Der Sound der Genossen
In der Hamburger Sternschanze haben sich mal allerlei Alternativen verschanzt und Autonome das Pflaster aufgerissen, um das Phantom der Touristen zu vertreiben. Strand war dann doch nicht drunter. Heute würden grüne Studienräte hier die schwarzafrikanischen Dealer zu gerne zum Hauptbahnhof abschieben. In die Schanze also wird man gebeten zum Gespräch mit Stella, der Band. Ins spießige Cafe einer Konditorei. Thies sagt: „Begriffe wie Linksradikalismus müssen in diese Zeit zurückgeführt werden.
Das sagt doch niemand mehr. Außer den Goldenen Zitronen.“ Sängerin Elena kichert: „Und Chumbawamba. Aber die sehen scheiße aus.“
Ähnlichkeiten sind da nicht ausgeschlossen. Nicht im Aussehen. Und Stella machen auch die besseren Lieder. Elektronische Musik, vertrackte Sounds und plakative Samples mit rasselnden Beats und hinreißenden Melodien, Ohrwürmer mithin. Ska. House. Piano. Punkriffs. New Wave, wie Stella sagen. Gebrüllte Gedanken. Deee-Lite. Ansätze von Drum-’n’Bass. Einmal singt Elena fast wie Björk. Mädchenpop würden Machos nun schreiben. Aber nicht mit Elena. Die ist Feministin und spricht es auch so aus: „Feminismus ist die Grundausstattung einer souveränen Frau. Noch immer werden Frauen in Rollen gedrängt – und sind damit auch einverstanden.“ Daher formuliert sie „Maximalforderungen“ wie in „ID, Please“, einem Song gegen die Frauenklischees in Klischeefihnen. „Ich möchte mich im Kino auch unterhalten, aber dafür muß ich mich mit der Frauenrolle identifizieren können und sei es nur die Haarfarbe. Daher fordere ich, daß ein Film Frauen mal zeigen sollte, wie sie wirklich sind.“ Dann erklärt Elena, sie möge keine „billigen Klamotten oder schlechte Kosmetik“. Ist das Rosa Luxemburg oder schon Mutter Beimer?
Stella sind keine Punks, eher Proseminar. Und als würden sie darum wissen, hilft im Titelsong ihres Debütalbums „£*fra Life“ nur noch der Glaube: „Buy two, get one free/ An extra life is what I need/ Dear good please, beware me/ Of becoming a bourgeois entity.“ Sie wollen mehr. Und vieL „Wir sind schon ziemliche Egos“, erklärt Elena. Thies nennt es „kollektive Egozentrik“, die ja auch produktiv sei. „Naja, oft ist es superanstrengend“, erwidert Elena. „Ein ständiger Kampf, auch weil wir aus verschiedenen sozialen, geschlechtsspezifischen Strukturen kommen“. Sie kichert „Und Mense ist der Tyrann schlechdiin.“ Das ist der heute unpäßliche zweite Mann der Troika, die sich widersprüchlich und widerspenstig gibt wie ihre Musik klingt Scheint dem WG-Prinzip zu folgen. Nehmen wir dieses Gitarrensample? Und wer bringt den Müll raus?
Streitkultur würde der Feuilletonist schreiben, aber Stella schreiben sich fast von selbst. Das geht so: „Ich programmiere, schreibe auch Texte. Was halt anfallt in einem Kollektiv“, sagt Thies. Und Elena sagt: „Wir arbeiten viel mit anderen Leuten.“ Er: „Uns ist wichtig, als Posse mit einer Basis zu kooperieren…“ – „Mensch, Thies, nun übertreib nicht wieder.“ – „Das ist doch besser, als so abstraktiv… wieder zu abstrahieren. Strukturen! Zusammenhänge! Da sag‘ ich lieber Posse.“ Sie, milde: „Dann sag‘ halt Posse.“ Einig war sich die Linke aber darin, keine „Indierockplatte“ machen zu wollen. „Vor zwei Jahren hätte ich mich glatt als Rockerin bezeichnet“, verrät Elena. Nun läßt sie nur die Band Come gelten. „Das ist fast Bluesrock, aber die Sängerin ist eine total klasse Gitarristin und ’ne Lesbe.“ Aha. Sie schwärmt von japanischen Mädchen. EgaL Sie mag auch Marx, der schreibe „sehr humorvoll“. Da wurde sie Kommunistin. -Ich wurde so erzogen und will, daß seine Theorie richtig ist“, ereifert Elena sich. Seine Analyse der Besitzverhältnisse, die sie als „Pseudoindividualismus“ anprangert, gelte immer noch. Daß ihre Radikalität eher Rhetorik als gelebte Realität ist, akzeptiert sie nicht als Kritikpunkt „Ich lebe im Kapitalismus, muß essen und wohnen. Für mich ist kein besserer Kommunist, der auf einen Porsche verzichtet Ich habe nichts dagegen, wenn alle reich wären.“ Welch entzückender Enthusiasmus, schreibe ich als Chauvi mal hin. Sie „teile auch gerne, aber auf meinen Luxus will ich nicht verzichten“. Dafür schickt Mama der 21jährigen etwas Geld. So macht der Diskurs doch Freude! Nur: Ist das nicht Salonbolschewismus?
„Be Good. Be Bad. Just Be/ But please be without me“, beantworten Stella in „Perfume“ einen Nike-Slogan. Verweigert wird, was nicht gefällt. Das ist gut und richtig wie ihr Song „O.K., Tomorrow FU Be Perfect“. Heute Szene. Morgen Stars.