Der Soul

Ein schmächtiger weißer Junge beschwört die Klassiker: Jesse Dee

Jesse Dee macht vieles richtig, der studierte Kunstmaler und Grafiker, der in Boston aufwuchs und schon im Kindesalter die lokalen R’n’B und Soulsender hörte. Für einen 29-Jährigen hat er eine herrlich sonore Stimme, mit der er vom Reibeisen bis zum Samt virtuos modulieren kann, er spielt eine funkige, akzentuierte Gitarre und weiß sie dabei stets in Zaum zu halten, etwa wenn die wuchtigen Bläser einsetzen oder Bass und Schlagzeug besonders schön miteinander harmonieren, und vor allem hat er seine Lehrmeister studiert, ohne sie billig zu imitieren. Sam Cooke, Otis Redding und Wilson Pickett, die großen Sänger des Soul, sind unüberhörbar Jesse Dees musikalische Vorbilder, ihnen zollt er auf seinem Debüt „Bittersweet Batch“ Tribut, mit der Essenz aus der goldenen Ära des Genres. Als hätte es den in den Neunzigern kommerziell erfolgreichen wie weichgespülten Neo-Soul gegeben, steht Jesse Dee am Anbeginn des 21. Jahrhunderts für den lebensbejahenden und rauen Sound, den einst Labels wie Stax und Atlantic prägten. Und er singt dazu von den traditionellen Themen des Soul, jenem Genre, das in den Sechzigern als der Soundtrack zur schwarzen Bürgerrechtsbewegung unsterblich wurde. Für einen schmächtigen, weißen Jungen wie Dee ein mächtiges Erbe, das auf seinen Schultern lastet. Doch Soul ist Musik, die aus den Tiefen der Seele kommt, und diese kennt bekanntlich keine Hautfarbe.

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