Der Tanz zum Herzschlag

Die Geschichte wurde tausendfach erzählt, seit Jürgen Teipel 2001 das Standardwerk zu Blüte und Fall des deutschen Punk herausbrachte, also machen wir's ganz kurz: die zehn Ereignisse, die wahrscheinlich zur Gründung von Fehlfarben führten

Jedes Pop-Genre hat seine (mehr oder weniger) offizielle Geschichtsschreibung – der deutsche Punk seit Jürgen Teipels Suhrkamp-Band „Verschwende deine Jugend“, oft attackiert, in seiner Detailfreude und Multi-Perspektivität allerdings unübertroffen. Wer die Entstehung der Fehlfarben-Band verstehen will, findet hier die möglichen Wahrheiten – wir verkürzen mal zusätzlich…

1. JULI 1976: Ramones-LP erscheint

Nicht nur in London, auch in Düsseldorf, Berlin und München der große Weckruf, bei vielen via John-Peel-Radioshow: „Blitzkrieg Bop“ fegte bei einigen der späteren linken Kunst-Anarchos die Hippie-Flusen weg – Frank Fenstermacher von Fehlfarben sagt, er habe vor dem Ramones-Schock vor allem Jazz gehört.

2. FRÜHJAHR 1977: Carmen Knoebel renoviert den Ratinger Hof

Die berühmte Schlauchkneipe in der Düsseldorfer Innenstadt, von Knoebel mit künstlerischem Minimalismus vom Absturzladen in den zukünftigen Szene-Treff umgemodelt. Schauplatz der wichtigsten Begegnungen, Debüt-Konzerte, Saalschlachten. Heute – natürlich – eine Pizzeria.

3. MÄRZ 1977: Die erste Ausgabe des Fanzines „Ostrich“ erscheint

Franz Bielmeier, Peter Heins Bandkollege bei Charley’s Girls, startete die Zeitschrift als „Propaganda-Organ“ für seine Gruppe, präsentierte dort aber auch andere Düsseldorfer Novizen, Kopierkunst, Hakenkreuz-Albereien und „NME“-Ausschnitte. Zwischenzeitlich 300 Stück Auflage.

4. 12.9.1977: Jäki Eldorado leckt am Bein von Iggy Pop

Diese programmatische Aktion des damals 19jährigen Berliner Punk Jäki Hildisch hatte allein den Zweck, sich dabei fotografieren zu lassen: das erste Andock-Manöver zwischen den jungen deutschen Nachmachern und ihren Idolen, ein ikonisches Bild zwischen Verehrung und Frechheit.

5. 3.6.1978: Punk-Festival im Düsseldorfer „Carschhaus“

Unter anderem mit S.Y.P.H., Male und Charley’s Girls eine der ersten gemeinsamen Aktionen, in denen die Bands sich einem sensationsgierigen Künstler-Publikum als mehr oder weniger Gleichgesinnte präsentierten. Angeblich wurden die anwesenden Kraftwerk-Musiker von Punks verjagt.

6. MÄRZ 1978: Alfred Hilsbergs Artikel „Rodenkirchen muß brennen“ erscheint in „Sounds“

Anspielung auf einen Male/Charley’s Girls-Auftritt im Gymnasium des reichen Kölner Vororts Rodenkirchen, der im Chaos endete. Hilsbergs „Krautpunk“-Reportage auf fünf Seiten ist die erste urkundliche Erwähnung der Ratinger-Hof-Szene.

7. JULI 1978: Mittagspause werden gegründet

Die jungen Musiker fangen an, sich selbst ein Stück weit als Entertainer zu begreifen. Mittagspause (Hein, Schwebel, Bielmeier, Markus Oehlen, am Anfang auch Gabi Delgado von DAF) verkleiden sich, wechseln absichtlich die Stilarten und spielen erste Versionen von späteren Fehlfarben-Songs.

8. 24.2.1979: Das „Into The Future“- Festival in Hamburg

Alfred Hilsberg engagiert sich jetzt auch als Konzertveranstalter: S.Y.P.H., Male, Mittagspause, DAF und weitere bieten in der Markthalle das erste überregionale Düsseldorf-Showcase. Vier Monate später das zweite namens „In die Zukunft“, vielbeachtet.

9.SEPTEMBER’79: Die Gruppe DAF zieht vorübergehend nach England Nächster Schritt: international sein. Mit geliehenem Geld und ohne Plan gehen DAF nach London, nerven die Rough-Trade-Leute mit ihren Demos und landen tatsächlich bei Daniel Millers Label Mute Records. Bassist Michael Kemner wird das zu karrieristisch, er reist heim und schließt sich bald darauf Fehlfarben an. Ein Zeichen dafür, wie weit man als Punk maximal gehen will.

10. OKTOBER 1979: Erste Specials-LP erscheint Die schwarz-weiße Band aus Coventry spielt den Ska mit Punk- und Pub-Attitude. Die Rock-müden Düsseldorfer nehmen die Inspiration dankbar auf: Die erste Single der Fehlfarben ist ein Two-Tone-geprägtes Ska-Stück. Es bleibt ihr einziges.

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