Die 100 besten Musiker aller Zeiten: Die Essays, Platz 90 bis 81
ROLLING STONE präsentiert: Die 100 größten Musiker und Bands aller Zeiten. Essays u.a. von Keith Richards, Art Garfunkel, 50 Cent, Elton John.
Rund 50 Jahre nachdem Elvis in den Sun-Studios „That’s All Right“ einspielte, hat der ROLLING STONE das erste halbe Jahrhundert des Rock’n’Roll im großen Stil gefeiert. 2004 baten wir ein Gremium aus 55 Musikern, Autoren und Plattenfirmen-Managern, die einflussreichsten Musiker dieser Ära auszuwählen. Die Liste der 100 Musiker, die 2011 aktualisiert wurde, ist ein Beitrag zur Rock-Historie. Sie umfasst die Beatles ebenso wie Eminem. Sie reicht vom Rock-Pionier Chuck Berry bis zum Blues-Mann Howlin’ Wolf.
Die Essays über die 100 Besten stammen aus prominenter Feder: Ezra Koenig von Vampire Weekend zollt dem Rapper Jay-Z Tribut. Britney Spears verneigt sich vor „Godmother“ Madonna. Rock’n’Roll hat eine glorreiche Vergangenheit.
Lesen Sie hier, die Plätze 90 bis 81.
carlos-santana.jpg Carlos Santana Promo-Bild Carlos Santana Promo-Bild Carlos Santana 90. Carlos Santana
Von Henry Garza (Los Lonely Boys)
Für Chicanos ist seine Musik wie eine Familienfeier: Man trifft sich, trinkt Bier, hört „Oye Como Va“ und wirft das Barbecue an. Carlos Santana war der Pionier des Latin-Rock’n’Roll: Seine Musik kam aus dem Nichts, auch wenn sie aus Sixties-Rock, Latin-Jazz und an – deren Stilen der damaligen Zeit gespeist wurde. Mit den Los Lonely Boys haben wir Ähnliches versucht, haben verschiedene Einflüsse zu einer neuen Identität verschmolzen, aber Carlos gebührt die Ehre, der Erste gewesen zu sein. Er integrierte nicht nur Spanisch in seine englischen Texte – er ließ seinen ganzen kulturellen Background in die Musik einfließen.
Auf einem Song wie „Black Magic Woman“ passt einfach alles: die Keyboards, die Congas, die Drums, die Vocals. Carlos ist nicht der Lead-Sänger, aber er ist immer der unangefochtene Maestro. Und seine Gitarre ist natürlich der Höhepunkt eines jeden Albums. Er hat einen Sound, der so einmalig wie ein Fingerabdruck ist, und er braucht nur ein, zwei Noten zu spielen, um diese Identität zu artikulieren. Carlos besitzt ein Vokabular, das in allen Ländern, in allen Sprachen verstanden wird.
Gerade die ersten drei Alben – „Santana“, „Abraxas“, „Santana III“ – bedeuten mir ungeheuer viel. Man hört seine Latino-Herkunft, selbst wenn er den Blues spielt. Dass er in den 70er-Jahren jazziger wurde, hat sicher einige seiner frühen Bewunderer irritiert, aber es war für ihn nun mal eine Zeit der Experimente: Er erweiterte seinen Horizont – um dann mit „Supernatural“ erfolgreich zu seinen Wurzeln zurückzukehren.
Santana war immer an den spirituellen Fragen der Menschheit interessiert. Er sagte einmal zu uns: „Versucht stets, Botschafter des Lichts zu sein. Ihr seid das Werkzeug, durch das dieses Licht jeden erreichen kann.“ Für mich hat das Licht einen Namen: Carlos Santana.
