Der Schotte IAIN BANKS jongliert mit Horror, Thril ler und Politik – wenn er nicht gerade SciFi schreibt
Seit Jahren ist er in seiner Heimat nicht nur einer der am meisten gelesenen Autoren, sondern gleich zwei. Im Jahrestakt legt der Schotte abwechselnd Science-Fiction- und straighte Romane vor. Fans der von Wolfgangjeschke veröffentlichten Heyne-SciFi-Fließbandwaren kennen Iain M. Banks‘ Fantasy-Epen („die einzigen politisch links angesiedelten Space Operas überhaupt“ – wobei das mehr beinhaltet als viele Drogen und Sex in einer Welt ohne Geld). Die „normalen“ Romane von Iain Banks – zu entdecken in jeder britischen WG, bei jeder U-Bahnfahrt in den Händen einer Blauhaarigen oder eines City-Bankers – sind hier zu Lande fast unbekannt. Das ist erstens sehr ärgerlich, zweitens darauf zurückzuführen, dass viele in Jeschkes Reihe erschienen und damit im Sortiment der UFO-Dramen und schwarzen Löcher verschwanden.
Iain Banks wird gelesen, geliebt und gekauft, weil er über Sex & Drugs & Rock ’n‘ Roll schrieb, als Irvine Welsh noch Informatik statt Rauschmitteln studierte, Nick Hornby einen auf Pauker machte. Banks‘ Romane beginnen mit der Explosion der Großmutter oder in der zweiten Person Präsens („Nach anderthalb Stunden hörst du den Wagen.“). Weiter geht’s mit PC-Games, Tierquälerei, Inzest und Mord. In einem von Thatchers Politik der Egomanie vernachlässigten Schottland drehten Protagonisten besonders gern durch; besonders unvergesslich aus persönlichen Gründen (Erkenntis, gar nicht als Junge geboren zu sein usw.). Kurzum: Wer seine Lektüre am liebsten so hat wie Hochschul-Seminarleiter, also „klar und kalt und pur und sehr tot“ (Sinclair Lewis), der hat hier einfach nichts verloren. Iain Banks jongliert ohne jede Hemmungen mit Horror, Thriller und Politik, „vor allem, um mich selbst zu unterhalten. Total narzisstisch“.
„Die Aufsteigerin“ (Blanvalet), im Original „The Business“ und zurzeit der einzige auf deutsch lieferbare Non-SF-Roman, entstand, als Giga-Konzerne wie Enron und Worldcom noch Börsen-Spekulanten an der scheidewandlosen Nase herumführten. Für klarsichtige Gemüter, gerade wenn so anarchosozialistisch gesinnt wie Banks, war auch vor dem Ronsommerloch klar, dass es in den höheren Etagen um mehr geht als Shareholder-Values, nämlich Macht, Reichtum, Patente und deren stete Vergrößerung. Marginal origineller aber schwerfällig ist der Einstiegsdialog, gebremst durch den Umstand, dass dem Sprechenden „irgendein Arsschloch die Hälfte meiner Sschähne rausgenommen“ hat. Auch unangenehm: die schwer verständliche und gar nicht lustige Übersetzung des schottischen Patois- „Missis, sä ham sacht, dassä es keenen eenem säggen tun!“
Zusätzlich gleichen die Strukturen des namenslosen „Unternehmens“ einem Labyrinth, bleiben Charaktere aber flach. Dreidimensionaler, dabei kaum unterhaltender sind die Anwesen und Reiche der Reichen, des Geldsowie mehr und minder aktiven Adels. Banks‘ Talent blitzt selten auf – so bei dem Patent für „Incam“, einer Röhre aus Aluminium, Plastik oder sogar Wachspapier, die dazu gedacht ist, zwei abgemessene Dosen fein gemahlenen Pulvers in die Nasengänge zu befördern.—
Nach „Die Brücke“ ist dies ein neuerlicher Anlauf Banks‘ in kafkaeske Territorien, ein Klimmzug zu Alasdair Grays „Lanark“. Nicht zum ersten Mal versucht er sich an einer Protagonistin. Man will vor seinen unermüdlichen Versuchen den Hut ziehen. Doch selbst Fans dürften den Humor in „Die Aufsteigerin“ als gestelzt empfinden, als strapaziös die Erörterungen über Regelwerk und Ursprung des Unternehmens („älter als die christliche Kirche aber nicht das Römische Reich“). Die Manipulierbarkeit von Belegen und Quittungen, das Umschreiben von schwarzen in rote Zahlen, die Arroganz der New Economy und Ignoranz der Anleger (plus vieles mehr) wären gute Themen gewesen. Sie kommen in „Die Aufsteigerin“ aber leider nicht vor.
Banks, dessen frühe „Wasp Factory“ unvergessen ist, schwimmt mit seinen Ideen erneut gegen den Strom – nur eben in eine Richtung, bei der man kaum mit wilL Kurz und knapp und verwirrend und verzeihbar: Was als Comedy geplant war, passt nicht auf eine Leinwand für Trans-Realitäten, wenn Farben des Gothic Horror die Konturen echter Monster verwischen.
Das ist erstens schade, zweitens ernüchternd, wäre doch nun endlich die Bahn frei, Banks hier zu Lande richtig und neu zu vermarkten – nun da Heynes SF-Reihe nach weit über tausend Titeln und 30 Jahren Hyperaktivität mit der Pensionierung Jeschkes verebbt ist.