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Die 100 besten Geheimtipps – Teil 4
100 weitere Perlen der Popgeschichte, die kaum Beachtung fanden – bis jetzt.
David Sylvian - „Blemish“ (2003)
Karges Großwerk des ehemaligen New-Wave-Narzissten. „Blemish“ ist das erste Album, das Sylvian nach langer persönlicher und künstlerischer Krise einspielte. Seinen früheren Hang zu Pathos und musikalischer Fülle hat er hier durch einen umso eindrucksvolleren Minimalismus ersetzt; meist singt er mit seinem dunkel strahlenden Bariton nur zu schnaufenden Eigengeräuschen des Gitarrenverstärkers oder zu abstrakten Improvisationen des Free-Jazz-Gitarristen Derek Bailey.
Ananda Shankar – „Ananda Shankar“ (1970)
Ravi Shankar war der Mann, der George Harrison beibrachte, wie man Sitar spielt. Das bekannteste indische Musikinstrument schaffte es so in die westliche Popmusik. East meets West, das interessierte auch Ananda Shankar, den Neffen des Großmeisters. 1970 machte er sein erstes eigenes Album. Mit Coverversionen von „Jumpin’ Jack Flash“ und „Light My Fire“ traf Ananda Shankar nicht nur den Zeitge- schmack, sondern schuf auch eine der besten Sitarpop-Platten.
Paul Roland – „A Cabinet Of Curiosities“ (1987)
Paul Rolands Musik ist so englisch wie ein alter durchnebelter Sherlock- Holmes-Film: Seine Lieder tönen oft, als wäre ihr Autor hoffnungslos in Pfeifenträumen von einem surrealen viktorianischen England verloren gegangen. Dies ist seine schönste Platte. Begleitet von einem Streichquartett singt Roland über Flaschengeister und brennende Irrenhäuser. Später schrieb er auch Bücher mit Titeln wie „Geister. Alles über geheimnisvolle Erscheinungen und verwunschene Plätze“.
Royal Trux – „Cats And Dogs“ (1993)
Jennifer Herrema und Neil Hagerty sind die Carpenters unter den Indiemusikern, aber sie beherrschen den weißen Blues wie die Rolling Stones – außerdem nahm das Paar zusammen fast so viel Heroin wie Keith Richards zu seinen härtesten Zeiten. Ihr viertes Album ist auch das letzte, das nach Lo-Fi klingt. Eine in dunkel dräuenden Liedern vollzogene Reise durch den Mittleren Westen Amerikas, mit verkommenen Städten („Turn Of The Century“) und christlichen Sektierern („Up The Sleeve“).
SFA – „So What?“ (1991)
Hasspredigt einmal anders. SFA (Stands For Anything) – 1984 von Mike Bullshit gegründet, der die Band bald darauf wieder verließ, um Go! ins Leben zu rufen – spielten nicht Hardcore, sondern Hatecore. Straight Edge war den New Yorkern zu hippiemäßig; der Genrebegriff wurde jedoch alsbald von rechtsextremen Gruppen gekapert. SFA dagegen verstanden sich als links, und der Hass von Sänger Brendan Rafferty richtete sich gegen die Ursachen sozialer und politischer Missstände.
P.F. Sloan – „Sailover“ (2006)
Mitte der 60er-Jahre war P. F. Sloan der kalifornische Wunderknabe: Mit Steve Barri schrieb er Hits, dann gelang ihm „Eve Of Destruction“, das er Barry McGuire gab. 1970 schrieb Jimmy Webb den Song „P. F. Sloan“ über den strauchelnden Kollegen. Auf dem Spätwerk „Sailover“ demonstrierte Sloan mit Lucinda Williams, Frank Black und Buddy Miller, dass er ein Gigant der Americana war. „Eve Of Destruction“ sang er nun selbst in einer robusten Version.
The Soft Boys – „A Can Of Bees“ (1979)
Gemeinhin gilt das Folgealbum, „Underwater Moonlight“, als das Meisterstück der Neopsychedeliker um Robyn Hitchcock. „A Can Of Bees“ ist deutlich aufgekratzter, dreckiger und zynischer: Manchmal hat man das Gefühl, ein wütender Syd Barrett hätte Captain Beefhearts Magic Band hinter sich versammelt. Schon damals kultivierte Hitchcock in seinen Texten sein Faible für das Seltsame: Bäume werden um Autogramme gebeten, und Dinosaurier tragen Lederhüte.
