‘ hörte, stand mir der Mund offen“, schwärmte John Lennon. „Ich wollte Elvis ja nicht untreu werden, aber das hier war einfach so viel besser.“ In seiner frühen Jugend schmetterte Richard Penniman Gospel-Songs in der Kirche von Macon/Georgia, und dieses fiebrige Fundament übertrug er auf den Rock’n’Roll:
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In Songs wie „Lucille“ und „Tutti-Frutti“ klang er wie ein Prediger, der mit dem Teufel ringt.
Als er 1956 „I’m gonna rip it up/ I’m gonna shake it up“ heulte, ging es nicht nur ums Wochenende – seine Falsett-Kiekser sprengten die Regeln des Pop-Gesangs.
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Richards Stimme fauchte mit einer Wildheit aus den Transistorradios, die einer ganzen Generation von Sängern und Musikern Brandnarben verpasste. So wie Jimi Hendrix, der eine Zeitlang in Richards Band spielte: „Ich möchte mit der Gitarre machen, was er mit seiner Stimme macht.“ Geburtstag:5. Dezember 1932. Wichtigste Songs: „Tutti-Frutti“, „Good Golly Miss Molly“, „Long Tall Sally“. inspiration FÜR: James Brown, Prince, Paul McCartney.
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11. Paul McCartney. „Paul ist wie ein impressionistischer Maler“, meint James Taylor, der die Ehre hatte, 1968 bei den Aufnahmen zum Weißen Album anwesend zu sein. „Einzeln betrachtet sind die Bestandteile seiner Musik im Grunde einfach, elementar, doch zusammen bilden sie ein äußerst raffiniertes Ganzes. Als Sänger ist er sehr präzise und kontrolliert.“
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In Beatles-Songs wie dem fieberhaften „I’m Down“ oder Eigenkompositionen wie „Maybe I’m Amazed“ bewies McCartney, der den Harmoniegesang von seinem Musikervater lernte, dass er über sehr flexible und kräftige Stimmbänder verfügt. Mindestens ebenso begabt ist er aber als Balladensänger, der in Songs wie „Yesterday“ und „Michelle“ Einflüsse von englischen Music-Hall-Schlagern bis Elvis Presley verarbeitete.
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„Ich war ganz klar McCartney-Fan. Er hat einfach einen wunderbaren Sound.“
GEBURTSTAG: 18. Juni 1942
GOLDENE MOMENTE: „Yesterday“, „Hey Jude“, „Maybe I’m Amazed“
GURU FÜR: Elton John, Rod Stewart, Elvis Costello
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10. James Brown. Text von Iggy Pop: James Brown war für mich nie nur eine Stimme, sondern das ganze Paket. Aber die Wirkung dieser Stimme gab mir Hoffnung, weil sie ohne großen Firlefanz serviert wurde und nichts mit einer vermeintlichen Riesenstimme zu tun hatte. Und dieser Schrei, der von ganz tief drinnen zu kommen schien und die Rechte eines Urmenschen einforderte: „Ich bin lebendig, ich kann alles Mögliche tun!“ Seine Tanzbewegungen nannte er „afrikanische Nervensteuerung“. Das ergab Sinn. Auf seinen ganz frühen Platten versuchte er, Standards zu singen. Dafür reichte es aber nicht ganz. Ich hörte ihn das erste Mal auf „Live At The Apollo“, das war ein paar Jahre später. Ich arbeitete damals in einem Plattenladen. Auf „Apollo“ gibt es immer noch eine Menge traditioneller Songs – „Try Me“, „Lost Someone“.
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Aber was mich vom Stuhl riss und mir neue Ideen gab, war die Kontinuität, mit der er diese Sachen brachte. Zuerst das lange Intro und diese unglaublich detaillierte Eingangsmusik. Und wenn James dann einsteigt, hält er sich erst mal sehr zurück, arbeitet mit dynamischen Effekten, laut und dann wieder ganz sanft. In „Lost Someone“ kommt diese rauschhafte Wiederholung, wo die Band ständig zwischen zwei Harmonien wechselt und er in einem fort sagt: „I’ll love you tomorrow.“ Und dann kommt es plötzlich – „Uh!“ – wie eine Ohrfeige, und die Band antwortet. Nichts davon ist zufällig, aber es klingt auch nicht forciert oder nach Zwangsjacke.
Er war ein sagenhafter Arrangeur. Das Stück, das mich komplett ausrasten ließ – ich weiß noch, dass ich es im Auto hörte –, war „I Can’t Stand It“.
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Er pfiff auf den Refrain, pfiff auf die Melodie, es war kaum mehr als ein Riff übrig, aber er trieb die Band an wie der Steuermann einer römischen Galeere: Rudert, ihr Wichser, uh!
Seine Balladen haben immer irgendwo eine scharfe Kante, die einem zeigt, dass es um etwas Reales geht. Eine der weniger bekannten ist „Mama’s Dead“ auf „Black Caesar“. Die haut mich jedes Mal um. Am Ende, nachdem er all diese hammerharten Sachen erzählt hat, sagt er einfach: „Jeder hat eine Mutter, und du weißt, wovon ich rede.“ Oder im Refrain von „It’s a Man’s Man’s Man’s World“ – ein weniger genialer Künstler würde sagen: „It wouldn’t mean nothin’ without a woman“. Oder „without a girl“. Aber nicht beides. Das ist nicht nur einfach ein Text. Er singt über etwas Urtümliches und Grundlegendes.
