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Die 100 besten Geheimtipps – Teil 3
100 weitere Perlen der Popgeschichte, die kaum Beachtung fanden – bis jetzt.
Minnie Riperton - „Perfect Angel“ (1974)
Groteskes Cover, schöne Platte. Die Sängerin mit der extrem hohen Stimme, die auch wunderbar Vogelstimmen imitieren konnte, hatte in den 60er-Jahren bei der Hippie-Soulband Rotary Connection gesungen, eher erfolglos, bevor Stevie Wonder ihr dieses zweite Soloalbum produzierte. Darauf viel zeittypischer Jazzfunk – und der Übersong „Lovin’ You“. Fast ist man geneigt zu behaupten: Es gibt kein zarteres Liebeslied. Minnies zirpende Stimme zielt ins Herz, ihr Glückskiekser lässt uns wehrlos zurück.
Madhouse – „8“ (1987)
Mit Madhouse gründete Prince Ende 1986 eine Band, die noch fähiger war als die legendären The Revolution. Eric Leeds und Atlanta Bliss brachten Saxofon und Trompete ins Line-up – und die Gruppe hob ab. Obwohl Prince dann in einem typischen Anflug von Kontrollwahn das Gros des Debüts selbst einspielte, wirkt es wie ein furioses Bandprodukt von Tausenden Leuten. Instrumentaler Neojazz, der sich überall klug bedient und sich bis zu Charlie Parker zurückführen lässt.
Derrick May – „Innovator“ (1996)
Ein Porträtalbum des Detroiter Technopioniers, das im Original sechs große „Songs“ seiner Frühzeit zusammenfasst. Die ursprüngliche Version mit dem Untertitel „Soundtrack For The Tenth Planet“ umfasst das repetitive „The Dance“ von 1987 und das sphärisch-schöne Rhythm’n’Piano-Stück „Strings Of Life“. Wie einige Kollegen von Underground Resistance (Jeff Mills, Mike Banks) ging der introvertierte May zum weltweit boomenden Technozirkus bereits in den frühen Neunzigern auf Distanz.
Brian McBride – „The Effective Disconnect“ (2010)
Brian McBride ist eine Hälfte des Ambient-Duos Stars Of The Lid, eines Aushängeschilds des auf ätherische Klänge spezialisierten Labels Kranky. Für den Dokumentarfilm „Vanishing Of The Bees“, der sich mit dem weltweiten Sterben der Bienen beschäftigt, produzierte der Musiker aus Texas einen Soundtrack, der unfassbar zärtlich und traurig zugleich klingt. Einige Stellen sind fast unhörbar leise, andere erwecken den Eindruck, hier wäre ein Symphonieorchester bei der Arbeit.
Pete McCabe – „The Man Who Ate The Plant“ (1973)
B.B. King, Joe Walsh, Rick Derringer: Produzent Bill Szymczyk schien eigentlich vor allem auf Gitarreros abonniert zu sein, weswegen umso mehr erstaunt, dass er diesen versponnenen Banjospieler und Singer-Songwriter einlud, ein Album auf seinem kurzlebigen Tumbleweed-Label zu veröffentlichen. McCabes exquisite Avantgardecountry-Kompositionen erhielten durch Sidemen wie Jim Keltner, Buddy Emmons und Louie Shelton die gebührende Edelbehandlung.
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Tom Mega – „Book Of Prayers“ (1991)
Der „Musikexpress“ nannte ihn einmal den „Frank Sinatra des Atom- und Aids-Zeitalters“, andere wollten in ihm Deutschlands Antwort auf Nick Cave oder Jacques Brel erkannt haben. Leider verstarb der drogenabhängige Sänger aus Gelsenkirchen zu früh, um sein Potenzial voll auszuschöpfen. Von seinen fünf Studioalben ist dieses das gelungenste. Poppiger Wave-Rock kontrastiert die Grummelstimme des Ruhrpott-Originals, das teils unbeholfene Englisch erdet die Outsiderpoesie sogar noch.
The Members – „At The Chelsea Nightclub“ (1979)
Von britischen Pop-Historikern sträflich übersehen trieben sich The Members aus Camberley in den späten Siebzigern im Londoner Pubrock-Underground herum. Radiolegende John Peel entdeckte sie früh, mit dem Song „Fear On The Streets“ debütierten sie auf der „Streets“-Compilation von Beggars Banquet. Mit dem späteren Starproduzenten Steve Lillywhite spielten sie 1979 ruckzuck ein jung bewegtes Auf- die-Glocke-Album ein, mit der Mitgrölhymne „The Sound Of The Suburbs“ im Zentrum.