Billy Squier – „Don’t Say No“ (1981)
„Don’t Say No“ brachte Billy Squier in den USA den Durchbruch, doch selbst die Hitsingle „The Stroke“ ist heute eher Kuriosum als Kanon. Dabei ist das Album durchaus zeitlos: Squier verbindet Led-Zeppelin-Riffs mit US-amerikanischem MOR und kreiert eine unwirsche Mischung aus Popmelodie und schmuddeligem Rockriff. Das Songwriting ist exquisit, die Atmosphäre abgedunkelt. Dazu beschäftigte Squier eine Band, die alle damals aktuellen Sounds und Strömungen vortrefflich vermengte.
The Steppers – „Stewdio“ (1988)
Die in die USA emigrierten Iren hatten ein großes Talent für packenden Psychpop und schlimme Plattencover. Gemeinsam mit Bands wie Plasticland und den kurzlebigen Opal zählten sie zu den besten Vertretern des Psychedelic-Revivals der Achtziger. Der Grund: Die Steppes hatten beides, Sound und Songs. In ihren Stücken verbanden sich Ideen der Byrds sowie von Love, The 13th Floor Elevators und Jefferson Airplane, allerdings mit dem Schmiss der anbrechenden goldenen Indie-Ära.
SWA – „XCIII“ (1987)
Black-Flag-Bassist und SST-Mitbegründer Chuck Dukowski betrieb diese nicht ganz grundlos wenig beleuchtete Band seit ungefähr 1985. Sie verband eine Vorliebe für Americana mit dem Herzen aus Hardcore und einem Ohr fürs Offene. Dieses dritte Album sticht aus dem Œuvre vor allem durch die Mitarbeit der Gitarristin Sylvia Juncosa und das Desert-Rock- Monster „Arroyo“ heraus: Sechs Minuten lang braust und quietscht es daher wie Buffalo Springfield auf Speed. Höhepunkt des SWA-Gesamtwerks.
Thunder – „Laughing On Judgement Day“ (1992)
In England sind Thunder berühmt, in Deutschland hat es nur zu einem Achtungserfolg gereicht. Dabei hatten die Briten alle Anlagen, um Anfang der 90er-Jahre groß rauszukommen. Luke Morley schrieb große klassische Rocksongs mit gerade so viel Blues, dass er auch Bluesverächter nicht störte. Danny Bowes sang sie mit so viel Nachdruck, dass einem angst und bange werden konnte – vor allem bei der Ballade „Low Life In High Places“, die einem London ganz schön verleiden konnte.
Bobb Trimble With Violent Reaction –
„Iron Curtain Innocence“ (1980)
„Dear John, Paul, George and Ringo: If I’m a good boy and work real hard, may I please be the 5th Beatle someday?“, schrieb der 22-jährige Bobb Trimble aus Massachusetts in den Liner Notes zu seinem Debütalbum. Kurz nachdem „Iron Curtain Innocence“ erschienen war, war einer der Adressaten seines offenen Briefes tragischerweise schon tot. Wenn die Beatles noch mal zur Psychedelia hätten zurückkehren wollen, wäre Trimble jedenfalls ein ziemlich guter fünfter Mann gewesen.
Twinkle Brothers – „Dub With Strings“ (1992)
Unter dem Namen Twinkle Brothers arbeitete der Schlagzeuger Norman Grant bereits in den Sechzigern mit Reggaeproduzenten wie Lee Perry und Bunny Lee. Unzählige Roots- und Dub-Alben mit wechselnden Mitstreitern sind seitdem entstanden, das faszinierendste ist eine Zusammenarbeit mit der polnischen Folkloregruppe Trebunie-Tutki, einer auf traditionellen Saiteninstrumenten musizierenden und in alte Trachten gekleideten Familie aus Biały Dunajec am Fuß der Hohen Tatra.
Ubiet – „Kroncong Tenggara“ (2007)
Die Geschichte der Kroncong-Musik soll bis ins 17. Jahrhundert zurückreichen. Im 20. Jahrhundert feierte sie jedenfalls einen großen Siegeszug und galt zeitweilig als die indonesische Volksmusik. So wie auf dieser Platte klang Kroncong allerdings nie zuvor: Die Neue-Musik-Vokalistin und Musikwissenschaftlerin Ubiet schuf mit Unterstützung einiger der besten Jazzvirtuosen und -arrangeure des Landes eine ambitionierte Neuinterpretation des Genres als Sophisticated Pop fürs 21. Jahrhundert.
Ug & The Cavemen – „Ug & The Cavemen“ (1987)
Schmuddelige, verwahrloste UK-Twens, die im Dschungel hausen, auf Instrumente einschlagen und dazu rhythmisch bellen – oder, in ihren eigenen Worten: „The savage story of a gang of young punks who specialized in dope pushing and murder.“ Der lispelnde Bal, Sänger der Sting-Rays, holte sich 1987 seinen Gitarristen und ein paar weitere Menschen dazu und nahm dieses Raw-Garage-Album mit eigenen Songs und ein paar Goodies (wie der Shandells-Coverversion „Go Gorilla“) auf.
