Die 100 besten Metal- und Hardrock-Alben aller Zeiten. Plätze 67-34
Wir küren die 100 besten Metal- und Hardrock-Alben aller Zeiten. Teil zwei: Plätze 67-34.
HÄRTER ALS DER REST: Heavy Metal ist Außenseitermusik und Mainstream zugleich. Er wird gern belächelt. Und wie kaum ein anderes Genre leidenschaftlich geliebt. Denn Metal stiftet Identität – und hilft beim Überleben in der Provinz.
Natürlich darf man heute zugeben, dass man Heavy Metal liebt. Am besten nennt man schnell noch eine angesagte Band wie Baroness oder behauptet, Slayers „Reign In Blood“ damals1 rauf- und runtergehört zu haben. Wer es noch einfacher haben will, zieht sich auf den klassischen Hardrock zurück, weil sich auf Led Zeppelin ja alle einigen können und selbst R.E.M. mal Aerosmith gecovert haben. Da geht die Diskussion dann allerdings schon los: Wo hört eigentlich Hardrock auf, wo fängt Heavy Metal an – und wer gehört dazu? Erstaunlicherweise gab es bei unserer mehr als 60-köpfigen Jury einen unausgesprochenen Konsens, den man kaum erklären kann. Keiner kam mit Nirvana an, aber etliche nannten Soundgarden (die übrigens mal die Vorgruppe von Guns N’Roses waren, auch wenn sie sich daran nicht gern erinnern) oder Nine Inch Nails. Im softeren Bereich durften Bon Jovi nicht fehlen, die in den 80er-Jahren zweifellos Hardrock machten – auch wenn die Grenzen zum Mainstream da schon fließend waren. Damals war die Eingruppierung dank der einheitlichen Optik noch einfacher: lange Haare, Lederhosen, alles klar. Gern auch Make-up und bunte Accessoires oder – auf der anderen Seite des Spektrums – Nieten und unbedingt: die Kutte.
Als Erfinder des Heavy Metal gelten heute gemeinhin Black Sabbath, die schon 1969 in Birmingham begannen, ihre Zuhörer mit harten Riffs, treibenden Drums und Ozzys markerschütterndem Gesang das Fürchten zu lehren. Ende der 70er-, Anfang der 80er-Jahre griff die New Wave Of British Heavy Metal, für Eingeweihte kurz NWOBHM, das Erbe auf und übersetzte es fürs Massenpublikum – mit bis heute durchschlagendem Erfolg. Iron Maiden, Saxon oder Judas Priest haben nicht nur Generationen beeinflusst, sie halten immer noch durch.
Der Duden definiert Hardrock schlicht und praktisch als „laute Rockmusik mit einfachen Harmonien und Rhythmen“, Heavy Metal als „aggressivere Variante des Hardrocks“. Auf jeden Fall ist Metal nicht nur ein Genre, sondern ein Glaubensbekenntnis, eine Lebenseinstellung. Kein anderer Musikstil hat so viele Zeitschriften hervorgebracht, so viele Festivals mit enormen Besucherzahlen. Metal ist Mainstream und Nische zugleich. Zwar wandern zum Wacken-Festival in jedem Sommer Zehntausende, aber die große Zeit ist doch vorbei – zumindest, was die Breitenwirkung angeht. Im Jahr 1988 hießen die weltweiten Megaseller „Appetite For Destruction“ (Guns N’Roses), „Hysteria“ (Def Leppard) und „New Jersey“ (Bon Jovi). Es gab damals keine Partys ohne „Run To The Hills“ oder „T.N.T.“ (zumindest nicht in meiner Umgebung), und die sensationellen ersten Jahre des 1981 gestarteten Musiksenders MTV waren auch die Zeit der großen Frisuren – jahrelang verging kein Tag ohne lustige Videos von kühn toupierten Metalbands, die in einer Welt zu leben schienen, die nichts mit unserem Alltag gemein hatte (anders zum Beispiel die Grunge-Typen später).