Five Live Yardbirds 4th August 1966: The English psychedelic blues band the Yardbirds, (from left) Jim McCarty, Jeff Beck, Jimmy Page, Chris Dreja and lead singer Keith Relf. (Photo by George Stroud/Express/Getty Images) IM 89. The Yardbirds
Von Steven Tyler
Man höre sich „Somebody“ an – einen Song, den ich fürs erste Aerosmith-Album schrieb – und man wird feststellen, dass er in dicken Lettern das Wort „Yardbirds“ trägt. Von all den britischen Bands der Sixties bedeuteten sie uns am meisten – vermutlich weil sie dieser Hauch des Mysteriösen umgab. Sie waren unglaublich eklektisch – die Vocals klangen wie gregorianischer Gesang, die Melodik war ungewohnt, sie integrierten Feedback in ihren Sound –, und genau dieses Obskure faszinierte mich an ihnen.
Ich war damals in einer Band namens Chain Reaction. Wir hatten Gelegenheit, die Yardbirds kennenzulernen, als sie 1966 in der Staples High School in Westport, Connecticut, auftraten. Ein Freund namens Henry Smith, der zeitweise auch als unser Manager fungierte, war dort zur Schule gegangen. Er rief mich an und sagte: „Steven, die Yardbirds werden dort auftreten. Wollt ihr das Vorprogramm machen?“ Es war das Line-up mit Jeff Beck und Jimmy Page, der damals Bass spielte. Wir warteten den ganzen Tag, bis sie endlich ankamen. Ich schleppte ihre Verstärker, sie griffen sich unsere – was damals eine Selbstverständlichkeit war. Dadurch entstand auch das Gerücht, ich sei Roadie der Yardbirds gewesen.
Ich erinnere mich noch genau, dass sie unter anderem „Shapes Of Things“ und „Beck’s Boogie“ spielten. Ich war tief beeindruckt, weil sie wie keine andere Band klangen. Klamotten, Aussehen, Hit-Singles – all das tangierte sie nicht. Sie beschäftigten sich mit vertrackten Harmonie-Fragen, mit ungewohnten Moll-Akkorden, die für diesen unglaublich sphärischen Sound verantwortlich waren.
Man hörte ihren unorthodoxen Ansatz in jedem Song: Sie griffen sich den Blues und verwandelten ihn auf „For Your Love“ in Pop. Es gab zwei Konzerte, bei denen ich mit offenem Mund direkt vor der Bühne saß: 1966 bei diesem Yardbirds-Gig und 1969 bei Led Zeppelin im Boston Tea Party.
Der Yardbirds-Auftritt war für mich auch als Sänger wichtig, weil mir klar wurde, dass man nicht unbedingt eine Superstimme haben muss. Es geht um Ausstrahlung, um Attitüde. Keith Relf war ein weißer Junge, der das Optimum aus seiner Stimme herausholte. Und er spielte eine exzellente Mundharmonika: Selbst Jagger konnte aus einer einzigen Note nicht so viel rausquetschen wie er.
Der Jammer ist: Ich weiß, wie großartig die Yardbirds waren, aber ich weiß nicht, ob das allgemein bekannt ist.
So So Def All-Star 20th Anniversary Concert – After Party ATLANTA, GA – FEBRUARY 23: Jay-Z attends the So So Def anniversary party hosted by Jay Z at Compound on February 23, 2013 in Atlanta, Georgia. (Photo by Prince Williams/FilmMagic) /bs/bs 88. Jay-Z
Von Ezra Koenig
MTV startete „Total Request Live“ im September 1998. Die TRL-Charts wurden zunächst von ’N Sync, den Backstreet Boys, Korn und Konsorten bevölkert, doch dann, sechs Wochen später, debütierte Jay-Zs „Can I Get A …“-Video auf Platz 10. Es war zwar nicht der Beginn seiner Karriere als Rapper, wohl aber der Beginn eines Pop-Phänomens namens Jay-Z.
Was Ende der Neunziger im US-Radio und -Fernsehen präsentiert wurde, ließ dem hoffnungsfrohen Teenager keine echte Wahl: Entweder er konnte wütende Männer in ärmellosen T-Shirts goutieren, die ihren Aggro-Rock herausprügelten – oder aber etwas kleinere Männer in ärmellosen T-Shirts, die windelweiche Balladen schmachteten. Jay-Z war eine Alternative, die längst überfällig war. Womit nicht gesagt sein soll, dass Jay-Z nie ärmellose Shirts trug, aber er war – und ist noch immer – eine rare Kombination aus Intelligenz, Unberechenbarkeit, Ernsthaftigkeit und Pop-Appeal. Wenn man sich die Charts von damals anschaut, fällt es nicht schwer nachzuvollziehen, warum eine ganze Generation von Musikern, Kritikern und auch Fans sich zu den Texten eines Mannes hingezogen fühlte – auch wenn er in seinen Songs eine Welt beschrieb, zu der angeblich mindestens 50 Prozent seiner Hörer „keinen Bezug hatten“.
