Der uncoole Onkel
AI Gore – ein Mann, der dafür bekannt war, alles falsch zu machen – hat 2007 fast alles richtig gemacht. Er bekam einen Oscar und die Hälfte des Nobelpreises. Außerdem hat er so viele Bücher verkauft, dass er mit dem Bäume-Nachpflanzen für eine ausgeglichene Öko-Bilanz vermutlich nicht mehr nachkommt. Nebenher fand er noch Zeit, als Schirmherr eines riesigen Rockfestivals aufzutreten, bei dem all die spielten, die man am wenigsten vermissen würde, wenn irgendwann wirklich die Pole schmelzen, die Wüsten wachsen und die Luft sich – tja – in Luft auflöst.
Die „unbequeme Wahrheit“, die er in seinen Heul- und Hachgeschichten verbreitet und die ihm all den Ruhm einbrachte, ist ein alter Hut. Meine Erdkundelehrerin Frau Kuhls hat mir das alles schon in der Unterstufe erzählt. Ich habe ihr damals gern zugehört, während ich das Wings-„W“ in die Schulbank ritzte. Jahre später habe ich sie sogar mal besucht und ein paar Blumen mitgebracht – aber gleich den Friedensnobelpreis? Ich glaube, da wäre Frau Kuhls verlegen geworden und hätte an ihren großen 8oer-Jahre-Ohrringen genestelt.
Da kann man auch gleich den Nobelpreis für Physik an die Maus und den Elefanten und den für Literatur an Harry Rowohlt (weil der so schön lesen kann) vergeben.
Doch AI Gore ist ja kein Lehrer und auch kein Volksaufklärer, Gore the Bore ist ein – wenn auch etwas hüftsteifer – Entertainer. So schmückt er seine öden Power-Point-Tabellen mit allerlei amerikanischem Pathos und menschlicher Tragödie (weil Nordpölchen und Südpölchen wohl einfach nicht süß genug sind, um seine Zuhörer zu berühren). Zwischen den hochgerechneten CO2-Ausstößen von China und den USA erzählt er etwa ergriffen von seiner Schwester, die vor vielen Jahren an Lungenkrebs starb. Die muss wirklich ganz schön viel geraucht haben. Wie ein Schlot.
Es geht bei AI Gore nicht um die Wahrheit, die Wissenschaft oder gar Moral und Verantwortung. Wie bei Michael Moore, seinem Bruder im simplen Geiste, werden hier nur die einfachsten Emotionen bedient. Und wenn man geläutert aus dem Kino kommt, klopft man sich für sein vermeintliches Aufgeklärt- und Gutsein auf die Schulter und kauft die nächsten zwei Wochen im Basic-Supermarkt ein. Nicht weil man denkt, dass billige Bio-Tomaten aus Hinterspanien bestimmt ökologisch korrekter sind als welche aus heimischen Anbau, sondern weil Bio-Kautcn schick ist und nur Schicksein heutzutage zum moralischen Handeln motiviert.
Sogar das Kennzeichen der sich moralisch überlegen fühlenden Besserwisser und Schlechterdenker – das Palästinensertuch – ist mittlerweile zu einem Modeassessoire geworden, mit dem sich neben Pseudolinken auch Neorechte und Modeschicksen schmücken. Klar, eigentlich ist völlig egal, ob der Feudel aus Dummheit, Ahnungslosigkeit oder Antisemitismus getragen wird- aus dem Weg gehen muss man seinen Trägern in jedem Fall. Aber wenn’s ganz übel läuft, wird’s denen in diesen Breiten irgendwann zu warm werden mit diesen hässlichen Lappen, und dann werden sie die ablegen. Und so kann man irgendwann schließlich nicht mehr unterscheiden zwischen Gut und Böse. Schon jetzt – und das ist das eigentlich Erschreckende – ist die Erderwärmung so weit vorangeschritten, dass selbst ein mäßig talentierter Grundschulreferendar wie AI Gore als cool gilt.