„Dick Cheney nennt sich selbst Darth Vader“ – „Vice“-Star Christian Bale und Regisseur Adam McKay im Interview

Sonntagnacht werden zum 91. Mal die Oscars verliehen. Nominiert ist auch „Vice – der zweite Mann“ neben „Bester Film“ unter anderem für „Bester Hauptdarsteller“ und „Beste Regie“. ROLLING STONE traf die Anwärter auf die beiden Kategorien vorab zum Interview in Berlin.

In „Vice“ verkörpert Christian Bale einen der mächtigsten Amerikaner der jüngeren Geschichte: den ehemaligen Vizepräsidenten Dick Cheney, mit dem der damalige US-Präsident George W. Bush 2001 den Irak-Krieg gegen Saddam Hussein plante. Wie für Bale in herausfordernden Rollen üblich, nahm er viele Kilos an Gewicht zu, und dank Make-Up sah er tatsächlich aus wie Cheney.

Pünktlich zur Oscar-Verleihung kommenden Sonntag sieht Christian Bale, der als „Bester Hauptdarsteller“ nominiert wurde, wieder wie immer aus. Doch welcher Zustand ist bei Bale eigentlich der normale? Wenn Beck das Chamäleon des Pop ist, dann ist Bale das des Kinos. Verantwortlich für die aktuelle Anverwandlung des 45-Jährigen ist vor allem der Regisseur des Films, Adam McKay: „Ohne Christian Bale hätte ich den Film nicht gemacht.“

Seit diesem Donnerstag läuft „Vice – Der zweite Mann“ bei uns in den Kinos. ROLLING STONE traf die beiden zum Roundtable-Interview in Berlin.

Mr. Bale, warum sind Sie in Berlin und nicht in Hollywood, um ihren erhofften Oscar zu promoten?

Christian Bale: Naja, die Oscars sind eine Feier, kein Wettbewerb. Ich promote die nicht, es gibt also keine Kampagne.

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Wie sind Sie mit der Belastung der Gewichtszunahme und -abnahme klargekommen?

Das Physische beeinflusst das Mentale und umgekehrt. Ich ahnte nicht, wie weit die gestalterischen Fähigkeiten der Hollywood-Prothetiker mittlerweile sind und wie unfassbar brillant sie arbeiten. Ich denke, man soll keine Grenze nach oben setzen. Ich bin kein durchtrainierter Schauspieler, ich mache das, was notwendig ist für die jeweilige Rolle. Mich haben schon immer Menschen fasziniert, die Grenzen durchbrechen wollten. Es ist ein Privileg für mich, das machen zu können und dafür entsprechend auch alles zu geben – und wenn es eine körperliche Verwandlung erfordert, ist das okay.

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Wissen Sie vorher, ob ein Film die Anstrengung überhaupt lohnt?

So soll es sein, ich mag es mich anzustrengen und auszupowern. Das ist gut, man fühlt sich danach viel besser.

Ist es nicht komisch, dass Gary Oldman ohne dick werden zu müssen den Oscar gewann?

Nein, gar nicht. Ich meine, Gary ist ein gerissener Darsteller und er war mir wohl einen Schritt voraus. Jedenfalls habe ich ihn angerufen, um ihn zu fragen, wie er das gemacht hat mit dem ganzen Essen, dick zu werden für seine Rolle als Churchill. Er meinte dann, dass er überhaupt nichts gemacht hat, weil alles eine Verkleidung war. „Ahhh, damn you …“ Ich konnte es nicht fassen. Leider war ich schon fast bei meinem Endgewicht angekommen und habe es dann auch durchgezogen.

Christian Bale bei der diesjährigen Berlinale

Haben Sie Erkenntnisse über das Wesen des Bösen gewinnen können? Schließlich haben Sie Dick Cheney als Darth Vader bezeichnet.

Dick Cheney bezeichnet sich selbst als Darth Vader. Er liebt und genießt es. Er würde seinen Hund als Lord of the Sith verkleiden und das Schlafzimmer seiner Enkelkinder mit Darth-Vader-Spielzeug dekorieren. Er hält das für einen lustigen Vergleich.

Sie haben gesagt, dass Trump weniger gefährlich ist, als es Cheney war.

Ich denke, ein intelligenter Mann wird immer gefährlicher sein als jemand, der nur impulsiv und laut ist. Damit will ich nicht sagen, dass Trump nicht gefährlich ist, natürlich ist er zu einer Menge imstande. Aber verglichen mit Cheneys Fähigkeiten ist das nichts. Ich meine, Cheneys Verständnis vom Regierungsapparat, seine taktischen Manöver, sein Schachspiel…Können Sie sich vorstellen, dass Donald Trump ein guter Schachspieler ist?

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Was ist die wichtigste Qualität in Ihrem Beruf?