Ramsay Midwood – „Shoot Out At The OK Chinese Restaurant“ (2000)
Drei Platten hat der schratige Baseballkappenträger Ramsay Midwood bislang für das deutsche Indielabel Glitterhouse veröffentlicht. Dieses in schönstem Wohnzimmersound gehaltene Album ist sein Erstling. Midwoods strubbelige Countryboogie-Songs und der lakonische Storyteller-Blues hören sich nicht selten an, als gingen JJ Cale und Michael Hurley an einem heißen Nachmittag gemeinsam eine Hängematte kaufen. Anstrengung ist definitiv nicht dieses Mannes Tasse Tee.
Chris Montez – „The More I See“ (1966)
Seine Eltern waren Mexikaner, Chris Montez sah aus wie ein kleiner dicker Junge und sang wie ein Mädchen, im MTV-Zeitalter hätte er nicht viel werden können. Während der 60er-Jahre zählte jedoch nur seine Musikalität, mit „Let’s Dance“ hatte er einen Welthit. Irgendwann entdeckte ihn Herb Alpert, er wollte sein Label verjüngen. Vier zeitlose Alben entstanden, Schlagerpop und lateinamerikanische Rhythmen wirken aufs Schönste zusammen.
Kristin Mooney – „Hydroplane“ (2007)
Jay Bellerose kennt man von Henry- Burnett-Miller-Produktionen. Für Mooneys drittes Album zeichnet der Drummer auch als Koproduzent verantwortlich, assistiert von Eric Heywood (Pedal-Steel) und Patrick Warren (Keys). Doch auch dieses exquisite Backing, tolle eigene Songs wie das Titelstück und ein cooles „I Say A Little Prayer“-Cover konnten die Wahlkalifornierin aus Minnesota nicht auf die obere Rootspop-Galerie zwischen Shawn Colvin und Eleni Mandell hieven.
Morgan – „Organized“ (2000)
Die Songzeile „Dreaming back my summer holidays“ ist Programm, das erste und bislang einzige Soloalbum des Werbejinglekomponisten und ewigen Gastmusikers Morgan Nicholls (Muse, Gorillaz) ist ein Grundkurs in musikalischer Sorglosigkeit und reiner Spielfreude. Und es ist ein Familienprojekt: Vater, Schwester, Bruder und Cousine halfen, seinen Mix aus 60s-Pop und Lounge-Elektro auf Platte zu bannen. Die alles beherrschende Hammondorgel gehörte übrigens mal Pete Townshend.
MX-80 Sound – „Out Of The Tunnel“ (1980)
Hypernervöser und extrem druckvoller No Wave aus San Francisco, der bisweilen sogar mit Melodien aufwartet. Mit der Musik von The Residents – auf deren Label, Ralph Records, „Out Of The Tunnel“ 1980 erschien – hat das Quartett wenig gemein. Songs wie „I Walk Among Them“ und „Metro Teens“ wurzeln eher in einer intellektuellen Variante des Garagenrock, gelegentlich angereichert mit etwas hysterischem Saxofon. Ganz und gar großartig ist der scharf splitternde Gitarrensound.
My Robot Friend – „Soft-Core“ (2009)
Der Begriff „elektronische Musik“ ergibt kaum noch Sinn, selbst Helene Fischer lässt sich da jetzt einsortieren. „Zurück zu den Wurzeln!“ lautete der Grundsatz von My Robot Friend, einer Band aus New York. Wie Kraftwerk bedenken sie immer jeden einzelnen Ton; anders als Kraftwerk können sie mehrstimmig singen; wie bei Kraftwerk ist ihre Musik weder schwarz (Funk) noch weiß (Rock). Aber sie sind nicht nur Synthienerds, sie überraschen auch, etwa mit Alison Moyet als Gastsängerin.
The Pale Fountains – „Pacific Street“ (1984)
Eine junge Liverpooler Band mischte ab 1982/83 die merkwürdige Übergangsphase des UK-Pop auf, als New Wave bereits ganz schön alt wirkte und neue Wellen (House Music, Post-Punk) erst noch anrollen sollten. Heute könnte man ihren melancholisch-schmelzigen Gitarrenwohlklang als Vorläufer des Anorak-Pop bezeichnen: tolle Popsongs ohne die damals übliche Schmockproduktion. Was Emotio-nen und Timing betrifft, haben The Pale Fountains viel von der Soulmusik gelernt.