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Er erklärt uns, wie eine Gesellschaft funktioniert. Was Geld für eine Rolle spielt. Vielleicht deshalb, weil er zu Beginn seines Lebens selbst nicht viel besaß. Der bewegendste Teil seiner Autobiografie ist für mich der, wo er mit seinem Vater Tannenbäume anzapft, um Harz zu ernten. Das ist echte Armut.
Das Wichtigste, was er mir beibrachte: Steh nicht rum und glotz auf deine Schuhe. Fuck that. Mach was. Er selbst klingt immer so, als ob er gerade ausbrechen will. Wenn man sich erst mal dazu entschlossen hat, sich da draußen hinzustellen und loszugrooven, wird so vieles einfacher. So schafft man Bewegung in einer Gesellschaft, die auf Ordnung basiert.
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Und man fühlt sich anders, tief drinnen. Die Bewegung verändert einen als Sänger, befreit einen von dem ganzen gespreizten Zeugs.
In solchen Situationen hat Musik eine kathartische Kraft und die Typen, die so was machen, wissen das ganz genau. Deshalb konnte sich James Brown „Soul Brother Number One“ nennen – und niemand hat ihn je einen Angeber genannt.
Geburtstag: 3. Mai 1933 (gestorben: 25. Dezember 2006). Wichtigste Songs: „I Got You (I Feel Good)“, „Papa’s Got A Brand New Bag“, „The Payback“, „Give It Up Or Turnit A Loose“.
Inspiration für: Michael
Jackson, Sly Stone, Prince, George Clinton
9. Stevie Wonder. Text von Cee-Lo. Für mich klingt Stevie Wonders Stimme immer nach Freudentränen – als müsse er gleich losheulen, aber vor Freude und Zufriedenheit, nicht vor Schmerz wie zum Beispiel Sly Stone.
Seine Stimme besitzt Fülle und Klarheit, egal in welcher Tonlage. Sein Vibrato trifft einen wie ein Pfeil, ohne dass die normale Singstimme darunter verloren geht.
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Vermutlich hat die Blindheit seine anderen Sinne geschärft, seine bildliche und emotionale Vorstellungskraft. Das macht seine Musik sehr visuell, sehr grafisch.
Das erste Mal sah ich Stevie Wonder in dem Film „Cooley High“, in dem er „Fingertips“ sang. Sein Selbstbewusstsein beeindruckte mich sehr – er schien genau zu wissen, wer er war. Also fing ich an, mich durch seine Platten zu arbeiten.
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„Talking Book“ und „Innervisions“ hatte ich schon bei meinem Onkel gesehen, aber nicht gehört. Jetzt entdeckte ich Sachen wie „Superwoman“, „I Ain’t Gonna Stand for It“ und natürlich „Ribbon In The Sky“. Unglaublich, was er mit diesen Songs anstellt. Und seine Stimme, so vielseitig und abwechslungsreich. Sein Selbstgefühl ist übermenschlich. Er weiß genau, wer er ist, worin seine Aufgabe liegt, welche Verantwortung er hat.
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Aber er freut sich darüber, auserwählt zu sein, und das macht ihn zu dem, was er ist. Fast so etwas wie ein Wunder.
Geburtstag: 13. Mai 1950. Wichtigste Songs: „Superstition“, „Sir Duke“, „Signed, Sealed, Delivered I’m Yours“
Inspiration für: Donny Hathaway, Maxwell, Adam Levine.
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8. Otis Redding. Text von Booker T. Jones: Als ich Otis zum ersten Mal sah, hatte ich keine Ahnung, wer er war. Ich stand vor dem Stax-Gebäude, 926 East McLemore Avenue in Memphis, und dieser Typ lud Koffer und anderes Zeug aus einem Kombi und schleppte sie ins Studio. Das Zeug gehörte dem Sänger Johnny Jenkins, den Otis damals chauffierte. Ich sah ihn erst nachmittags wieder, als er zum Vorsingen kam. Er sang „These Arms Of Mine“, in B-Dur.
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LONDON – 1966: Soul singer Otis Redding performs on the TV show Ready Steady Go in 1966 in London, England. (Photo by Michael Ochs Archives/Getty Images)
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Mit ihm „Respect“ zu spielen, war pure Energie und überschäumende Freude. Wenn er nicht singen konnte, war Otis eher unkonzentriert und unsicher. Im Studio bewegte er sich anders als auf der Bühne, hielt sich mehr zurück. Beeindruckend war es trotzdem. Wenn er zuerst mit dem linken und dann mit dem rechten Fuß stampfte, strengten sich alle noch mehr an. Er besaß diese magnetische Anziehungskraft – „I’m a man!“ –,
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Das ist ein Gefühl, das jeder kennt, und genau so hat er es rübergebracht.
Geburtstag: 9. September 1941 (gestorben: 10. Dezember 1967). Wichtigste Songs: „(Sittin’ On) The Dock Of The Bay“, „ These Arms Of Mine“, „Try A Little Tenderness”
Inspiration für: Al Green, Toots Hibbert,
Chris Robinson.
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7. Bob Dylan. Text von Bono: Bob Dylan hat geschafft, was nur sehr, sehr wenige Sänger schaffen – er hat anders gesungen als irgendjemand vor ihm. Heute leben wir in einer Welt, die von seinem Gesang geprägt ist. Fast niemand singt mehr wie Elvis Presley, aber Hunderte versuchen, wie Dylan zu klingen. Als Sam Cooke dem jungen Bobby Womack Dylan vorspielte, wusste der damit nichts anzufangen. Cooke erklärte es ihm dann: Ab sofort kommt es nicht mehr darauf an, wie schön eine Stimme ist. Was zählt ist nur, ob du ihr glaubst, dass sie die Wahrheit sagt.
