Die 100 besten Musiker aller Zeiten: Jimi Hendrix – Essay von John Mayer
Ich werde immer versuchen, diese Art von Kontrolle auf der Gitarre zu erreichen. Wer ich bin, das ergibt sich daraus, wie ich an Hendrix gescheitert bin.
Jimi Hendrix gehört zu diesen ganz besonderen musikalischen Lichtgestalten, bei denen jeder unweigerlich mal landet. Jeder Musiker kommt irgendwann durch den „Hendrix International Airport“ – ob man auf Elmore James steht oder auf Black Sabbath, ob man Hanson mag oder die Grateful Dead. Seine Musik ist der gemeinsame Nenner aller Stilrichtungen, die wir haben.
Sein Spiel hatte so viele Facetten. War er ein Bluesmann? Hör dir „Voodoo Chile“ an, und du entdeckst den gruseligsten Blues, den man sich denken kann. War er, ein Rockmusiker?
Jimi Hendrix – Voodoo Chile:
Er setzte Lautstärke als Stilmittel ein – das ist Rock. War er ein empfindsamer Singer-Songwriter? In „Bold As Love“ singt er „My yellow in this case is not so mellow/ In fact I’m trying to say it’s frightened like me“ – so spricht ein Mann, der weiß, wie es in seinem eigenen Herzen aussieht. Er wird meist als dieser laute, psychedelische Rock-Superstar porträtiert, der seine Gitarre anzündet. Aber wenn ich an Hendrix denke, dann zuerst an seine bezaubernd sanften Gitarrensounds in Songs wie „Little Wing“ und „Drifting“. „Little Wing“ ist so kurz und schön, dass es wehtut.
Als käme dein Großvater von den Toten zurück, bliebe anderthalb Minuten lang bei dir und verschwände dann wieder. Es ist perfekt, dann ist es vorbei.
Ich glaube, Musiker lieben Jimi Hendrix’ Spiel so sehr, weil ihm seine musikalische Sprache einfach angeboren war. Er hatte ein geheimes Verhältnis zur Gitarre, und es steckte zwar viel Technik und Theorie drin, aber eben seine Theorie. Und ich glaube, dass ihm das heilig war. Deshalb liest man kaum je ein Interview mit ihm, in dem er etwas über sein Bühnenequipment oder seine Lieblingstonleitern erzählt.
Der Mann hatte auch eine Sozialversicherungsnummer, er kam nicht vom Mars
Ich entdeckte ihn über Stevie Ray Vaughan. Ich hörte Stevie „Little Wing“ spielen und arbeitete mich zurück zu Hendrix. Die erste Hendrix-Platte, die ich mir dann kaufte, war „Axis: Bold As Love“, weil da „Little Wing“ drauf war. Dann hörte ich monatelang „Electric Ladyland“, ein sehr unheimliches Album. Die Düsternis, die da stellenweise herrscht – vermutlich war Hendrix zu ehrlich, um sie zu verbergen.
Man sieht ihn gern als diesen einsamen, verschlossenen Typen, der sich nur auf der Bühne ganz öffnete und seine Farben durchs Publikum schickte. Das hat was Heroisches. Alle sind immer so fasziniert von seiner Weltferne. Ich stelle mir lieber seine menschliche Seite vor. Der Mann hatte auch eine Sozialversicherungsnummer, er kam nicht vom Mars.
Den Space-Gott haben die Merchandisingfirmen erfunden, und irgendwie ist er zu diesem Bild geworden. Aber wenn ich Hendrix höre, dann höre ich einen Menschen. Wenn man begreift, dass ein anderes menschliches Wesen zu dem fähig war, was er geleistet hat.
Ich werde immer versuchen, diese Art von Kontrolle auf der Gitarre zu erreichen. Wer ich bin, das ergibt sich daraus, wie ich an Hendrix gescheitert bin. Das gilt für viele. Wo du stehen bleibst bei deinem Aufstieg hin zu ihm – das bist du.