„Der weiße Hai“ erobert die Leinwände: „Jaws“ wird 40

Jaws_122Pyxurz (Universal Pictures, 1975)

Wer den fertigen Film sieht, mit den für damalige Verhältnisse furchterregenden Hai-Szenen, kann kaum glauben, welchen Stress der künstliche Fisch verursacht haben muss. Die Produzenten Richard Zanuck und David Brown befürchteten jedenfalls früh den Totalausfall von Bruce – und baten Spielberg, den Streifen um Aufnahmen mit echten Haien zu ergänzen. Vielleicht die einzige Schwachstelle von „Jaws“: Der echte weiße Hai, aus einer Dokumentation entnommen, verblasst neben dem mechanischen Riesen. Geradezu lächerlich wirkte die Idee, Szenen mit Miniaturpuppen des Menschen einzufügen, damit das Tier daneben doch noch größer wirkte.

„Der weiße Hai“ avancierte kurze Zeit nach Kinostart zum erfolgreichsten Film aller Zeiten. Er spielte rund 260 Millionen US-Dollar ein, womit er zwar heute noch nicht einmal in den Top 200 der erfolgreichsten Filme zu finden ist. Maßgeblicher aber ist jene bereinigte Statistik, die die Inflation berücksichtigt: Demnach hätte „Jaws“ mehr als eine Milliarde Dollar eingenommen — Platz sieben der ewigen Rangliste, weit vor den Blockbuster-Streifen der Neuzeit, vor „Avatar“, „The Dark Knight“, „Avengers“ und „Transformers“.

„Jaws“ hat bis heute gültige Maßstäbe gesetzt: mit der riskanten, mit der Geduld spielenden, aber letztlich richtigen Entscheidung, den Hai erst zu zeigen, nachdem bereits mehr als die Hälfte der 124-minütigen Spielzeit abgelaufen war. Zuvor gab es Unkenrufe, natürlich von denen, die nur den Trailer kannten, oder die nach der ersten Stunde des Films gerne posaunt hätten: Spielbergs Monster taugt nichts. Aber damit lagen sie genauso falsch wie die Leute knapp 20 Jahre später, bei „Jurassic Park“, dessen Trailer den T-Rex nur andeutete.

Die Spannung in „weißen Hai“ wurde von der ersten Minute an aufrecht erhalten: Die Kamera aus der Perspektive des Hais machte den Zuschauer zum Mittäter. Verstörend waren die Szenen, in denen sich das mörderische Geschehen unter Wasser abspielte, die Opfer jedoch nur über der Oberfläche zu sehen waren – und regelrechte Veitstänze vollzogen, als Bruce sie mit seinem Maul durchschüttelte.

Jaws_005Pyxurz (Universal Pictures, 1975)

Dabei waren die Schauspieler nicht weniger beeindruckend anzusehen als der Fisch. Das Ensemble um die Haijäger Roy Scheider (Chief Martin Brody), Richard Dreyfuss (Hooper) und Robert Shaw (Quint) suchte im Horrorfilm seinesgleichen. Allein die Auseinandersetzungen zwischen den Hollywood-Archetypen Polizist, Forscher und Kapitän, ihren Verantwortungen gegenüber den Menschen und ihre verschiedenen Interessen am Hai, hätten für einen atemberaubenden Film gereicht. Die eskalierenden Konflikte im engen Raum des „Orca“-Kutters sind ein Fest für den Zuschauer. Legendär ist Quints Rede über den Untergang des Kriegsschiffs U.S.S. Indianapolis, und wie die Schiffbrüchigen danach zu Opfern der Haie werden. Co-Autor John Millius schrieb sagenhafte Zeilen, etwa „On Thursday mornin’ I bumped into a friend of mine. Baseball player. I thought he was asleep, reached over to wake him up. Bobbed up and down in the water, just like a kinda top. Up ended. Well… he’d been bitten in half below the waist.“ Während dieses knapp vierminütigen Monologs, der bei einem Saufgelage unter Deck entsteht, wird es unter den Betrunkenen zunehmend ruhiger, bis hin zu nervöser Stille. Der Hai hatte sich zu diesem Zeitpunkt im Film längst schon in einigen Szenen gezeigt, der Zuschauer musste bereits einige harte Momente verkraften. Und doch verursachen diese Worte allein noch ungeahntes Grauen. Was für ein Drehbuch, was für ein Timing!

Im Verlauf der Schifffahrt entpuppt sich der getriebene Quint als eine Art Kapitän Ahab, und der Zuschauer ahnt, dass diesem Haifang nicht mehr mit Rationalität und Planung beizukommen sein wird. So haben die drei Figuren wahrscheinlich mehr mit Charakteren des „New Hollywood“ gemein, als vielen kritischen Rezensenten lieb sein dürfte: Keiner von den Abenteurern ist ein Held. Quint kämpft sich an seinem Trauma mit den Haien ab; Meeresbiologe/Schlaumeier Hooper überschätzt permanent seine Fähigkeiten und versagt im entscheidenden Moment; und der pflichtbewusste Polizist Brody versucht sich an Gesetze zu halten und kann mit Menschen nicht umgehen.

Jaws_117Pyxurz (Universal Pictures, 1975)

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