Der Spion, den wir liebten: Erinnerung an Roger Moore
ROLLING-STONE-Redakteur Arne Willander über einen Schauspieler, der in seinen Rollen immer etwas über den Dingen schwebte.
Man war sich einig darin, dass Roger Moore die Eleganz und die Sophistication hatte, die Ian Fleming sich für James Bond vorstellte. Er wirkte aber niemals wie ein Draufgänger, und er bestand alle Abenteuer – und sogar die erotischen – mit Ironie. Der Anzug sitzt stets wie angegossen, und wenn die Haare im Eifer des Gefechts in die Stirn fallen, streicht er sie wieder zurecht. Auch in den Duellen gegen die Bösewichte – gegen Curd Jürgens, gegen Christopher Lee – ist Moore der Gentleman, den nicht einmal die Todesgefahr aus der Ruhe bringen kann.
Roger Moore war der Bond der 70er- und der ersten Hälfte der 80er-Jahre. Der Schauspieler, am 14. Oktober 1927 in einem Vorort von London geboren, hatte da schon eine lange Karriere beim Theater, beim britischen und amerikanischen Film und beim Fernsehen hinter sich. Sein Idol war in den 40er-Jahren der Heldendarsteller Stewart Granger, der einen Männertypus verkörperte, dem Roger Moore später entschieden nicht entsprach.
1954 ging Moore nach Hollywood und spielte Rollen in Filmen neben Elizabeth Taylor und David Niven. Er agierte 1960 in der Western-Serie „Maverick“ neben James Garner und war von 1962 an Simon Templar in „The Saint“. Mindestens so blasiert und suave war er als Adelsschnösel Lord Brett Sinclair, der Antagonist zu Tony Curtis‘ schnodderigem Amerikaner Danny Wilde, in der Serie „Die Zwei“ (1971 bis ’72), die in Deutschland der furiosen Dialog-Synchronisation wegen legendär wurde (und unerreicht blieb) – die Plots pendeln ähnlich kühn zwischen höherem Blödsinn, Wortgeplänkel und Retten, Rennen, Flüchten wie die Bond-Filme.
In „Leben und sterben lassen“ (1973) übernahm Moore die Rolle von Sean Connery und behielt sie bis „Im Angesicht des Todes“ (1985), in dem er sich etwas hüftsteif der Amazone Grace Jones erwehren muss. Sein Bond vermittelt nie den Eindruck, dass es sich bei Spionage um ein grausames, erbarmungsloses und einsames Geschäft handelt – Moore schwebt, wie in „Moonraker“, buchstäblich über den Dingen, gibt den Clown und Dandy und rast Skipisten und Bob-Bahnen hinunter, auch dann noch von einer gewissen Nonchalance: Noblesse oblige.
Die Action-Filme neben der Bond-Reihe wie „Sprengkommando Atlantik“ (1979), „Die Seewölfe kommen“ (1979) und „Auf dem Highway ist die Hölle los“ (1981) drehte Roger Moore wahrscheinlich der Kameradschaft mit den anderen Schauspielern wegen, Richard Harris, Gregory Peck, Hardy Krüger: Man trank gemeinsam, man hatte Spaß, niemand strengte sich bei den Dreharbeiten an, und auch in den Filmen scheint niemand zu SPIELEN. Moores Beiläufigkeit hat die Grandezza eines Mannes, der während einer Feier jederzeit durch die Tür gehen kann, um erst nach Stunden wiederzukommen – oder niemals. Als Marlon Brando seinen Oscar für den „Paten“ 1973 nicht abholte, nahm Roger Moore ihn mit nach Hause.
Während die Filmerei für Moore nie eine ernste Angelegenheit war (freilich eine, die ihn sehr reich machte), nahm er seine Arbeit für UNICEF, für die Audrey Hepburn ihn 1991 gewonnen hatte, sehr genau. Nachdem er Bond aufgegeben hatte und Bond ihn, reiste er fast ununterbrochen zu den Kindern der Welt, übernahm vergnügliche Gastrollen in Filmen, die ihm gefielen, und spielte in den letzten Jahren wieder Theater in England. In dem Film „Incompatibles“ gab er 2013 seine vornehmste Rolle: sich selbst.
Am 23. Mai 2017 starb der Spion, den wir liebten, im Alter von 89 Jahren in dem noblen Ort Crans-Montana in der Schweiz.
Das große Bond-Ranking im ROLLING-STONE-Podcast „Freiwillige Filmkontrolle“