Die 100 besten Musiker aller Zeiten: Prince – Essay von Questlove

Seine Fähigkeit, spontan etwas Neues zu schaffen, ist umwerfend. Er setzt Ideen in Echtzeit um wie ein HipHop-Freestyler. Total überzeugend.

Prince war in unserem streng christlichen Haushalt verpönt. Er lag irgendwo zwischen Richard Pryor – den wir auf gar keinen Fall hören durften – und ’nem Stapel Pornohefte.

In der Junior Highschool steckten meine Eltern immer 30 oder 40 Dollar in einen Umschlag. Dafür kaufte ich mir dann eine Karte, mit der ich den ganzen Monat in der Schule essen konnte.

Im November 1982 nahm ich meine 36 Dollar und kaufte „1999“, „What Time Is It?“ von The Time und „Vanity 6“. Dafür hab ich den ganzen Monat gehungert.

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„Little Red Corvette“ war einer der ersten „schwarzen“ Songs, die regelmäßig auf MTV gespielt wurden. Prince überschritt damals ständig solche Grenzen. In den ersten fünf Songs auf „Sign O’ The Times“ hüpft er leichtfüßig von James Brown über Joni Mitchell und Pink Floyd zu den Beatles und Curtis Mayfield. Ohne dabei irgendwie seine Identität aufzugeben.

„When Doves Cry“ ist einer der radikalsten Nummer-eins-Hits der letzten 40 Jahre

Doch der wahre Höhepunkt war „Purple Rain“, nicht nur in Princes Karriere, sondern für das Lebensgefühl der Schwarzen oder die Art, wie man sie wahrnahm. In den 80ern überhaupt. Es war so wie bei Michael Jordans Meisterschaftsspielen 1997: Er war einfach absolut zielsicher, jeder Ball ging in den Korb.

„When Doves Cry“ ist einer der radikalsten Nummer-eins-Hits der letzten 40 Jahre, ein Song ohne Basslinie und fast ohne Musik. Heute schwärmen sehr viele Leute von den Neptunes: „Oh Mann, das ist total neu!“ Doch das ist es eben nicht.

„When Doves Cry“ hat den Eine-Note- Funk der Neptunes vorweggenommen. Ein Meisterwerk von einem Song mit Drum-Machine und sehr wenig Melodie. Jeder über 30, der sich „8 Mile“ anschaute, sagte als Erstes: „Oh, der Film gefiel mir schon in der Originalversion. Da hieß er jedoch ‚Purple Rain‘.“

Prince muss einer der Musiker mit den meisten Bootlegs in der Rockgeschichte sein

Prince muss einer der Musiker mit den meisten Bootlegs in der Rockgeschichte sein – ich höre mir fast jede Woche ein Bootleg an, das „The Dream Factory“ heißt und aus dem später „Sign O’ The Times“ wurde. Seine Fähigkeit, spontan etwas Neues zu schaffen, ist umwerfend. Er setzt Ideen in Echtzeit um wie ein HipHop-Freestyler. Total überzeugend. Es muss mindestens 20 Gründe geben, warum Prince eigentlich der Urvater des HipHop ist – sein Genie, die Art, wie er Sex einsetzt, und die bewusste Provokation. Ich glaube, noch nie hat jemand so viel Sex benutzt, um den Fuß in die Tür zu kriegen und vom Mainstream akzeptiert zu werden.

Was mag er wohl 1980 gedacht haben, als er in Unterhosen, Leg-Warmern und Stöckelschuhen auf der Bühne stand, ohne Nummer-eins-Hit? Das war ein Risiko. Jay-Z redet oft davon, dass er den Ghostwriter für andere macht. Prince ist berüchtigt für Ghostwriting. Und nicht nur das, er erfand verschiedene Alias- Persönlichkeiten für sich – auch etwas, das Rapper übernommen haben.

Als ich Prince 1996 traf, erwartete ich die Grashüpferstimme, mit der er immer bei Preisverleihungen spricht, aber er war total normal. Wie du und ich, nur dass er Prince ist. Wir haben ein paar Mal zusammen gespielt. Der tollste Moment war nach einem Konzert in New York, als er, ich und D’Angelo zusammen auf die Bühne stiegen und eine halbe Stunde oder so jammten.

Sein Schweigen in den letzten Jahren (dieser Text entstand im Jahr 2008) machte mir Sorgen. Es ist eine Schande, dass er den Kampf um Unabhängigkeit von den Labels – ein Kampf zwischen David und Goliath – alleine kämpfen musste.

Doch bei seinem Auftritt mit Beyoncé bei den Grammys 2004 hat man deutlich gesehen, dass er nichts verlernt hat Er wirkte so jung und souverän wie immer. Falls ihn jemand schon ausgezählt haben sollte – dieser Typ hat definitiv noch Trümpfe im Ärmel!

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