Der schwedische Songschreiber Christian Kjellvander hebt seine Heimat und den amerikanischen Mythos jenseits aller Klischees
In Presse-Infos der Plattenfirmen reicht es manchmal, wenn da nur steht: „skandinavischer Songwriter“. Das hat sicherlich mit so viel versprechenden Künstlern wie Nicolai Dunger, St. Thomas und meinetwegen auch Kristofer Aström, aber wohl auch mit einer bestimmten Klischeevorstellung zu tun, die m.“ n mit diesen beiden Worten verbindet: „skandinavischer Songwriter“. Leicht überspitzt formuliert: Ein leicht verhutzelter, trauriger junger Mann sitzt in einer Hütte im Schnee und bringt bei Kerzenlicht düstere Introspektionen zu Papier.
„Ja“, lacht der schwedischer Songschreiber Christian Kjellvander aus Lund, „das liegt gar nicht so sehr daneben. Aber mal ehrlich: Was in diesem Klischeebild deutlich wird, ist doch ein bestimmtes Verständnis von Individualität und Isolation. Es gibt in Schweden keine richtige Musikszene. Es gibt zum Beispiel in Lund zwar viele Bands, aber die sind alle so unterschiedlich, dass man gar nicht auf die Idee kommt, auch mal zusammenzuarbeiten. Das bedaure ich ein bisschen.“
Für Kjellvander muss die Abwesenheit einer Musikszene besonders schwer wiegen, hat er doch schließlich seine formativen Jahre Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre in Seattle verlebt. Das Haus seiner Eltern ziert eine Pearl Jam-Single, die kurz vor der Veröffentlichung von „Ten“ an Fanclub-Mitglieder verteilt wurde. „Dieser Gedanke, ganz Seattle sei quasi eine Art Grunge-Szene, wurde natürlich erst durch die Plattenfirmen propagiert. Das war alles sehr kleinteiüg, und man hat von einer Szene, wie man sich die so landläufig vorstellt, nicht viel mitbekommen. Aber das war schon sehr aufregend damals.“ Seit 1992 lebt Kjellvander wieder in Schweden, hat aber durchaus einen Teil von Amerika mit hinüber gerettet. So erinnert der erste Song auf dem Solo-Debüt (vorher spielte er in einer Band namens Loosegoats) „Songs From A Two-Room Chaper, „Homeward Rolling Soldier“, schon sehr an den guten alten „Wayfaring Stranger“. „Mein Songwriting hat sicherlich auch eine amerikanische Seite. Ich liebe die Metaphern, die in den alten Folk- und Bluessongs, wie man sie beispielsweise auf Harry Smiths ‚Anthology Of American Folk Music‘ hören kann, verwendet werden. Die Straße und das travelling sind beispielsweise einfach gute Bilder für das Leben und Weiterkommen. Ich möchte aber nicht in dieses Jack-Kerouac-‚On The Road‘-Songwriterklischee fallen. Ich bleibe da schon auf Distanz. Schließlich bin ich Schwede und sehe den amerikanischen Mythos ja quasi von außen. Wenngleich ich manchmal das Gefühl habe, in Schweden laufen mehr Charaktere aus alten Folksongs rum als in den USA.“