Der Träller-Alarm
Warum wird der Eurovision Song Contest nicht endlich abgeschafft?
Was passiert eigentlich mit einem Traditionsunternehmen, das Jahr für Jahr einen Misserfolg nach dem anderen auf den Markt bringt, das also in einem fort Hop-Produkte anbietet, die kein Mensch haben will, die aber dennoch zur Konsumentenbelästigung in den Markt gedrückt werden? Allenfalls mit Albernheiten kann diese Firma einmal im Jahr kurz Aufmerksamkeit generieren und kontert Kritik gerne mit dem Verweis auf glorreiche Zeiten. Seinen Namen hat es schon vor langer Zeit geändert, nur gemerkt hat das keiner, was perfekt korreliert mit der in atemberaubendem Tempo schwindenden Bedeutung eines stets am Rande des Bankrotts hangelnden Projekts.
Natürlich würde man solch eine Firma augenblicklich vom Markt pusten und nicht einmal einen Moment daran denken, einen Insolvenzverwalter zu bestellen, weil der doch allenfalls feststellen könnte, dass über lange Jahre vorwiegend Dilettanten am Werk waren.
Man kann auch anders fragen: Was würde sich eigentlich
ändern, wenn es im kommenden Jahr keinen „Eurovision Song Contest“ mehr gäbe, wenn der alle zwölf Monate auftretende Trällerbefall endlich auf eine Stufe mit anderen Infektionen gestellt und als solcher konsequenter Vorbeugung zum Opfer fiele? Natürlich würde gar nichts passieren. Lediglich ein paar Journalisten (der Autor eingeschlossen) wüssten zwischen Februar und Mai nicht so recht, worüber sie sich denn diesmal echauffieren oder freuen sollten. Sie würden spätestens dann merken, dass sie über die Jahre in eine gewisse Zwanghaftigkeit verfallen waren, die ihnen immer wieder große Berichterstattung über einen pieseligen Schlagwettbewerb abnötigte. Sie schrieben, weil auch die Chefredakteure renommierter Tageszeitungen mal von der Veranstaltung gehört und sie der Kategorie jugendlich“ zugeordnet hatten.
Schafft den „Eurovision Song Contest“ ab, und zwar sofort. Es kann keine andere Forderung geben, auch und gerade im Interesse des Gebührenzahlers, der über seinen GEZ-Obolus das regelmäßige Scheitern finanziert. Schließlich gehört Deutschland zu den fünf großen Beitragszahlern im Wettbewerb. Das war früher so, ab Ralph Siegel fast alle Beiträge lieferte, das hat sich in der Spaßphase zwischen Guildo Horn, Stefan Raab und Corinna May nicht geändert, und da wird die Maus auch nach der neuen Methode keinen Faden anknabbern können.
Dieses Jahr ist nämlich wieder mal alles neu. Musste alles neu werden, weil es im vergangenen Jahr noch kläglicher endete als in den Jahren davor. Zudem hatte das Privatfernsehen den öffentlich-rechtlichen Bildungsbedürfnisanstalten mit „Deutschland sucht den Superstar“ kurzerhand mal vorexerziert, wie man Hits mixt. Erst wollte man das Konzept kopieren, merkte aber dann bald, dass das noch blöder als ARD-üblich ausgesehen hätte.
Folglich tut man nun so, als habe man sich externen Berater-Sachverstand eingekauft Mit Viva ging man eine zweifelhafte Allianz ein und legte fest, dass nur noch Titel zur Vorausscheidung dürfen, die es auch in die Viva-Rotation schaffen. Dies erboste die üblichen Erreger wie Siegel und den Hitparaden-Röhrer Dieter Thomas Heck. Letzterer musste sich ob seiner Kritik am neuen Verfahren vom ARD-Grand-Prix-Beauftragten Jürgen Meier-Beer schon als Vaterlandsverräter beschimpfen lassen.
Meier-Beer schwört auf die neuen Regeln. Nicht länger sei beim ehemaligen „Grand Prix d’Eurovision“ vorne dabei, wer am besten das deutsche Liedgut repräsentiere, wichtig seien nun allein die internationalen Vermarktungschancen. Schön, dass die ARD da einen bislang noch kaum frequentierten Markt für sich entdeckt hat Und so buhlen in Berlin am 19. März die musikalischen Minderleister Sabrina Setlur, Scooter, Mia, Wonderwall, Westbam, Overground, Laith Al-Deen und Patrick Nuo um die Gunst vom Publikum als nationaler Songverweser auserlesen und zum Finale am 15. Mai nach Istanbul entsandt zu werden.
Hinzu kommt ein Kandidat den der rein zufällig über seine Produktionsfirma mit Viva eng verbandelte und bereits als offizieller Ralph-Siegel-Nachfolger gehandelte Stefan Raab in die Vorrunde schicken darf. Welchen Sinn solche Regeln wirklich machen, fragt inzwischen kaum jemand. Schließlich ist man bei der ARD schon froh, den gleichfalls im März den Bildschirm verstopfenden Konkurrenzprodukten „DSDS“ (Finale 13. März, RTL) und „Comeback“ (Finale am 29. März, Pro 7) etwas ähnlich grauslich Klingendes gegenüber stellen kann.