Seitdem ist Jay-Z der mit Abstand cleverste und aufregendste Musiker gewesen, der in schöner Beständigkeit Hits abliefert – und ich meine wirkliche Hits wie „Empire State Of Mind“. Ich erinnere mich, eine Gänsehaut bekommen zu haben, als ich ihn beim Coachella-Festival „On To The Next One“ performen sah. Er war ganz in Schwarz gekleidet und stand vor einer riesigen Videowand. Ich verstand den Song als eine Verneigung vor Kreativität und Einfallsreichtum, aber auch als Kritik am unkontrollierten Kapitalismus. Wer schafft es schon, dass 100 000 Leute die Arme hochreißen – und doch jedes einzelne Hirn in der Menge animiert wird, sich kritisch mit dem Zustand der Welt auseinanderzusetzen?
Seine Lyrics sind vielschichtig genug, um gelegentlich nach einer Interpretationshilfe zu verlangen – und verspielt genug, dass sich jedes mean girl auf meiner Highschool an seinen Vers auf Mariah Careys „Heartbreaker“ erinnerte. Auf „Public Service Announcement“ beschrieb er sich selbst als „Che Guevara with bling on“.
gramparsons-fallenangel.jpg Gram Parsons Fallen Angel Artwork Gram Parsons Fallen Angel Artwork Rhino 87. Gram Parsons
Von Keith Richards
So wie ich meinen Blues kannte, kannte Gram Parsons die Countrymusik – jede Nuance, jeden großen Song, der je geschrieben wurde. Und ob die Musik nun aus Nashville oder Bakersfield oder Texas kam: Mit seiner Stimme und seinem Songwriting konnte er all diese Nuancen artikulieren. Und, nicht minder wichtig: Er war ein intelligenter Mensch und eine ehrliche Haut. Aus dem Holz sind die Leute geschnitzt, mit denen ich gerne zusammen bin. Und: Er liebte es, stoned zu sein. Was seinerzeit auch ein eindeutiger Pluspunkt war.
Ich traf ihn zum ersten Mal 1968, als die Byrds in London auftraten; ich glaube, es war in einem Club namens Blazes. Ich kannte die Band seit „Mr. Tambourine Man“; die Stones hatten damals einige Shows in Kalifornien mit ihnen gemeinsam bestritten. Aber als ich sie im Blazes zusammen mit Gram sah, hörte ich in der Musik eine radikale Veränderung. Ich ging backstage, und wir beide freundeten uns an. Dann kamen die Byrds wieder nach London, diesmal auf dem Weg nach Südafrika. Ich sagte: „Leute, da fährt man doch nicht hin!“ Es war die Zeit der Sanktionen und des Embargos. Und deshalb stieg er bei den Byrds aus – gleich an Ort und Stelle. Und da er nun mal kein Dach über dem Kopf hatte, zog er bei mir ein.
Wir saßen endlose Stunden hinter dem Klavier und tauschten Ideen aus. Gram und ich liebten die Songs von Felice und Boudleaux Bryant, vor allem die Sachen, die sie für die Everly Brothers geschrieben hatten. Wir waren verrückt nach diesem melancholischen Einsamkeits-Scheiß; wir suchten immer nach dem finalen Tränendrüsen-Quetscher, der dein Herz so richtig schön in die Mangel nimmt.
Als Songschreiber hatten wir die gleiche Vorgehensweise: Wir hauten ein paar Akkorde raus, spielten damit rum und schauten uns an, wie weit wir damit kamen. Sich mit Papier und Kuli an den Tisch zu setzen und alles auszutüfteln, war nicht unser Ding. Andererseits haben wir durchaus malocht – härter als ich je gearbeitet hatte –, um den Sachen den nötigen Feinschliff zu geben.
