Deutscher Podcast Preis 2022: Was macht eigentlich einen starken Podcast aus?
„Die Zeiten, als man sich einfach vor ein Mikro setzen konnte und zu reden anfing, sind aus meiner Sicht vorbei“, so die Radiozentrale-Chefin Grit Leithäuser im Interview mit ROLLING STONE.
Podcasts sind Informationsquelle und Unterhaltung, sie liefern Aha-Momente oder packende Spannung. Und sie sind vor allem eines: ein Medium, das allen ermöglicht, in dem inzwischen riesigen Angebot etwas Interessantes zu finden. Grit Leithäuser, Geschäftsführerin der Radiozentrale, hat im Gespräch mit ROLLING STONE über die aktuelle und zukünftige Rolle von Podcasts in der Unterhaltung sowie über den Deutschen Podcast Preis gesprochen. „Selbstlob ist immer komisch, aber wir haben alle gemeinsam einen Preis auf die Beine gestellt, den die deutsche Podcast-Szene braucht und verdient hat“, so die Mitveranstalterin über das Event, bei dem am 23. Juni 2022 die diesjährigen Podcast-Stars ausgezeichnet werden.
Podcasts im Fokus: Interview mit Grit Leithäuser
ROLLING STONE: Was macht eigentlich einen starken Podcast aus?
GRIT LEITHÄUSER: Auf diese Frage gibt es viele Antworten, aber vor allem eine entscheidende: Der Podcast muss für die Hörerinnen und Hörer relevant sein. Und jetzt wird es natürlich vielfältig, weil relevant ist, was gefällt. Podcasts werden oft zur Weiterbildung und als Informationsquelle genutzt. Es geht um Fachthemen in bestimmten Berufsfeldern, Hintergründe zu gesellschaftlichen Entwicklungen etc. Ein gutes Beispiel ist immer noch der Podcast zum Thema Corona von Prof. Drosten, weil er aktuelle Hintergrundinformationen geliefert und hochkomplexe Dinge für die Hörerinnen und Hörer verständlich analysiert hat. Es kann aber auch eine spannende Reportage sein, ein Gespräch, aufwendige Audioproduktionen, emotionale Erzählungen von Themen, die sonst nicht in der Gesellschaft diskutiert werden, Sport- oder Musikthemen, Comedy und so weiter. Kurzum: Die inhaltliche Bandbreite von Podcasts ist sehr groß und reicht vom Nischenthema bis hin zu zum Promi-Mainstream-Podcast.
Beim Deutschen Podcast Preis gibt es hingegen feste Kriterien, nach denen die Crowd-Jury die Einreichungen bewertet. Deshalb auch die Entscheidung, Formate als Kategorien auszuweisen, wie zum Beispiel „Beste journalistische Leistung“, wo man wirklich handfeste Kriterien anlegen kann. Aber allgemein zu sagen, „hier ist das eine Erfolgsrezept“, geht aus meiner Sicht nicht. Und das macht ehrlich gesagt das Genre ja auch so spannend für alle Beteiligten. Wenn man etwas Allgemeingültiges sagen möchte, was einen guten Podcast ausmacht, dann ist es wohl die Mischung aus Erfahrung, Handwerk und Leidenschaft.
Wie kann man heutzutage mit seinem eigenen Podcast Aufmerksamkeit erregen?
Keine Frage, der Markt wird immer größer und es gibt immer mehr Produktionen. Das liegt auch daran, dass Podcasts ohne viel Equipment produziert werden können und dieses im Übrigen auch immer besser wird. Podcasts sind aus meiner Sicht wie Instagram, nur mit auditivem Inhalt. Wichtig ist zum einen, die Besonderheit oder das Alleinstellungsmerkmal des Podcast klar und knackig auf den Punkt zu bringen. Oder wie man so schön sagt: Eine gute Idee passt auf einen Bierdeckel. Damit Neugierde wecken und dieses Versprechen dann auch einlösen. Zum anderen muss der Podcast in einem regelmäßigen Turnus erscheinen und es muss kontinuierlich für den Podcast geworben werden. Zum Beispiel über Social-Media-Kanäle, die jede Veröffentlichung einer neuen Folge anteasern und Inhalte aufgreifen. Die Community muss immer wieder aktiviert und angesprochen werden und am besten mit ihr auch der Austausch gesucht werden.
Für Prominente, die einen Podcast anfangen, ist das natürlich bedeutend einfacher, weil es per se ein mediales Interesse gibt und die Community auf anderem Weg schon aufgebaut wurde und durch den Podcast quasi erweitert wird.
