Der weiße Blues
Das Trio Portugal. The Man wuchs in den Weiten Alaskas auf - da gab es nur Notstrom-betriebenes Oldie-Radio und Leadbelly
Stellen Sie sich doch bitte einmal vor, Sie wären Teenager – in einer Stadt, die sich über 32,2 Quadratkilometer erstreckt, dabei aber nur 8471 Einwohner zählt und obendrein noch in der eisigen Tundra von Alaska liegt. Nein, das wäre kein Spaß. John Gourley sieht das anders. Der 25-jährige Sänger und Gitarrist von Portugal. The Man ist hier ebenso aufgewachsen wie Bassist Zach Carothers.
Die einzige Abwechslung war das jährliche, 1853 Kilometer lange Hunderennen „Iditarod Trau“. „Wir hatten sehr viele Hunde, und mein Vater fuhr mit ihnen den ,Iditarod Trail‘ und andere Rennen. Das war sein Hobby. Er tat das in dieser unendlichen Tundra um uns herum, die komplett leer ist und still – eine wirklich beeindruckende und wunderschöne Gegend“, sagt Gourley, der ohne Telefon aufwuchs und bei dessen Familie der Strom aus einem Notstrom-Aggregat kam.
Erst 2004, nach der Gründung von Portugal. The Man, zogen Gourley und Carothers zu ihrem Schlagzeuger Jason Sechrist nach Portland. Deshalb glaubt der Sänger und Gitarrist, dass das soeben erschienene zweite Album „Church Mouth“ noch immer vom harten Leben in Alaska profitiert: ,“Church Mouth‘ wurzelt letztlich in der Musik, die ich als Teenager gehört habe – das meiste davon war Oldie-Radio, einiges kam aus der kleinen Plattensammlung meiner Eltern. Das war etwas anderes, als in einer Stadt aufzuwachsen – mit Nachbarskindern, die Michael Jackson mögen oder MC Hammer und mich mit so etwas bekannt machen. Auf diese Weise lernte ich eher die Zombies, die Beatles, Sam Cooke und den alten Motown-Kram kennen – eben alles, was das Oldie-Radio geboten hat.“
Nein, nach MC Hammer klingen die zwölf Songs von „Church Mouth“ nun wirklich nicht. Schon weil Gourley meist so werwölfisch heult wie der selige Jeffrey Lee Pierce in den Tagen des Gun Club. Bisweilen glaubt man auch eine Nähe zu den White Stripes zu erkennen, aber vor allem steckt in den Songs des Trios eine bedingungslose Hingabe an die Archetypen von Rock und Blues, wie man sie auch bei australischen Bands findet, deren Musiker oft ähnlich abgeschottet aufwuchsen: „Ich mag diesen gritty Blues, wie er im Süden gespielt wurde, von Muddy Waters oder Leadbelly. Auch in meiner Art, Gitarre zu spielen, höre ich einen Blues-Einftuss. Ich denke auch, dass wir ähnliche Sachen auf unseren i-Pods haben wie die White Stripes oder Mars Volta. Es sind die gemeinsamen Vorbilder, die uns mit solchen Bands verbinden.“
Außerdem ist da noch eine gehörige Portion Exzentrik. Man findet sie in Prog-Rock-Einsprengseln und hemmungslos alliterierenden Songtiteln wie „Telling Tellers Teil Me“ oder „Sleeping Sleepers Sleep“. Auch der Bandname selbst ist recht gewöhnungsbedürftig. „Dazu muss man sich folgendes vorstellen“, erklärt Gourley: „David Bowie war Ziggy Stardust, die Beatles erschufen Sgt. Pepper – wir wollten den Namen einer einzelnen Person, die zugleich eine Gruppe von Menschen repräsentiert. Das ist total cool, wir bekommen eine Menge E-Mails von Portugiesen.“
Den Albumtitel müsse man kirchenkritisch lesen, behauptet Gourley: „Die Kirche ist das Gegenteil von Vernunft. Wir kämpfen noch heute religiöse Kriege.“ Doch die Frage, welche Kriege er denn genau meine, vielleicht den im Irak, lässt die politische Argumentation des Sängers etwas stocken: „Diese Kriege können überall stattfinden, auch im Kleinen, zu Hause, wie der Kampf gegen die Schwulen-Hochzeit, das ist auch von der Kirche gesteuert.“
Es sind aber nicht die Texte, die bei Portugal. The Man im Vordergrund stehen, sondern die Musik, die auf eine eher dezente Weise den Rhythmus betont: „Der Groove ist wahnsinnig wichtig. Das sieht man ja schon beim Hip Hop, wo es in den Texten oft nur darum geht, in einen Club zu gehen und Mädchen zu treffen – es ist der Beat, der die Leute anmacht. Wir beziehen uns auf alte Motown-Aufnahmen, und ich sage dem Label dafür noch mal ausdrücklich: Dankeschön!“
Manchmal braucht es einen Mann aus der Einöde Alaskas, um die einfachsten Wahrheiten offen auszusprechen.