Union – „Union“ (1998)
John Corabi ist ein Pechvogel. 1994 nahm der Melancholiker mit der rauen Stimme als Ersatzsänger mit Mötley Crüe das beste Album auf, das die Glamrocker je zustande brachten, aber es verkaufte sich nicht und sie holten den alten Brüllfrosch Vince Neil zurück. Corabi gründete mit Kiss-Gitarrist Bruce Kulick eine neue Band. Auf „Union“ schreit er sich zu schmutzigem Hardrock den Schmerz vom Leib, offenbart seine Liebe zu den Stones – und zu seiner Frau („Robin’s Song“), die bald die Ex war.
Rosie Vela – „Zazu“ (1986)
Exmodel verursacht Steely-Dan- Reunion! Erst stieg Walter Becker spontan in die Gary-Katz-Produktion ein, bevor Donald Fagen folgte. Doch „Zazu“ ist mehr als eine pop-historische Fußnote. Gerade Velas limitierte Vocals harmonieren oft reizend mit manch verschlungener Melodie ihrer Songs. Übers klinische Synthsound-Ambiente muss man da öfter mal hinweghören. „Zazu“ blieb ihr einziges Album. Später sang Rosie Vela Backings für ELO („Zoom“) und war zeitweilig mit Jeff Lynne liiert.
The Vipers – „Outta The Nest“ (1984)
Expunks aus New York, die 1984 eine von Herzen kommende Garagenplatte aufnahmen, wobei vor allem der Beatklopfer „Surprise, Surprise“ wirklich abging. Pech hatten die Jungs allerdings mit den Schlagzeugern (die wechselten dauernd), mit dem Bandnamen (den gab’s immer mal wieder) und mit den Songtiteln (auch „Surprise, Surprise“ ist nicht gerade innovativ). Trotzdem eine rührende Platte, der man die Sehnsucht nach dem echten Wilde- Jungs-Sein anhört.
The Waitresses – „Wasn’t Tomorrow Wonderful?“ (1982)
So was konnte es nur im Popsommer 1982 geben: Einige gestandene Neutöner aus der No-New-York- Szene hielten es für geboten, eine lupenreine Popplatte aufzunehmen. Der Gitarrist Chris Butler lieferte ein knappes Dutzend simpel strukturierter, eingängiger Songs auf Ska-Basis, die in wortreichen Texten sehr präzise die Freuden und Nöte des Erwachsenwerdens einer fiktiven Frau beschreiben. Lustvoll produziert vom langjährigen Philip-Glass-Weggefährten Kurt Munkacsi.
Whirlwind – „Blowing Up A Storm“ (1977)
Das Rockabilly-Revival der späten 70er-Jahre hatte auch amerikanische Paten, Robert Gordon vor allem, den großen Erfolg indes fanden sie erst auf der anderen Seite des Atlantiks. Im Widerstreit der Tribes im UK bewiesen die Teddy Boys Stiltreue, an Nachwuchs herrschte kein Mangel. Auch nicht an tollen Bands: Whirlwind vereinten den Drive des US-Rockabilly mit britischer Pop-Sensibilität, doch klangen ihre Versionen nicht nach Tennessee, sondern vielmehr nach den Gassen von Soho.
Danny Wilson – „Bebop Moptop“ (1989)
Die englische Band um Gary Clark hatte sich nach Frank Sinatras Figur in dem Film „Meet Danny Wilson“ benannt, und 1989 hatte sie ihren Moment: Der schwärmerische, luxuriös flottierende Soul-Pop ihres zweiten Albums wurde im Radio gespielt. Die Produktionsweise der späten Achtziger wirkt heute grotesk, aber die Songs haben die Zeit überstanden. Gary Clark nahm 1993 eine wunderbare Soloplatte auf und verzettelte sich dann in „Projekten“, die den früheren Glamour vermissen ließen.
Ziraldo & Sérgio Ricardo – „Flicts“ (1980)
1969 veröffentlichte der brasilianische Illustrator Ziraldo das Avantgarde-Bilderbuch „Flicts“ über eine Farbe, die in der Natur nicht vorkommt. 1980 machte er zusammen mit dem Bossa-Urgestein, Komponisten, Filmemacher und bildenden Künstler Sérgio Ricardo ein Musical daraus: Zu klassischem Sambainstrumentarium singen die Gesangsquartette Quarteto em Cy (weiblich) und MPB4 (männlich) diese wundersame Geschichte über impressionistisch anmutenden Akkordfolgen.
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