Der Unwichtigtuer
Stuart A. Staples beschäftigt sich gern mit kleinen Dingen - gerade weil er mit den Tindersticks schon so viel Bedeutsames produziert hat
Wer braucht schon die Lobeshymnen dieser Musikkritiker? Stuart A. Staples würde sie alle dafür tauschen, noch einmal da beginnen zu können, wo er vor zwölf Jahren mit den Tindersticks anfing: „Als wir unsere erste Platte aufnahmen, gab es keine Erwartungen und keinen Druck, sondern nur völlige künstlerische Freiheit“
Als Sänger und Songschreiber der Tindersticks ist Staples jedoch nicht unschuldig daran, daß seine Band seither ein fantastisches Album nach dem anderen abgeliefert hat, den Erwartungsdruck immer höher und den Zwang, stets Bedeutsames zu produzieren, immer größer werden ließ. „Ich wollte mal was machen, das irgendwie nicht so wichtig ist: Musik, die einfach da beginnt und dort aufhört“, sagt Staples. Aufnahmen, die sich dabei in den letzten zwei Jahren angesammelt haben, hat er nun auf einer Platte zusammenzutragen.
Damit niemand zu viel Bedeutsamkeit in sein Soloprojekt hineininterpretiert, hat Staples das Album schlicht „Lucky Dog Recordings 03-04 “ genannt. „Lucky Dog“ heißt nicht nur das Studio, das er sich daheim in London eingerichtet hat, sondern auch sein neu gegründetes Label. Nach dieser ersten Liederkollektion sollen dort bald auch die „Songs For The Young At Heart“ veröffentlicht werden – ein Projekt, das er mit dem Tindersticks-Keyboarder Dave Boulter verfolgt. „Ich maße mir aber nicht an, ein Label-Manager zu sein. Das Label dient nur als kreatives Oudet des Studios“, sagt der 39jährige:, Ich mag es gerade, mich mit kleinen Dingen zu beschäftigen.“
Daß Staples den Unwichtigtuer mimt, muß man verzeihen. Als er im Frühjahr 2003 die ersten Jjucky Dog“-Aufnahmen machte, hatten die Tindersticks gerade „Waitmg For The Moon“ fertiggestellt. Nach der kollektiven Zangengeburt wollte er sich Zeit nehmen, um sich musikalisch auf sich selbst zu besinnen und etwas herumzuexperimentieren. Neben Tindersticks-Gitarrist Neil Fraser, der etwa ein verstörtes Riff für „Shame On You“ beisteuerte, halfen Staples im Studio alte Bekannte wie die Sängerin Gina Foster oder der Saxophonist und Trompeter Terry Edwards, aber auch neue Freunde wie Yann Tiersen bei der Selbstfindung. „Ich hatte mir gar nicht vorgenommen, eine Platte zu machen. Es ging nur darum, dem Druck zu entfliehen und zu schauen, was passiert“
Skizzenhaft wirken einige Nummern zwar noch. Aber obwohl Staples vorgibt, daß er etwas Leichtes machen wollte, haben sich die „Lucky Dog Recordings“ – vom sprachlos-zaghaften Soul-Impromptu „Somerset House“ bis zum countryesken „People Fall Down“ doch wieder mit der unheilbarer Schwermut vollgesogen, die man von den Tindersticks kennt ,Jeder hat eine eigene Vorstellung davon, was deprimierend ist“, wehrt sich Staples ein wenig gegen diese Auslegung. „Mir macht zum Beispiel Leonard Cohen Spaß. Ich spiele seine Platten immer, wenn’s mir schlecht geht: Er bringt mich zum Lachen.“
So betrachtet, ist Stuart A. Staples‘ Platte sogar ziemlich lustig.