Mick und Gram hatten nie den richtigen Draht – was nicht zuletzt daran lag, dass die Stammeszugehörigkeit bei den Stones großgeschrieben wurde. Gleichzeitig hörte sich Mick aber genau an, was Gram so spielte. Und manchmal, wenn wir bei den „Exile On Main Street“-Sessions auf die anderen Musiker warteten, saßen wir drei zusammen und zupften ein paar Hank-Williams-Songs. Gram hatte sie alle drauf – das größte Country-Repertoire, das man sich vorstellen konnte. Ihm fiel immer und überall ein Song ein.
Zu dem Zeitpunkt, als er starb, hatte er musikalisch richtig Tritt gefasst. Sein Output war eigentlich minimal, aber seine Wirkung auf die Countrymusik war gewaltig. Wir werden nie erfahren, welchen Einfluss er unter anderen Umständen gehabt hätte. Wenn Buddy Holly nicht in dieses Flugzeug gestiegen wäre, wenn Eddie Cochran eine andere Kurve genommen hätte – unvorstellbar, was uns dadurch alles entgangen ist.
Tupac-meagainsttheworld.jpg Tupac Shakur – Me Against The World Artwork Tupac Shakur – Me Against The World Artwork Sony 86. Tupac Shakur
Von 50 Cent
Jeder Rapper, der in den Neunzigern groß wurde, steht irgendwie in Tupacs Schuld. Entweder man versuchte, sich an ihm zu orientieren – oder aber man schlug bewusst einen anderen Weg ein, weil man sich nicht mit ihm identifizieren konnte.
Mein liebstes Tupac-Album ist „The Don Killuminati“: Es wurde aufgenommen, nachdem er angeschossen worden war und schon im Knast gesessen hatte. Man hatte den Eindruck, ein Doktor hätte ihm gesagt, dass er sterben müsse – und nun versucht er, all seine Gedanken noch zu Papier zu bringen. Und das ist etwas, zu dem ein durchschnittlicher Rapper nicht in der Lage wäre: ein ganzes Album auf diesem Konzept aufzubauen und alles aus dieser einen, negativen Perspektive zu erzählen. Jeder weiß, dass er sterben muss, aber wenn man mit einer lebensbedrohlichen Situation konfrontiert wird, denkt man schon mal etwas mehr darüber nach.
Seine aggressiven Aufnahmen sind mir die liebsten; „Hail Mary“ ist einfach perfekt. Die meisten der heutigen Rapper wären einfach nicht smart genug, um so was zu schreiben – oder nicht ehrlich genug, um mit einer Zeile wie dieser rüberzukommen: „I ain’t a killer, but don’t push me.“ Heute würde es nur platt und einfallslos heißen: „I’ll kill you.“
Tupac war wie eine Kamera. Es ist unglaublich, wie viel er schrieb, wie viel er mit seinen Augen dokumentierte. Für mich war er immer mehr ein Poet als ein Rapper. Hört man einen seiner Verse, weiß man spontan, von wem er stammt. Und ’Pac brachte sein ganzes Leben zu Papier. Vielleicht übertrieb er es damit sogar: Weil er nun mal in der Öffentlichkeit stand, wurden all seine Aussagen unter die Lupe genommen.
Alle an der Ostküste liebten Tupac. Und nun, wo er nicht mehr unter uns weilt, ist er größer denn je. Ich kann mir noch immer zwei, drei Tupac-CDs am Stück durchhören. Dann bin ich wieder in der richtigen Stimmung, um mich um meine eigenen Sachen zu kümmern.
Laurence Fishburne sagte mir einmal, dass er Tupac nicht gemocht habe: Er hätte Tupacs Verhalten nicht verstanden, weil er viel smarter gewesen sei. Ich verstand, was er sagen wollte. Aber ich habe ihn trotzdem angestarrt, als hätte er seinen Verstand verloren.
