Der Schmierlapp
Nicht versäumen: Immer sonntags gibt Christoph Maria Herbst auf Pro Sieben das Angestellten-Ekel "„Stromberg"
Man darf nicht allzu viel erwarten vom deutschen Fernsehen. Meist tappt man als halbwegs anspruchsvoller Zuschauer ziemlich im Dunkel herum und rammt mangels Erleuchtung mit dem Hirnbehälter irgendwelche intellektfreien Erscheinungsformen televisionären Seins. Das Angebot an Gruseligkeiten erscheint unübersehbar, wobei Phänomene wie Gerichtsshows, Telenovelas oder Frauke Ludowig noch als harmlos zu klassifizieren sind. Als unmittelbare Folge stellen sich Erschöpfungszustände ein, welche nahtlos ins Phlegma übergehen, das irgendwann mit dem Exitus auf der Sitzgarnitur enden muß. Die Vision ist bedrohlich: Der bleiche Finger rutscht schlußendlich von der Fernbedienung und aus die Maus.
Aber dann sind sie plötzlich doch da, die grellen Blitze im Nichts, die Ausnahmeerscheinungen, die derart verwirren, daß man eine Weile nicht mehr weiß, ob man noch auf dieser Welt weilt oder längst eine andere, eine bessere betreten hat, eine Welt, in der es keine Nina Ruge und keinen Reinhold Beckmann gibt.
Einer dieser Blitze hat einen Namen. Er heißt Christoph Maria Herbst und ist möglicherweise das, was man mit Fug und Recht als Ausnahmeschauspieler bezeichnen darf. Ganz früher hat Herbst mal in einigen „Sketchup“-Folgen mitgemacht, was weitgehend unbeachtet blieb und höchstens jenen verraten wird, die noch spätnächtlich im übrig gebliebenen Programm wühlen. Einer breiten Öffentlichkeit kam der gebürtige Wuppertaler allerdings erst näher, als er sich neben Anke Engelke in deren Sketch-Show „Ladykracher“ als lapidarer Anspielpartner der Chefin präsentieren durfte. Da fragten schon manche, wer das denn sei, dieser sympathische Kerl an Ankes Seite. Es gab ein paar nette Geschichten über Herbst, aber als La Engelke dann wegen ihres inzwischen grandios gescheiterten Spätnacht-Engagements bei Sat 1 die „Ladykracher“-Angelegenheit ruhen ließ, verschwand der freundliche Mann wieder in der Versenkung.
Als er wieder auftauchte, mochte mancher seinen Augen nicht trauen. Aus dem netten Kerl war ein richtiges Arschloch geworden, einer, dem man aus zwei Meilen Entfernung ansieht, daß er stinkt, wenn er viel schwitzt, und er schwitzt oft. Das liegt daran, dass er ein Idiot ist und als solcher die Welt nicht versteht. Was sich gut trifft, denn die Welt wartet auch nicht mit allzu viel Verständnis für ihn auf. Längst ist nicht mehr die Rede von Christoph Maria Herbst, vielmehr steht nun im Mittelpunkt die Figur, die ihn noch ganz groß machen wird.
Bernd Stromberg heißt die und ist etwas, das man in Herbsts Wahlheimat Köln gerne auch als Schmierlapp bezeichnet. Stromberg ist Abteilungsleiter bei der Capitol-Versicherung, trägt zur Halbglatze ein Klobrillenbärtchen und macht Witze immer nur auf Kosten anderer. Er ist faul, schmierig und kehrt gerne mal den Kumpel raus, wenn es ihm denn nützt. Stromberg lügt, zu seinem eigenen Leidwesen aber grottenschlecht. Man sieht schnell, daß mit diesem Mann etwas nicht stimmt.
Christoph Maria Herbst spielt diesen Stromberg, dessen Arbeitsalltag eine auf Doku-Soap getrimmte Kamera einfängt. Anfangs redet Stromberg genau so, .wie jemand redet, auf den eine Kamera gerichtet ist. Aber je weiter es geht, desto mehr scheint er die Anwesenheit des Objektivs zu vergessen. Das ist anfangs überhaupt nicht lustig, weil man als Zuschauer nicht weiß, wie man das Geschehen einordnen soll. Darf man lachen über solch einen fiesen Idioten? Ist das noch Comedy?
Es ist, und das ist fast durchweg dem Hauptdarsteller zu verdanken. Der spielt den Fiesling vom Dienst mit Hingabe und verdeutlicht mit wildem Augenspiel vor allem dessen Zerrissenheit. Freunde gepflegter englischer Komik kennen so etwas von John Cleese, dem Monthy-Python-Schauspieler, der in der Serie „Fawlty Towers“ immer wieder höchst brillant oszillierte zwischen schleimendem Bückling und arrogantem Widerling. Man übertreibt nicht, wenn man Herbsts Spiel in die Nähe des großen britischen Altmeisters rückt. Genau wie Cleese verfügt er über das Gefühl fürs richtige Maß.
Die Serie, in der Herbst all das darf, heißt wie die Hauptfigur: „Stromberg“. Die erste Staffel war nicht direkt das, was man einen Straßenfeger nennen könnte. Vielmehr machten sich nach wenig berauschenden Quoten alle Liebhaber dieser Art von Humor Sorgen, ob Pro Sieben den Mut aufbringen würde, dieses beim englischen „The Office“ entlehnte Experiment fortzusetzen. Die Sorgen waren unbegründet, und dafür muß man diesen Sender mal vollmundig loben.