Die 100 besten Musiker aller Zeiten: Cream – Essay von Roger Waters
Der Vorhang ging auf, und die drei legten mit „Crossroads“ los. Ich hatte so was in meinem ganzen Leben noch nicht erlebt.
Ich war in meinem dritten Jahr auf der School of Architecture am Regent Street Polytech, wo ich auch Nick Mason und Rick Wright kennengelernt hatte. Am Ende eines Semesters gab es immer ein Konzert, und diesmal waren Cream engagiert.
Der Vorhang ging auf, und die drei legten mit „Crossroads“ los. Ich hatte so was in meinem ganzen Leben noch nicht erlebt. Ich war überwältigt von dem Equipment, das sie auf die Bühne geschafft hatten: Ginger Bakers doppelte Bass-Trommel, die riesigen Marshall-Amps von Jack Bruce und all die Spielzeuge, die Eric Clapton mitgebracht hatte. Es war visuell wie akustisch eine unfassbare Detonation.
Nach etwa zwei Dritteln des Sets sagte einer von ihnen: „Wir möchten gerne einen Freund aus Amerika auf die Bühne holen.“ Es war Jimi Hendrix, der an diesem Abend zum ersten Mal in England auftrat. Er kam und holte all die Tricks aus dem Zylinder, die ihn später berühmt machen sollten, spielte mit den Zähnen und lieferte die große Show.
Wenig später gingen wir mit Pink Floyd professionell auf Tour – und sollten bei Auftritten auch mehrfach auf Cream treffen. Es waren so viele, die von ihnen beeinflusst wurden. Jimmy Page muss sie sich angeschaut und dann den Entschluss gefasst haben: „Fuck, das mache ich auch.“ Neben den Beatles waren es Cream, die damals den neuen Bands die Gewissheit gaben, dass man populär sein konnte, ohne gängigen Pop zu machen.
Innovation war das erste Gebot, und Cream waren zwar auch eine großartige Blues-Band, versuchten sich aber gleichzeitig an den verschiedensten Stilen
Ich erinnere mich, dass Ginger Baker schon damals ein verrückter Hund war. Er schlug härter auf seine Drums als jeder andere, Keith Moon vielleicht ausgenommen. Und Ginger spielte Rhythmen, die nur er spielen konnte. Über Clapton muss man nicht sprechen – jeder weiß, wie außergewöhnlich er ist. Und Jack Bruce ist wahrscheinlich der musikalisch begabteste Bassist, den ich je erlebt habe.
Ich sah Cream im Kontext der Musik, die damals von der amerikanischen Westküste kam – Bands wie die Doors und Love: Innovation war das erste Gebot, und Cream waren zwar auch eine großartige Blues-Band, versuchten sich aber gleichzeitig an den verschiedensten Stilen. Einiges davon mag heute etwas seltsam klingen, aber Songs wie „Crossroads“, „Sunshine Of Your Love“ und „White Room“ beeindrucken mich noch immer. Ihr Ziel war es, Material zu spielen, das sich jeglicher Einordnung entzog. Und weiß Gott: Sie erreichten ihr Ziel.