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Um Dylans Bedeutung als Sänger zu verstehen, muss man sich eine Welt ohne Tom Waits, Bruce Springsteen, Eddie Vedder, Kurt Cobain, Lucinda Williams und jeden anderen Vokalisten mit Reibeisenstimme, Straßenköterkläffen oder Bluesgeheul vorstellen. Die Liste ist lang, aber auch Dylan hatte eine ganze Menge Vorbilder, von Allen Ginsbergs Talmud-Rezitationen in „Howl“ bis zum staubtrockenen Humor Woody Guthries und dem Gemurmel von Lefty Frizell. In seiner Stimme liegt Eisenerz vergraben, und die bitterkalten Winde von Minnesota blasen darüber hinweg. Sie ist wie eine geballte Faust, was Dylan erlaubt, zutiefst melancholische Lieder zu singen, ohne sentimental zu werden. Interessanterweise öffnet sich die Faust mit dem Alter, lässt ein we-nig Verletzlichkeit zu. Wenn er heute „Idiot Wind“ singt, klingt er manchmal wirklich wie ein Idiot.
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Das erste Mal hörte ich Bob Dylans Stimme im Dunkeln, vom Plattenspieler meines Freundes. Ich war 13 Jahre alt. Es war das „Greatest Hits“-Album, sein erstes. Die Stimme sang über moderne Themen, klang aber gleichzeitig uralt. Für irische Ohren wirkte sie seltsam vertraut. Wir dachten damals, Amerika sei bevölkert von Superhelden, doch die Leute in seinen Songs waren alles andere als das – Bauern, Menschen, denen übel mitgespielt worden war. Das Ungewöhnliche an Bob Dylan war, dass er uns in den 60er Jahren für kurze Zeit wie die Zukunft erschien. Er war die Stimme einer Generation, die sich gegen die Generationen davor erhob. Doch dann wurde er zur Stimme aller Generationen, die Stimme der Geister – 30er Jahre, Dust Bowl, Gershwin und Varieté.
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Diese Bilder von ihm im gepunktetem Hemd, mit Afro und spitzen Schuhen – das war ein kurzes Aufblitzen. Für gewöhnlich stellt er seine Stimme in den Dienst archaischerer Figuren. Hier ein paar der Adjektive, mit denen ich seine Stimme beschreibe: heulend, verlockend, rasend, entrüstet, spöttisch, flehend, bettelnd, einschüchternd, bekennend, wehklagend, jammernd, tröstend, unterhaltend, schmeichelnd. Eine Stimme wie Rauch, von Zigarren oder Weihrauch, voller Geheimnis und Andacht. Eine Stimme für jeden Dylan, der dir begegnen kann, und das ist auch der Grund, warum Bob Dylan mich niemals langweilt – weil es so viele von ihm gibt und alle irgendwie als Pilger unterwegs sind. Die Leute vergessen, dass Bob Dylan das Publikum aufwärmen musste, bevor Martin Luther King seine großartige „I have a dream“-Rede hielt – dem Prediger ging der Pilger voran.
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Dylan hat so viele Rollen in seinen Songs gespielt, weil er auf diese Weise seinen Themen Leben einhaucht. Sein Schrank ist übervoll mit den Schuhen der Leute, die durch seine Geschichten wandern. Ich liebe das Album „Shot Of Love“. Null Produktion. Man sitzt in einem Zimmer und hört ihm beim Singen zu. Und ich mag viele der Songs, die er mit Daniel Lanois aufgenommen hat – „Series Of Dreams“, „Most Of The Time“, „Dignity“. Das ist die Periode, die mich am meisten berührt, in der Stimme und Worte eins werden. Keine Darbietung mehr, nur Leben – der Tänzer wird zum Tanz, wie Yeats sagte.
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Dylan hat mit dem Singen gemacht, was Brando mit der Schauspielerei gemacht hat – sich durch die Tricks und Kniffe gepflügt, um zur Kunst zu kommen, die von den Gralshütern der Zunft aufgestellten Regeln in der Luft zerfetzt, die vierte Mauer durchbrochen, sich vor dem Publikum aufgepflanzt und geknurrt: „Wehe, du denkst, es ist mir nicht ernst!“
Geburtstag: 24. Mai 1941. Wichtigste Songs: „Like A Rolling Stone“,
„Lay Lady Lay“, „Visions Of Johanna”
inspiration für: John Lennon, Bruce Springsteen, Patti Smith, Conor Oberst
6. Marvin Gaye. Text von Alicia Keys: Niemand sonst klingt wie Marvin Gaye. Er sang so sanft, fast zärtlich, und doch mit so viel Kraft. Das kam bei ihm direkt aus dem Herzen. Alles in seinem Leben, alles, was er dachte und fühlte, beeinflusste seinen Gesang. Meine erste richtige Begegnung mit Marvin Gaye war das Album „What’s Going On“, in das ich mich sofort verliebte.
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Wegen seiner fantastischen Musikalität natürlich, aber auch, weil ich seine Verzweiflung über den Zustand der Welt so rührend fand. Was mir besonders gefällt, ist die Art, wie er den Streichern mit der Stimme folgt oder eine Instrumentalphrase aufnimmt. Das hat eine einfache, unaufdringliche Eleganz, die der Musik zusätzliche Qualität verleiht.
Heute gibt es ProTools und tausend Spuren, und man kann auf jede Spur eine andere Stimme legen. Damals musste man erfinderisch sein, um es hinzukriegen, dass Marvin sich in einem Song selbst antworten konnte, oder um seine Stimme so weit in den Hintergrund zu mischen, dass sie wie ein Echo klang. Marvin brachte jeden Song mit einer solchen Klarheit, dass es mir Schauer über den Rücken jagte.