Genau deshalb liebten wir Mötley Crüe, Twisted Sister und Kiss: Weil sie uns ein Leben ausmalten, das viel wilder, bunter und spannender war als unseres. Sie sahen nicht aus, als hätten sie je eine spießige Schule betreten, sie gurgelten morgens bestimmt nicht mit Mundwasser, und nachts … ach, wir konnten es uns kaum vorstellen. Es hat bestimmt einen Grund, dass Hardrock und Metal besonders auf dem Land so beliebt sind – wo das Klima konservativer und das Fernweh größer sind. Mir zumindest gab diese Musik damals das Gefühl, wenigstens kurzzeitig dem Mief und der Langeweile entfliehen zu können. Wenn Sie mehr darüber wissen wollen, lesen Sie Chuck Klostermans brillante Chronik „Fargo Rock City“, in der er eine prototypische Metal-Jugend beschreibt und wie die Liebe zu dieser Musik für jeden Teenager lebensverändernd ist. Plötzlich nicht mehr allein, vereint im Uncoolsein, gemeinsam glücklich abgegrenzt vom gemeinen Popmusikhörer. Und man konnte die Eltern ärgern, was letztendlich das Allerwichtigste ist, denn, seien wir mal ehrlich: Kaum einer entdeckt erst als Erwachsener den Metal. Aber wer sich als Heranwachsender mit dieser Musik identifiziert, wird sie auch noch verteidigen, wenn er längst eher Neil Young oder Coldplay hört.
Es war nicht nur der Glamrock, der sich fröhlich dem Eskapismus hingab, auch die Fantasywelten im klassischen Metal haben wenig mit der Wirklichkeit zu tun, sondern sind von Drachen, Elfen und Zwergen bevölkert. Selbst Krieg und Feuer, Tod und Teufel scheinen hier nicht allzu real zu sein – norwegische Spinner, die tatsächlich Kirchen anzünden, ausgenommen. Ein paar Widersprüchlichkeiten bleiben: Zwar geht es in 66 Prozent der Lieder um Freiheit, Unangepasstheit und Widerstand gegen das Spießertum, doch stellt man schnell fest, dass Metal-Fans im wahren Leben oft erstaunlich konformistisch sind. Lange Mähnen und Kutten mögen heute nicht mehr Pflicht sein, aber die einzig gültige Farbe ist immer noch Schwarz, und wer beim Wacken nicht die typische Band-T-Shirt-Uniform trägt, fällt natürlich ein wenig auf. Auch ein gewisser Chauvinismus hat sich gehalten, Frauen kommen eher als Beiwerk, Begleiterin oder Lustobjekt vor. Videos mit Frauen, die leichtbekleidet Autos waschen (Whitesnake) oder Kirschkuchen servieren (Warrant), sind heute nicht mehr die Norm – aber leider gibt es immer noch kaum große Bands mit Frauen, von Nightwish oder Arch Enemy mal abgesehen.
Was hat sich sonst in den vergangenen 20 Jahren im Metal getan? Nicht so viel. Der Nu Metal um Korn und Limp Bizkit ist so schnell verschwunden, wie er aufgetaucht war. Und mal ehrlich: Wer liebt denn aus vollem Herzen die Technokraten von Linkin Park? Wer hält Volbeat für den Mittelpunkt der Welt? Am Ende freuen sich alle doch wieder am meisten über ein neues Black-Sabbath-Album, das wie ein altes klingt. Und die Bands, die bei Festivals am frenetischsten gefeiert werden, heißen Metallica oder Iron Maiden. Da trifft sich dann für ein Wochenende die eingeschworene Gemeinde mit den Massen. Wenn Sie allerdings in Berlin und anderenorts ahnungslose Hipster in AC/DC– oder Motörhead-Shirts von Urban Outfitters rumlaufen sehen, fragen Sie mal, ob die deren Sänger überhaupt kennen. Das wird sicher lustig. Oder halten Sie sich einfach an Ronnie James Dios alte Devise: „Don’t Talk To Strangers“!