Der spät geläuterte Krieger

Zu seinen besten Kumpels zählt man ¿ nicht, natürlich. Daher guckt Phillip Boa lieber angestrengt auf dem ^H Tisch herum, zu Boden oder an die Decke, auch wenn es da nichts zu entdecken gibt. Immerhin, man muss keine Angst mehr haben, wo früher jedes Gespräch mit ihm wie das Rendezvous mit dem Joker schien, während Batman Mittagsschlaf hielt. „Ich hab mal gerne mit den Journalisten gespielt. Und mit meinem Größenwahn. Heute tue ich das nicht mehr.“ Dann vermurkst er den nächsten Satz von den Zeiten, die sich ja geändert hätten, und vom Älterwerden, stockt, versucht zu grinsen, was nicht klappt, „naja, so eben“. Man möchte ihn knuffen oder über die Haare streichen, aber das macht er jetzt schon selbst Und wer weiß, ob der alte Höllenhund nicht bloß schläft Auf dem neuen Album ^iy Private War“ zumindest knurrt er noch. Nicht mehr so erschreckend und vernehmlich wie einst, nun gut, man und sogar Boa wird ja, wie gesagt, älter und reifer. Was der Popmusik nicht immer so gut tut wie ihren Protagonisten. Wenn Boa die Ellenbogen auf die Knie stützt, kurz den Atem anhält und dann leise sagt, er wolle „nicht mehr auffallen, ich brauch all die Ironie und auch die Provokation nicht mehr, ich nehm jetzt lieber meine Musik ernst“, dann seufzen wir mit dem Erzähler im Duett. Und wenn Boa sich dann auch noch selbst übertrifft und gesteht, er fühle sich „eigentlich gerade im Moment so zufrieden wie nie zuvor mit mir und meinen Songs“, und es sei „egal, was die Leute sagen, weil ich inzwischen weiß, dass diese Songs nicht alle ganz Scheiße sind“, dann erinnern wir uns, solche Sätze auch von Blümchen und Mt President gehört zu haben und hören auf zu seufzen. Bringt ja nichts.

Wundern indes wird man sich doch wohl noch dürfen. Etwa darüber, wie eloquent der einstmals liebste Feind einer jeder seiner Plattenfirmen, seit sein eigenes Label Constrictor zum Wutgebrüll der Indie-Fans unter einem Major-Kontrakt verschwand, heute Friedensangebote formuliert So habe ihm die neue Firma nun „alles gegeben und gestattet, was ich wollte. Das war schon erschreckend, dass es so absolut keine Vorschriften und Anweisungen gab.“ Als sei ausgerechnet Boa auf die irgendwann mal scharf gewesen. „Natürlich nicht“, der Rebell zuckt mit dem kleinen Finger, „aber zu Kompromissen kam es halt immer. Bis man sich über den SingleRelease zum blöden Streit auf Kinderniveau hinabbegab. Das hat Nerven gekostet“ Und den einen oder anderen Vertrag – auch nicht immer so cool, wie die Fans das finden.

Das soll nun nicht so weitergehen und darf es wahrscheinlich auch nicht „AJso, zu so Fernsehshows, bei denen ich bloß ein Spiel um Millionen dekorieren soll, geh ich trotzdem nicht, sogar Jürgen von der Lippe hab ich abgesagt“ Ganz sicher: Seine Promoter werden sich auf die Unterlippe gebissen haben. „Zwei Foto-Sessions übrigens hab ich heute schon gemacht, das war früher auch anders.“ Stimmt. Da waren Guerüleros ja auch noch keine Komödianten. Jedenfalls dann, wenn der Rückblick uns nur keine Streiche spielt und seine Bilder mit dickem Nebel überzieht.

Also lieber wieder in Konkreta. Warum wohl, so fragen sicherlich auch sachkundige und im Falle Boa ergo durchschnittliche Fans, hat der einst zu einem kleinen Genie erklärte Phillip seinen Voodoo Club fürs neue Album nun mit Maik T am Bass, mit Moses Pellberg an den Drums, dem Keyboarder Toett und dem Multi-Instrumentalisten David Vella sowie der maltesischen Sängerin Alison Galea besetzt? Folgen seine stetig wechselnden Line-Ups einem mysteriösen Konzept, gar der genialischen Eingabe? „Nein“, oh Scheiße, wie profan, „das sind Ausgeburten zufälliger Koinzidenz. Außerdem ist Namedropping sowieso nicht mehr wichtig. Ich hab die irgendwo eben kennen gelernt – und mich zur Zusammenarbeit entschlossen.“ Und wenn sich auch dabei am Ende banale Dance-Rhythmen mit Pomp und Pop und Rave mischen, dann ist das halt nur so, „weil ich immer gemacht habe, was mir gerade einfiel. Da waren Sachen wie etwa House Music dabei, die daneben gingen und auch Songs, auf die ich noch immer stolz bin. Meine Niederlagen haben mich auch immer wieder zurück auf den Boden gebracht“ Und außerdem sei die Zeit, seien diese 15 Jahre seiner Karriere »ja so unheimlich schnell vergangen. Das hört sich jetzt an wie ein Satz von Arthur Rubinstein aus dem Jahr 1980, oder? Dabei waren meine Statements ja früher mal besser als die von Noel Gallagher!“

Doch früher ist verdamp lang her.

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates