Die 10 besten TV-Serien im Herbst und Winter 2016/2017

Einschalten: Dies sind die Top-Serien des Herbstes und Winters

7. High Maintenance

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Zuerst war die skurrile Serie um einen New Yorker Pot-Dealer nur im Netz zu sehen, jetzt hat Ben Sinclair den Sprung ins Fernsehen gewagt – und ein kleines Wunder geschafft: Seine Geschichten und Figuren habensich ihren schrägen Charme bewahrt.

Ein Dealer, der seine Kunden im gesamten Großraum New York besucht, trifft dabei zwangsläufig auf die seltsamsten Menschen: Transvestiten, Krebspatienten, exaltierte Schauspieler, Leute mit Platzangst oder aber ein Pärchen, das sich auf das Organisieren von Orgien spezialisiert. Auf der Rangleiter der Dienstleister steht er nun mal definitiv über dem Pizzafahrer oder dem Postboten. Der Dealer kommt in deine Wohnung, beobachtet den alltäglichen Wahnsinn und muss manchmal auch den Beichtvater spielen: Der eine schimpft über seinen Boss, die andere lamentiert, dass
sie das Apartment betrat, als ihr Freund gerade von einer anderen Frau einen Blowjob bekam.

Wenn man viel Glück hat, ist der Typ, der dir den schwarzen, wunderbar aromatischen Kashmir ins Haus bringt, sogar der perfekte Tour-Guide, der dich durch den „Big Apple“ mit seinen acht Millionen verrückten Lebensgeschichten manövriert.

Do-it-yourself-Ambiente

Das war jedenfalls die Idee hinter der Web-Serie „High Maintenance“ von Ben Sinclair und Katja Blichfeld, in der ein bärtiger Dealer namens „The Guy“ (gespielt von Sinclair selbst) auf seiner täglichen Runde die haarsträubendsten Kiffköpfe trifft. Das Projekt diente dem Ehepaar als kreative Spielwiese, war billig produziert und warf zwischen 2012 und 2015 genau 19 Folgen ab, die Titel wie „Stevie“, „Trixie“ und „Brad Pitts“ trugen und zwischen fünf und 15 Minuten lang waren. Gelegentlich tauchte auch lokale Prominenz in den Videos auf (Comedian Hannibal Buress oder die Schauspieler Dan Stevens und Yael Stone aus „Orange Is The New Black“), doch das authentische Do-it-yourself-Ambiente blieb stets gewahrt.

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Wie so viele „Webi­sodes“ war auch „High Maintenance“ für den schnellen Gebrauch bestimmt und zielte auf ein abgeklärtes Großstadtpublikum. Anders als Serien der streamenden Konkurrenz aber war „High Maintenance“ keine kompakte, komprimierte Sketchsammlung, sondern erinnerte eher an das surreale Mäandern, das vor allem Stoner zu schätzen wissen. Sie hatte jedenfalls eine völlig andere Atmosphäre als ­alle anderen Internetserien, vom kommerziellen Fernsehen ganz zu schweigen.

Dann kaufte HBO „High Maintenance“ auf, bei uns ist die Serie jetzt bei Sky Go und Sky On Demand zu sehen. Dass irgendwann einmal die großen Sender bei Sinclair und Blichfeld anklopfen würden, konnte eigentlich nicht überraschen. Die Vorstellung aber, dass HBO am Konzept ihrer schrägen, billig produzierten Videovignetten überhaupt nichts ändern wollte, kam für die Macher dann doch wie ein Schock. „Vor Jahren hatten wir schon mal einen Deal mit einem anderen Sender“, so Blichfeld. „Sie wollten mit neuer Besetzung ein Remake unserer ursprünglichen Webisodes machen. Als hingegen HBO an uns herantrat, sagten sie als Erstes: ,Keine Remakes! Wir möchten, dass ihr mit dem weitermacht, was ihr euch da aufgebaut habt.‘ “

