Die 100 besten Musiker aller Zeiten: Eric Clapton – Essay von Steven Van Zandt

Eric Clapton ist der wichtigste und einflussreichste Gitarrist, der je gelebt hat, noch lebt und je leben wird

Eric Clapton ist der wichtigste und einflussreichste Gitarrist, der je gelebt hat, noch lebt und je leben wird – und nun tu dir einen Gefallen und versuch gar nicht erst, mit mir darüber zu diskutieren! Vor Clapton gab es die Rock- Gitarre à la Chuck Berry – modernisiert von Keith Richards – und die Rockabilly-Gitarre, also Scotty Moore, Carl Perkins, Cliff Gallup, die von George Harrison popularisiert wurde. Clapton absorbierte beides und fügte die Essenz des elektrischen schwarzen Blues hinzu: die Power und das Vokabular von Buddy Guy, Hubert Sumlin und den drei Kings – B.B., Albert und Freddie –, um so einen Ton zu kreieren, der die Rock’n’Roll- Leadgitarre für immer verändern sollte.

Vielleicht noch wichtiger: Er drehte den Verstärker auf – bis auf 11. Allein das schon blies in den Sixties allen die Schädeldecke weg. Im Studio stellte er Mikro und Verstärker auf die entgegenliegenden Seiten des Aufnahmeraums und schaffte so mehr Atmosphäre. Und dann drehte er das Ding voll auf: Sustain, Feedback, alles an Bord. Der Gitarrist war plötzlich der wichtigste Mann in der Band.

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Vom Kopf her war Clapton eigentlich Purist, auch wenn man zunächst davon wenig hören konnte. Jeder Lick, selbst ein notengetreues Cover wie das von Freddie Kings „Hide Away“, brezelte er gnadenlos auf – und wenn er ein Solo spielte, kreierte er wundervolle Symphonien auf Basis der klassischen Blues-Licks. Man konnte seine Soli mitsingen, als seien sie eigenständige Songs.

Ich sah Clapton zum ersten Mal 1967 im Cafe Au Go Go in New York – fast jedenfalls. Ich stand draußen, weil die Show ausverkauft war. Aber ich konnte ihn durchs Fenster direkt sehen. Und es war laut, selbst draußen. Musikalisch war Clapton damals ein Tier. Er stand unbeweglich auf der Bühne, lieferte aber gleichzeitig die brutalste Frontalattacke, die man je miterlebt hatte. Und wenn er seiner Kreativität, Leidenschaft, Frustration und Wut freien Lauf ließ, konnte man es geradezu mit der Angst bekommen. Sein Solo auf „Crossroads“ ist schlicht unfassbar.

Ich habe Clapton nur einmal flüchtig kennengelernt – insofern basieren meine Gedanken nicht auf Insiderinformationen. Aber ich denke, dass sich sein Stil Anfang der Siebziger dramatisch änderte, weil der Song und das Songwriting für ihn wichtiger wurden. Und Robert Johnson spielte dabei eine gewichtige Rolle. Clapton war von seiner Musik so bewegt, dass er mit der gleichen Leidenschaft, Präzision und Ehrlichkeit schreiben und singen wollte. Man hört seine Frustration – nämlich die Erkenntnis, dieses Ziel nicht erreichen zu können – in seiner Gitarrenarbeit der 60er-Jahre. Das erste Mal, dass ich wirkliche Wut und sexuelle Aggressivität auf einer Platte erlebte, war auf der John-Mayall-Platte „Bluesbreakers With Eric Clapton“.

„Layla“ ist Claptons eigenwilligste Interpretation des Blues

Dylans „Basement Tapes“ und „Music From Big Pink“ von The Band läuteten eine Rückkehr zu den amerikanischen Roots ein, und diese Alben waren ein eminent wichtiger Einfluss auf Clapton. Etwa zur gleichen Zeit animierten ihn Delaney und Bonnie, verstärkt zu schreiben und zu singen. Auf „Eric Clapton“ bekommt man einen Eindruck, wie er beides mit Bravour meisterte – und man hört auch deutlich den Übergang von Gibson-schmutzig zu Stratocaster-clean.

„Layla“ war für mich die letzte Aufnahme, auf der Gesang, Songwriting und Gitarre mit der gleichen Intensität umgesetzt wurden. Es ist Claptons eigenwilligste Interpretation des Blues – vermutlich weil die Höllenhunde auf seinen Fersen diesmal ein sehr konkretes Gesicht hatten: die unerwiderte Liebe. Aber Claptons Gitarrenarbeit ist hier noch immer atemberaubend. Er hatte sieben Jahre unfassbarer, historisch unvergleichlicher Kreativität hinter sich – und 40 Jahre solider Arbeit vor sich. Der Beste zu sein muss auf die Knochen gehen. Also schaltete er – wie Dylan und Lennon – einen Gang runter. Der Sprint ist cool, der Marathon ist besser. Clapton trat in die Fußstapfen seiner Vorbilder: Er wurde ein journeyman.

Jeder, der Gitarre spielt, ist ihm zu Dank verpflichtet. Er entwickelte das Vokabular, den Binärcode. Der Tag wird aber sicher kommen, an dem ein junger Rocker eine von Claptons heutigen Schmuseballaden im Radio hört und fragt: „Und, das soll nun so weltbewegend sein?“ Man kann ihm dann nur antworten: Leg „Steppin’ Out“ auf. Und knie nieder.

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