Black_Sabbath_25062014__MG_4255.jpg 85. Black Sabbath
Von Dave Navarro
Black Sabbath sind die Beatles des Heavy Metal. Jeder, der sich ernsthaft mit Metal beschäftigt, wird bestätigen, dass diese Musik ohne sie nicht vorstellbar wäre. Jede Hard-Rock-Band, die heute eine abgedrehte 12-minütige Operette schreibt, muss ihnen die Füße küssen. Vom zeitgenössischen Metal kann man die Genealogie – über Leute wie Marilyn Manson und 80s-Bands wie Iron Maiden – direkt zu Black Sabbath zurückverfolgen.
Die Standardthemen im Metal sind bereits alle auf Sabbath-Platten vertreten: Schönheit, Grausamkeit, die sieben Todsünden. Beim Hören ihrer Musik kann man sich vorstellen, mit seiner Frau an einem paradiesischen Strand zu spazieren – oder sich in seinem Zimmer verriegelt zu haben, den großen Zeh am Abzug des Gewehrs. Und oft genug beides in einem einzigen Song. Schon der Titelsong von „Sabbath Bloody Sabbath“ hat all die Elemente, von denen ich spreche: Er ist aufrührerisch und gefährlich und bösartig, gleichzeitig aber auch betörend schön.
Es gibt einige inhaltlich substanzielle Alben – Pink Floyds „The Wall“, Nine Inch Nails’ „The Fragile“ –, die dich auf eine lange, abenteuerliche Reise mitnehmen können. Wenn man sie nach längerer Zeit wieder auflegt, entdeckt man stets neue Nuancen. Mit Black Sabbath geht es mir ähnlich – mit dem Unterschied, dass sie mit den simpelsten Stilmitteln auskommen. Wenn Sabbath mit einem Song eine andere Richtung einschlagen wollten, griffen sie nicht zur Akustikgitarre oder engagierten das Sinfonieorchester. Mit Bass, Schlagzeug, Gitarre und Gesang konnten sie so ziemlich alles umsetzten, was ihnen vorschwebte.
Ihre Rhythmusgruppe bekommt nicht den Applaus, den sie verdient. Wenn man genauer verfolgt, wie sich Geezer Butler und Bill Ward die Bälle zuspielen, beginnt man zu verstehen, dass ohne diese Schwermetall-Achse die Band gar nicht erst Fahrt aufnehmen konnte. Hinzu kommen Ozzys enormes Organ und einer der besten Rock-Gitarristen aller Zeiten: Tony Iommi rollt wie eine Maschine, die niemand aufhalten kann. Und zusammen sind sie ein riesiger Felsbrocken, der neben dir auf die Erde kracht, ohne dass du auch nur den Hauch einer Chance hast, ihm zu entkommen.
jamestaylor.jpg James Taylor Sweet Baby James Artwork James Taylor Sweet Baby James Artwork Warner 84. James Taylor
Von Art Garfunkel
Vor einer Show singe ich mich im Umkleideraum immer mit James Taylor warm: „Handy Man“, „Sarah Maria“, „Song For You Far Away“, „Sweet Baby James“, „Copperline“.
Wenn ich unisono mit James singe, wächst meine Verehrung für ihn noch mehr: Mein Herz und mein Kopf werden in die kühle Intelligenz des Songs und die Reinheit seines Gesangs hineingesogen. Die Sicherheit, mit der er die Noten trifft, ist so gottgegeben wie die Zielstrebigkeit eines ehrbaren Geschäftsmannes – und diese Qualität war für mich als Sänger immer das entscheidende Kriterium.
In der Gefühlstiefe seines Vortrags schimmert eine Liebe für alles Lebende durch. Wenn die Schwingungen der Stimmbänder so etwas sind wie das Surfen auf den Vibrationen des Herzens, wäre James mein liebster Wellenreiter – halb in der Luft, heroisch in der Gischt.