Grenzenlose Neugier. Was ich an an diesem Gefühl mag, mit dem ich in jede Rolle starte, ist, dass ich erst einmal keine Ahnung habe, wie ich die Darstellung überhaupt stemmen soll. Die Leute sagen, „oh er ist ein Method Actor“, aber ich bin kein Method Actor – das ist eine spezielle Kunstform mit einer bestimmten Technik, die man studieren muss, die ich nie studiert habe. Ich versuche vorauszugehen und dabei meinen Part zu finden. Dabei geht es nicht darum, eine Kiste aufzuklappen und meine Standard-Tricks herauszuholen, sondern die Rolle immer wieder aufs Neue zu betrachten. „Okay verdammt, das hier ist der Charakter, wie zum Teufel beginne ich diese Person zu beleuchten.“ Es fühlt sich jedesmal nicht wie ein neuer Job an, sondern eher wie ein neuer beruflicher Abschnitt.

Haben Sie eine Art Wunschliste für zukünftige Rollen? Wie wäre es mit einem Transsexuellen, dem Papst oder Prinz von Wales?

Ich mag das Chaos und bevorzuge den Sprung ins Ungewisse, also habe ich keine wirkliche Wunschliste …Moment! Was stand nochmal auf der Liste? Okay, los geht’s – und zwar alle drei Rollen zusammen.

Mr. McKay, was denken Sie über Donald Trump? Was würde er über den Film tweeten?

Adam McKay: Er wird den Film nicht anschauen! Er ist zu lang für ihn …

Was ist mit den Menschen hinter den Film-Charakteren. Glauben sie, Bush oder Cheney werden sich das Werk ansehen?

Ich bin vor allem darauf gespannt, ob sich Mary Cheney, seine Frau, den Film ansehen wird. Ihr ist „Vice“ aber womöglich egal. Sie ist bezüglich ihrer Familie sehr loyal, obwohl sie diejenige war, die für die Karriere des Mannes geopfert wurde. Naja, und ihre Schwester Liz wird den Film hassen. Lynne Cheney auch.

Und Dick Cheney selbst? Wie wird er ihn wohl finden?

Das Lustige ist, denke ich, dass er nichts gegen die ersten 80 Prozent des Films haben wird – weil alles, was wir zeigen, zutreffend ist. Den Teil danach, als es um sein Familienleben geht, gerade mit seinen Töchtern, den wird er hassen. Weil das eben ein Thema ist, über das niemand sprechen will – die heilige Zone der Familie. Auch die Abschnitte über den Irak und die Folterungen dürften ihm nicht passen …wobei er irgendwie stolz auf diese zweifelhafte Art von Leistungen zu sein scheint.

Vice-Regisseur Adam McKay
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Wie würden Sie Dick Cheney beschreiben?

Ich würde den Begriff „Patriot“ wählen. Je nachdem, wer Du bist, kann das eine Menge Dinge bedeuten. Es gibt Menschen mit sehr schlimmen Absichten, die dann sagen, dass sie doch nur Patrioten sind. Und es gibt echte Patrioten …Ich denke Dick Cheney sieht sich selbst als Patriot. Das ist schon etwas ironisch.

Welche Frage würden Sie ihm gerne stellen?

Die große Frage wäre: „Gab es jemals einen einzigen Moment bezüglich des Irak-Krieges, den Du bereut hast?“ Und die andere Frage wäre, wie ein Mensch so skrupellos gegenüber der Umwelt sein und gleichzeitig Fliegenfischen im Fluss gehen konnte. Ich denke, das ist schon sehr paradox.

Glauben Sie, der Irak-Krieg wäre auch ohne 9/11 passiert?

Ja, bin ich mir sicher. Sie hatten den Krieg schon sehr lange geplant. Sie hatten die Planung der Invasion schon lange im Pentagon am Laufen, das zeigt auch mein Film. Sie wollten das unbedingt, also ist es sehr wahrscheinlich, dass es auch ohne 9/11 passiert wäre. Das Krasse an der Sache ist: Hätte es keinen öffentlichen Widerstand gegeben, hätten sie auch versucht in den Iran einzumarschieren. Ich meine, der Irak-Krieg war schon ein großes Desaster, aber wenn sie auch noch in den Iran einmarschiert wären – das hätte die Russen auf den Plan gerufen. Das hätte den Dritten Weltkrieg auslösen können.

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Was hätten Sie gemacht, wenn Christian Bale für die Rolle nicht zur Verfügung gestanden hätte?

Ich will ganz ehrlich sein: Ich glaube nicht, dass ich den Film dann gemacht hätte. Für mich war er der einzige, der für diese Rolle in Frage gekommen ist. Ich will immer Filme machen, die ich mir auch selbst gerne anschauen würde. Und das war die Art, wie ich ihn sehen wollte – mit Christian Bale als Dick Cheney. Ich wusste, dass er tiefer in diesem Charakter graben würde als jeder andere da draußen.

Sean Gallup Getty Images
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