Was war die Motivation, den Deutschen Podcast Preis ins Leben zu rufen?
Wie bei fast allen großen Projekten und Ideen wurde der Preis anfänglich nicht mit einem festen Vorsatz, sondern in einem kleinen Kreis als Idee innerhalb einer kleinen Gesprächsrunde geboren. Die Frage war: warum nicht Podcasts und somit den so großartigen Macherinnen und Machern eine große Bühne geben, die sie verdient haben? Wie es im Übrigen auch andere Länder mit ähnlichen Podcast-Awards auch schon gemacht haben. Denn Podcasts begeistern so viele Menschen und man hört zumeist nur die Stimmen. Da wäre es doch angemessen, dass die Gesichter dahinter an diesem Tag ins Rampenlicht der Öffentlichkeit gerückt werden.
Und natürlich soll auch gezeigt werden, welche Themen- und Formatvielfalt Podcasts zu bieten haben sowie den Hörer:innen ein bisschen Orientierung in diesem großen Podcast-Angebot zu geben. So wurden in vielen weiteren Gesprächen dreizehn führende Akteure der Audiobranche zusammengetrommelt und jede:r war sofort von der Idee begeistert. Dann wurden die Ärmel hochgekrempelt und aus einer Idee mit viel Enthusiasmus und gemeinsamen Kräften der erste Deutsche Podcast Preis auf die Beine gestellt.
Nach welchen Kriterien wird nominiert und wer entscheidet, wer in welcher Kategorie gewinnt?
Wie schon erwähnt, haben wir uns beim Deutschen Podcast Preis auf Formate für die Kategorien verständigt. Hintergrund ist, dass wir nicht Themen wie Sport, Musik oder Science einzeln ausweisen wollten, weil es sonst unfassbar viele Kategorien geben würde und noch schlimmer: Wir hätten Themenfelder vielleicht nicht berücksichtigt. Deshalb gibt es beim diesjährigen Preis sieben Kategorien „Bestes Skript / Beste:r Autor:in“, „Beste:r Interviewer:in“, „Bestes Talk-Team“, „Beste Produktion“, „Beste:r Newcomer:in“, „Beste journalistische Leistung“ und „Independent“. Letztere wurde übrigens letztes Jahr im Austausch mit der Community eingeführt, um auch unabhängigen Podcasts mehr Präsenz zu geben. Und dann gibt es noch den Publikumspreis, bei dem die Hörer:innen entscheiden, welcher Podcast das Rennen macht. Um auch hier mehr Vielfalt zu zeigen, wurde der Publikumspreis dieses Jahr zudem nochmal in vier Sub-Kategorien unterteilt: „Wissen“, „Nachrichten & Politik“, „Comedy“ oder „Lifestyle“. Übrigens nimmt jeder eingereichte Podcast automatische am Publikumspreis teil und hat die Chance, die Hörer:innen zu überzeugen.
Nominierte und letztlich auch die Gewinner:innen in den sieben Kategorien außerhalb des Publikumspreises werden von einer Crowd-Jury ermittelt, die in diesem Jahr aus rund 200 Expert:innen besteht, die beruflich oder privat eng mit der Audio-Branche verbunden sind. Also ausgewählte Podcaster:innen, Producer:innen, Moderator:innen, Redakteur:innen, Fach-Journalist:innen, Autor:innen und Herausgeber:innen. Dieser Jurierungssprozess ist in zwei Phasen unterteilt und via Punktvergabe werden die Nominierten und Gewinner:innen bestimmt. Die Jurierung erfolgt nach einem Regelkatalog, nach welchen Kriterien die Podcasts in der jeweiligen Kategorie bewertet werden. Für die Crowd-Jury ist das bei den vielen Einreichungen eine echte auditive Herausforderung, bei der man jedoch einen guten Überblick über die aktuelle deutsche Podcast-Landschaft bekommt und mit Sicherheit auch für sich selbst auf viele spannende neue Formate aufmerksam wird.
Welches Standing hat die Preisverleihung heute?
