Dido im Interview: „Man muss Ratschläge nicht befolgen“

Die Britin, durch Eminems „Stan“ berühmt geworden, über Rap und Pop und ihre erste Platte seit sechs Jahren

Dido Florian Cloud de ­Bounevialle O’Malley Armstrong, kurz Dido, ist neben ­Adele die wohl erfolgreichste britische Sängerin der letzten 20 Jahre. ­Ihre Alben „No Angel“ und „Life For Rent“ waren Welthits, Singles wie „White Flag“ wurden zum Soundtrack von Tragi­komödien. Dido ist die Schwester des Faith­less-Gründers Rowland „Rollo“ Armstrong, hat ihre Wurzeln in der Clubmusik, arbeitet aber mit Rappern zusammen. Eminem verwendete Passagen aus ihrem Song „Thank You“ für seinen Song „Stan“ und besetzte sie in seinem legendären Video: Sie spielte eine entführte Schwangere im Kofferraum eines Autos. Mit „Still On My Mind“ veröffentlicht die 47-Jährige nun ihr erstes Album seit 2013 und bereitet sich auf ihre erste Tournee seit 15 Jahren vor, die sie im Mai auch nach Deutschland führen wird.

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Ihr neuer Song „Hurricanes“ vereint die zwei Dido-Welten: Aus der Akustik­ballade wird unvermittelt ein Dance­floor-Song. In welchem Genre fühlen Sie sich am wohlsten?
Ich denke nicht an Arrangements, da ich am Klavier oder an der Gitarre komponiere. Wenn sich ein Rhythmus aufdrängt, nenne ich das fast schon einen Unfall. Es geht beim Komponieren um instinktives Kreieren und weniger um Konzeption – man könnte es Magie nennen.

Als Musikerin begannen Sie Mitte der 90er-Jahre im Dance-Bereich als Komponistin und Sängerin für Faithless, das Projekt Ihres Bruders Rollo.
Ich arbeite nicht nach einer Quote, die „Jetzt mehr Dance!“ fordert. Ich sauge Klänge auf, höre Radio, kann einen großartigen Rhythmus hören. Sobald ich mich an ein Album mache, geschieht übrigens das Gegenteil von Inspiration von außen: Ich schotte mich ab, höre gar keine Musik mehr. Wie könnte ich eigene Melodien finden, wenn andere, fremde in meinem Kopf herumschwirren?

„Still On My Mind“ ist Ihr erstes Album seit sechs Jahren. Mit Blick auf die letzte Dekade: Wo sind all die großen Sängerinnen hin?
Die sind nicht weg, es gibt viele tolle, zum Beispiel Jess Glynne. Es muss keine in meine Fußstapfen treten, Musikerinnen wie Christine And The Queens erschaffen originäre Kunst. Mit Sigrid kommt aus Norwegen eine der bezauberndsten Stimmen.

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Sie sangen mit Eminem, und der 2013 noch nicht zum Superstar aufgestiegene Kendrick Lamar war auf „Let Us Move On“ vertreten. Wie kam es dazu?
Reiner Instinkt! Ich liebe den Klang seiner Stimme. Lamar hat die richtigen politischen Inhalte und ist clever. Bei Faithless hatte ich Maxi Jazz begleitet, wusste ­also, wie das Zusammenspiel funktioniert. Ob Eminem und ich mit „Stan“ den Weg für Pop-HipHop-Paarungen geebnet haben, weiß ich nicht.

Welche Erinnerungen haben Sie an Ihre Solo-Anfänge?
Als mein Debüt, „No Angel“, 1999 erschien, war ich 27 und konnte auf eine Laufbahn als Live-Musikerin zurückblicken. Es begann mit der klassischen Tour: in Amerika mit einem Van von Radiostation zu Radiostation. Das hätte ich jahrelang gern so weitermachen können. Ich muss sagen, dass ich es zu keiner Zeit schwer hatte.

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Hatten Sie Vorbilder?
Das Gefühl, etwas beweisen zu müssen? Hatte ich höchstens gegenüber meinem Bruder, der mit Faithless durchstartete. Ihm sang ich manchmal die Stücke vor, die sogenannten Guide-Vocals, die seine „echten“ Sänger dann aufführen würden. Ich dachte: Eigentlich möchte ich doch die letztgültige Interpretin sein!

Gab es Konkurrenz zwischen Ihnen?
Ich hatte ein gutes Leben als Literaturagentin. Und als meine Liebe zur Musik größer wurde, warnte Rollo: „Gib deinen Job bloß nicht auf! Es gibt Millionen Sängerinnen, die besser sind als du, und das Geschäft ist hart!“ Als älterer Bruder wollte er mich eben beschützen. Es gibt in ­dieser Branche ja auch kein Rezept, das ­Erfolg garantiert.

Was sind Vor- und Nachteile in der Arbeit mit einem Menschen, der einen so gut kennt wie kaum ein anderer?
Unsere Vereinbarung ist klar: Sang ich auf einer Faithless-Platte, legte er die Regeln fest – mischte er bei mir mit, setzten wir meine Ziele um. Wir nehmen unsere gegenseitigen Ratschläge ernst. Aber das ­Gute an guten Ratschlägen ist ja, dass man sie nicht befolgen muss.

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Nein?
Rollo ist ein idealer Produzent: Er ist meinungsstark, erleichtert die Arbeit des Künstlers – nicht nur indem er offen für alles bleibt. Er trägt auch die Verantwortung, das Album fertigzustellen, denn Künstler sind oft verunsichert, können sich von Ideen nicht trennen. Kurz: Wir sind Bruder und Schwester, nicht Schwester und Schwester, was einer gewissen Rivalität vorbeugt, und es gibt einen Altersunterschied von sechs Jahren.

„Give You Up“ wird als Trennungssong beworben. Glauben Sie an die heilende Kraft von Liedern bei Traumata?
Kann überhaupt jemand mit Ansage einen Song schreiben, der Heilungsprozesse beschleunigt? Dieser ist jedenfalls der erste, den ich nicht selbst komponiert habe. Mir wurden Hunderte angeboten, immer sagte ich: „No. No. Next …“ Hier jedoch reizte mich der Konflikt, etwas zu proklamieren, aber Gegenteiliges zu fühlen, weil man sich vom alten Liebesleben noch nicht lösen kann.

Singen Sie gern über Widersprüche?
„White Flag“ schrieb ich kurze Zeit nach einer Trennung, aber ich kann nicht ­sagen, dass es mir dann besser ging– ­später ­umso mehr, denn das Lied ging mit auf Reisen und wurde Teil schönerer ­Erinnerungen.

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