The Peddlers – „Three In A Cell“ (1968)
Das 1964 einem Londoner Jazzkeller entstiegene Trio trug schwarze Anzüge und war Prinzessin Margarets Lieblingsband. Der von Sänger (tiefer, warmer Bariton) und Organist (virtuose, brummende Hammond-B-3) Roy Phillips geprägte Lounge-R’n’B ist am ehesten mit dem frühen Brian Auger und mit Graham Bond zu vergleichen, vor allem bei rasanteren Tracks wie „Comin’ Home Baby“. Höhepunkt ihrer zweiten LP ist jedoch das löwenhaft seufzende „On A Clear Day …“ – ein viel gesampelter Sehnsuchtsbeat.
Michael Penn – „MP4: Days Since A Lost Time Accident“ (2000)
Michael Penn ist ein Paradebeispiel für Bosheit im Musikgeschäft, ein formidabler Songschreiber, der an sinnentleerter Labelpolitik scheiterte. Nach diversen verlorenen Schlachten entstand dieses Album, auf dem Penn (Bruder von Sean und Ehemann von Aimee Mann) sein ganzes Können ausstellt. Mit Beatles-informierter, wohltarierter Songschreiberkunst gelingen Penn hier wundervolle Lieder wie das an Springsteen erinnernde „Lucky One“ und die Lennon-Ballade „Bucket Brigade“.
Pigface – „Fook“ (1992)
Es beginnt irrsinnig und deutsch mit „Alles Ist Mine“ mit En Esch von KMFDM an Gitarre und Mikro und Martin Atkins (PiL, Ministry) am Schlagzeug; dann übernehmen Lesley Rankine (Ruby) und Chris Connelly (Murder, Inc., The Revolting Cocks) den Gesang, während das grandiose „Ten Ground And Down“ von Drums und Cello sinister vorangetrieben wird. Nivek Ogre von Skinny Puppy stößt später auch noch hinzu. Pigface ist die Supergroup des Industrial.
Gong – „Floating Anarchy Live 1977“ (1978)
Mitte der 70er spaltete sich die Hippiekommune Gong in den jazzrockigen Flügel um Pierre Moerlen und den australischen Bandgründer und im vergangenen März gestorbenen Ex-Soft-Machineler Daevid Allen mit Gefolge. Auf dem hauptsächlich live eingespielten Album hört man Allen und seine singende Gattin, Gilly Smyth, hier mit der Festivalband Here & Now. Eine unterhaltsame Mischung aus angespacetem Punk, Hippiegeblubber und monotonwuchtigem Spacerock („Allez Ali Baba …“ ).
Jesse Rae – „The Thistle“ (1987)
P-Funk mit Kilt, Kriegerhelm und Schottenakzent?! Klar, dass da irgendwie Roger Troutman (Zapp) seine Produzentenfinger im Spiel haben musste. „Inside Out“, ursprünglich ein Rae-Tophit für das New Yorker Discotrio Odyssey, wird später sogar gut ins Akustik-Live-Repertoire von Roddy Frame passen und den Novelty-Faktor der Rae-Inszenierung vergessen machen. Bitte unbedingt auch die sympathisch bescheuerten Videos zum Titelstück und zu „Over The Sea“ begutachten!
Genya Ravan – „Urban Desire“ (1978)
Die gebürtige Polin Genyusha Zelkovicz mischte als Dead-Boys-Produzentin im CBGB mit, wurde von Jay Z gesampelt („Oh My God“) und von Steve Van Zandt für seine Radioshow verpflichtet. Auf „Urban Desire“ klingt sie zwischen Girlgroup-Appeal, New-Wave- Attacke und R’n’B-Feeling wie eine Stiefschwester von Etta James, die mal eben die Supremes in den Lower- East-Side-Schwitzkasten nimmt. Da gab sich, auf der „Ave Co’lorado“, selbst Lou Reed die Duett-Ehre.
Remy Zero – „The Golden Hum“ (2001)
Cinjun Tate hat sich die Karriere von Remy Zero wahrscheinlich auch anders vorgestellt, als er die Band 1989 in Birmingham/Alabama gründete. Sie durften schon im Vorprogramm von Radiohead spielen, bevor sie 1996 ihr Debüt herausbrachten, von der Öffentlichkeit dann leider weitgehend unbeachtet. Ihr schwärmerischer Alternative Rock fiel erst auf, als der Bettelsong „Save Me“ zur Titelmelodie der Superman-Serie „Smallville“ auserkoren wurde. Dabei gibt es auf „The Golden Hum“ noch viel bessere Stücke.
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