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Die Live-Version von „Distant Lover“ ist sicher eine der unglaublichsten Performances, die je auf Band festgehalten wurde. Man spürt seine Zuversicht, seine Sehnsucht – man kann sich vorstellen, wie er sich auf der Bühne bewegt. Das Publikum hängt an seinen Lippen, und er macht mit ihm, was er will. Das ist es, was Marvin Gaye unsterblich macht: die Gefühle, die er weckt.
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„What’s Going On“ hat meine ganze Welt verändert – mein Leben, meine Songs, einfach alles.
Geburtstag: 2. April 1939 (gestorben: 1. April 1984).
Wichtigste Songs: „What’s Going On“, „Let’s Get It On“, „I Heard It Through the Grapevine“
Inspiration für: D’Angelo, R. Kelly, Usher
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5. John Lennon. Text von Jackson Browne: In allem, was John Lennon machte, lag eine ungeheure Intimität, die sich mit einem beeindruckenden Intellekt paarte. Das machte ihn zu einem so großartigen Sänger. „Girl“, auf „Rubber Soul“, beginnt mit dieser hohen, stählernen Stimme: „Is there anybody going to listen to my story…“ Da steckt so viel Spannung drin, als würde jemand ganz plötzlich aus dem Schatten treten. Doch wenn der Refrain einsetzt, merkt man: Eigentlich spricht er direkt zu ihr.
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Als ich das als Teenager hörte, entsprach es genau meinem damaligen Gefühlszustand – ständig brennend vor sexueller Begierde, aber mit einem leisen Bedauern, dass man sich so wenig unter Kontrolle hat.
John war sich seiner Gefühle sicher, und das konnte man in seinen Songs hören. Bei John Lennon und den Beatles wird oft übersehen, dass es für Angehörige der Liverpooler Arbeiterklasse ungewöhnlich war, in eine höhere Gesellschaftsschicht katapultiert zu werden und ihre Wurzeln, ihre Sprache und Stimme nicht zu verstecken. Es war mutig von ihnen, sich nicht zu ändern. Mit jedem Wort, das Lennon sang, sagte er, wer er war und woher er stammte.
Er sang nicht sehr laut. Das wurde mir klar, als ich „Oh My Love“ von „Imagine“ lernte.
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Der Song muss leise gesungen werden, und dafür braucht man eine Menge Kraft. Das ist paradox – um leise und hoch zu singen, muss man körperlich stark sein. In „I’m Only Sleeping“ von „Revolver“ klingt er schläfrig, als würde er gerade im Bett liegen. Oder „I’m So Tired“ auf dem Weißen Album – da wirkt er irgendwie gereizt. Diese Songs leben in einem weiter, weil der Sänger es schafft, einen bestimmten Moment in all seinen Facetten darzustellen. „Imagine“ ist eine Meisterleistung. Während er singt, macht er die Sehnsucht nach einer Welt, in der echter Friede herrscht, für uns lebendig. Und er singt mit einer Furchtlosigkeit, die Polemik ebenso verhindert wie Kitsch.
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Es ist wunderbar, wenn eine Idee so klar ausgedrückt wird, dass jeder sie singen kann – und singen möchte.
Je mehr er sich als Songwriter weiterentwickelte, desto öfter konnte er seine Stimme in einem neuen Kontext zeigen. Wie er „A Day In The Life“ singt, diese Einsamkeit. Und auf „John Lennon/Plastic Ono Band“ entblößt er sich völlig, drückt seinen Schmerz kompromisslos aus: „Mother/ You had me/ But I never had you“.
Ein vernichtendes Fazit, das man nie mehr vergisst. „Double Fantasy“ ist leichter, optimistischer, mit wunderschönem Gesang – vielleicht weil er damals zu Hause seinem Sohn vorsang. John Lennon musste sich das Leben, das er hatte, teuer erkaufen. Er musste manches aufgeben, um anderes zu bekommen. Und mit vielen Themen konnte er sich dann nicht mehr beschäftigen.
Aber was verblüffend ist – er hat immer die Wahrheit gesagt.
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Er hielt es für sein Recht, sich zu äußern, und das verleiht seiner Stimme ihre bemerkenswerte Identität. as hat nichts mit außergewöhnlicher Technik zu tun. John Lennon ging ohne Umwege zu dem, was er fühlte, was er zu sagen hatte.
Geburtstag: 9. Oktober 1940 (gestorben: 8. Dezember 1980).
Wichtigste Songs: „I Feel Fine“, „Strawberry Fields Forever“, „Imagine“, „Instant Karma”
Inspiration für: Bono, Neil Young, Liam Gallagher.
4. Sam Cooke. Text von Van Morrison: Wenn ein Sänger nicht aus seiner Seele heraus singt, mag ich gar nicht zuhören – das ist nichts für mich.
Sam Cooke stieg ganz tief hinab in seine Seele. Er konnte etwas, das nur wenige können – Gospel so singen, wie es sich gehört, wahrhaftig, sauber, direkt.
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Gospel hat Sam Cooke durch seine besten Songs geführt, so wie Ray Charles, der vor ihm kam, und Otis Redding.
Seine Stimme war unvergleichlich. Sam Cooke konnte singen, was er wollte, bei ihm klang alles gut. Die Qualität eines Sängers hat mit dem Stimmumfang nichts zu tun. Cookes Stärke war der Vortrag – wie er etwas phrasierte, die Absolutheit, mit der er sang.