„Sie sagten unmissverständlich: Wir wollen eure Sache auf keinen Fall verkacken“, erzählt Sinclair lachend. „Einer der Fernsehgewaltigen sagte doch tatsächlich zu uns: ,Ich komme gerade von einem Essen mit einem Freund – und der sagte mir klipp und klar: Verkackt das bloß nicht!‘ Nach unserer ersten Erfahrung mit dem Fernsehgeschäft hatten wir uns schon seelisch darauf eingestellt, unsere kleine Independent-­Geschichte bis in alle Ewigkeit durchzuziehen. Aber die Gespräche mit HBO brachten uns auf die Idee, dass wir vielleicht das Beste beider ­Welten unter einen Hut bringen könnten. Die Ausgangsposition war nicht ganz so kompliziert: ,Wir haben hier etwas, das schon funktioniert. Bauen wir einfach dar­auf auf!‘ “

Naturgewalt Yael Stone

Fans der Serie dürfen also damit rechnen, dass HBO das Personal des „High Maintenance“-Universums weiter ausbauen wird, können sich aber auch darauf verlassen, dass „The Guy“ weiterhin das Bindeglied zwischen den Folgen sein wird. Figuren wie der Ehemann mit dem Transvestiten­fimmel (von Dan Stevens wundervoll gespielt) oder das nervige, gemeinhin nur als „Assholes“ bekannte Pärchen werden erneut ihren Auftritt haben – und vielleicht sogar den Beweis liefern, dass das längere, ausgefeiltere Format den New Yorker Charakterstudien noch mehr Farbe verleiht.

Doch selbst wenn die Ambitionen derzeit einen zweiten Frühling erleben, heißt das noch lange nicht, dass Sinclair und Blichfeld nun dem kleinsten gemeinsamen Nenner hinterherhecheln werden. In der vielleicht gelungensten Folge der neuen Staffel erleben wir erneut die austra­lische Naturgewalt Yael Stone, diesmal in Gestalt einer Hundesitterin, die sich der Avancen ihrer Klientel erwehren muss – wobei der Klient keineswegs der Besitzer ist, sondern der Vierbeiner selbst. Die Geschichte wird nämlich größtenteils aus der Sicht des tierischen Freundes erzählt. „Ursprünglich“, so Blichfeld, „wollten wir über jemanden schreiben, der nur selten sein Apartment verlässt.“

„Weil wir dafür überhaupt kein Budget haben“, ergänzt Sinclair. „Also schauten wir uns potenzielle Kandidaten für das Apartment an, bis wir auf einen Hund stießen, der in einem Taxi vergessen wurde. Und wir dachten: Wie wär’s, wenn wir die ganze Geschichte aus der Sicht des Hundes erzählen? Witzig! Genau, so machen wir’s!‘ “ (Beide wollen sich übrigens nicht dazu äußern, ob sie beim Brainstorming auf die Hilfe von bewusstseinserweiternden Substanzen zurückgreifen.) „Es gab uns auch die Möglichkeit, für die nächste Folge einen individuellen Ansatz zu finden. Jede Folge sollte nun einmal einen ganz eigenen Fingerabdruck haben.“ – „Oder Pfotenabdruck“, wirft Sinclair ein.

Unterstützung von HBO

Vor allem aber wollen die beiden den kaputten Charme konservieren, den ihre Internetfans so schätzten. Sie hatten nie die Absicht, eine HBO-Show an Land zu ziehen, fühlten sich aber geehrt, dass der bahnbrechende Sender, der immerhin auch das Zuhause von „Game Of ­Thrones“ ist, ihr „ongoing art project“ bedingungslos unterstützt. „Niemand wollte einen Neuanfang“, so Blichfeld, die offensichtlich eine Anhängerin der „If it ain’t broke, don’t fix it“-Theorie ist.

„Letztlich sind unsere neuen Folgen nicht anders als die ersten – abgesehen davon, dass das Projekt mit uns gewachsen ist. Sicher, wir können jetzt eine Amy Ryan engagieren, aber in erster Linie arbeiten wir noch immer mit unserem alten Freundeskreis. Wir machen die gleichen Sachen – nur dass sie jetzt auf einer größeren Plattform gezeigt werden.“
„Und wir können unsere Leute inzwischen sogar bezahlen“, stellt Sinclair fest. „Was ja wohl auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Richtung ist.“

David Fear

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