Der vietnamesische Gitarrist NGUYÊN LÊ erfüllt Jimi Hendrix posthum einen lang gehegten Traum und sorgt für dessen Anerkennung im Jazz-Lager
Ümerziehungslager waren ihr bis zu den 90er Jahren erspart geblieben. In aller Ruhe entwickelte sich die Gitarre des in Paris lebenden Vietnamesen Nguyên Lê vom Rock- zum Jazzinstrument. Aber dann entdeckte der 1959 in Frankreich geborene Nguyen jene Musik, um die er ursprünglich einen Bogen gemacht hatte. Auf seinen 96er „Tales Front Vietnam“ spielte er nicht nur traditionelle Songs. Seine Gitarre hörte sich plötzlich mächtig vietnamesisch an. Und bis heute sind Spuren dieses Erziehungsprozesses nicht zu überhören.
Damit nicht genug. War das Instrument in Les Teenagerjahren in Richtung Deep Purple getrimmt worden, hatte der Mann mit der Hornbrille 1991 angefangen, ihr Ungewohntes beizubringen: „Ich befasste mich mit Jimi Hendrix – dessen Musik ich vorher kaum gehört hatte – weil ich mit einem Projekt für ein Jazzfestival in Südfrankreich beauftragt wurde. Es faszinierte mich, dass er in jede Note so viel Emotion legt, als ginge es um Leben oder Tod.“
Fürs Projekt spielte er im Quartett mit der Sängerin Corin Curschellas, deren Freund Steve Arguelles am Schlagzeug sowie dem Bassisten Richard Bona: „Wir benutzten die Songs zum Improvisieren ohne größere Arrangements, so wie wir es auch mit Jazzstandards tun.“
Hendrix selber war scharf darauf gewesen, mit Jazzern zu jammen. Aber aus der Zusammenarbeit mit Miles Davis sollte nichts werden. John McLaughlin verkündete nach der Begegnung: „Er ist ein Bluesmusiker.“
Interessant erschien Jimi jenen zwei Dutzend Jazzmusikern, die sich 1995 in Stuttgart trafen, um seine Songs zu spielen: Vernon Reid, Cassandra Wilson, David Thom – und Nguyên Le. Der profitierte davon, dass der Organisator zugleich Agent der Schlagzeugerin Terri Lyne Carrington war und ihn für deren Band empfahl.
Wenn nun Terri auf Nguyêns Album „Purple: Celebrating Jimi Hendrix“ auftaucht, dann nicht, weil Hendrix die beiden im weitesten Sinne zusammengebracht hat. „Als es um eine Studioproduktion ging, war mir klar, dass ein Konzept fallig war.“ Genauer gesagt ein Mix ziemlich widersprüchlicher Ideen. Einerseits bewusste Verfremdung: „Natürlich ist Hendrix nicht unsere Welt Eine Sängerin schafft da bewußte Distanz.“ Das mag für die Europäerin Corin Curschellas und die Afrikanerin Aida Khann gelten, doch nicht für Terri, die auch die meisten Vbcals beisteuert. Hier springt das Konzept von Brecht’scher Distanz zu Lê’schen Authentizitätsidealen: „Ich neige auch dazu, Projekte mit Musikern zu machen, die aus aus dem entsprechenden Umfeld stammen: mal Vietnamesen, mal Nordafrikaner – und im Fall von Hendrix Terri als Amerikanerin.“