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Was können wir von einem Sänger wie ihm lernen, von Songs wie „A Change Is Gonna Come“? Das hängt davon ab, was für ein Sänger man selbst ist, wo die eigenen Talente liegen, wie ernsthaft man an die Sache rangeht. Sam Cooke war einfach zum Sänger geboren.
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Geburtstag: 22. Januar 1931 (gestorben: 11. Dezember 1964).
Wichtigste Songs: „A Change Is Gonna Come“, „Bring It On Home to Me“, „You Send Me“.
Inspiration für: Otis Redding, Art Garfunkel,
Rod Stewart
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3. Elvis Presley. Text von Robert Plant: Es gibt einen Unterschied zwischen denen, die nur singen, und denen, die mit ihrer Stimme an einen anderen, jenseitigen Ort gehen, die in sich eine Euphorie erzeugen. Man verwandelt sich. Ich habe das selbst erlebt. Und ich weiß, dass Elvis das auch konnte. Mein erster Elvis-Song war „Hound Dog“. Ich wusste damals noch nichts von Big Mama Thornton oder wo der ganze Swing herkam. Ich hörte nur diese Stimme, die ihren absolut eigenen Platz hatte. Die Stimme war souverän, verführerisch, gnadenlos. Sie glitt auf und ab, stürzte sich auf Noten wie ein Raubvogel auf die Beute.
Ich nahm das alles auf, man hört es bei Led Zeppelin an allen Ecken und Enden. Als ich Elvis traf, nach einem unserer Konzerte Anfang der 70er Jahre, nahm ich ihn erst mal unter die Lupe. Er war nicht so groß wie ich, hatte aber einen ordentlichen Brustkorb – wichtig als Resonanzkörper. Und er war ein Besessener. „Anyway You Want Me“ ist das Bewegendste, das ich je aus dem Mund eines Sängers gehört habe. „Jailhouse Rock“ und die Songs, die bei den King-Creole-Sessions herauskamen – unvergleichlich. Wenn ich mir heute die Sun-Aufnahmen anhöre und auf seine Karriere zurückblicke, denke ich:
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„Wow, was für ein Anfang.“ Aber am meisten gefielen mir die modernen RCA-Sachen. „I Need Your Love Tonight“ und „A Big Hunk O’ Love“ hatten so viel Power – diese Sessions klingen, als hätte man sich damals an keinem besseren Ort der Erde aufhalten können. Bei unserem Treffen damals scherzte Jimmy Page, wir würden nie Soundchecks machen, aber wenn doch, würden wir nur Elvis-Songs singen. Elvis fand das lustig und fragte, welche Songs das wären. Die besonders stimmungsvollen, sagte ich, wie dieses tolle Country-Stück, „Love Me“: „Treat me like a fool/Treat me mean and cruel/But love me.“ Als wir uns verabschiedeten, nach sehr amüsanten 90 Minuten, und ich den Flur runterging, kam er aus der Tür, grinste und fing an zu singen:
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„Treat me like a fool…“ Ich drehte mich um, fiel ein – und dann standen wir da und besangen uns gegenseitig.
Sein Umfeld verhinderte, dass er mit moderneren Songschreibern zusammenkam. Als er starb, war er 42. Ich bin jetzt 18 Jahre älter, aber ihm fehlten damals neue Partner, frische Beziehungen – seine alten Kumpel konnten ihm nichts Neues beibringen. Ich weiß, dass er mehr von sich zeigen wollte.
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Aber mir – als Sänger – hat er es möglich gemacht, zu diesem jenseitigen Ort zu kommen.
Geburtstag: 8. Januar 1935 (gestorben: 16. August 1977).
Wichtigste Songs: „Mystery Train“, „Hound Dog“, „Suspicious Minds“
Inspiration für: Bono, Bruce Springsteen
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2. Ray Charles. Text von Billy Joel: Ray Charles hatte die eigenwilligste Stimme, die es je in der „leichten“ Musik gab. Er liebte es zu improvisieren, einen kleinen Lacher oder ein „Huh-hey!“ einzubauen. Als wäre ihm beim Singen plötzlich etwas eingefallen, auf das er einfach reagieren musste. Er hatte Freude an dem, was er tat. Und seine Freude war ansteckend. Aber da war noch etwas anderes, das ich erst erkannte, als wir in den 80er Jahren zusammen meinen Song „Baby Grand“ sangen.
Ray Charles singt nicht nur mit Soul, er lässt einen auch einen Blick in seine Seele werfen. Man hört etwas, das ganz tief in ihm drin steckt. Ich fürchtete, dieses Erlebnis würde mich in eine kleine Null aus Levittown/New York verwandeln. Stattdessen machte es mir Mut. Es war wie ein Erweckungserlebnis, er der Prediger und ich die Gemeinde. Es machte mich richtig heiß.
Ray wollte anfangs wie Nat „King“ Cole klingen. Wenn Nat ganz tief sang, wie in „Mona Lisa“, war da ein Grollen in seiner Stimme, das irgendwie sexy klang. Ray machte daraus etwas Neues.
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Er nahm das Grollen und verwandelte es in Gesang. Er nahm das Jaulen, das Keuchen, das Grunzen, das Stöhnen und machte daraus Musik. Und er konnte Klavier spielen. Das Klavier ist eigentlich ein Schlaginstrument, man muss es mit dem ganzen Körper spielen. Ray hatte Körperbewegungen drauf, die ich noch nie gesehen hatte. Aber ich hatte sie gehört, wenn er sang. Ich hörte seine linke Schulter ein bisschen nach oben gehen, hörte, wie er sich von seinem Stuhl erhob. Erst da wurde mir klar, dass die Stimme, die ich hörte, auch das Klavier spielte.