Es war kein Zufall, dass die Beatles ihn als Ersten auf ihrem Apple-Label unter Vertrag nahmen. Ich kenne die Folkmusik, die auch er in seiner Jugend gehört haben muss, ich hatte mehrfach die Freude, mit ihm gemeinsam arbeiten zu dürfen, ich erinnere mich auch an das Dreier-Arrangement mit Paul Simon auf „(What A) Wonderful World“: Es war 1977, und wir trafen uns in Pauls Apartment (wo sonst?). Zwei außergewöhnliche Künstler gaben mir ihre Stimme (und spielten Gitarre) für mein Album „Watermark“. Ich erinnere mich noch heute daran, mit welch spielerischer Leichtigkeit unsere Harmonien ineinanderglitten: Die musikalische Sensibilität untereinander war ebenso greifbar wie der gegenseitige Respekt.
James ist einfach zu gut. Seine Präzision im Umgang mit „der Note“ ist schlichte, makellose Musikalität. Man kann es Raffinesse nennen oder den Habitus eines intelligenten Lebens. Man höre nur die ganz eigene Distinktion in „Shed A Little Light“, James’ Tribute-Song an Martin Luther King. Einige Leute mögen Probleme haben mit Perfektion und dem Wissen um Perfektion, aber ich denke, „perfekt“ ist am Ende das Wort, das ihn am besten beschreibt.
Ich hoffe, dass er meine kleine Laudatio lesen wird und versteht, warum seine Existenz für uns Kollegen so viel bedeutet. Und ich hoffe, er wird dann von einem Ohr zum anderen grinsen und sagen: „That’s why I’m here.“
Eminem Live At Tramps Eminem sg 83. Eminem
Von Elton John
Als wir bei der Grammy-Verleihung 2001 gemeinsam „Stan“ performten, trafen wir uns vorher zu einer Probe. Ich war etwas nervös, weil wir uns nie kennengelernt, nicht mal miteinander geredet hatten. Als wir mit dem Intro loslegten und Eminem reinkam, bekam ich eine Gänsehaut, wie ich sie bis dahin nur bei Hendrix, Mick Jagger, James Brown und Aretha Franklin hatte. Ich dachte nur: „Dieser Mann ist eine Klasse für sich.“ Es gibt wenige Performer, die dich gleich beim ersten Mal so packen.
Eminem ist der Dichter der Gegenwart, über den man aber auch noch in Jahrzehnten sprechen wird. Er erzählt seine Geschichten eigenwillig und schnörkellos und ist als Texter einer der besten. Er gibt seinem Publikum, was ein Bob Dylan für das seinige tat: Er schreibt, was er fühlt. Seine Wut, seine Verletzlichkeit, sein Witz – alles muss raus. Eminem lebt und atmet Musik – und in diesem Punkt ist er wohl ein bisschen wie ich. Er lebt ziemlich zurückgezogen und geht in seiner Kunst anscheinend vollkommen auf. Ich war von Anfang an von ihm fasziniert und sagte deshalb auch spontan zu, als man mich auf einen gemeinsamen Auftritt bei den Grammys ansprach. Natürlich gab es gleich Stimmen, die mich vor seiner angeblichen Homophobie und anderem Blödsinn warnten; die Boy Georges dieser Welt waren völlig aus dem Häuschen. Aber wenn sie nicht intelligent genug sind, um seine Intelligenz zu kapieren, ist das ihr Problem.
Eminem hat die Eier, um genau das zu sagen, was er fühlt – und gibt dabei sogar Anstößigem einen pfiffigen Dreh. In einer Zeit, in der Ironie eine aussterbende Kunstform zu werden droht, sind solche Leute notwendiger denn je. Es gibt einfach zu wenige in dieser Welt, die mit derartigen Eiern und einem ebenso großen Talent gesegnet sind.
CCR-Pendulum.jpg Creedence Clearwater Revival Pendulum Cover Creedence Clearwater Revival Pendulum Cover Universal 82. Creedence Clearwater Revival
Von Stephen Malkmus
Meine Eltern hatten genau neun Vinyl-Alben: das rote und das blaue Beatles-Album, die Carpenters, Neil Diamond, Elton John, „Endless Summer“ von den Beach Boys, Jim Croce, Gordon Lightfoot und … „Creedence Gold“. Das Creedence-Album war das einzige, das mich interessierte. Es hatte zwar das langweiligste Cover, das die Welt je gesehen hatte, aber es stand später in bester Gesellschaft neben Devo, Kiss, den Yardbirds, frühen Stones-Alben, dem Soundtrack „The Decline Of The Western Civilization“ und „Fresh Food For Rotting Vegetables“ von den Dead Kennedys. Ich hörte damals eigentlich nur „Suzie Q“ und „Born On The Bayou“ und lernte erst später, auch den Rest des Albums zu schätzen.