Selbstlob ist immer komisch, aber wir haben alle gemeinsam einen Preis auf die Beine gestellt, den die deutsche Podcast-Szene braucht und verdient hat. Wir haben in diesem Jahr wieder eine höhere Einreichungszahl als in den beiden Jahren zuvor, ja sogar die Tausender-Marke geknackt. Das ist schon ein großes Indiz dafür, dass der Preis eine Bedeutung für die Podcaster:innen besitzt. Das spiegelt uns auch die Podcast-Community wider und wir hören oft, dass die Gewinner:innen ganz schön stolz sind, den Preis gewonnen zu haben. Und wer gewonnen hat, reicht oft trotzdem im nächsten Jahr wieder ein, was ja auch ein Indiz dafür ist, dass der Anreiz, die Trophäe in den Händen zu halten, sehr hoch ist.
Das ist die eine Seite, aus Sicht der Podcaster:innen. Aber dann gibt es da noch die Hörer:innen, die beim Publikumsvoting für ihren favorisierten Podcast abstimmen. In diesem Jahr haben über 600.000 beim Voting mitgemacht. Das ist aus meiner Sicht schon eine echte Hausnummer. All das zusammen zeigt uns, dass wir den richtigen Weg gehen. Und in diesem Jahr kommt noch das eigentliche i-Tüpfelchen, weil wir zum ersten Mal den Preis live verleihen und die Gewinner:innen an dem Abend gebührend feiern. Das war aufgrund von Corona in den ersten beiden Jahren nicht möglich, aber wird dann dieses Jahr nachgeholt. Wir haben also am 23. Juni in Berlin richtig was vor.
Welche Podcast-Trends sind derzeit zu erkennen und wie sieht die Zukunft des Podcasts aus?
Es gibt jedes Jahr eine YouGov-Umfrage zum Thema Podcast, bei der die beliebtesten Genres etc. abgefragt werden. Bei der letzten Umfrage sind die vier Genres „Wissen“, „Nachrichten & Politik“, „Comedy“ und „Lifestyle“ die stärksten Vertreter gewesen. Wie eingangs schon gesagt, werden Podcasts oft als Weiterbildung und als Informationsquelle genutzt und das Thema Unterhaltung ist ebenfalls ein wichtiger Baustein. Inhaltlich ist die Bandbreite der Themen schon sehr groß. Und das wird auch so bleiben, beziehungsweise es gibt noch sehr viel Potenzial. Denn solange es Menschen gibt, wird es Geschichten geben, über die gesprochen wird und von denen man etwas lernen kann. Was man aber auch sagen muss, ist, dass die Standards der Podcasts schon höher werden. Die Menschen haben heute hinsichtlich Qualität einen anderen Anspruch an Podcasts als noch vor drei oder vier Jahren. Man braucht ein klares Konzept und eine gute Aufnahmequalität. Die Zeiten, wo man sich einfach vor ein Mikro setzen konnte und zu Reden anfängt, die sind aus meiner Sicht vorbei.
Was den ganzen Markt angeht, so werden die Hörer:innenzahlen, wie auch schon in den letzte Jahren, weiter wachsen. Heute hört schon jede:r Dritte einen Podcast und ein Viertel der Menschen sogar wöchentlich. Hier wird auch in den nächsten Jahren noch ein großer Zuwachs sein. Insgesamt boomt Audio sowie das Hören ja sehr stark und Podcasts sind die perfekte Ergänzung zum Tagesbegleiter Radio. Kein Wunder, dass viele Podcasts auch von Radiosendern produziert und angeboten werden. Ansonsten ist der Markt in Bewegung, was die Frage der Vermarktung angeht. Corporate Podcasts werden an Bedeutung gewinnen und natürlich werden auch neue Soundmöglichkeiten wie 3D-Audio ausprobiert, um das Hörerlebnis noch spannender zu machen.
Es ist aber auch so, dass, je größer der Markt wird, immer mehr einen Teil vom Kuchen abbekommen wollen. Sprich, der Markt wird von Vermarktern, Publishern etc. hart umkämpft und sich wahrscheinlich auch ein bisschen konsolidieren. Aber das Potenzial von Podcasts ist groß. Nicht umsonst investieren viele große Unternehmen und Audio-Anbieter eine Menge Geld, um sich zu positionieren. Und dies, weil die Erlöse zwar schon derzeit gut sind, aber vor allem, weil sie die Entwicklung von Podcasts sehen. Und mit Blick auf die USA, wo der Podcast-Markt eindeutig der fortschrittlichste Podcast-Markt der Welt ist, erwartet man, dass Werbeeinnahmen im Wert von einer Milliarde US-Dollar aus diesem Markt kommen. Die Podcast-Entwicklung ist also schon weit vorangeschritten und steckt dennoch in den Kinderschuhen, wenn man sich die Potenziale anschaut.