Das Erste, was ich von Ray hörte, war „Modern Sounds In Country And Western Music“. Er hatte davor schon Hits gehabt, R&B-Sachen wie „What’d I Say“.
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Doch auf einmal war da ein schwarzer Mann, der einem die weißestmögliche Musik in der schwärzestmöglichen Verpackung zu einem Zeitpunkt servierte, als die Bürgerrechtsbewegung alles auf den Kopf stellte. Wenn er „You Don’t Know Me“ sang, dachte ich: „Er singt nicht nur den Text. Er sagt: ‚Ihr kennt mich nicht. Ihr sollt mich kennenlernen.‘“ Ray konnte raffinierte Sachen mit einem Song anstellen. Seine Version von „America The Beautiful“ 1972 war richtungweisend. Er legte so viel Gefühl hinein. Es war seine Art zu sagen: „Dies ist auch mein Land. Wir haben euch die Musik gegeben, die ihr heute so gern hört. Sie gehörte uns, bevor sie euch gehörte.“
Ray hat den Blues in eine Sprache übersetzt, die jeder verstehen konnte.
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Wenn man Ray Charles hört, weiß man einfach, dass dieser Mann seine Musik gelebt hat. Er zeigt uns seine Menschlichkeit, lässt uns seine Spontaneität hören. Jemand anders würde sagen: „Das war ein Fehler, das können wir nicht drinlassen.“ Ray ließ so was drin. Und aus dem Fehler wurde das Highlight des Songs.
GEBURTSTAG: 23. September 1930 († 10. Juni 2004)
GOLDENE MOMENTE: “What’d I Say, Pts. 1 & 2,”
“I Got a Woman,” “You Don’t Know Me,” “Georgia on My Mind”
GURU FÜR: Van Morrison, Otis Redding, Stevie Wonder.
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1. Aretha Franklin. Text von Mary J. Blige: Man weiß, wenn etwas vom Himmel gesandt ist. Man weiß, wenn Gott seine Hand im Spiel hatte. Und Aretha ist ein Geschenk Gottes. Wenn es darum geht, sich mit jeder Faser in einen Song einzubringen, kann ihr niemand das Wasser reichen. Sie ist der Grund, warum Frauen singen wollen. Aretha hat alles – die Kraft, die Technik. Sie ist ehrlich in allem, was sie sagt. Alles was sie denkt oder tut, ist in ihrer Musik zu finden, von „Chain Of Fools“ bis „Respect“ und ihren Live-Auftritten. Und sie zweifelt keine Sekunde an sich.
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Ich glaube, dieses Selbstvertrauen hat mit ihrer Verwurzelung im Gospel zu tun, weil man im Gospel nicht herumspielt – da geht es darum, wer am meisten drauf hat, wer die besten Parts kriegt. Für sie ist das alles nicht nur ein Spiel. Als ich klein war, liefen „Do Right Woman“ und „Ain’t No Way“ bei uns jeden Tag. Meine Mutter weinte, wenn sie diese Songs hörte, und ich weinte mit. Durch den Soundtrack zu „Sparkle“ entdeckte ich Aretha dann für mich selbst. Ich glaube, ich habe „Giving Him Something He Can Feel“ 30 Mal hintereinander gespielt, bis mir klar wurde, dass das ja die Stimme war, die meine Mutter so gerne hörte.
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Sogar die Art, wie sie Wörter ausspricht, ist fantastisch: In „Giving Him Something He Can Feel“ singt sie „Many say that I’m too young“ – und wie sie „I’m“ sagt, man kann es fast sehen, sie ist stinksauer, aber du hängst immer noch an ihren Lippen. Ich sehe ihre Hände vor mir, wenn sie auf „Ain’t No Way“ singt „You’re tying both of my hands“, weil sie das Wort „both“ dermaßen attackiert.
Wenn man sie bei der Arbeit sieht, erkennt man, warum Aretha so ist, wie sie ist.
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Sie war schon eine Gospelgröße, bevor sie den ersten weltlichen Hit hatte. Protegiert vom Pastorenvater und dem legendären Reverend James Cleveland, der auch wieder am Piano saß, als sie im Wallekleid die Baptistenkirche einnahm, sich hinter die Holzkanzel klemmte und das Schönste von Jesus bis Marvin Gaye sang. Zwei historische Tage: Show und Gottesdienst, endgültig versöhnt.
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Als wir „Don’t Waste Your Time“ für mein Album „Mary“ aufnahmen, marschierte sie einfach rein und verputzte die Platte wie Pac-Man. Sie konnte eine Gospel-Phrase singen, und es wurde etwas Spacig-Jazziges draus, das ich noch nie gehört hatte: „Wo kam das denn jetzt her? Wo hat sie denn den Ton gefunden?“ Es ist wunderbar, so etwas zu erleben, weil es Menschen hilft, die nicht so recht an ihr Talent glauben mögen, so wie ich. Ich schaue sie an und denke:
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„Davon brauche ich auch ein Stück. Was immer es ist.“
Geburtstag: 25. März 1942.
Wichtigste Songs: „(You Make Me Feel Like) A Natural Woman,“ „Respect,“ „I Never Loved A Man (The Way I Love You),“ „Think,„ Chain Of Fools“
Inspiration für: Whitney Houston, Alicia Keys, Aaron Neville, Annie Lennox
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ROLLING STONE hat entschieden: Dies sind die 100 größten Sänger aller Zeiten.