Alle Songs sind großartig. Es gibt Swamp-Boogie wie „Green River“ und „Born On The Bayou“, beeindruckende Power-Eruptionen („Fortunate Son“ und „Sinister Purpose“), Pop („Have You Ever Seen The Rain“) und Soul-Nummern wie „Long As I Can See The Light“.
John Fogerty hatte eine unnachahmliche Stimme. Er ging mit ihr immer wieder bis an die Grenze – und gewann. Die Rhythmusgruppe ist extrem: Wer einmal versucht, diese Sachen nachzuspielen, wird schnell merken, dass die Burschen marschieren konnten.
Die Alben haben alle eine ganz eigene Ausstrahlung: Sie sind überwiegend live eingespielt, mit nur wenigen Overdubs, und klingen so, als wäre eine Band wie Booker T. and the MGs aus Memphis an die Westküste gezogen, um sich dort einen Schuss youth culture abzuholen. Aber es sind die Songs, die stets im Mittelpunkt stehen – und nicht der Rockstar-Bullshit, der damals grassierte. Und sie hatten auch keine Scheu, atmosphärische Stimmungen zu kreieren.
The_Drifters-Golden_Hits-Frontal-web.jpg 81. The Drifters
Von Jerry Leiber und Mike Stoller
Im Laufe der Jahre waren die Drifters gleich eine ganze Hand- voll verschiedener Gruppen. Und möglicherweise war es sogar dieser ständige Personalwechsel, der gewährleistete, dass die Kette der Hits selbst über einen derart langen Zeitraum nie abriss.
Wir waren schon Fans, bevor wir Songs für die Drifters schrieben und sie später dann auch produzierten. Die großartigen Sänger in der Band hatten eine lange Tradition: Clyde McPhatter, Johnny Moore, Ben E. King, Rudy Lewis. Doch trotz all ihrer fantastischen Platten war die personelle Fluktuation enorm. Es war letztlich das Management, das die Mitglieder nach Gutdünken engagierte und wieder feuerte.
Unser erster Versuch für die Drifters war „Ruby Baby“ von 1955. Wir waren begeistert, was sie aus dem Song machten. 1958 ließen die Manager das Personal einmal mehr rotieren – und es kam die Stunde des großen Ben E. King. Die meisten Platten, die mit den Drifters assoziiert werden – wie „There Goes My Baby“ – stammen aus dieser Phase.
Ben E. King war noch ein junger Sänger, der sich gerade einen Namen machte, aber trotzdem war er stilistisch erstaunlich ausgereift und genuin. Man hat gesagt, dass „There Goes My Baby“ so einflussreich war, weil es den „Wall of Sound“ und Motown erst möglich gemacht habe. Wir werden dem nicht widersprechen wollen. Aber es war auch das fantastische Arrangement von Stan Applebaum, das uns den Weg wies, wie man Rock’n’Roll und Streicher unter einen Hut bekommt. Als King ausstieg, arbeiteten wir mit ihm als Solisten weiter, während die Drifters weiterhin Hits produzierten, zunächst mit Rudy Lewis als neuem Leadsänger, nach seinem Tod dann erneut mit Johnny Moore.
Wir schrieben selbst Songs für die Drifters, aber wir klopften auch bei den besten Songschreibern dieser Welt an. Doc Pomus und Mort Shuman lieferten wundervolle Lieder wie „This Magic Moment“ und „Save The Last Dance For Me“, Gerry Goffin und Carole King schrieben „Up On The Roof“. Wir brachten die Gruppe auch mit Burt Bacharach zusammen.
Egal in welcher Besetzung: Die Drifters standen für diese exquisite Melange großartiger Stimmen – warm und rund und voll wie schmelzende Schokolade.