Die 100 besten Musiker aller Zeiten: The Velvet Underground – Essay von Julian Casablancas
Velvet Underground: Romantisch, aber auch auf höchst intensive Weise real. Poesie und Journalismus in einem.
Wenn man heute einen Classic-Rock-Sender hört, warum spielen sie dort eigentlich nicht Velvet Underground? Warum immer nur Boston und Led Zeppelin? Und warum sind die Stones so viel populärer als die Velvets?
Okay, ich weiß schon, warum sie populärer sind. Aber ein Teil von mir war immer der Meinung, dass es eigentlich andersherum sein sollte. Velvet Underground waren ihrer Zeit weit voraus. Und ihre Musik war seltsam. Ich konnte trotzdem nicht glauben, dass das nicht die meistgehörte Musik der Welt sein sollte.
Diese vier Studioalben heute zu hören, ist, wie ein gutes Buch zu lesen, das in einer fernen Zeit spielt. Wenn ich „The Velvet Underground And Nico“ oder „Loaded“ höre, fühle ich mich in Andy Warhols Factory der Sechziger Jahre versetzt oder ins Max’s Kansas City. Wie Lou Reed schrieb und sang – über Drogen und Sex und die Leute um ihn herum -, das war so sachlich, so unprätentiös.
In der Art, wie er verrückte Situationen beschrieb, konnte Reed romantisch sein, aber er war auch auf höchst intensive Weise real. Poesie und Journalismus in einem.
The Velvet Underground: „White Light / White Heat“:
Eine Menge Leute assoziieren die Velvets mit Feedback und Krach. „White Light/ White Heat“ ist die Art Platte, für die man in der richtigen Stimmung sein muss. Man muss in einer abgefuckten Kneipe sitzen und richtig übler Laune sein.
Mo Tucker klang heißer als Nico
Die Velvets haben aber auch sehr schöne Musik gemacht. „Sunday Morning“ zum Beispiel – mit John Cales Viola -, „Candy
Says“, „All Tomorrow’s Parties“. Ich kann mir diesen Song nur mit Nico als Sängerin vorstellen, obwohl Maureen Tucker eine coole Stimme hatte. Sie hatte durchaus etwas Weibliches. Ich fand, sie klang heißer als Nico.
Am Anfang orientierten sich die Strokes ganz klar an der Stimmung der Velvets. Als wir die Band starteten und ich die ersten Songs schrieb, hörte ich am laufenden Band „Loaded“. Vier ganze Monate lang nur „Loaded“ und ein Greatest-Hits-Album von den Beach Boys.
Viele unserer Gitarrensounds basieren auf dem, was Reed und Sterling Morrison machten. Ich wünschte wirklich, wir hätten sie mehr kopieren können. Wir kamen nicht nahe genug heran. Doch das war okay, weil es so mehr unsere Sache wurde.