Das Wahlverfahren: Gewählt haben etwa 200 von der US-Redaktion berufene Musiker, Kritiker und Experten. Von der deutschen Redaktion wurden einige Favoriten ergänzt.
Die Jurytexte stammen unter anderem von Mary J. Blige, Billy Joel , Robert Plant, Van Morrison, Jackson Browne, Alicia Keys, Bono, Lenny Kravitz und Iggy Pop .
Unter anderem in der Jury:
Alice Cooper, Chris Cornell, David Crosby, Cameron Crowe, Clive Davis, Steve Earle, Melissa Etheridge , Mick Fleetwood, Liam Gallagher, Art Garfunkel, Beth Gibbons, Merle Haggard, Albert Hammond Jr., James Hetfield, Robert Hilburn, Jimmy Iovine, Chris Isaak, Yusuf Islam, Jim James, Billy Joel, Norah Jones , Rickie Lee Jones, Alicia Keys, B.B. King, Carole King, Lenny Kravitz, Jon Landau, Jerry Leiber, Kurt Loder, Courtney Love, Mike Love, Loretta Lynn, Shelby Lynne, Ray Manzarek, Chris Martin, Paul McGuinness, John Mellencamp, George Michael, Mike Mills, Sinead O’Connor, Yoko Ono, Ozzy Osbourne, Iggy Pop, Keith Richards, Robbie Robertson, Chris Robinson, Mark Ronson, Patti Smith, Bruce Springsteen, Ringo Starr, Seymour Stein, Rod Stewart, Justin Timberlake, Steven Van Zandt, Roger Waters, Scott Weiland, Paul Westerberg, Ann Wilson, Brian Wilson, Nancy Wilson.
Der US-Schriftsteller Jonathan Lethem beantwortet für uns die Frage:
Was macht einen begnadeten Sänger aus?
Jede Stimme besitzt eine Persönlichkeit, ähnlich wie jeder menschliche Körper einen eigenen Geruch hat oder eigene Formen. Tief im Bauch zum Leben erweckt, von der Kehle in Form gepresst, durch den Blasebalg der Lungen in Fahrt versetzt, mittels Zunge und Lippen in endgültige Gestalt gebracht, ist Gesang immer eine Art hörbarer Kuss, ein spontanes Geständnis, ein Rülpser der Seele, der sich einfach nicht zurückhalten lässt auf dem Weg durchs irdische Dasein. Wie hoffnungslos ehrlich! Wie beängstigend!
Bob Dylan live 1979
Die Fähigkeit, halbwegs tonrein zu singen, ist übrigens – entgegen landläufiger Meinung – kein Hindernis, wenn man Rocksänger werden will, höchstens ein klitzekleiner Nachteil. Umgekehrt garantieren die vokalen Defizite eines Lou Reed nicht jedes Mal ein „Pale Blue Eyes“, ebenso wenig wie aus dem tapsigen Tanzbär-Gebrumm eines Tom Waits automatisch ein „Downtown Train“ entsteht. Trotzdem hat sich der von Galionsfiguren wie Bob Dylan, Jim Morrison und Jonathan Richman geprägte Antigesang als erstaunlich langlebig und stilbildend erwiesen.
Für mich sind Bob Dylan und Patti Smith, um nur zwei zu nennen, nach jedem Maßstab, der in meinen Augen je relevant sein könnte, grandiose Sänger – Ausdruck, Überraschung, Gefühl, Struktur, Humor, Horizont. Diese zwei, eine Handvoll weiterer: Ihre Seelenrülpser sind für mich die Seelenrülpser der Götter. Die Stimme des Sängers, ihre Schönheit, berührt uns an einem Ort, der so persönlich ist wie der Ort, an dem sie entsteht. Seltsam ist nicht nur, zu welch ekstatischer Unterwerfung uns Sänger verführen können, sondern auch, welche Ernüchterung mitunter folgt, sobald wir unserer Sinne wieder mächtig sind – als hätten sie uns mit Tricks dazu gebracht, sie zu lieben, an unseren Schaltungen herumgefummelt und eine Schwachstelle entdeckt, die wir längst für zugelötet hielten. Wer sich in einen Sänger verliebt, wird wieder zum Teenager, jedes Mal.
Sänger sind Schwindler. Hin und wieder fragen wir uns, ob man sie nicht doch eher als Schauspieler betrachten sollte, und beschließen dann, die „echten“ R.E.M. seien Buck, Berry und Mills, nicht dieser spinnerte Frontmann Stipe, oder die „echten“ Rolling Stones nur Richards-Wood-Watts-Wyman statt des nervenden Geldsacks Jagger. Doch aufgepasst – weiter in diese Richtung gedacht, und man beginnt zu spekulieren, wie die Doors ohne „Mr. Mojo Risin’“ klingen würden oder ob jemand Dylans knorrige Silben besser rüberbringen könnte als Dylan selbst. Und gegen beides gibt es knallharte Beweise. Tatsächlich sind Bands wie die Stones oder R.E.M. oft gerade deshalb so einmalig und imponierend, weil die Instrumentalisten es schaffen, den perfekten Rahmen zu zimmern für die nicht hundertprozentig musikalische Herangehensweise ihres Vokalisten an einen Song: das Pathos oder das Genuschel, die gesprochenen Zwischenbemerkungen oder die überzähligen Silben, die Rhythmus und Taktmaß as we know it stören, die-
se Filmstar-Allüren, für die wir Sänger bewundern und die wir ihnen gleichzeitig übelnehmen.
