Die 100 besten Musiker aller Zeiten: The Doors – Essay von Marilyn Manson

Morrisons Stimme war wie ein schöner Teich, in den man alles Mögliche reinschmeißen konnte. Was immer er sang, wurde so tief, wie er selbst es war.

Jim Morrison sagte es treffend: „All the children are insane“, und er meinte es so, wie auch ich es meine. Wir sind Kinder, die sich abgestoßen fühlen von dem, was die Leute für gesund und normal halten. Als Jim tobte, und zwar ganz schön abgründig: „Rock & roll is dead“, und: „Hitler is alive… I slept with her last night“, da wusste er damals schon, woran wir heute ersticken.

In der zehnten Klasse sagte mir jemand, ich müsse unbedingt „No One Here Gets Out Alive“ lesen, die Biografie von Jim Morrison. Alles, womit ich mich heute beschäftige – mit dem Buch fing es an. Nachdem ich es gelesen hatte, wollte ich Schriftsteller werden und begann, einige Kurzgeschichten zu verfassen. Wir wissen nicht, was in Morrisons Kopf alles ablief, aber ich hatte Spaß daran, es zusammen zu puzzeln.

Die Unsterblichkeit seiner Worte, das Geheimnis seiner Existenz sprachen meine Fantasie an. Ich fand „Moonlight Drive“ beängstigend und sexuell verwirrend, als würde Ted Bundy Glückseligkeit preisen. Ich las das Gedicht in der Englischstunde vor der Klasse. Worte wie „mute nostril agony“ und „carefully refined and sealed over“ brannten sich mir tief ein.

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Ich denke, die Doors passen heute immer noch, weil sie von Anfang an nie gepasst haben. Sie hatten keinen Bassisten. Die Musik hatte oft überhaupt nichts mit Morrisons Texten zu tun. Die meisten Bands kommen auch dann noch ganz gut durch ihre Show, wenn sich der Keyboarder den Finger bricht – nicht die Doors. Robby Krieger spielte sehr eigentümliche Gitarrenparts, wenn man ihn beispielsweise mit Jimmy Page oder Keith Richards vergleicht. Und doch entstand aus der Kombination all dessen etwas ganz Einzigartiges, das die Aufmerksamkeit der Leute erweckte.

Wenn du so sein willst wie Jim Morrison, dann darfst du eben genau nicht so sein wie er

Morrisons Stimme war wie ein schöner Teich, in den man alles Mögliche reinschmeißen konnte. Was immer er sang, wurde so tief, wie er selbst es war. Er hatte dieses Unbenennbare, das die Menschen immer anziehen wird. Ich sehe die Doors immer als die erste Punkband, noch vor den Stooges und den Ramones. Sie klangen überhaupt nicht wie Punkrock, aber wenn es darum ging, zu rebellieren und sich nicht nach anderer Leute Regeln zu richten, dann übertraf Morrison alle anderen.

Es gibt eine Menge Bands, die versuchen, wie die Doors zu klingen – aber die sind blasse Kopien von Kopien. Wenn du so sein willst wie Jim Morrison, dann darfst du eben genau nicht so sein wie er. Du wirst niemals so sein wie er. Es geht darum, seinen eigenen Platz in der Welt zu finden.

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