Das Lustige an dieser Poser-Phobie ist, dass auch Sänger darunter leiden – so sehr, dass sich manche von ihnen auf der Bühne eine vorher sorgsam ausgestöpselte Gitarre umhängen. Und es erklärt die „rockige“ Vorliebe für Sänger, die ihre Songs selbst schreiben. Wenn eine Gesangsdarbietung, die unsere Herzen rührt, an einen Drahtseilakt erinnert, atemberaubend und grotesk zugleich, dann können wir uns damit beruhigen, dass Neil Young oder Gillian Welch oder Joe Strummer zumindest die Fundamente für die Masten selbst gegraben und den Draht eigenhändig gespannt haben. Wohingegen Sänger, die auf vorhandenes oder für sie maßgeschneidertes Material angewiesen sind – wie Janis Joplin, Rod Stewart und Whitney Houston – vielleicht nur Vögel sind, die auf anderer Leute Draht landen. Wenn wir Sängern zuhören, die wie prachtvolle Tiere durch eine Karaoke-Maschine streifen, mag uns die Frage einen gewissen Kick verschaffen, ob sie in den Texten wohl den Sinn entdecken, den der Verfasser beabsichtigt hatte, oder überhaupt irgendeinen Sinn.
Sam Cooke
Was einen Hinweis darauf gibt, was großartigen Gesang in der Rock-und-Soul-Ära ausmacht: dass in der Distanz zwischen Sänger und Lied eine unterschwellige Spannung existiert. Eine Brücke wird gebaut, die eine große Leere überspannt, und wir wissen nie, ob der Sänger in der Lage sein wird, sie zu überqueren. Die Kluft mag zwischen der Beschaffenheit der Stimme und der eigentlichen Bedeutung der Worte bestehen oder zwischen Sänger und Band, musikalischem Genre, Produktionsstil oder den Erwartungen des Publikums. Auf jeden Fall liegt dem Gesangsstil, der das Pop-Zeitalter geprägt hat, ein wunderbares Gefühl von Unbehagen zugrunde. Das einfachste Beispiel entstammt dem Moment seiner Entstehung, also Elvis Presley: Die ersten Zuhörer dachten, der weiße Typ wäre ein schwarzer Typ. Man übertreibt nur unwesentlich, wenn man feststellt, dass in dem Moment, als Ed Sullivans Fernsehshow diese Disjunktion in jedermanns Wohnzimmer beförderte, die amerikanische Kultur fasziniert, aber auch ein wenig verwirrt war – ein Gefühl, das wir bis heute nicht so recht überwunden haben. Dass seither nur wenige Gesangsstile dasselbe revolutionäre Potenzial besaßen, liegt nicht an mangelndem Bemühen. Als die Doors probierten, wie Rock’n’Roll mit einer Fassade aus mürrischem Pathos klingt oder die Ramones oder Modern Lovers den Soundtrack zu infantilen Zuckungen lieferten, hätte der Hörer im ersten Augenblick denken können: Soll das ein Witz sein? Doch der Witz ist in Klang verwandelte Veränderung – etwas ändert sich an der Art, wie ein Song auf uns wirkt. In dem Café, in dem ich dies schreibe, kam gerade Morrissey aus den Lautsprechern, und er kam ganz eindeutig durch die Türen, die Jim Morrison geöffnet hat.
Letztlich ist die Rolle des Gesangs in der populären Musik, nach Elvis, nach Sam Cooke, nach Ray Charles, dieselbe wie die des Instrumentalsolisten im Jazz. Das heißt, wenn er nicht wenigstens ein bisschen gegen die Begrenzungen seiner Form anrennt, passiert eigentlich gar nichts. Ganz gleich ob die gesungenen Zeilen vom Sänger selbst geschrieben oder in einem Labor Marke Brill Building oder Motown zusammengebraut wurden oder ob sie aus einem anderen Genre stammen, aus Blues oder Bluegrass oder Musical: Ein Rock-, Soul- oder Pop-Sänger muss damit etwas Unaussprechliches tun, das den gegebenen Kontext zu sprengen versucht. Etta James, Ray Davies, Mama Cass, Mark Kozelek, Levi Stubbs Jr. – sie alle mögen sich nicht wie Protestsänger anhören, aber sie singen immer gegen etwas an, ob in sich selbst, der Band in ihrem Rücken, der Welt, in der sie leben, dem Material, das man ihnen zu singen gegeben hat, oder allem auf einmal.
Wir beurteilen Gesang vor der Rock-Ära danach, wie perfekt die Texte serviert werden. Das ist der Standard, für den beispielhaft Frank Sinatra steht. Seit 1956 beurteilen wir Gesang danach, ob der Sänger in einem Song etwas entdeckt, das dieser selbst nie ausdrücken konnte. Das erklärt, warum Stimmen wie Joan Baez oder Emmylou Harris oder Billy Joel nie wirklich im zeitgenössischen Idiom zu singen scheinen, egal wie sehr sie Material oder Begleitung gegen den Strich bürsten, und warum Elvis – ebenso wie Dylan – immer Rock ist, selbst wenn er „Blue Moon“ singt. Es liefert auch die Erklärung, warum so virtuose Kehlen wie Aretha Franklin oder, jawohl, Karen Carpenter in der neuen Tradition funktionieren. Kein Text, von wem auch immer geschrieben, hätte je ausdrücken können, was ihre Stimmen ausdrücken mussten, und sie warteten nicht darauf, dass ein Solo oder ein paar säuselnde Streicher es für sie transportierten. Sie packten es in ihre Stimme, ihre Stimme schickte es in den Äther, und von dort wanderte es in unsere Körper.
Wie können wir ihnen jemals genug danken?
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